Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 19.09.2007, Az.: 11 A 4065/05
amtliche Auskunft; Anbindung; Anmelder; Auskunft; Beweispflicht; Darlegungspflicht; Demonstration; Einbürgerung; Einbürgerungsanspruch; Freundschaftsverein; Freundschaftsverein; Kurde; kurdisch; kurdischer Volkszugehöriger; PKK; Sicherheitsbedenken; Türkei; Unterstützer; Verdacht; Verfassungsschutz; Vorstandsmitglied; Vorverlagerung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 19.09.2007
- Aktenzeichen
- 11 A 4065/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71941
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 10 RuStAG
- § 11 S 1 Nr 2 RuStAG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Anspruch auf Einbürgerung besteht nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. (jetzt: § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) nicht, wenn der Bewerber Vorstandsmitglied eines sog. Deutsch-Kurdischen Freundschaftsvereins
gewesen ist, welcher an die der PKK nahestehenden YEK-KOM angebunden ist.
Die amtlichen Auskünfte des Nds. Verfassungsschutzes sind ausreichende Beweismittel, wenn sie die Aktivitäten des Bewerbers hinreichend detailliert beschreiben und insbesondere aus dem Vortrag des Ausländers oder sonstigen Umständen keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit abzuleiten sind.
Tatbestand:
Der am 4. November 1966 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger.
Er reiste im Juni 1993 zur Durchführung eines Asylverfahrens in die Bundesrepublik Deutschland ein. Bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 19. Juli 1993 hat er u.a. angegeben: In der Nähe seines Heimatortes K. hätten Guerillas der PKK agiert. Sie seien in das Dorf gekommen und hätten seit Anfang 1992 Unterstützung verlangt. Er habe ihnen Nahrungsmittel und Geld, welches er von anderen gesammelt habe, zur Verfügung gestellt. Er habe sie auch in den Bergen herumgeführt, Medikamente aus der Stadt beschafft und Winterkleidung besorgt. Ferner habe er Zusammentreffen mit den Kämpfern im Dorf organisiert.
Mit Bescheid vom 3. März 1995 hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Kläger aufgrund eines Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 8. Februar 1995 - 5 A 670/94 - als Asylberechtigten anerkannt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Am 30. März 1995 erteilte ihm der Kreis P: eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die seit dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis weitergilt.
Mit Strafbefehl vom 9. Februar 2004 verurteilte ihn das Amtsgericht O. wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen. Der Kläger hatte eine Versammlung des Kurdisch-Deutschen-Freundschaftsvereins O. e.V. am 4. Oktober 2003 angemeldet. Er hat jedoch nicht verhindert, dass dort Werbung für die PKK/KADEK/ENRK betrieben worden ist. So hat eine Person ein Stirnband der YCK, der Jugendorganisation der PKK/KADEK, getragen. Außerdem sind Transparente mit dem Bild von Abdullah Öcalan sowie einige Plakate mit der Aufschrift „Freedom in Kurdistan“ verwendet worden. Ferner wurden Parolen wie „Freiheit für Öcalan“, „KADEK KADEK“ und „Türkei Terrorist“ skandiert.
Am 7. Oktober 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Einbürgerung und unterzeichnete am selben Tag ein schriftliches Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung.
Die Beklagte holte u.a. Stellungnahmen des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz ein, welche am 22. Dezember 2004 und 2. März 2005 erteilt worden sind.
Mit Bescheid vom 31. August 2005, zugestellt am 6. September 2005, hat die Beklagte den Antrag des Klägers abgelehnt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden: Er habe nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG keinen Anspruch auf Einbürgerung. Der Kläger habe Bestrebungen der verbotenen PKK unterstützt. Er habe bereits im Asylverfahren angegeben, dass er die Guerillatätigkeit der PKK gefördert habe. Im März 1999 sei er zudem zum Dritten Vorsitzenden des Deutsch-Kurdischen-Freundschaftsvereins O. e.V. gewählt worden. Dieser sei in die Struktur der KADEK integriert. Der Dachverband solcher Ortsvereine sei die YEK-KOM, die im Anschluss an das Betätigungsverbot für die FEYKA-Kurdistan gegründet worden sei. Diese sei Mitglied in der europäischen Dachorganisation KON-KURD. Der Kläger habe zudem am 1. September 2001 am 9. Internationalen Kurdistan-Kulturfestival in Köln teilgenommen und sei seit mindestens November 2001 aktives Mitglied der PKK. Er habe am 30. Juni 2002, 13. April 2003 sowie 17. August 2003 an Volksversammlungen der Organisation teilgenommen. Ferner habe er am 10. Januar und 4. Oktober 2003 durchgeführte Demonstrationen zu Gunsten von Öcalan angemeldet. Wegen der letzteren Versammlung sei er strafrechtlich verurteilt worden, weil dort Parolen der PKK skandiert worden seien. Ferner habe der Kläger am 15. Februar 2003 an einer Großkundgebung in Straßburg zu dem Thema „Freiheit für Öcalan“ teilgenommen. Von seiner Tätigkeit habe sich der Kläger nicht glaubhaft abgewendet. Die zwischenzeitliche Auflösung des Kurdisch-Deutschen Freundschaftsvereins O. e.V. bzw. sein Ausscheiden aus der Organisation sei taktisch motiviert. Dass er von den verfassungsfeindlichen Bestrebungen des Vereins keine Kenntnis gehabt habe, sei unglaubhaft.
Am 5. Oktober 2005 hat der Kläger Klage erhoben.
Er trägt im Wesentlichen vor: Es sei bereits zweifelhaft, ob ihm seine Angaben aus dem Asylverfahren vorgehalten werden könnten. Politische Aktivitäten vor der Einreise seien nicht geeignet, Anhaltspunkte im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG zu begründen. Das Kurdistan-Festival am 1. September 2001 in Köln sei eine rein kulturelle Veranstaltung gewesen. Er selbst sei niemals aktives für die PKK aktiv gewesen und habe auch nicht an den Volksversammlungen der PKK oder anderen Treffen dieser Organisation teilgenommen. Die Beweislast liege insoweit bei der Beklagten. Die Teilnahme an der Busfahrt nach Straßburg am 15. Februar 2003 habe einen privaten Anlass gehabt, da er so kostengünstig einen Verwandten hätte besuchen können. Es sei zwar zutreffend, dass er Dritter Vorsitzender des Kurdisch-Deutschen-Freundschaftsvereins O. e.V. gewesen sei und im Januar und Oktober 2003 Versammlungen angemeldet habe. Es sei aber zweifelhaft, ob diese inzwischen aufgelöste Organisation durch die PKK gesteuert gewesen sei. Es gebe insoweit keine konkreten Nachweise gerade für diesen Verein. Ferner müssten die Unterstützungshandlungen zumindest einen messbaren Vorteil für die PKK bringen. Er sei dem Kurdisch-Deutschen-Freundschaftsverein O. e.V. zudem aus rein humanitären bzw. kulturellen Gründen beigetreten. Die politischen Ziele der PKK habe er immer abgelehnt. Er habe auch als Dritter Vorsitzender nicht angenommen, dass der Verein die Ziele der PKK unterstütze. Er verweise insoweit auf die Vereinssatzung und darauf, dass der Verein deutsche Gründungsmitglieder habe. Außerdem sei der Verein nicht verboten worden.
Jedenfalls habe er sich von Aktivitäten zu Gunsten der PKK abgewendet, weil er nun nicht mehr Mitglied im Kurdisch-Deutschen-Freundschaftsverein O. e.V. sei. Er habe im Einbürgerungsverfahren ein Loyalitätsbekenntnis abgegeben. Seine Tätigkeiten seien auch nur solche niedrigsten Profils und Gewichts gewesen. Wenn er gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts O. Einspruch eingelegt hätte, wäre das Verfahren mit einem Freispruch zu Ende gegangen. Er habe als Leiter der Demonstration ausdrücklich davor gewarnt, gegen die Auflagen der Versammlungsbehörde zu verstoßen. Die Versammlungen selbst seien nicht untersagt worden, so dass ihm deren Anmeldung im Einbürgerungsverfahren nicht entgegengehalten werden könne.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn einzubürgern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist ergänzend auf Stellungnahmen des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 27. Februar 2006 und des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 22. August 2007.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung nach der allein in Betracht kommenden Bestimmung des § 10 Abs. 1 StAG.
Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG in der bis zum 27. August 2007 geltenden hier gem. § 40 c StAG (Antragstellung vor dem 30. März 2007) noch anwendbaren Fassung (vgl. nunmehr § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG) besteht u. a. dann kein Anspruch auf Einbürgerung, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen unterstützt, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
Bestrebungen mit dieser Zielsetzung verfolgen nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer die PKK/ENRK und ihre Nachfolgeorganisationen wie der KADEK und der KONGRA GEL (vgl. Urteil vom 8. September 2004 - 11 A 4452/03 - m.w.N.; Urteil vom 19. März 2007 - 11 A 1593/05 -). Diese Gruppierungen versuchen ihre politischen Ziele innerhalb und außerhalb der Türkei weiterhin auch mit terroristischen Mitteln durchzusetzen. Eine glaubhafte Abkehr von gewaltsamen Aktivitäten ist nicht erfolgt, wie seit 2004 wieder vermehrt auftretende Kampfhandlungen in den kurdischen Siedlungsgebieten und Anschläge gegen zivile Ziele in der Westtürkei sowie Äußerungen, die militärische Gewalt nicht ausschließen, belegen. Sie sind in Deutschland vereinrechtlich verboten und nach den Beschlüssen des Europäischen Rates weiter in einer Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen und Körperschaften aufgeführt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <130>; Berlit in: GK-StAG, Stand Oktober 2005, Rn. 131 zu § 11; Stellungnahmen des Nds. Landesamtes für Verfassungsschutz vom 22. Dezember 2004 und 27. Februar 2006; Nds. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 46 ff.; Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006, S. 134 ff.).
Der Begriff des „Unterstützens“ ist weit zu fassen. Die Regelung des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG dient dazu, verfassungsfeindlichen Bestrebungen schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Ausreichend ist daher grundsätzlich jede Tätigkeit, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Betätigungsmöglichkeiten solcher Organisationen auswirkt, wenn dies für den Betroffenen erkennbar und damit zurechenbar von seinem Willen getragen ist (vgl. BVerwG Urteil vom 15. März 2005 a.a.O., S. 124 f.; Urteil vom 22. Februar 2007 - 5 C 20.05 - NVwZ 2007, 956 <957>). Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an, weil schon die Erhöhung des Gefährdungspotentials dieser Bestrebungen verhindert werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 a.a.O.). Es darf allerdings nicht unverhältnismäßig in das Recht des Ausländers auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Handlungen eingegriffen werden, so dass es an einem Unterstützen fehlt, wenn lediglich einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation verfolgt werden (vgl. BVerwG a.a.O.).
Tatsächliche Anhaltspunkte, die eine entsprechende Annahme rechtfertigen, sind konkrete auf den Einbürgerungsbewerber bezogene Umstände, die den Verdacht verfassungswidriger Aktivitäten begründen. Für diese Anknüpfungspunkte ist die Behörde darlegungs- und beweispflichtig (vgl. Berlit a.a.O., Rn. 75 f.). Da die Vorschrift allerdings - wie ausgeführt - der Vorverlagerung des Verfassungsschutzes dient, müssen die Sicherheitsbedenken nicht tatsächlich vorliegen, sondern es reicht - in Anlehnung an polizeirechtliche Erfordernisse - ein tatsachengestützter Verdacht (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2007 a.a.O.; Berlit a.a.O., Rn. 66 f.). Daher ist auch unerheblich, ob die maßgeblichen Handlungen strafrechtlich relevant sind (vgl. BVerwG a.a.O.; Berlit a.a.O., Rn. 65 zu § 11).
Der Kläger war - wie unstreitig ist - seit Juni 1999 Dritter Vorsitzender des Ende 2005 aufgelösten Kurdisch-Deutschen Freundschaftsvereins O. e.V. Allein dies bietet tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass er die PKK bzw. einer ihrer Nachfolgeorganisationen unterstützt hat (vgl. auch OVG Koblenz, Urteil vom 4. Juli 2005 - 7 A 12260/04 - juris <Rn. 29 ff.>; VG Gießen, Urteil vom 3. Mai 2004 - 10 E 2961/03 - juris <Rn. 36>).
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Dieser Verein zählte zu den kurdischen Organisationen, die der KONGRA GEL nahe stehen. Er ist in die der PKK zuzurechnende Förderation der Kurdischen Vereine (YEK-KOM) eingegliedert, welche wiederum zur europäischen Dachorganisation „Konföderation der kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD) gehört. Diese Ortsvereine agieren immer wieder als Anmelder von Veranstaltungen wie Demonstrationen und kulturellen Großveranstaltungen mit Bezug zur ideologischen Zielsetzung der KONGRA GEL (Nds. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 51 f.). Auch das Hessische Innenministerium ist der Auffassung, dass die in der YEK-KOM bzw. KON-KURD verbundenen Vereine eng in die Strukturen der PKK/KADEK eingebunden sind (vgl. VG Gießen, Urteil vom 3. Mai 2004 a.a.O., <Rn. 34>). Im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2006 (S. 143 f.) ist ausgeführt, dass es sich bei der YEK-KOM nach ihrem Selbstverständnis um den legalen politischen Arm der PKK und deren Nachfolgeorganisationen handelt. Die diesem Dachverband angeschlossenen Vereine haben die Nähe zur PKK und deren Nachfolgeorganisationen und deren Unterstützung als gemeinsame Grundlage. Als im August 2006 der mutmaßliche Europaverantwortliche der KONGRA-GEL in den Niederlanden festgenommen worden ist, haben die in der YEK-KOM verbundenen Vereine ihre Einrichtungen geschlossen und mit Plakaten auf die Festnahme aufmerksam gemacht (a.a.O., S. 148).
Nach den Feststellungen des Nds. Landesamtes für Verfassungsschutz (vgl. Auskunft vom 27. Februar 2006 an die Beklagte) haben an dem Sitz des Kurdisch-Deutschen Freundschaftsvereins O. e.V. im Borchersweg zahlreiche Veranstaltungen der PKK (sog. Volksversammlungen 10. Februar 2002 und 13. April 2003; Funktionärstreffen vom 3.bis 5. März 2003; Kaderschulung vom 24. bis 29. August 2003) stattgefunden. Während dieser Treffen ist über die organisatorische und inhaltliche Ausrichtung der PKK gesprochen worden. Anwesend waren jeweils Vollkader der Organisation.
Soweit der Kläger behauptet, ihm sei die enge Anbindung des Vereins an die PKK nicht erkennbar gewesen, er habe lediglich deren satzungsmäßigen humanitären Ziele unterstützen wollen, erachtet das Gericht dies nicht für glaubhaft. Der Kläger war als im Vereinsregister eingetragenes Vorstandsmitglied eine hervorgehobene Persönlichkeit des Vereins. Er ist zudem - wie er nicht in Abrede stellt - nach außen als Anmelder von am 10. Januar und 4. Oktober 2003 in O. durchgeführten Demonstrationen, bei denen jeweils die Freilassung von Abdullah Öcalan gefordert worden ist, in Erscheinung getreten. Nach Einschätzung des Nds. Landesamtes für Verfassungsschutz (a.a.O.) waren diese Versammlungen Teil der über Monate aufrecht erhaltenen sog. Haftbedingungskampagne der PKK. Bei der Veranstaltung am 4. Oktober 2003 sind nach dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts O. vom 9. Februar 2004 PKK-Parolen skandiert worden, („Freiheit für Öcalan“, „KADEK - KADEK“, „Türkei Terrorist“) und Symbole und Plakate der Organisation verwendet worden (Stirnband der Jugendorganisation YCK, Transparent mit Bild von Öcalan, Plakat „Freedom in Kurdistan“). Dies konnte dem Kläger ebenso wenig verborgen bleiben wie die zahlreichen bereits erwähnten Veranstaltungen der PKK im Vereinsheim des Deutsch-Kurdischen Freundschaftsvereins O. e.V. Dass die Ziele des Vereins in seiner Satzung allenfalls teilweise beschrieben sind und auch deutsche Staatsangehörige Gründungsmitglieder waren, kann deshalb dem Kläger nicht den Blick auf dessen wahre Zielsetzungen verstellt haben.
Gegen diese Einschätzungen spricht nicht, dass weder der Verein noch die beiden erwähnten Versammlungen nach § 3 VereinG bzw. § 15 VersammlG verboten worden sind. Zum einen setzt § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht voraus, dass solche Verbotsverfügungen ergangen ist, sondern maßgeblich ist, wie sich die Verhältnisse nach den Erkenntnissen der Einbürgerungsbehörde bzw. des Verwaltungsgerichts tatsächlich darstellen. Zum anderen besteht insoweit jeweils ein Ermessen der zuständigen Behörden, ob sie von ihren Verbotsbefugnissen Gebrauch machen.
Der Kläger hat sich von der Unterstützung der angeführten Bestrebungen auch nicht abgewendet. Zwar ist der Deutsch-Kurdische Freundschaftsverein O. e.V. seit Ende 2005 aufgelöst. Einer ernsthaften Distanzierung steht aber entgegen, dass der Kläger seine mit der Vorstandstätigkeit in der erwähnten Organisation verbundene Unterstützung der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen bis heute nicht einräumt, sondern beharrlich verleugnet (vgl. Berlit a.a.O., Rn. 153 m.w.N.). Das mit dem Einbürgerungsantrag abgegebene formale Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG) rechtfertigt eine andere Betrachtung nicht.
Darüber hinaus ergeben sich aus den Berichten des Nds. Verfassungsschutzes zahlreiche Aktivitäten des Klägers für die PKK. In der Rechtsprechung der Kammer (Beschluss vom 1. März 2007 - 11 A 1593/05 -) ist bereits geklärt, dass die amtlichen Auskünfte des Verfassungsschutzes zu berücksichtigende Beweismittel sind (§§ 87 Abs. 1 Nr. 3, 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO; Kopp, VwGO, 14. Aufl. 2005, Rn. 3 zu § 98). Eine weitergehende Erforschung des Sachverhalts - etwa durch Zeugenvernehmungen oder der von dem Kläger angeregten Beiziehung der Akten des Verfassungsschutzes - ist deshalb in entsprechender Anwendung der §§ 98 VwGO, 412 ZPO nur geboten, wenn sich ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Angaben ergeben (vgl. dazu allgemein: BVerwG, Beschluss vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - InfAuslR 2000, 412 <414>). Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Auskünfte des Nds. Verfassungsschutzes sind in sich schlüssig, detailliert und faktenreich. Sie beziehen sich auf eine Vielzahl von Veranstaltungen und Aktivitäten, an denen der Kläger beteiligt gewesen sein soll. Dieser bestreitet seine Anwesenheit dagegen - auch in der mündlichen Verhandlung - lediglich pauschal und damit unsubstantiiert. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben im Asylverfahren im Jahre 1992 schon in der Türkei Kämpfer der PKK in mehrfacher aus dem Tatbestand ersichtlicher Hinsicht unterstützt hat. Auch solche Tätigkeiten im Heimatland sind geeignet, die Voraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG zu begründen, wenn die Organisation - wie die PKK - Auslandsaktivitäten entfaltet und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer seine Unterstützungshandlungen in Deutschland fortsetzen wird (vgl. Berlit a.aO., Rn. 83 zu § 11); insoweit besteht - entgegen der Auffassung des Klägers - kein absolutes Verbot der Berücksichtigung von vor der erstmaligen Einreise entfalteten politischen Aktivitäten, zumal ein solches aus dem Wortlaut der hier maßgeblichen Rechtsvorschrift auch nicht erkennbar ist.
Im Einzelnen ist in den Stellungnahmen des Nds. Landesamtes für Verfassungsschutz bzw. des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport dargelegt worden, dass der Kläger am 10. Februar und 30. Juni 2002, 13. April und 17. August 2003, sowie im Mai 2005 und am 1. Oktober 2006 an verschiedenen Orten in O. und B. an sog. Volksversammlungen der PKK teilgenommen hat. Diese werden durchgeführt, um die Anhänger über aktuelle Themen und Aktionen der PKK zu informieren und auf die aktuelle Programmatik einzuschwören.
In der Veranstaltung am 10. Februar 2002, die von 14 bis 17 Uhr im Vereinsheim des „Kurdisch-Deutschen Freundschaftsvereins O. e.V. stattgefunden hat, haben vor 150 - 200 Teilnehmern zwei PKK-Vollkader dargelegt, wie sich die PKK in Europa nunmehr bezeichnen solle (YDK). Außerdem wolle man nunmehr auf Verhandlungen setzen, zur Selbstverteidigung aber auch kämpfen. Am 30. Juni 2002 in B. ging es insbesondere um die Mitgliederwerbung und Unterschriften gegen die erfolgte Aufnahme der PKK in die EU-Terrorliste. Am 13. April 2003 wurde im o. g. Vereinheim in O. u.a. über die aktuelle Lage der PKK Im Grenzgebiet zum Nordirak diskutiert. Im Rahmen der Versammlung im „DAB“- Veranstaltungszentrum in B. am 17. August 2003 wurde vor den 200 Teilnehmern ein Brief von Abdullah Öcalan, in dem heftige Kritik an dem sog. Reuegesetz der Türkei geübt worden ist, verlesen. Im Mai 2005 fand die Volksversammlung der PKK im „O.er Krug“ in der N. Straße statt. Die Volksversammlung am 1. Oktober 2006 ist in den Räumen des MEDYA-Kulturzentrums e.V., dem Nachfolger des Kurdisch-Deutschen Freundschaftsvereins O. e.V., durchgeführt worden.
Darüber hinaus hat der Kläger am 4. April 2006 und am 4. April 2007 an den Geburtstagsfeierlichkeiten für Abdullah Öcalan teilgenommen, die im MEDYA Kulturzentrum bzw. in der Gaststätte „D. Hof“ in O. stattfanden. Diese Treffen zur Ehrung der maßgeblichen Identifikationsfigur der PKK stärken nach Einschätzung des Nds. Verfassungsschutzes den Zusammenhalt der Mitglieder und grenzen die Organisation von anderen Gruppierungen ab.
Sehr gewichtig ist, dass der Kläger im o. g. Vereinsheim Borchersweg in O. an einer vom 24. bis 29. August 2003 durchgeführten PKK-Kaderschulung teilgenommen hat. Es wurde hierbei über den Gesundheitszustand von Öcalan diskutiert und besprochen, dass die PKK im Irak zum Kampf mobilisiert werden solle, weil man befürchte, von dort verdrängt zu werden.
Erheblich ist zudem, dass der Kläger nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes als Sammler bei der Spendenkampagne 2005/2006 der PKK tätig gewesen ist. Er ist daher ein sog. Frontarbeiter der Organisation. Diese sind sog. Halbkader, die vor Ort für das Beitreiben von Spenden/Beiträgen bei der kurdischen Bevölkerung sowie zum Verkauf von Eintrittskarten eingesetzt werden. Sie haben auch die Aufgabe, den sog. Vollkadern der Organisation Unterkunft und Verpflegung zu gewähren sowie Privattelefone und Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen, damit diese jederzeit erreichbar und mobil sind (vgl. Urteil der Kammer vom 19. März 2007 - 11 A 1593/05 - <S. 4>). In der Auskunft des Nds. Landesamtes für Verfassungsschutz vom 27. Februar 2006 (S.3) ist hierzu ausgeführt, dass gerade solche Tätigkeiten an der Basis die Finanzierung und den Bestand der PKK sichern; in Europa werden so Gelder in Millionenhöhe beigetrieben.
Ob der Kläger darüber hinaus an Großveranstaltungen der Kurden in Köln und Straßburg teilgenommen hat bzw. schon diese als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG zu bewerten sind, bedarf danach keiner gerichtlichen Beurteilung.