Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.12.1996, Az.: 4 W 258/96
Erfordernis der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren; Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes; Voraussetzungen für die Abbestellung eines Verwalters
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 12.12.1996
- Aktenzeichen
- 4 W 258/96
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 16206
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1996:1212.4W258.96.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Soltau - 21.06.1996 - AZ: 3 UR II 12/95
- LG Lüneburg - 23.08.1996 - AZ: 5 T 63/96
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs. 4 WEG
- § 44 Abs. 1 WEG
In der Wohnungseigentumssache
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters ... sowie
der Richter ... und
...
am 12. Dezember 1996
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Soltau vom 21. Juni 1996 sowie der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 23. August 1996 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin, den Beschluß der Wohnungseigentümerversammlung vom 22. August 1995 zum Tagesordnungspunkt 16 für ungültig zu erklären, wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegner im Verfahren der weiteren Beschwerde fallen der Antragstellerin zur Last, außergerichtliche Auslagen erster und zweiter Instanz werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert wird für alle drei Instanzen auf 32.100 DM festgesetzt.
Gründe
Die gemäß den §§ 43, 45 Abs. 1 WEG, 27 FGG zulässige weitere Beschwerde ist begründet.
1.
Allerdings hat die Rüge der Antragsgegner keinen Erfolg, die angefochtene Entscheidung des Landgerichts müsse bereits deshalb aufgehoben werden, weil entgegen § 44 Abs. 1 WEG nicht mündlich verhandelt worden ist. Zwar entspricht es inzwischen gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung (Nachweise bei Palandt/Bassenge, WEG, Rdn. 1 zu § 44) und auch der Rechtsprechung des Senats, daß grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren mündlich verhandelt werden muß und das Absehen von der mündlichen Verhandlung einer Begründung bedarf. Der Senat hat indessen in ständiger Rechtsprechung die Verfahrensweise der Landgerichte nicht beanstandet, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn die Parteien auf das beabsichtigte Verfahren hingewiesen worden sind und Beanstandungen nicht erhoben haben (Rechtsgedanke des § 295 ZPO). An diese Vorgabe hat sich das Landgericht durch die Verfügung vom 15. Juli 1996 (Bl. 178 d.A.) gehalten.
2.
Die Frage, ob im vorliegenden Fall jederzeit oder nur aus wichtigem Grund gekündigt werden durfte, ist entgegen der Auffassung der Antragsgegner i. S. der Antragstellerin zu beantworten, und zwar auf der Grundlage von § 34 Abs. 5 der Teilungserklärung, in der es ausdrücklich heißt, daß der Verwaltervertrag (nur) aus wichtigem Grunde gekündigt werden darf. Soweit die Antragsgegner in der Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde die Richtigkeit dieser Passage der Teilungserklärung bestreiten, können sie damit im Hinblick auf § 27 FGG keinen Erfolg haben.
3.
Das Rechtsmittel hat jedoch deshalb Erfolg, weil das Landgericht die Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes überspannt hat (§ 27 FGG).
Zwar nimmt das Landgericht im Ausgangspunkt rechtlich zutreffend an, daß ein wichtiger Grund für die vorzeitige Abberufung des Verwalters dann zu bejahen ist, wenn den Wohnungseigentümern unter Berücksichtigung sämtlicher, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann und deshalb das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört ist (OLG Hamm, WuM 1991, 218, 220) [OLG Hamm 03.05.1990 - 15 W 8/90]. Diese Voraussetzungen sind indessen zu bejahen.
a)
Zunächst einmal läßt sich nicht bezweifeln, daß die Antragsgegnerin in unvertretbarer Weise das berechtigte Begehren der Antragsgegner behindert und verzögert hat, die Frage ihrer Abberufung auf die Tagesordnung zu setzen. Die Wohnungseigentümer hatten bereits am 15. März 1995 schriftlich beantragt, die "Verwalterbestellung" auf die Tagesordnung zu setzen, was angesichts des bis Ende 1997 laufenden Vertrages der Antragstellerin nur bedeuten konnte, daß sie als Verwalterin abgewählt und ein neuer Verwalter bestellt werden sollte. Unter diesen Umständen war es nicht vertretbar und auch nicht mit einem bloßen Mißverständnis zu erklären, daß die Antragstellerin gleichwohl in der Einladung zur Wohnungseigentümerversammlung am 25. Juli 1995 diesen Tagesordnungspunkt nicht aufgenommen hat. Trotz der schriftlichen und per Telefax übermittelten Rüge vom 7. Juli 1995 (Bl. 95 d.A.), auf die die Antragstellerin sofort hätte reagieren müssen, hat die Antragstellerin erst am 13. Juli 1995 den Eindruck erweckt, als ob unter "Verschiedenes" über die Abberufung des Verwalters entschieden werden dürfe. Die Argumentation der Antragstellerin, eine Änderung der Tagesordnung sei aus diesem Grunde nicht nötig, war offensichtlich fehlerhaft, die Unrichtigkeit dieser Auskunft dürfte ihr auch nicht unbekannt gewesen sein, denn unter dem Punkt "Verschiedenes" darf nur über untergeordnete Gesichtspunkte, nicht aber über Fragen von erheblicher Bedeutung entschieden werden. Wäre unter "Verschiedenes" die Abberufung der Antragstellerin beschlossen worden, hätte allein dies zur Fehlerhaftigkeit des Abberufungsbeschlusses geführt. Das Verhalten der Antragstellerin konnte aus der Sicht der Antragsgegner den im Zusammenhang mit dem Vorliegen eines wichtigen Grundes bedeutenden Verdacht erwecken, die Antragstellerin habe planmäßig auf die Verhinderung eines ihr nachteiligen wirksamen Beschlusses hingewirkt.
b)
Darüber hinaus hat die Antragstellerin im Jahre 1994 insgesamt 114.700 DM - mithin einen sehr hohen Betrag - an bestimmte Eigentümer ausgezahlt, obwohl unter den Wohnungseigentümern streitig war, wem die entsprechenden Guthaben zustünden, und obwohl bereits eine Anfechtung der entsprechenden Beschlüsse erfolgt war, in denen schließlich die Rechtsposition der Antragsgegner bestätigt worden ist. Die Auszahlung von Geldern auf der Grundlage eines angefochtenen Beschlusses stellt indessen eine schwere Pflichtverletzung dar, eine vernünftige Erläuterung für ihr Verhalten ist von der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 20. Mai 1996 (Bl. 135 d.A.) nicht gegeben worden. Wie sich aus dem Schriftsatz der Antragsgegner vom 31. Mai 1996 ferner ergibt, hat die Antragstellerin auch nicht die gebotenen Maßnahmen durchgeführt, um die Gelder zurückzufordern.
c)
Die Antragstellerin hat auch nicht substantiiert zu dem Vorwurf der Antragsgegner erwidert, sie habe entgegen den Bestimmungen der Teilungserklärung weder eine Versicherung gegen Diebstahl noch gegen Glasbruch, vor allem aber auch keine Haftpflichtversicherung für einen Ölunfall abgeschlossen. Dazu hat die Antragstellerin im Schriftsatz vom 20. Mai 1996 (Bl. 145 d.A.) lediglich erwidert: "alle erforderlichen" (welche?) Versicherungen seien abgeschlossen worden. Der Einwand, eine Glasbruchversicherung für im Gemeinschaftseigentum stehende Fenster könne nicht abgeschlossen werden, ist nicht als überzeugend, zu der entscheidenden Gewässerhaftpflichtversicherung äußert sich die Antragsgegnerin nicht. Wenn sie dazu keine Erinnerung hatte, hätte sie die Unterlagen beim neuen Verwalter einsehen oder bei ihm anfragen müssen.
Zwar liegen die unter Buchstabe b) und c) beanstandeten Verhaltensweisen der Antragstellerin längere Zeit zurück, und der Senat teilt auch die Auffassung, daß die Kündigungsgründe jedenfalls innerhalb angemessener Zeit geltend gemacht werden müssen, ohne daß es hier einer Entscheidung darüber bedarf, ob die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten werden muß. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt (Nachweise bei Staudinger/Preis, BGB, 13. Aufl. 1994, Rdn. 69 zu § 626 BGB), daß auch zurückliegende Fehler jedenfalls dann wieder Berücksichtigung finden dürfen, wenn weitere Vorfälle auftreten, die für sich allein nicht für eine Kündigung aus wichtigem Grund ausgereicht hätten. Unter Berücksichtigung der unter Buchstabe b) und c) erwähnten Verhaltensweisen war jedenfalls die Verzögerung der Aufnahme der Verwalterabberufung in die Tagesordnung der berühmte Tropfen, der aus der Sicht der Antragsgegner das Faß zum Überlaufen brachte und eine Kündigung gerechtfertigt hat.
d)
Darüber hinaus hat die Antragstellerin nach ihrem eigenen Vortrag im Schriftsatz vom 20. Mai 1996 (Bl. 149 f d.A.) die Kündigung im Sommer 1995 zum Anlaß genommen, das gesamte bis Ende 1997 fällige Verwalterhonorar vom Konto der Antragsgegner abzubuchen. Abgesehen davon, daß die Antragstellerin sich ersparte Aufwendungen und Kosten hätte anrechnen lassen müssen, war sie zu einem derartigen Verhalten auch nicht unter Berücksichtigung von § 259 ZPO befugt, der lediglich die prozessualen Voraussetzungen einer Klage auf zukünftige Leistung umschreibt, jedoch keine Selbstbedienung des abberufenen Verwalters hinsichtlich der Durchsetzung der bis Ende der Vertragslaufzeit bestehenden Honoraransprüche rechtfertigt, schon gar nicht, solange ungeklärt ist, ob die Abberufung der Verwalterin nicht zu Recht erfolgt ist, weil in diesem Fall Honoraransprüche nicht mehr bestünden. Die Antragstellerin hatte den Beschluß über ihre Abberufung so lange, als er nicht nach § 23 Abs. 4 WEG für ungültig erklärt war, zu respektieren (Palandt/Bassenge, BGB, 55. Aufl., § 26 WEG, Rdnr. 11).
Die Antragsgegner sind auch nicht gehindert, diesen Gesichtspunkt im Rahmen des hier streitigen Verfahrens geltend zu machen. Dabei handelt es sich nicht um ein Nachschieben von Kündigungsgründen im eigentlichen Sinne, weil unter diesem Begriff nur Kündigungsgründe zu verstehen sind, die schon vor der Kündigung vorlagen, anläßlich der Kündigung aber zunächst nicht geltend gemacht worden sind. Erst nach der Kündigung begangene Fehler rechtfertigen grundsätzlich eine neue Kündigung, die in einer Klageerhebung zu sehen ist, so daß die Berufung der Antragsgegner im Rahmen der Rechtsverteidigung ebenfalls als neue Kündigung zu werten ist. Der Senat ist in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung, daß die Antragsgegner angesichts des laufenden Rechtsstreites dessen Aussetzung beantragen und zunächst eine neue Eigentümerversammlung hätten einberufen und erneut einen Beschluß über die Kündigung des Verwaltervertrages im Hinblick auf die Abbuchung des Verwalterhonorars bis 1997 hätten fassen müssen; derartige Einwände können vielmehr im Interesse der Prozeßökonomie im Rechtsstreit sofort geltend gemacht werden, weil die Eigentümer durch die Rechtsverteidigung zum Ausdruck bringen, daß sie nach wie vor eine Abberufung des Verwalters wünschen.
4.
Den Geschäftswert hat der Senat auf 75 % des Verwalterhonorars festgesetzt, der auf die Zeit zwischen der Kündigung und der regulären Vertragsbeendigung Ende 1997 entfällt.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG.
Streitwertbeschluss:
Der Geschäftswert wird für alle drei Instanzen auf 32.100 DM festgesetzt.