Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 31.08.2023, Az.: 1 ORs 124/23

ersparte Aufwendungen; Futterkosten; Einziehung; Wertersatz; Verhungern

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
31.08.2023
Aktenzeichen
1 ORs 124/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 38472
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Bad Iburg - 29.06.2022
LG Osnabrück - 03.02.2023 - AZ: 5 Ns 127/22

Fundstellen

  • NZWiSt 2024, 78-79
  • StraFo 2023, 492-493

Amtlicher Leitsatz

Einziehung des Wertersatzes für infolge unterbliebener Fütterung ersparte Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Tat des Tötens von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund in Tateinheit mit quälerischer Misshandlung von Wirbeltieren durch Einstellung der Fütterung von Mastschweinen

In der Strafsache
gegen Herrn AA,
geboren am TT.MM.1957 in (...)
wohnhaft (...),
wegen quälerischer Tiermisshandlung u.a.,
Verteidiger: Rechtsanwalt ..., (...)
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 31. August 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ... auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Beschwerdeführers nach § 349 Abs. 2 StPO sowie nach § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 3. Februar 2023 hinsichtlich der Einziehungsentscheidung dahingehend geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.510,86 € angeordnet wird.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Die Gebühr für das Revisionsverfahren wird um 2/3 ermäßigt. In diesem Umfang trägt die Staatskasse auch die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bad Iburg - Strafrichter - hatte den Angeklagten mit Urteil vom 29. Juni 2022 wegen Tötens von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund in 258 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit quälerischer Misshandlung von Wirbeltieren durch Zufügen von länger anhaltenden oder sich wiederholenden Schmerzen und Leiden in 258 tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 70 € verurteilt. Überdies hat das Amtsgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 11.664 € angeordnet.

Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Osnabrück - 5. kleine Strafkammer - durch Urteil vom 3. Februar 2023 mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte des Tötens von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund in 258 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit quälerischer Tiermisshandlung in 258 tateinheitlichen Fällen schuldig ist.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte das Rechtsmittel der Revision eingelegt, diese auf die Einziehungsentscheidung beschränkt und sodann mit der ausgeführten Sachrüge begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.510,86 € angeordnet wird.

II.

Die auf zulässige Weise eingelegte und begründete Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

1.

Infolge der wirksamen Rechtsmittelbeschränkung (vgl. BGH, Urt. v. 13. April 2022, Az. 2 StR 1/21; BGH, Beschl. v. 2. August 2018, Az. 1 StR 311/18, NStZ 2018, 742) waren der Senatsentscheidung die folgenden Feststellungen zu Grunde zu legen:

Der Angeklagte stallte im Juni 2021 insgesamt 300 Mastschweine mit einem durchschnittlichen Lebendgewicht zwischen 25 und 30 kg ein und beabsichtigte, die Tiere bis Ende November 2021 jeweils auf ein Mastgewicht von 120 kg heran zu füttern und dann der Schlachtung zuzuführen. Nachdem die Tiere zuvor in einem üblichen Maße versorgt worden waren, stellte der Angeklagte im Zusammenhang mit einer depressiven Episode spätestens Ende September 2021 die Fütterung der Schweine gänzlich ein. Eine Trinkwasserversorgung fand indes auch weiterhin statt.

Erst am 24. November 2021 betrat der Angeklagte erneut den Maststall. Zu diesem Zeitpunkt waren noch vier Tiere am Leben, von denen eines infolge seines Zustandes getötet werden musste. Die Tiere hatten bis zu diesem Zeitpunkt durch Kannibalismus überlebt.

In der Stallanlage befanden sich zudem 258 noch anhand einmalig am Körper vorkommender Merkmale individualisierbare Schweinekadaver welche durch Verhungern, durch die Einwirkung ihrer Artgenossen oder infolge von Infektionen nach Fraßwunden zu Tode gekommen waren. Bei der sichergestellten Versorgung mit Trinkwasser dauerte das Verenden infolge des Ausbleibens von Nahrung bei den Tieren jeweils zwischen drei und vier Wochen.

Eine Tonne Mastfutter kostet 300 €. Ein Mastschwein der vorliegenden Art nimmt pro Tag etwa 2,16 kg dieses Futter zu sich, um eine Tagesgewichtszunahme von 800 g zu erreichen.

2.

Soweit das Berufungsgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Form ersparter Aufwendungen in Höhe von 11.664 € angeordnet hat, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.

a)

Ersparte Aufwendungen kommen als Gegenstand einer Einziehungsentscheidung in Betracht, soweit sich messbare Vermögensvorteile im Vermögen des Tatbeteiligten niederschlagen (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Dezember 2020, Az. 1 StR 310/20). Mangels Gegenständlichkeit der ersparten Aufwendungen kommt insofern nur die Einziehung des Wertes der ersparten Aufwendungen in Betracht (vgl. BGH Beschl. v. 22. August 2022, Az. 1 StR 187/22; Fischer, StGB, 70. Aufl., zu § 73c, Rn. 6). Mithin scheidet eine Wertersatzeinziehung nicht deswegen aus, weil nach den getroffenen Feststellungen noch Futtermittelmengen in den entsprechenden Silos des Angeklagten vorhanden gewesen sind.

Der Umfang der Einziehung beschränkt sich insoweit jedoch auf die von dem Tatrichter festgestellte Tat (vgl. Heuchemer in BeckOK StGB, 57. Ed. zu § 73, Rn. 7). Verurteilungsgegenständlich ist vorliegend lediglich die unterlassene Fütterung von 258 Schweinen, weswegen nur deren unterbliebene Fütterung zur Ersparnis von Aufwendungen bei dem Angeklagten geführt haben kann. Weiter sind die abgeurteilten Taten mit dem Verenden der jeweiligen Tiere - und nicht etwa erst mit deren Auffinden am 24. November 2021 - beendet, weswegen hinsichtlich eines jeden Tieres für die ersparten Aufwendungen nur eine Zeitspanne von drei Wochen in Ansatz gebracht werden kann. Die ersparten Aufwendungen des Angeklagten betragen somit abweichend von der Würdigung der Berufungskammer bei Zugrundelegung der landgerichtlichen Feststellungen 3.510,86 €.

b)

Die von dem Angeklagten für den ursprünglichen Ankauf der Schweine aufgewendeten Gelder waren bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten nicht im Sinne des § 73d Abs. 1 S. 1 StGB abzugsfähig. Insoweit können bei der Bestimmung des einzuziehenden Wertes nur solche Aufwendungen in Abzug gebracht werden, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem strafrechtswidrigen Erlangen des Vermögenswertes stehen (vgl. Joecks/Meißner in MüKo StGB, 4. Aufl., zu § 73d, Rn. 17). Durch die gegenständliche Tat hat der Angeklagte die Aufwendungen für Futtermittel erspart, hinsichtlich derer er im Zeitpunkt der Verurteilung immer noch bereichert war. Die Aufwendungen, die von dem Angeklagten für den Erwerb der Schweine und die Versorgung bis zum Einstellen der Fütterung erbracht worden sind, stehen mit diesen Ersparnissen in keinem sachlichen Zusammenhang. Zum Zeitpunkt des Erwerbes und der vorangegangenen Versorgung hat der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen noch nicht beabsichtigt, die Schweine später verhungern zu lassen. Dieses Schicksal war zudem im Zeitpunkt des Ankaufes keinesfalls zwingend.

Im Übrigen sind diese Aufwendungen dem eigentlichen Tatentschluss vorangegangen und scheiden bereits aus diesem Grunde als abzugsfähige Aufwendungen regelmäßig aus (vgl. Köhler, NStZ 2017, 497; Lohse in Leipziger Kommentar zum StGB, zu § 73d, Rn. 9).

Der Wert des Taterlangten in Form ersparter Aufwendungen lässt sich mithin nach den dem Revisionsangriff entzogenen Feststellungen des Landgerichts vom Senat ermitteln. In der Folge ist eine Entscheidung des Senats in der Sache entsprechend § 354 Abs. 1 StPO veranlasst.

c)

Die weitergehende Revision des Angeklagten war gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 3, Abs. 4 StPO.