Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 08.10.1996, Az.: 1 WS 198/96

Beiordnung eines auswärtigen Verteidigers

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
08.10.1996
Aktenzeichen
1 WS 198/96
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 21366
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:1008.1WS198.96.0A

Amtlicher Leitsatz

Die Beiordnung eines auswärtigen Verteidigers kann bei Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses auf Grund Ortsnähe zu dem Angeklagten geboten sein.

Gründe

1

Der seinerzeit in Norderstedt wohnende Angeklagte wurde am 29.2.1996 festgenommen und befand sich auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts vom 1.3.1996 zunächst in Untersuchungshaft. Er wurde von Anfang an von Rechtsanwalt M in Hamburg verteidigt, der ihn u.a. zwei Mal in der JVA Emden besuchte. Nachdem der Angeklagte im Haftprüfungstermin am 22.4.1994 in Gegenwart seines Verteidigers ein volles Geständnis abgelegt hatte, wurde er vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont. Seither lebt er in Hamburg.

2

Mit Schriftsatz vom 18.9.1996 hat der Angeklagte beantragt, ihm Rechtsanwalt M als Pflichtverteidiger beizuordnen. Diesen Antrag hat das Landgericht Aurich durch Beschluss vom 20.9.1996 abgelehnt. Gemäß § 142 Abs. 1 S. 1 StPO sei der zu bestellende Verteidiger möglichst aus der Zahl der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelassenen Rechtsanwälte auszuwählen. Gründe, die es rechtfertigen könnten, von dieser Regel im Falle des Angeklagten abzusehen, seien nicht ersichtlich.

3

Bei der Bestimmung des § 142 Abs. 1 S. 1 StPO handelt es sich, wie die Einschränkung "möglichst" deutlich macht, um keine zwingende Vorschrift. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall abzuwägen, ob der Vorteil der Gerichtsnähe und der Vermeidung höherer Kosten hinter anderen vorangigen Gesichtspunkten zurücktreten muss. Dies ist hier der Fall.

4

Durch die Beiordnung eines Verteidigers soll ein Angeklagter nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich den gleichen Rechtsschutz erhalten wie ein Angeklagter, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat. Eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine sachdienliche Verteidigung ist u.a. ein Vertrauensverhältnis zwischen Angeklagtem und Verteidiger. Dass ein solches hier zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt M gegeben ist, kann angesichts der von diesem im Ermittlungsverfahren entfalteten Aktivitäten nicht zweifelhaft sein. Ob der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung, der Vorsitzende müsse dem Angeklagten den Anwalt seines Vertrauens stets beiordnen, auch wenn er nicht im Gerichtsbezirkt zugelassen ist (vgl. zum Streitstand Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 42. Auflage § 142 Rn. 12), zuzustimmen ist, kann dahinstehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Angeklagte - wie hier - ebenfalls nicht im Gerichtsbezirk, sondern in der Nähe des Rechtsanwalts wohnt, sodass mit diesem ein unproblematischer Informationsaustausch möglich ist, wie er bei Bestellung eines am Sitz des Gerichts zugelassenen Rechtsanwalts nicht möglich wäre.