Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 06.07.1990, Az.: 2 U 224/89

Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung von Waren durch Umbauarbeiten im Nachbargeschäft; Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch mangelhafte Sicherungsvorkehrungen gegen das Einstauben von Gegenständen Dritter; Pflicht, während der Dauer des Baus die Baustelle mit zumutbaren Mitteln so zu sichern, daß objektiv erkennbare Gefahren von Dritten ferngehalten werden; Erkennbarkeit der Gefahr für die Rechtsgüter Dritter; Verletzung einer Schadensminderungspflicht des Geschädigten durch unterlassene Sicherung seines Eigentums

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
06.07.1990
Aktenzeichen
2 U 224/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 17198
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1990:0706.2U224.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - 27.09.1989 - AZ: 2 O 146/89

Fundstellen

  • BauR 1991, 486-487 (Volltext mit amtl. LS)
  • IBR 1991, 438 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • VersR 1992, 629 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Firma Baugeschäft ...
vertreten durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin, die ... diese
vertreten durch ihren Geschäftsführer, den ...

Prozessgegner

Kaufmann ...

Redaktioneller Leitsatz

Für eine Bauunternehmerin besteht die Pflicht, während der Dauer des Baus die Baustelle mit zumutbaren Mitteln so zu sichern, daß objektiv erkennbare Gefahren von Dritten ferngehalten werden. Dieses gilt jedenfalls so lange, wie sie tatsächliche Herrschaft über das Baugeschehen und die Baustelle hat.

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 1990
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ...
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ... vom 27.09.1989 - 2 O 146/89 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist für den Kläger ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird jedoch nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 78.500,- DM abzuwenden, wenn nicht zuvor der Kläger in derselben Höhe Sicherheit leistet.

Der Wert der Beschwer der Beklagten und der Streitwert für den Berufungsrechtszug werden auf jeweils 53.068,20 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt in ... im Erdgeschoß des Hauses ... ein Geschäft für Damentrachtenmoden. Vermieter ist Herr .... Dieser ist gleichzeitig Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma ..., die im gleichen Haus im Nachbarladen ein Optikergeschäft betreibt. Von beiden Geschäften gelangt man im hinteren Bereich in einen gemeinsamen kleinen Flur eines Treppenhauses (vgl. im einzelnen die Skizze Bl. 40 d.A.). Über das Treppenhaus erreicht man das erste Obergeschoß. Dort benutzt der Kläger Lagerraum (vgl. die Skizze Bl. 127 d.A. mit dem offenen Vorflur, Raum 17, und dem dahinterliegenden abschließbaren Raum 18). Die im darüberliegenden zweiten Obergeschoß befindlichen Räume bewohnt Herr ...

2

Im Januar 1989 ließ die ... ihre Geschäftsräume durch die Beklagte umbauen. Herr ... informierte darüber am 05.01.1989 den Kläger. Die Arbeiten begannen mit Abbrucharbeiten am Montag, dem 09.01.1989.

3

Im Verlauf der Arbeiten verstaubten Waren im Geschäft des Klägers im Wert von etwa 75.666,- DM (vgl. Gutachten des Sachverständigen ... vom 26.01.1989 mit Anlagen Bl. 5-12 d.A., darunter Waren im Einkaufswert von 9.978,- DM im Lagerraum des Obergeschosses, Bl. 160 d.A.).

4

Der Kläger hat behauptet, am Dienstag, dem 10.01.1989, habe seine Angestellte, Frau ... abends nach Geschäftsschluß erste leichte Stauberscheinungen festgestellt und deshalb die Tür zum Flur des Treppenhauses abgedichtet. Als sie am nächsten Morgen um 09.00 Uhr den Laden betreten habe, seien Ware und Laden in erheblichem Umfang durch Staub verschmutzt gewesen. Gerade durch diesen Staubanfall sei es zu dem Schaden an der Ware in Höhe von 75.666,- DM gekommen. Das Geschäft sei bis zum 26.01.1989 nicht nutzbar gewesen. Deshalb habe er die Miete bis zu diesem Zeitpunkt in Höhe von anteilig 3.344,- DM nutzlos aufgewandt. Für Reinigung habe er 2.620,60 DM zahlen müssen. Er habe von seinem Wohnort ... zusätzlich viermal nach ... fahren müssen, wodurch ihm Fahrtkosten von 349,60 DM entstanden seien. Seinen beiden Mitarbeiterinnen habe er für Überstunden 432,- DM zahlen müssen.

5

Auf den damit geltend gemachten Gesamtschaden von 82.412,20 DM hat die Haftpflichtversicherung der Beklagten unstreitig 26.000,- DM gezahlt. Weitere Zahlungen hat sie mit Schreiben vom 13.03.1989 abgelehnt. Der Kläger nimmt Bankkredit zu 9,75 % Zinsen in Anspruch.

6

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 56.412,20 DM nebst 9,75 % Zinsen seit dem 13.03.1989 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie hat behauptet, ihr Bauleiter ... habe seine Mitarbeiter darauf hingewiesen, daß die Schiebetür vom Optikergeschäft zum Flur während der Arbeiten ständig geschlossen bleiben müsse. Sie sei aber vom Vermieter und von Handwerkern anderer Gewerke häufig benutzt worden. Andere Handwerker hätten auch wiederholt die Tür vom Flur zum Geschäft des Klägers benutzt, um durch den Laden des Klägers in den Keller zu gelangen. In der Zeit vom 09.-12.01.1989 habe die Firma ... im Flur Schlitze zur Verlegung von Elektrokabeln gestemmt. Dadurch sei es zu erheblicher Staubentwicklung gekommen.

9

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, der Kläger habe selbst Vorkehrungen zum Schutz seiner Ware treffen müssen, ggfls. seinen Laden schließen müssen. Auch müsse er sich das Verschulden anderer, einschließlich das des Herrn ..., anrechnen lassen. Sie hat behauptet, ihre Mitarbeiter seien in der Ausführung derartiger Arbeiten erfahren und laufend überwacht worden.

10

Die Beklagte hat einzelne Positionen des geltend gemachten Schadens bestritten und gemeint, daß wegen der unstreitigen Sicherungsübereignung der Warenvorräte an die Stadtsparkasse ... dem Kläger kein Schaden entstanden sei.

11

Das Landgericht ... hat Beweis erhoben zu den Fragen des Beschlusses vom 21. Juni 1989, Bl. 53 d.A. (vgl. Protokoll Ober die Beweisaufnahme vom 28.08.1989, Bl. 82 ff d.A.).

12

Durch Urteil vom 27. September 1989 hat das Landgericht ... der Klage überwiegend stattgegeben mit der Begründung, daß der Kläger in den Schutzbereich des Werkvertrages einbezogen gewesen sei und die Beklagte keine ausreichenden Vorkehrungen zum Schutz des Ladens des Klägers getroffen habe. Wegen des Mietanteils für Januar 1989 hat es die Klage in Höhe von 3.344,- DM abgewiesen. Auf die Begründung des Urteils wird Bezug genommen.

13

Gegen das ihr am 09. Oktober 1989 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09. November 1989 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.01.1990 an diesem Tag begründet hat.

14

Die Beklagte macht mit der Berufung geltend, der Kläger müsse für den eingetretenen Schaden zu 65 % selbst einstehen. Sie vertritt weiter die Auffassung, der Kläger habe selbst Schutzmaßnahmen treffen können und müssen, da ihm die Umbauarbeiten bekannt gewesen seien und er und seine Mitarbeiterinnen schon am Montag und Dienstag hätten feststellen können, daß Abbrucharbeiten erfolgten. Die Mitarbeiterinnen des Klägers hätten ihre, der Beklagten, Arbeiter zu spät benachrichtigt, nachdem sie am Dienstag Staubanfall bemerkt hatten. Sie legt dazu die Tagelohnnachweise für die Tage vom 09.-11.01.1989 vor (Bl. 147-149 d.A.). Die Beklagte behauptet, der Lagerraum des Klägers im ersten Obergeschoß habe offen gestanden. Außerdem habe im offenen Vorflur Ware gelagert.

15

Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, der Kläger habe sich mangelnde Sorgfalt des Vermieters ..., auch durch nicht ausreichende Unterrichtung des Klägers, als Mitverschulden anrechnen zu lassen.

16

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts ... vom 27.09.1989 abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, im Vorraum des Lagers seien nur Müllsäcke, Kleiderbügel und Verpackungsmaterial gelagert worden. In dem eigentlichen Lagerraum seien die gerade nicht benötigten Sommersachen verstaut gewesen; dieser Lagerraum sei stets verschlossen gewesen.

19

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und ... (vgl. Beweisbeschluß vom 15.03.1990, Bl. 142 d.A., und Niederschriften über die Beweisaufnahmen vom 25.05.1990, Bl. 161 ff d.A., und 31.05.1990, Bl. 178 ff d.A.).

Entscheidungsgründe

20

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

21

Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz des ihm infolge der Umbauarbeiten entstandenen Schadens in Höhe von 53.068,20 DM aus § 823 Abs. 1 BGB.

22

Das Eigentum des Klägers an der Ware ist durch den Staubbefall beschädigt worden, da der Baustaub derart in die Stoffe eingedrungen ist, daß eine Staubentfernung ohne Beeinträchtigung des Gewebes nicht mehr möglich ist und nach einer chemischen Reinigung die Ware nicht mehr als neuwertig verkauft werden kann. Auch sein Besitz an dem gemieteten Laden ist durch den starken Staubbefall beeinträchtigt worden.

23

Die Verletzung des Eigentums des Klägers scheitert nicht daran, daß seine Waren der Stadtsparkasse ... sicherungsübereignet waren. Diese hat ihre Schadensersatzansprüche hinsichtlich der Warenvorräte an den Kläger abgetreten.

24

Die Rechtsgutverletzung ist durch die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten verursacht worden.

25

Für die Beklagte ergab sich aus ihrer Tätigkeit als Bauunternehmerin die Pflicht, während der Dauer des Baus die Baustelle mit zumutbaren Mitteln so zu sichern, daß objektiv erkennbare Gefahren von Dritten ferngehalten werden (vgl. BGH NJW 1971, 752 für Unfallverhütung; Palandt-Thomas, 49. Aufl. 1990, § 823 Anm. 8 B "Bauarbeiten und andere gefährliche Arbeiten", Staudinger-Schäfer, BGB, Bd. II, 12. Aufl., § 823 Rdn. 387). Dieses gilt jedenfalls so lange, wie sie tatsächliche Herrschaft über das Baugeschehen und die Baustelle hatte (vgl. OLG Schleswig, MDR 1982, 318).

26

Ein Bauunternehmer, der Umbauarbeiten in Räumen vornimmt, hat Vorsorge dafür zu treffen, daß der dabei anfallende Staub nicht in unmittelbar benachbarte Geschäfte dringt, die nur durch Türen vom Arbeitsbereich getrennt sind, welche auch während der Arbeitszeit teilweise benutzt werden. Diese Verkehrssicherungspflicht der Beklagten bestand auch dem Kläger gegenüber. Da dieser im gleichen Geschäftshaus unmittelbar neben der Baustelle seine Geschäftsräume hat, die über einen gemeinsamen Flur nur durch Türen von den Räumen, in denen gearbeitet wurde, getrennt sind, bestand für ihn die für die Beklagte erkennbare Gefahr, durch den anfallenden Staub in seinem Geschäftsbetrieb betroffen zu sein.

27

Die Beklagte hat diese Sicherungspflicht verletzt. Allein die Anweisung des Bauleiters ... an die Arbeitnehmer, die zwischen dem Laden und der Optikerwerkstatt befindliche Tür geschlossen zu halten, war als einzige Schutzmaßnahme unzureichend, zumal diese Tür sowohl von Arbeitern der Beklagten wie von dem Eigentümer ... benutzt wurde. Die Beklagte hat jedenfalls bis zum 11.01.1989 weder eine der beiden Türen in ihrem Arbeitsbereich - zwischen Optikerladen und Optikerwerkstatt bzw. Optikerwerkstatt und Flur - abgedichtet, noch geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Staubentwicklung ergriffen, wie z.B. Abhängen von Wänden mit Planen oder Einsatz eines Staubsaugers. Falls sie nicht in der Lage gewesen sein sollte, mit geeigneten Mitteln die Entwicklung von Staub in Grenzen zu halten oder zu verhindern, daß der Staub sich über den Raum hinaus ausbreitete, in dem sie arbeitete, hätte sie ggfls. den Kläger auf das Risiko des Eindringens von Staub in seine Räume hinweisen und ihm anheimgeben müssen, seinen Laden vorübergehend zu schließen. Als Fachfirma, die Art und Umfang der auszuführenden Arbeiten im einzelnen kannte, mußte sie mit der Staubentwicklung rechnen und entsprechende Vorkehrungen treffen oder Hinweise geben. Ihr Geschäftsführer hat zu vertreten, daß er dies nicht durch entsprechende organisatorische Regelung sichergestellt hat.

28

Durch die Verletzung dieser Sicherungspflicht sind die Räume und die Ware des Klägers verstaubt. Der Staub ist im wesentlichen am Mittwochmorgen, dem 11.01.1989, in die Räume des Klägers eingedrungen. Das haben die Zeuginnen Frau ... und Frau ... überzeugend ausgesagt. Die Zeugin Frau ... hat am Mittwochmorgen bei Arbeitsbeginn festgestellt, daß Ware in einem Regal grau-weiß von Staub war und ebenso Blusen, die auf Ständern hingen, sowie Hüte verstaubt waren. Schon beim Anfassen der Ware merkte man, wie staubig sie war. Frau ... hat anschließend am gleichen Morgen festgestellt, daß alles dreckig war, der Fußboden einen grauen Belag hatte, auf den grünen Teppichfliesen im Schaufenster Schmutz war, auf Regalen weißer Staub lag und insbesondere auch auf den Waren deutlich der Dreck zu sehen war. Daß die Ware in dieser Weise verstaubt und verdreckt ist, ist durch den später beauftragten Gutachter ... bestätigt worden, der am 20. Januar 1989 eingeschaltet wurde und am 23. Januar 1989 die Ware besichtigt hat. Der Senat ist auch überzeugt, daß die Aussage der Zeuginnen hinsichtlich des Zeitpunktes ihrer Feststellungen der von ihnen festgestellten Schäden wahrheitsgemäß ist. Beide Zeuginnen haben im einzelnen geschildert, wie sie am Vorabend erste Staubentwicklungen bemerkt haben, deswegen den Vermieter, Herrn ..., und den Kläger angesprochen und Vorkehrungen getroffen haben. Ein Irrtum über den zeitlichen Zusammenhang ist deshalb nicht möglich. Dafür, daß sie bewußt die Unwahrheit gesagt hätten über den Zeitpunkt ihrer Feststellungen, bestehen keine Anhaltspunkte. Ihre Aussage wird auch bestätigt durch die des Vermieters .... Herr ... hatte zwar keine konkrete Erinnerung mehr daran, von wem er zuerst angesprochen wurde, er meinte, von Frau .... Er hielt es aber jedenfalls auch für gut möglich, daß am Mittwoch massiv Staub aufgetreten war.

29

Durch die vom Kläger vorgelegten Tagelohnzettel ist die Richtigkeit der Aussagen von Frau ... und Frau ... nicht widerlegt. Aus ihnen ergibt sich nicht, daß am Mittwoch keine Arbeiten ausgeführt worden sind, die zu Staubentwicklungen führten. Es ist auch nicht sicher, ob alle Einzelarbeiten auf dem Tagelohnnachweis jeweils vollständig und dem Arbeitstag genau zugeordnet aufgenommen sind.

30

Der Arbeitsstaub am Mittwochmorgen kann nur durch die Beklagte verursacht worden sein. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß zu diesem Zeitpunkt Handwerker andere Gewerke auf der Baustelle mit Arbeiten, bei denen Staub entstand, beschäftigt waren. Auch nach dem Bauzeitenplan des Architekten, der nach Aussage des Zeugen ... eingehalten ist, waren zu dieser Zeit keine anderen Unternehmer mit entsprechenden Arbeiten auf der Baustelle. Das galt insbesondere auch für die Arbeitskräfte des Zentralheizungs- und Lüftungsbaumeisters ..., die zwar am Montag, dem 09.01.1989, eine Stunde im Keller arbeiteten, danach aber erst wieder ab Donnerstag, 12.01.1989 und ernstlich ab 16.01.1989 gearbeitet haben. Auch die Elektroarbeiten im Treppenhaus sind erst später durchgeführt worden.

31

Der Kläger ist für den eingetretenen Schaden nicht mitverantwortlich.

32

Allein wegen der Kenntnis, daß im Nachbargeschäft Umbauarbeiten ausgeführt wurden, war er nicht von sich aus verpflichtet, Sicherungsvorkehrungen zu treffen oder seinen Laden zu schließen. Da er von der sachkundigen Beklagten nicht auf Risiken für sein Ladengeschäft aufmerksam gemacht wurde, hatte er keinen Anlaß, insofern von sich aus tätig zu werden.

33

Auch seinen Mitarbeiterinnen Frau ... und Frau ... trifft keine Mitschuld, so daß dahingestellt bleiben kann, ob und unter welchen Voraussetzungen der Kläger sich ein Mitverschulden seiner Angestellten zurechnen lassen müßte. Beide Angestellten brauchten zunächst ebensowenig wie der Kläger mit ernstlichem Schaden zu rechnen. Als sie am Dienstagabend Staub im Laden bemerkten, haben sie den Vermieter, Herrn ..., unterrichtet. Außerdem hat Frau ... wie sie überzeugend beschrieben hat, versucht, die Tür zum Treppenhaus jedenfalls teilweise abzudichten. Mehr war von ihr nicht zu erwarten.

34

Ebensowenig kann ein Verschulden des Zeugen ..., des Vermieters des Klägers, festgestellt werden. Denn er hatte mit der Beklagten eine Fachfirma beauftragt, auf deren Hinweise und Ratschläge er sich verlassen durfte. Da die Beklagte ihn nicht auf die mögliche Staubentwicklung auch in den Räumen des Klägers hingewiesen hat, hatte er keinen Anlaß, von sich aus dieser Frage nachzugehen, zumal er insoweit nicht sachkundig ist. Dafür, daß dem Zeugen ... eine ungewöhnliche und für die Räume des Klägers bedrohliche Staubentwicklung am Mittwoch, den 11.01.1989, bis 09.00 Uhr aufgefallen sein müßte - worauf er dann die Beklagte möglicherweise hätte hinweisen müssen -, ist nichts ersichtlich.

35

Im übrigen hat der Kläger für ein etwaiges Verschulden des Herrn ... nicht einzustehen, da Herr ... nicht sein Verrichtungsgehilfe ist (vgl. § 831 BGB).

36

Der Kläger hat auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht (vgl. § 254 Abs. 2 BGB) verstoßen durch Lagerung von Ware ungeschützt im oberen Stockwerk. Im Flur des oberen Stockwerkes war keine Ware gelagert. Der Lagerraum war stets verschlossen. Diese übereinstimmenden Angaben der Zeuginnen Frau ... und Frau ... sowie von Herrn ... sind schon deshalb glaubhaft, weil der Vorflur einem größeren Personenkreis zugänglich ist und im Lagerraum Sommerware aufbewahrt wurde, so daß kein Anlaß bestand, ihn im Januar nicht geschlossen zu halten.

37

Die gelten gemachten Forderungen sind auch aus unerlaubter Handlung als Schadensersatz begründet, die Reinigungskosten wegen Verletzung des Besitzes des Klägers an den von ihm gemieteten Räumen, die Reisekosten des Klägers von ... nach ... gehören zu den Folgeschäden, die in den Schutzbereich der verletzten Norm des § 823 Abs. 1 BGB fallen.

38

Die Höhe des Schadens einschließlich des Zinsanspruchs ist mit der Berufung nicht angegriffen.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

40

Die dem Kläger nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 12.06.1990 und vom 19.06.1990 geben keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung oder gar zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.

Streitwertbeschluss:

Der Wert der Beschwer der Beklagten und der Streitwert für den Berufungsrechtszug werden auf jeweils 53.068,20 DM festgesetzt.

Der Wert der Beschwer der Beklagten folgt aus § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO, der Streitwert aus §§ 3, 511 a ZPO, § 14 Abs. 1 GKG.