Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 23.08.2023, Az.: L 3 KA 30/21
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 23.08.2023
- Aktenzeichen
- L 3 KA 30/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 41111
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2023:0823.3KA30.21.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 10.03.2021 - AZ: S 24 KA 88/18
Rechtsgrundlagen
- SGB V § 106 Abs. 2
- Abs. 5a Satz 8
Fundstellen
- GesR 2024, 321-325
- MedR 2024, 753-757
Amtlicher Leitsatz
Seit Inkrafttreten des § 106 Abs 5a S 8 SGB V im Jahr 2008 haben die Prüfgremien im Rahmen der Richtgrößenprüfung den Einwand des Arztes, bestimmte verordnungsträchtige Diagnosen lägen bei seinen Patienten häufiger vor als bei der Fachgruppe, auch zu prüfen, wenn dies nicht substantiiert mit strukturellen Besonderheiten seiner Praxis begründet werden kann.
In dem Rechtsstreit
B.
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte C.
gegen
D.
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
beigeladen:
1. E.
2. F.
3. G.
4. H.
5. I.
6. J.
7. K.
hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 23. August 2023 in Celle durch die Richter L. - Vorsitzender -, Dr. M. und N. sowie die ehrenamtlichen Richter O. und P. für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. März 2021 und der Bescheid des Beklagten vom 29. Mai 2018 aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, über die Wirtschaftlichkeit der vom Kläger im Jahr 2013 verordneten Heilmittel unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Beratung.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Innere Medizin an der vertragsärztlich-hausärztlichen Versorgung in Q. (Landkreis R.) teil. Im Jahr 2013 verordnete er - bei insgesamt 7.367 Fällen - Heilmittel iHv 222.691,53 Euro (brutto). Im Rahmen ihrer diesbezüglichen Richtgrößenprüfung subtrahierte die Prüfungsstelle Niedersachsen hiervon Praxisbesonderheiten bzw weitere Abzüge (Datenfehler) iHv insgesamt 6.335,06 Euro (Mitteilung vom 28. September 2015). Außerdem teilte sie dem Kläger mit, danach ergebe sich noch eine Überschreitung der Richtgrößen iHv 132,77 vH. Der Kläger habe aber die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben und weitere Praxisbesonderheiten geltend zu machen.
Daraufhin beantragte der Kläger die Anerkennung von Praxisbesonderheiten in folgenden Indikationsgruppen des Heilmittel-Katalogs (Zweiter Teil der Heilmittel-Richtlinien in der am 2. August 2005 in Kraft getretenen Fassung):
WS1 | (Wirbelsäulenerkrankungen mit prognostisch kurzzeitigem Behandlungsbedarf), |
---|---|
WS2 | (Wirbelsäulenerkrankungen mit prognostisch länger dauerndem Behandlungsbedarf <insbesondere Einschränkungen von relevanten Aktivitäten des täglichen Lebens, multistrukturelle oder funktionelle Schädigung>), |
ZN1 | (ZNS-Erkrankungen einschließlich des Rückenmarks, längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs), |
ZN2 | (ZNS-Erkrankungen einschließlich des Rückenmarks nach Vollendung des 18. Lebensjahrs), |
LY1 | (Lymphabflussstörungen mit prognostisch kurzzeitigem Behandlungsbedarf), |
LY2 | (Lymphabflussstörungen mit prognostisch länger andauerndem Behandlungsbedarf), |
LY3 | (chronische Lymphabflussstörungen bei bösartigen Erkrankungen), |
EX2 | (Verletzungen/Operationen und Erkrankungen der Extremitäten und des Beckens mit prognostisch mittelfristigem Behandlungsbedarf <insbesondere Einschränkungen von relevanten Aktivitäten des täglichen Lebens, multistrukturelle funktionelle Schädigungen>), |
EX3 | (Verletzungen/Operationen und Erkrankungen der Extremitäten und des Beckens mit prognostisch längerem Behandlungsbedarf <insbesondere Einschränkungen von relevanten Aktivitäten des täglichen Lebens, multistrukturelle funktionelle Schädigungen>), |
EN1 | (ZNS-Erkrankungen und/oder Entwicklungsstörungen, längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs <Ergotherapie>), |
EN2 | (ZNS-Erkrankungen, nach Vollendung des 18. Lebensjahrs <Ergotherapie>), |
DF | (Diabetisches Fußsyndrom), |
SP1 | (Störungen der Sprache vor Abschluss der Sprachentwicklung), |
SP2 | (Störungen der auditiven Wahrnehmung), |
SP3 | (Störungen der Artikulation/Dyslalie). |
In diesen Indikationsgebieten weise er von der Fachgruppe deutlich abweichende Fallzahlen und damit einen Mehrbedarf auf. Dies sei in der Altersstruktur in seiner Praxis, in seiner Qualifikation als Internist, in der ländlichen Struktur seiner Praxis und in dem Umstand begründet, dass er eine Samstagssprechstunde abhalte. Außerdem seien die in den Anl 1 und 2 der Vereinbarung über Praxisbesonderheiten für Heilmittel angeführten Verordnungen als Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen.
Die Prüfungsstelle Niedersachsen setzte dem Kläger gegenüber mit Bescheid vom 9. Dezember 2015 eine Beratung fest. Unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten iHv 54.920,65 Euro und "weiteren Abzügen" iHv 22.720,65 Euro liege eine Richtgrößenüberschreitung von 56,06 vH vor. Als Praxisbesonderheiten im Rahmen der Mehrbedarfsberechnung seien die Indikationsschlüssel ZN2 und WS2 berücksichtigt worden. Gründe, das Verordnungsvolumen weiter zu reduzieren und weitere Besonderheiten anzuerkennen, lägen nicht vor, wobei für die Geltendmachung von Praxisbesonderheiten substantiierter Vortrag des zu prüfenden Arztes erforderlich sei. Die Beratung führte die Prüfungsstelle mit Schreiben vom 3. Februar 2016 durch.
Mit seinem am 28. Dezember 2015 bei der Prüfungsstelle eingegangen Widerspruch (Schreiben vom 22. Dezember 2015) gegen die Festsetzung der Beratung rügte der Kläger, dass die Anerkennung eines Mehrbedarfs nur für die Indikationsgruppen ZN2 und WS2 willkürlich sei, weil auch in Hinblick auf die anderen geltend gemachten Indikationsgruppen ein Mehrbedarf vorliege. Es sei nicht seine Aufgabe zu ergründen, warum wieviele kranke Menschen ausgerechnet seine Hilfe suchten. Das Verhältnis seiner heilmittelbedürftigen Patienten werde anschaulich, wenn man die Rangliste der 25 häufigsten Erkrankungen in seiner Praxis mit der Fachgruppe vergleiche. Hierzu legte er Statistiken der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zu den 25 häufigsten Diagnosen der Fachgruppe und seiner Praxis vor.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29. Mai 2018 (bzw mit Beschluss vom 15. März 2018) zurück und bestätigte die Festsetzung einer Beratung. Er berücksichtigte als Entlastungen Datenfehler iHv 6.122,68 Euro und zuvor genehmigte Langfristverordnungen iHv 16.597,97 Euro. Von der Verordnungssumme wurden außerdem Praxisbesonderheiten iHv insgesamt 55.174,39 Euro in Abzug gebracht, wovon 212,38 Euro bereits in der Vorabprüfung berücksichtigt worden waren und 11.683,37 Euro auf "individuelle Filter" gemäß der Anl 3.3 der Richtgrößenvereinbarung (RGV) bzw auf Anl 1 der Vereinbarung über Praxisbesonderheiten für Heilmittel nach § 84 Abs 8 S 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) entfielen. Für die Indikationsgebiete WS2 und ZN2 wurde ein Mehrbedarf anerkannt, weil der Kläger vorgetragen habe, dass sich infolge der Betreuung orthopädischer und neurologischer Patienten in diesen Bereichen Schwerpunkte gebildet hätten. Deshalb würden viele Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen, insbesondere auch Osteoporose und Morbus Bechterew, oder Erkrankungen des zentralen Nervensystems und Zustand nach Apoplex behandelt. Weitere Praxisbesonderheiten hätten nicht festgestellt werden können, weil nicht ersichtlich sei, welche Gründe zu den erhöhten Verordnungskosten in diesen Bereichen geführt haben sollen. Der Kläger habe diesbezüglich keinen hinreichend plausiblen Vortrag zu einem für die Fachgruppe atypischen Patientengut mit einem spezifischen Behandlungsbedarf geleistet. Da das Richtgrößenvolumen nach Änderung des § 106 Abs 5e SGB V erstmals überschritten worden sei (iHv 55,78 vH), sei lediglich eine Beratung festzusetzen gewesen.
Hiergegen hat der Kläger am 28. Juni 2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, es sei unzutreffend, wenn ihm im Beratungsschreiben erklärt worden sei, dass er weniger Patienten versorgt habe als der Durchschnitt der Fachgruppe. Auch soweit im Beratungsschreiben auf eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von optionalen und ergänzenden Heilmitteln in den Indikationsgebieten WS, ZN und EX hingewiesen worden sei, sei dies nicht nachvollziehbar. Das Morbiditätsrisiko sei nicht vom Kläger zu verantworten. Die vorgelegten Diagnoselisten zeigten im Vergleich zur Fachgruppe bei häufigen Erkrankungen der genannten Indikationsschlüssel (wie Coxarthrose, Gonarthrose, Bandscheibenvorfall) prozentual dreimal so viele Fälle. Im Übrigen verweise er auf seine Darlegungen im Verwaltungsverfahren.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10. März 2021 abgewiesen. Die Entscheidung des Beklagten sei auf der Grundlage einer zulässigerweise rückwirkend in Kraft gesetzten RGV und verlässlicher elektronischer Daten durchgeführt worden. Soweit der Beklagte die von der Klägerseite über den Umfang der im angefochtenen Bescheid anerkannten Praxisbesonderheiten hinausgehend Praxisbesonderheiten abgelehnt habe, sei dies nicht zu beanstanden. Die Vorlage einer rein statistischen Auswertung der KÄV könne für sich gesehen keinen substantiierten Vortrag zu Praxisbesonderheiten ersetzen. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass der Kläger pauschal auf die Altersstruktur und die ländliche Struktur seiner Praxis, seine Qualifikation als Internist und auf seine Samstagssprechstunde hinweise. Der erhöhte Anteil älterer Patienten sei regelmäßig bereits dadurch ausreichend berücksichtigt, dass die entsprechenden Patienten mit der für die Gruppe "R" vorgesehenen höheren Richtgröße bewertet würden. Insoweit sei eine Darlegung erforderlich, inwieweit sich der Verordnungsbedarf wesentlich anders darstellen solle als bei - typischerweise ebenfalls älteren - Rentnern, deren erhöhter Bedarf bereits durch die besondere Richtgröße für diese Gruppe berücksichtigt werde. Auch auf welche Weise und in welchem konkreten Ausmaß sich die ländliche Struktur der Arztpraxis auf die Morbidität und die Behandlungsnotwendigkeiten auswirke, sei im Verfahren nicht konkret dargelegt worden. Der Verweis auf eine übergroße Praxis könne für sich genommen keine Praxisbesonderheit sein, da sich das zur Verfügung stehende Richtgrößenvolumen bei steigenden Fallzahlen ebenfalls erhöhe. Das gelte auch für die vorgetragene Samstagssprechstunde, wobei nicht plausibel gemacht worden sei, warum neben einer für sich gesehen unbeachtlichen Erhöhung der Fallzahlen mit dieser zugleich eine besondere Behandlungsnotwendigkeit bestanden haben solle. Auch die Quantifizierung der anerkannten Praxisbesonderheit "Behandlung orthopädischer und neurologischer Patienten" sei nicht zu beanstanden. Der Kläger könne dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Beklagte habe ohne nachvollziehbare Erläuterung einen Mehrbedarf für die Indikationsgebiete WS2 und ZN2 anerkannt und weiteren Mehrbedarfen trotz vergleichbarem Vortrag die Anerkennung verweigert. Denn für den Beklagten bestehe lediglich eine Pflicht zur Auseinandersetzung mit den substantiiert vorgetragenen Praxisbesonderheiten, woran es im vorliegenden Fall fehle.
Gegen die ihm am 29. März 2021 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 20. April 2021 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Er rügt die Nichtberücksichtigung von Praxisbesonderheiten in den - neben den anerkannten Indikationsgebieten WS2 und ZN2 - von ihm ebenfalls geltend gemachten Indikationsgebieten. Die vom Beklagten vorgenommene Differenzierung sei nicht nachvollziehbar, zumal das SG zumindest für die Praxisbesonderheit "Behandlung orthopädischer und neurologischer Patienten" eine Quantifizierbarkeit angenommen habe. Sein Vortrag zu den Praxisbesonderheiten sei entgegen der Auffassung des SG auch ausreichend gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, was er neben den rechnerisch-prozentual abweichenden Patientenstrukturen noch "substantiiert" hätte vortragen sollen.
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. März 2021 und den Bescheid des Beklagten vom 29. Mai 2018 aufzuheben,
- 2.
den Beklagten zu verurteilen, über die Wirtschaftlichkeit der von ihm im Jahr 2013 verordneten Heilmittel unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die von der Beigeladenen zu 1. gefertigten statistischen Auswertungen sowie die pauschalen Verweise auf die Altersstruktur der Praxis, die Qualifikation als Internist bei hausärztlicher Tätigkeit, die ländliche Praxisstruktur sowie die angebotene Samstagssprechstunde seien nicht geeignet, den Mehrbedarf des Klägers gegenüber den Kollegen der Fachgruppe in den geltend gemachten Indikationsgruppen zu erklären, zumal ein atypischer Bedarf mit Zahlenmaterial hätte dargelegt und erläutert werden müssen. Nicht überall dort, wo im Vergleich zur Fachgruppe höhere Verordnungskosten vorlägen, bestehe automatisch eine Praxisbesonderheit, da höhere Verordnungskosten auch auf eine unwirtschaftliche Verordnungsweise zurückzuführen sein könnten. Dem stehe auch § 106 Abs 5a S 8 SGB V nicht entgegen, weil diese Vorschrift nichts am Erfordernis substantiierten Vortrags zu Praxisbesonderheiten ändere und dies in der gesetzlichen Formulierung "auf Antrag des Arztes" zum Ausdruck komme.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das erstinstanzliche Gericht hat seine Klage zu Unrecht abgewiesen.
I. Die Klage, die sich - wie stets in Verfahren der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 9. März 1994 - 6 RKa 5/92, SozR 3-2500 § 106 Nr 22) - allein gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses zu richten hat, ist als Anfechtungs- und Bescheidungsklage statthaft (vgl hierzu zuletzt: BSG, Urteil vom 14. Juli 2021 - B 6 KA 1/20 R, SozR 4-1500 § 141 Nr 4). Sie ist auch im Übrigen zulässig.
II. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 29. Mai 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
1. Rechtsgrundlage der Richtgrößenprüfung ist die Regelung in § 106 Abs 2 S 1 Nr 1, Abs 5a SGB V(hier anzuwenden idF des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes <GKV-VStG> vom 22. Dezember 2011 <BGBl I 2983>). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung ua durch eine arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumen nach § 84 geprüft. Gemäß § 84 Abs 6 S 1 i.V.m. Abs 8 S 1 SGB V (ebenfalls idF des GKV-VStG) vereinbaren die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die KÄV zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Heilmittel arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte unter Berücksichtigung der nach § 84 Abs 1 S 1 i.V.m. Abs 8 S 1 SGB V getroffenen Heilmittelvereinbarung. Eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 15 vH löst gemäß § 106 Abs 5a S 1 SGB V regelmäßig eine darauf bezogene Wirtschaftlichkeitsprüfung aus. Beträgt die Überschreitung mehr als 25 vH, hat der Vertragsarzt den sich aus der Überschreitung des Prüfungsvolumens ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist (§ 106 Abs 5a S 3 SGB V). Bei einer erstmaligen Überschreitung dieser Grenze erfolgt eine individuelle Beratung (§ 106 Abs 5e S 1 SGB V).
Für 2013 haben die zu 1. beigeladene KÄV und die genannten Kassen(verbände) die RGV vom 30. November 2012 abgeschlossen. Die verspätete Veröffentlichung dieser Vereinbarung (im Niedersächsischen Ärzteblatt <NdsÄBl> 2013, Heft 12, S 65) steht deren Anwendbarkeit nicht entgegen, auch wenn die Richtgrößen nach § 84 Abs 6 S 3 i.V.m. Abs 8 S 1 SGB V die Vertragsärzte bei ihren Entscheidungen über die Verordnungen von Heilmitteln nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot leiten sollen und sich aus dieser Steuerungsfunktion die Notwendigkeit ergibt, Richtgrößen bereits vor Jahresbeginn zu vereinbaren (BSG, Urteil vom 2. November 2005 - B 6 KA 63/04 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 11). Denn nach der Rechtsprechung des BSG (aaO) ist die rückwirkende Inkraftsetzung von Richtgrößen nur insoweit rechtswidrig, als die neuen Richtgrößen die Rechtsposition der Vertragsärzte verschlechtern. Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil die Richtgrößen für 2013 höher sind als die für das Vorjahr auf der Grundlage der RGV 2012 vom 30. November 2011 (veröffentlicht im NdsÄBl 2012, Heft 12, S 59). So sind für die hier maßgebliche Fachgruppe 80/19 der Praktischen Ärzte / Allgemeinmediziner / Hausärztlichen Internisten in der Anl 1 zur RGV 2013 Heilmittel-Richtgrößen iHv 7,86 Euro bzw von 20,13 Euro (für die Gruppen M/F und R) vereinbart worden, während die entsprechenden Richtgrößen nach der Anl 1 zur RGV 2012 nur 7,58 Euro bzw 19,41 Euro betragen haben.
Bei der Richtgrößenprüfung bleiben allerdings die Heilmittelverordnungen außer Betracht, die gemäß § 31 Abs 1a SGB V bei Versicherten mit langfristigem Behandlungsbedarf genehmigt worden sind. Dies folgt aus § 106 Abs 2 S 18 SGB V, wonach diese Heilmittel nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen. Welche Diagnosen hierunter fallen, ist in Anl 2 der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) getroffenen Vereinbarung nach § 84 Abs 8 S 3 SGB V geregelt. Entsprechende Beträge sind im angefochtenen Bescheid als "weitere Abzüge" (iHv 22.720,65 Euro) zugunsten des Klägers berücksichtigt.
2. Die im Bescheid vom 29. Mai 2018 getroffene Entscheidung, eine Beratung des Klägers durchzuführen, verletzt die genannten Rechtsgrundlagen aber insoweit, als der Beklagte die vom Kläger geltend gemachten Praxisbesonderheiten nicht ausreichend untersucht hat.
a) § 106 Abs 5a S 7 SGB V sieht zunächst vor, dass die Kosten für verordnete Heilmittel, die durch gesetzlich bestimmte oder in den Vereinbarungen (ua) nach § 84 Abs 8 SGB V vorab anerkannte Praxisbesonderheiten bedingt sind, (schon vor der Einleitung eines Prüfverfahrens) von den Verordnungskosten des Arztes abgezogen werden. Nach § 84 Abs 8 S 3 SGB V haben zunächst die KBV und der GKV-Spitzenverband Praxisbesonderheiten für die Verordnung von Heilmitteln festzulegen, die bei den Prüfungen nach § 106 anzuerkennen sind. Auf dieser Grundlage haben die Spitzenverbände unter dem 12. November 2012 Praxisbesonderheiten für Heilmittel vereinbart, die in der Anl 1 zu dieser Vereinbarung aufgelistet sind. Derartige Praxisbesonderheiten hat der Beklagte nach einem "individuellen Filter" ausweislich der Anl 3 seines Bescheides iHv 10.512,17 Euro sowie schon in der Vorabprüfung iHv 212,38 Euro anerkannt.
Außerdem hat der Beklagte § 84 Abs 8 S 5 SGB V beachtet, wonach die Vertragspartner der regionalen Prüfvereinbarungen weitere anzuerkennende Praxisbesonderheiten vereinbaren können. In Ergänzung zu der hier anwendbaren Vereinbarung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 106 SGB V ab dem Jahr 2010 (PrüfV 2010) haben die genannten Vertragspartner unter Punkt 3 der Anl 3 zur RGV 2013 vereinbart, dass im Heilmittelbereich Krankengymnastik für die ersten drei Monate nach chirurgischen/orthopädischen Eingriffen als Praxisbesonderheit anzuerkennen ist. Auch dies hat der Beklagte in seinem Bescheid vom 29. Mai 2018 beanstandungsfrei umgesetzt; auf die entsprechende Regelung der Anl 3.3 entfallen Praxisbesonderheiten iHv 917,46 Euro.
b) Daneben ermitteln die Prüfgremien nach § 106 Abs 5a S 8 Halbs 1 SGB V weitere Praxisbesonderheiten auf Antrag des Arztes. Einen solchen Antrag hat der Kläger in seinem Schreiben vom 27. Oktober 2015 ausdrücklich gestellt, und zwar in Hinblick auf die Heilmittel-Indikationsgruppen WS1 und WS2, ZN1, ZN2, LY1, LY2 und LY3, EX2 und EX3, EN1, EN2, DF sowie SP1, SP2 und SP3. Diesen Antrag hat der Beklagte jedoch fehlerhaft beschieden.
aa) Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass - ebenso wie bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach (statistischen) Durchschnittswerten - auch bei der Richtgrößenprüfung ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien besteht, soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht (BSG, Urteil vom 2. November 2005 - B 6 KA 63/04 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 11; Urteil vom 23. März 2011 - B 6 KA 9/10 R, SozR 4-2500 § 84 Nr 2, jeweils mwN). Die gerichtliche Kontrolle der Entscheidung über das Vorliegen von Praxisbesonderheiten beschränkt sich insoweit darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ermittelten Grenzen eingehalten und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (st BSG Rspr, vgl zB Urteil vom 21. April 1993 - 14a RKa 11/92, SozR 3-1300 § 35 Nr 5; Urteil vom 22. Oktober 2014 - B 6 KA 8/14 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 49).
Praxisbesonderheiten sind demnach auch bei einer Richtgrößenprüfung anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf der jeweiligen Patientenklientel und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (vgl hierzu BSG, Urteil vom 23. März 2011 aaO; Urteil vom 5. Juni 2013 - B 6 KA 40/12 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 41). Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände der Praxisbesonderheiten und kompensierenden Einsparungen regelmäßig dem Arzt (vgl hierzu BSG, Urteil vom 16. Juli 2008 - B 6 KA 57/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 19; BSG, Urteil vom 5. Juni 2013 aaO). Er ist grundsätzlich gehalten, im Prüfungsverfahren die Umstände geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres anhand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 5. Juni 2013 aaO). Der diesbezügliche Vortrag muss substantiiert sein, dh so genau wie möglich (vgl hierzu BSG, Urteil vom 5. Juni 2013 aaO) und plausibel (vgl hierzu BSG, Urteil vom 16. Juli 2008, aaO).
In der Rechtsprechung ist allerdings ebenso anerkannt, dass Prüfgremien zu Ermittlungen von Amts wegen - dh ohne die oben genannte substantiierte Darlegung - hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet sind, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind (BSG, Urteil vom 21. März 2012 - B 6 KA 18/11 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 34; Urteil vom 21. März 2012 - B 6 KA 17/11 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 35; Urteil vom 5. Juni 2013 - B 6 KA 40/12 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 41).
bb) Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger geltend macht, seine Fallzahlen im jeweiligen Heilmittel-Indikationsgebiet wichen von denen der Fachgruppe deutlich ab. Dies hat er damit begründet, dass Diagnosen, die die Verordnung von Heilmitteln erforderlich machen, in seiner Praxis häufiger vorlägen als im Durchschnitt der Fachgruppe 80/19, was aus den Aufstellungen der KÄV zu den häufigsten Diagnosen seiner Praxis bzw der Fachgruppe abzulesen sei. Aus diesen (mit Schreiben vom 4. Juli 2017 vorgelegten) Aufstellungen ergeben sich jedenfalls Hinweise darauf, dass zB Gonarthrosen, Coxarthrosen und "sonstige näher bezeichnete Bandscheibenverlagerungen" in der Praxis des Klägers eine größere Bedeutung haben als in der durchschnittlichen hausärztlichen Praxis.
Zu vergleichbaren Vorbringen in Richtgrößenverfahren hat der Senat bisher entschieden, dass eine Häufung verordnungsträchtiger Diagnosen nur dann zur Anerkennung einer Praxisbesonderheit führen kann, wenn eine so hohe Konzentration von Krankheitsbildern vorliegt, dass im Vergleich zu anderen Allgemeinmedizinern von atypischen Verhältnissen ausgegangen werden muss. Dies ist vom Vertragsarzt substantiiert geltend zu machen, indem er zB seine Patientenschaft und deren Erkrankungen systematisiert, um spezifische Behandlungsmethoden und Qualifikationen erkennbar werden zu lassen (Senatsurteil vom 31. Mai 2017 - L 3 KA 26/14), oder indem dargelegt wird, aus welchen Gründen derartige Patienten sich gerade in die Behandlung des geprüften Arztes begeben (Senatsurteil vom 22. Mai 2019 - L 3 KA 27/16). Demgegenüber ist für das vorliegende Prüfjahr von erleichterten Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Praxisbesonderheiten auszugehen.
Das folgt aus der seit 2008 geltenden, durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I 378) eingeführten Vorschrift des § 106 Abs 5a S 8 SGB V. Nach dieser Regelung, auf die der Senat bereits in seinem Urteil vom 6. November 2019 (L 3 KA 90/17) hingewiesen hat, "ermittelt" die Prüfungsstelle auf Antrag des Arztes "weitere Praxisbesonderheiten, auch durch Vergleich mit den Diagnosen und Verordnungen in einzelnen Anwendungsbereichen der entsprechenden Fachgruppe". Aus dem Wortlaut dieser Regelung, die die Ermittlungspflicht der Prüfgremien hervorhebt und ausdrücklich den Vergleich von Diagnosen und Verordnungen - ggf durch Stichproben nach § 106 Abs 5a S 9 SGB V und auf der Basis der nach §§ 296, 297 SGB V zu übermittelnder Daten, § 106 Abs 5a S 10 SGB V - als Ermittlungsmethode anführt, ergibt sich, dass Prüfungsstellen und Beschwerdeausschüsse in größerem Umfang als bisher von Amts wegen verpflichtet sein sollen, das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zu untersuchen. Das legt auch der Zweck der neuen Regelung nahe, mit der der Gesetzgeber ua die Rechtssicherheit erhöhen und Einzelfallgerechtigkeit sicherstellen wollte (vgl den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum GKV-WSG, BT-Drs 16/3100 S 138). Dies ändert im Grundsatz zwar nichts daran, dass die Prüfgremien bei der Prüfung von Praxisbesonderheiten auch in Zukunft auf substantiierten Vortrag des Vertragsarztes angewiesen sind, soweit es auf strukturelle Besonderheiten seiner Praxis ankommt, die nur ihm bekannt sein können. Der Vergleich von Diagnosen- und Verordnungshäufigkeiten ist auf der Grundlage des zur Verfügung zu stellenden Datenmaterials aber ohne derartige ergänzende Darlegungen des Arztes möglich. In Übereinstimmung hiermit ist auch der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen, dass der Diagnosenvergleich nach § 106 Abs 5a S 8 Halbs 2 SGB V den Ermittlungen von Amts wegen zuzuordnen ist (vgl Urteil vom 5. Juni 2013 aaO, Rn 16).
Soweit der Beklagte dem entgegenhält, ein "Antrag des Arztes" iSv § 106 Abs 5a S 8 SGB V liege nur vor, wenn der Arzt damit substantiiert zu einem Praxisschwerpunkt vortrage, kann der Senat dem nicht folgen. Bereits der Wortlaut der Vorschrift enthält keinen Hinweis für eine derartige Auslegung. Ein Antrag ist vielmehr bereits jede an die Behörde gerichtete Willenserklärung, aus der sich ein bestimmtes, das Tätigkeitwerden der Behörde erforderndes Verlangen ergibt (vgl BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 R 8/14 R, SozR 4-1500 § 163 Nr 7).
Darüber hinaus steht der Auffassung des Beklagten auch der mit der Einführung des § 106 Abs 5a S 8 SGB V vom Gesetzgeber verfolgte Zweck entgegen, die Geltendmachung von Praxisbesonderheiten zu erleichtern. Der damit beabsichtigten Sicherstellung von Einzelfallgerechtigkeit entspricht es dabei, dass nunmehr auch ein Vertragsarzt entlastet wird, der - ohne einen erklärbaren Praxisschwerpunkt - nur aufgrund einer zufälligen Häufung bestimmter Diagnosen aus medizinischen Gründen gezwungen ist, in größerem Umfang als seine Fachgruppenkollegen Verordnungen auszustellen, und der damit unverschuldet einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, die für ihn geltenden Richtgrößen zu überschreiten. Eine höhere Rechtssicherheit wird damit gewonnen, dass die Berücksichtigung einer für den Arzt ungünstigen Diagnosenhäufigkeit nicht mehr davon abhängig ist, dass ihm die - im Einzelfall häufig schwierige - substantiierte Darlegung struktureller Besonderheiten seiner Praxis gelingt. Diese Zwecke der gesetzlichen Neuregelung wären aber vereitelt, wenn man weiterhin in jedem Fall an der Erforderlichkeit substantiierten Vorbringens zur Atypik der eigenen Praxis und damit an der vor Einführung des § 106 Abs 5a S 8 SGB V geltenden Rechtslage festhalten wollte.
Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass der Beklagte dem Vorbringen des Klägers, seine Patientenklientel weise in höherer Zahl als seine Fachgruppe Diagnosen auf, die die Verordnung von Heilmitteln in den von ihm benannten Indikationsgruppen indizieren, von Amts wegen durch vergleichende Ermittlungen iSv § 106 Abs 5a S 8 SGB V hätte nachgehen müssen. Es kommt somit nicht mehr darauf an, ob dessen Darlegungen zur Altersstruktur seiner Patientenklientel, zum ländlichen Charakter seiner Praxis oder zur Sonnabendsprechstunde plausibel sind.
Diesen Anforderungen ist der Beklagte - auf der Grundlage der von ihm praktizierten Mehrbedarfsberechnung - aber nur in Hinblick auf Patienten mit Wirbelsäulen- und ZNS-Erkrankungen gerecht geworden, deren Anzahl er als erhöht angesehen hat mit der Folge, dass er den Bedarf an physiotherapeutischen Heilmitteln ebenfalls als erhöht festgestellt hat. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, warum sich dies nur auf die Indikationsgruppen WS2 und ZN2 ausgewirkt haben soll. Warum sich die erhöhte Zahl entsprechender Diagnosen nicht auch auf Wirbelsäulenerkrankungen mit prognostisch kurzzeitigem Behandlungsbedarf (WS1) und auf ZNS-Erkrankungen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs (ZN1) oder auf die Ergotherapie-Indikationsgruppen EN1 und EN2 erstreckt, ist den Darlegungen im Bescheid vom 29. Mai 2018 nicht zu entnehmen. Zu Unrecht ist schließlich die geltend gemachte besondere Häufigkeit von Diagnosen, die im Rahmen der übrigen geltend gemachten Indikationsgruppen von Bedeutung sind, nicht untersucht worden.
3. Nach alledem muss der Beklagte den Kläger in Hinblick auf das vorliegend streitbefangene Prüfjahr neu bescheiden. Dabei muss er prüfen, wie häufig die Diagnosen, die für die hier jeweils geltend gemachten Indikationsgruppen maßgeblich sind, einerseits beim Kläger und andererseits im Durchschnitt der Fachgruppe auftreten. Ergibt sich für die Praxis des Klägers eine erhöhte Zahl einschlägiger Erkrankungen, kann eine in dem selben Umfang erhöhte Zahl von Heilmittelverordnungen noch wirtschaftlich sein. Auf der Grundlage des hiernach noch festzustellenden unwirtschaftlichen Verordnungsvolumens muss der Beklagte sodann entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Beratung noch vorliegen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG i.V.m. §§ 154 Abs 1, Abs 3 i.V.m. 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus der Anwendung von § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG).