Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.09.2007, Az.: 11 A 1146/07

Abrundungsvertrag über Jagdbezirken als Vertrag besonderer Art mit Elementen des Pachtvertrags

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
19.09.2007
Aktenzeichen
11 A 1146/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 50607
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2007:0919.11A1146.07.0A

Verfahrensgegenstand

Abrundung eines Jagdbezirks

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 11. Kammer -
am 19. September 2007
beschlossen:

Tenor:

Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Oldenburg verwiesen.

Gründe

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die zwischen ihr und dem Land Niedersachsen, vertreten durch das Staatliche Forstamt A..., geschlossene Abrundungsvereinbarung vom 5. Juni 1970 durch die Kündigung der Beklagten vom 21. Januar 2006 nicht beendet worden ist, sondern fortbesteht.

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Der Rechtsstreit ist nach Anhörung der Beteiligten an das Landgericht Oldenburg zu verweisen.

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Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nicht gegeben, weil es sich bei dem vorliegenden Verfahren nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO handelt. Vielmehr liegt eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit vor, die nach § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte gehört.

4

Die Möglichkeit der Abrundung von Jagdbezirken durch Vertrag - wie hier im Wege der Angliederung von Grundstücken - ist in § 7 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. NJagdG vorgesehen; dies war auch bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der fraglichen Vereinbarung der Fall (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 NLJagdG vom 31. März 1953 [Nds.GVBl. Sb. I, Seite 715] in der Fassung des Gesetzes vom 11. Februar 1970 [Nds.GVBl. S. 31]). Bei derart vereinbarten freiwilligen Abrundungen handelt es sich um privatrechtliche Verträge (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 11. Dezember 2002 - 8 A 11041/02 - <[...]>; Meyer-Ravenstein, Jagdrecht in Niedersachsen, 1989, § 5 BJagdG, Art. 6 und 7 LJagdG, Rdnr. 17 ff.; Heinichen, Das Jagdrecht in Niedersachsen, 2. Aufl., 1981, Art. 7 LJagdG, III.). Hierfür spricht, dass das BJagdG - anders als zuvor das RJG - der Landesgesetzgebung einen weiten Spielraum zur Regelung vieler Einzelheiten eingeräumt hat und der niedersächsische Gesetzgeber sich für den Vorrang freiwilliger Abrundungen durch Vertrag vor derjenigen von Amts wegen entschieden hat. Er hat den Abrundungsvertrag dem Schriftformerfordernis und einem Anzeige- und Beanstandungsverfahren unterworfen und zivilrechtliche Vorschriften aus dem Mietrecht sowie einige den Jagdpachtvertrag betreffende Regelungen für entsprechend anwendbar erklärt. Bei dem Abrundungsvertrag handelt es sich damit um einen Vertrag besonderer Art mit Elementen des Pachtvertrags. Als solcher hat er zwar - neben den privatrechtlichen - auch bestimmte öffentlich-rechtliche Wirkungen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 13. November 1975 - III OVG A 58/74 -, Jagdrechtliche Entscheidungen, Band 2, II Nr. 28; Rose, Jagdrecht in Niedersachsen, 29. Auflage, 2006, § 7 NJagdG, Nr. 1.), ist jedoch kein öffentlich- rechtlicher Vertrag im Sinne der §§ 54 ff. VwVfG.

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Der gegenteiligen Auffassung (vgl. VGH München, Urteil vom 20. August 1999 - 19 B 95.2879 - <[...]>; VG Freiburg, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 K 1544/05 - <[...]>; VG München, Urteil vom 3. Juli 1997 - M 7 K 94.5732 - <[...]>) vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Streitigkeiten aus einem Abrundungsvertrag, wozu nach Ansicht der Kammer auch der Streit um die Wirksamkeit einer Kündigung der Vereinbarung gehört, fallen somit in die Zuständigkeit der Zivilgerichte (vgl. VG Oldenburg, Kammer Aurich, Urteil vom 14. Februar 1965 - A 133/65 A -, EJ II Seite 3 Nr. 8; ebenso: Pardey/Blume, NJagdG, in: Praxis der Kommunalverwaltung, D 2, § 7 NJagdG, 1.5; Meyer-Ravenstein, a.a.O., Rdnr. 20 a; Heinichen, a.a.O.).

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Soweit die Klägerin geltend macht, es gehe nicht nur um den Abrundungsvertrag, sondern auch um die "Verfügung des Niedersächsischen Ministers vom 12. Mai 1970", ist eine abweichende Beurteilung nicht gerechtfertigt. Bei dem fraglichen Schreiben des Niedersächsischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten handelt es sich ersichtlich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG oder gar um eine Abrundungsverfügung gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 NLJagdG in der seinerzeit geltenden Fassung (jetzt: § 7 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. NJagdG); für letztere wäre das Ministerium ohnehin nicht zuständig gewesen. Auch der Verweis der Klägerin auf den Beschluss des VG Braunschweig vom 7. November 1977 (IV D 5/77) verfängt nicht. In jenem Fall war Streitgegenstand nämlich ein Abrundungsbescheid der unteren Jagdbehörde, weshalb der Verwaltungsrechtsweg eröffnet war.

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Schließlich kann auch der Umstand, dass die Vereinbarung vom 5. Juni 1970 "vorbehaltlich der Genehmigung des (Verwaltungs-) Präsidenten in Oldenburg" geschlossen wurde, ebenso wenig zur Annahme eines öffentlich-rechtlichen Vertrages führen wie die Tatsache, dass das Land Niedersachsen, vertreten durch das Staatliche Forstamt A. ..., als Verfügender über die Flächen den Vertrag geschlossen hat. Denn das Land Niedersachsen ist - wie in dem Schreiben des Ministeriums vom 12. Mai 1970 auch bestätigt wird - in seiner Eigenschaft als Fiskus aufgetreten, indem es der Klägerin eigene Flächen gegen Entgelt zur Ausübung der Jagd überlassen hat.

8

Das Landgericht ist gemäß §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig, weil der nach § 8 ZPO zu bestimmende Wert des Streitgegenstandes 5.000,-- Euro übersteigt. Die Klägerin macht nämlich geltend, dass die Verlängerungsklausel mit halbjährlicher Kündigungsfrist (§ 4 der Vereinbarung vom 5. Juni 1970) dem Dauercharakter der Abrundung widerspreche und ein Kündigungsrecht der Beklagten solange nicht bestehe, wie die Gründe der Jagdpflege und Jagdausübung nicht entfallen seien.

9

Eine sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts im besonderen Verfahren der Landwirtschaftssachen scheidet nach Auffassung der Kammer - anders als die Beklagte meint - mangels Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 1 ff. LwVG oder der §§ 7 ff. LPachtVG aus. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 NJagdG gilt für einen Abrundungsvertrag zwar u.a. auch § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 bis 4 BJagdG entsprechend. Die in § 12 Abs. 3 BJagdG vorgesehene Möglichkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch das Amtsgericht betrifft jedoch allein die jagdbehördliche Beanstandung eines Vertrages (vgl. dazu Meyer-Ravenstein, a.a.O., Rdnr. 20 a). Darum geht es im vorliegenden Fall nicht.

10

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Oldenburg, in dessen Bezirk die Klägerin ansässig ist, ergibt sich aus § 29 Abs. 1 ZPO. Soweit - wie hier - die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des gesamten Vertrages zu beurteilen ist, ist auf den Erfüllungsort für die klägerische Hauptleistungspflicht abzustellen (vgl. Musielak, Kommentar zur ZPO, 5. Auflage, 2007, § 29, Rdnr. 14). Die Hauptleistungspflicht der Klägerin besteht in der Zahlung einer Entschädigung für Pacht und Wildschadenspauschale (vgl. § 2 der Vereinbarung vom 5. Juni 1970). Für Geldschulden gelten die §§ 270 Abs. 4, 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB, wonach der Zahlungsanspruch am (Wohn-)Sitz des Schuldners geltend zu machen ist (vgl. Musielak, a.a.O., Rdnr. 25).

11

Als örtlich zuständiges Gericht kommt zwar gemäß § 18 ZPO auch das Landgericht Braunschweig, in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat, in Betracht. Die Klägerin hat ein örtlich zuständiges Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit für den Fall der von ihr hilfsweise beantragten Verweisung jedoch nicht ausdrücklich benannt. Gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 2 GVG wird daher das Landgericht Oldenburg als zuständiges Gericht des Zivilrechtsweges bestimmt. Dies erscheint sachgerecht, zumal die Klägerin mit der Erhebung der Klage bei dem beschließenden Gericht zum Ausdruck gebracht hat, dass sie den Rechtsstreit jedenfalls bei einem Gericht führen will, welches für ihren Sitz zuständig ist.

12

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft.

Blaseio
Keiser
Boumann