Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 25.06.2013, Az.: 3 A 1791/12

Grob fahrlässiges Handeln eines Soldaten der Bundeswehr bei Aufheben eines in den Fußraum der Beifahrerseite heruntergefallenen Fahrbefehls während laufender Fahrt; Einschränkung der fiktiven Reparaturkosten eines Schadens an einem Bundeswehrfahrzeug auf Basis eines Sachverständigengutachtens

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
25.06.2013
Aktenzeichen
3 A 1791/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 43020
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2013:0625.3A1791.12.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.)

    Ein Soldat der Bundeswehr, der als Fahrzeugführer eines Bundeswehrfahrzeugs während laufender Fahrt nach einem Linksabbiegevorgang einen in den Fußraum der Beifahrerseite heruntergefallenen Fahrbefehl aufzuheben versucht und infolgedessen mit Schadensfolge von der Fahrbahn abkommt, handelt grob fahrlässig.

  2. 2.)

    Die fiktive Reparaturkostenabrechnung eines Schadens an einem Bundeswehrfahrzeug auf Basis eines Sachverständigengutachtens, das für Ersatzteile die unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers des Fahrzeugs zugrundegelegt hat, wird dadurch eingeschränkt, dass sich die Bundeswehr ihr vom Hersteller des Fahrzeugs eingeräumte Rabatte zwischen 8% und 33% auf zur Behebung des konkreten Schadens erforderliche Ersatzteile zu Gunsten des Soldaten anrechnen lassen muss.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Schadensersatzforderung der Beklagten.

Der Kläger ist Zeitsoldat (Z 8) bei der Bundeswehr mit einem derzeitigen voraussichtlichen Dienstzeitende mit Ablauf des 30. September 2014.

Zum Zeitpunkt des Schadensereignisses bekleidete er den Rang eines Stabsgefreiten, besoldet nach der Besoldungsgruppe A 5.

Ausgestattet mit einem schriftlichen Fahrauftrag, den er im Kraftfahrzeug mit sich führte, befuhr der Kläger am 23. August 2011 gegen 07.45 Uhr mit dem ihm überlassenen Dienstkraftfahrzeug H. Geländewagen vom Typ Wolf, Baujahr 1990, mit dem Kennzeichen I. eine Straße auf dem Gelände der J. -Kaserne in K.. Nachdem bei einem Linksabbiegevorgang der Fahrbefehl von der Ablage im Kraftfahrzeug in den Fußraum gefallen war, versuchte der Kläger vom Fahrersitz aus bei laufender Fahrt in einer Geschwindigkeit von 25-30 km/h den Fahrbefehl aus dem Fußraum aufzuheben. Dabei geriet er in Fahrtrichtung rechts von der Fahrbahn ab auf den Grünstreifen und fuhr mit Anstoß an der Front rechts einen dort befindlichen Laternenmast um. Dadurch wurde das Fahrzeug erheblich an der Stoßstange, am Kühlergrill, am Kotflügel und an der Motorhaube beschädigt. Der Laternenpfahl konnte wieder aufgerichtet werden.

Nach dem von der Wehrbereichsverwaltung Nord veranlassten Gutachten des TÜV L. entstand an dem verunfallten Fahrzeug ein Schaden in Höhe von 4.788,11 € einschl. Mehrwertsteuer. Ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer belief sich der Schaden auf 4.023,62 €. Die Reparaturkostenkalkulation erfolgte mit Hilfe des Systems M.. Der Kalkulation lagen die unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers (UPE) zu Grunde. Für die Erstellung des Schadensgutachtens stellte der TÜV L. der Wehrbereichsverwaltung Nord einen Betrag in Höhe von 611,07 € in Rechnung.

In der Folgezeit wurde das verunfallte Fahrzeug nicht repariert. In der Verwaltungsakte findet sich ein unverbindliches Angebot der N. AG über Ersatzteile, aus dem hervorgeht, dass die Bundeswehr auf die Einzelpreise für die für das verunfallte Fahrzeug benötigten einzelnen Ersatzteile je nach Rabattgruppe einen Preisnachlass von zwischen 8 % und 33 % eingeräumt bekommt.

Unter dem 1. November 2011 teilte die Wehrbereichsverwaltung Nord dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, ihn wegen des entstandenen Schadens voraussichtlich mit einem Betrag in Höhe von 4.634,69 € in Anspruch zu nehmen. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger teilte daraufhin unter dem 22. November 2011 mit, dass er aus Reflex nach dem Fahrauftrag gegriffen habe und so von der Fahrbahn abgekommen sei. Aus diesem Grund bitte er, von einer Inanspruchnahme abzusehen.

Mit angefochtenem Bescheid vom 2. Dezember 2011, ausgehändigt am 21. Februar 2012, nahm die Wehrbereichsverwaltung Nord den Kläger auf Schadensersatz in Höhe von 4.634.69 € in Anspruch und erklärte für den Fall, dass der Kläger der Zahlungsaufforderung nicht nachkomme, vorsorglich die Aufrechnung gegen die dem Kläger etwa noch zustehenden Geldbezüge.

Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wies die Wehrbereichsverwaltung Nord mit Beschwerdebescheid vom 30. März 2012 zurück. Der entstandene Sachschaden sei darauf zurückzuführen, dass der Kläger aufgrund des "Greifens" nach dem Fahrbefehl in den Fußraum während der Fahrt und der damit verbundenen kurzzeitigen Nichtbeachtung der Fahrsicherheit den Unfall grob fahrlässig verursacht habe. Entlastende Umstände zu Gunsten des Klägers seien nicht erkennbar. Insbesondere sei der Unfall nicht durch fremde Einwirkung, sondern allein durch die Unachtsamkeit des Klägers ausgelöst worden, was die Schadensersatzpflicht rechtfertige.

Dagegen hat der Kläger mit einem am 30. April 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Zur Begründung führt er an, dass die Umstände des Einzelfalls maßgeblich seien für die Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliege. Grob fahrlässig handele derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, im hohen Grade außer Acht lasse, wer nicht beachte, was unter den gegebenen Umständen jedem hätte einleuchten müssen. Diese Voraussetzungen einer groben Fahrlässigkeit lägen bei dem Kläger nicht vor. Zwar liege eine schuldhaft begangene Pflichtverletzung vor. Das Verhalten des Klägers erreiche indes die Qualität einer haftungsbegründenden groben Fahrlässigkeit nicht. Zu seinen Gunsten sei zu berücksichtigen, dass er mit nur geringer Geschwindigkeit, nämlich mit nicht mehr als 30 km/h, nach Durchfahren der Kurve auf gerader übersichtlicher Strecke ohne jeden Fahrzeug- bzw. Fußgängerverkehr auf dem abgeschlossenen Kasernengelände und nicht im öffentlichen Straßenverkehr gefahren sei. Weiter wende er sich gegen die Höhe des behaupteten Schadens. Unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderung sei es der Beklagten zuzumuten, die eigens für die Reparatur von Einsatzkraftfahrzeugen vorgehaltenen eigenen, spezialisierten Einrichtungen nämlich die Instandsetzung mit der Beseitigung des Schadens zu beauftragen. Wenn die Beklagte eigene, auf die Instandsetzung von Bundeswehrfahrzeugen spezialisierte Werkstätten vorhalte, müsse sie sich hierauf verweisen lassen. Dies gelte erst recht im Hinblick auf die Fürsorgeverpflichtung im Dienstverhältnis und den Grundsatz der Schadengeringhaltung. Soweit die Beklagte im Fall der tatsächlichen Reparatur auf die eigenen Werkstätten verwiesen werden könne, könnten auch nur die hierdurch entstehenden Kosten im Fall fiktiver Abrechnung in Ansatz gebracht werden.

Nach der - nur dem Grundgedanken nach auf den vorliegenden Fall übertragbaren - höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne der Geschädigte statt einer günstigeren freien Werkstatt eine markengebundene Fachwerkstatt aufsuchen wenn a) bei bis zu 3 Jahre alten Pkw die Garantiebedingungen vorsähen, dass nur in einer Markenfachwerkstatt repariert werden dürfe und b) bei älteren Pkw der Geschädigte nachweisen könne, dass er bisher immer in Markenfachwerkstätten habe reparieren oder warten lassen.

Die Beklagte bezifferte den bei ihr entstandenen Schaden allein anhand des Gutachtens des TÜV L.. Dieses Schadensgutachten sei keine geeignete Entscheidungsgrundlage. In dem Gutachten würden keinerlei Rabatte berücksichtigt. Wie sich aus der in der Akte befindlichen Listenpreisübersicht ergebe, gewähre die N. AG der Beklagten Rabatte von bis zu 33 %. Diese Ermäßigungen würden hingegen von dem Schadensgutachten nicht berücksichtigt. Die Preisnachlässe seien zu Gunsten des Klägers anzusetzen, da andernfalls die Beklagte mit vollem Schadensersatz bei reduzierten Reparaturkosten nach dem Unfall besser dastünde als zuvor. Das wolle das Schadensersatzrecht jedoch vermeiden. Diese Grundsätze fänden auch im vorliegenden Dienstverhältnis Anwendung.

Darüber hinaus sei das Schadensgutachten keine geeignete Entscheidungsgrundlage für die Frage, ob es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden handele, so dass nicht die Reparaturkosten, sondern lediglich der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes zu erstatten wären. Entgegen der Auffassung des Sachverständigen sei es keinesfalls offensichtlich, dass die Reparaturkosten von knapp 5.000,-- € brutto die Wiederbeschaffungskosten bei weitem nicht erreichten. Immerhin sei das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt 21 Jahre alt gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 2. Dezember 2011 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 30. März 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass das Verhalten des Klägers weiterhin als grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung zu qualifizieren sei. Er habe sich durch das völlig unnötige Aufheben des Fahrbefehls selbst außer Stande gesetzt, das von ihm gesteuerte Fahrzeug sicher zu führen. Es hätte sich ihm aufdrängen müssen, dass das Aufheben des Fahrbefehls bis zum Ende der Fahrt zurückgestellt werden könne bzw. zuvor das Fahrzeug zum Halten zu bringen sei.

Die Beklagte sei berechtigt, nach dem Sachverständigengutachten abzurechnen. Der Kläger könne sie nicht auf bestimmte Reparaturwege, insbesondere auf die Eigenreparatur verweisen. Ferner sei eine Instandsetzung des beschädigten Fahrzeugs in einer bundeswehreigenen Werkstatt nicht möglich, da laut Schadensgutachten Vermessungs-, Richt- und Lackierarbeiten erforderlich seien. Diese Instandsetzungsarbeiten könnten aufgrund fehlender Ausstattung nicht bundeswehrintern durchgeführt werden.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 2. Dezember 2011 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 30. März 2012 ist teilweise rechtswidrig, nämlich in Höhe von 787,71 € und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten. Im Übrigen ist der Bescheid vom 2. Dezember 2011 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 30. März 2012 indes rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die durch den angegriffenen Leistungsbescheid geltend gemachte Schadensersatzforderung ist § 24 Abs. 1 SG. Danach muss der Kläger einen Schaden ersetzen, sofern er zumindest grob fahrlässig seine Pflichten verletzt hat. Tatbestandsvoraussetzungen sind mithin eine soldatenrechtliche Pflichtverletzung, ein kausaler Schaden, Rechtswidrigkeit und Verschulden im genannten Maßstab. Dabei setzen sich die Pflichten des Soldaten aus der Gesamtheit der ihm aufgrund des Soldatenverhältnisses obliegenden allgemeinen und besonderen dienstlichen Pflichten zusammen.

Im vorliegenden Fall war der Kläger als Soldat für seinen Dienstherrn tätig, als er mit dem Bundeswehrfahrzeug von der Straße auf dem Kasernengelände nach rechts abgekommen ist und dabei einen Laternenmast umgefahren hat. Durch das Verhalten des Klägers ist ein Schaden entstanden.

Das Verhalten des Klägers ist pflichtwidrig. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in besonders schwerem Maße verletzt worden ist, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben worden sind und das unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Urteil vom 17.09.1964 - II C 147.61 - NJW 1965, 458 [BVerwG 17.09.1964 - BVerwG II C 147.61]; BVerwG, Urteil vom 25.05.1988 - 2 C 3/88 - DVBl 1988, 1067 [BVerwG 25.05.1988 - BVerwG 6 C 38.85]).

Der Kläger hat grob fahrlässig gehandelt, als er versucht hat, den infolge des Abbiegens aus der Ablage gerutschten Fahrauftrag aus dem Fußraum der Beifahrerseite aufzunehmen, um ihn an seinen Platz zu legen. Dabei hat er kurzzeitig seinen Blick zumindest auch auf den Fußraum gerichtet und seine Aufmerksamkeit nicht mehr voll dem Geradeauslauf des Kraftfahrzeugs gewidmet.

Damit war er in seiner Konzentration auf das Verkehrsgeschehen abgelenkt und hat mit dem zielgerichteten Greifen nach dem Fahrauftrag den Blick von der Fahrbahn genommen und sich allein darauf fokussiert, den Fahrauftrag möglichst schnell in den Griff zu bekommen, um ihn an seinen angestammten Platz zu legen. Dabei stellt das Bücken nach dem Fahrauftrag während der Fahrt auch bei verhältnismäßig geringer Fahrtgeschwindigkeit ein grob fahrlässiges Verhalten dar. Es gehört zu den grundlegenden Erfahrungen eines Fahrzeugführers, dass sich infolge der Fahrtaufnahme ungesicherte Gegenstände im Wageninneren selbstständig machen und dies häufig dazu führt, dass der Fahrer instinktiv danach greift und in seiner Aufmerksamkeit hinsichtlich des eigentlichen Fahrvorgangs abgelenkt wird, was wiederum zur Folge haben kann, dass er das Fahrzeug nicht mehr sicher führt und unter Umständen die Gewalt darüber verliert (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.12.1996 - 10 U 213/95 - zitiert nach [...]). Auch die Rechtsprechung zu § 61 VVG geht davon aus, dass sich ein Fahrer sowohl dann grob fahrlässig verhält, wenn er den Blick einige Sekunden von der Fahrbahn abwendet, um ein nicht verkehrswesentliches Geschehen zu beobachten (OLG München, Urteil vom 27.01.1994 - 24 U 706/93 - NZV 1994, 401), als auch, wenn er sich durch Rauchen, heruntergefallene Gegenstände, die Suche nach ihnen oder das Greifen nach Gegenständen auf dem Beifahrersitz so ablenken lässt, dass er die Übersicht über das Verkehrsgeschehen verliert und es dann zu Fehlreaktionen oder dazu kommt, dass er die Herrschaft über sein Fahrzeug verliert (vgl. OLG Frankfurt/Main vom 08.02.1995 - 23 U 108/94 - VersR 1996, 446). Nach ganz überwiegender Rechtsprechung handelt etwa grob fahrlässig, wer sich während der Fahrt nach einer heruntergefallenen, brennenden Zigarette bückt (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 10.3.1999 - 1 U 65/98 - zitiert nach [...]; OLG Hamm, Urteil vom 26.01.2000 - 20 U 155/99 - zitiert nach [...], OLG Frankfurt, Urteil vom 08.02.1995 - 23 U 108/94 - zitiert nach [...]; OLG Köln, Urteil vom 10.03.1998 - 9 U 184/97 - zitiert nach [...]).

Auch die Tatsache, dass es sich bei dem Verhalten des Klägers möglicherweise um eine spontane Fehlreaktion gehandelt haben könnte, schließt die grobe Fahrlässigkeit nicht aus. Dies ist bei einem sogenannten Augenblicksversagen nämlich nur dann der Fall, wenn besondere entlastende Umstände vorhanden sind (vgl. zu § 61 VVG: BGH, Urteil vom 08.07.1992 - IV ZR 223/91 - BGHZ 119, 147). Das Vorliegen eines Augenblicksversagens stellt keinen ausreichenden Grund dar, den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen, wenn - wie hier - die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben sind. Eine Vielzahl der Fälle unbewusster Fahrlässigkeit, insbesondere bei Regelverstößen im Straßenverkehr, beruht gerade darauf, dass der Handelnde für eine kurze Zeit unaufmerksam ist und das an ihn gerichtete Gebot oder Verbot übersieht. Dass der Verkehrsteilnehmer an die erhöhte Gefahr oder an die gebotene Verhaltensalternative nicht gedacht hat, ist typisch für Fälle der unbewussten Fahrlässigkeit und schließt für sich allein die Möglichkeit einer groben Fahrlässigkeit noch nicht aus. Vielmehr müssen weitere, in der Person des Handelnden liegende besondere Umstände hinzukommen, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1992 - IV ZR 223/91 -, zitiert nach [...] ; Nds. OVG, Beschluss vom 02.04.2013 - 5 LA 50/12 - zitiert nach [...]). Solche Umstände sind im vorliegenden Einzelfall nicht gegeben.

Indes begegnet die Höhe der Inanspruchnahme durch die Beklagte hier wegen der von der H. AG eingeräumten Rabatte auf die hier benötigten Ersatzteile in Höhe von 787,71 € rechtlichen Bedenken. Prinzipiell ist der Kläger in Höhe des gesamten schadensersatzpflichtig. Es steht im Ermessen des Dienstherrn, in welcher Höhe er den Soldaten in Anspruch nimmt. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ihr Ermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt, weil sie auf der Basis des TÜV-Gutachtens den Schadensersatz geltend gemacht hat, ohne die auf die Ersatzteile von der H. AG eingeräumten Rabatte schadensmindernd zu berücksichtigen.

Zwar kann der Geschädigte grundsätzlich vom Schädiger den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen, wofür das Schätzungsgutachten eines anerkannten Kfz-Sachverständigen über die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten für das Gericht eine sachgerechte Grundlage sein kann, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Keineswegs aber legt das Schätzungsgutachten den zu beanspruchenden Schadensersatz für die Reparatur des geschädigten Kraftfahrzeugs bindend fest. Insbesondere ist es dem Schädiger unbenommen, durch substantiierte Einwände die Annahmen des Sachverständigen in Einzelpunkten in Zweifel zu ziehen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.06.2009 - 1 U 13/09 - zitiert nach [...]).

Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegung ist dabei § 249 Abs. 1 BGB, wonach der Geschädigte Anspruch auf Wiederherstellung des Zustandes hat, wie er ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Zu berücksichtigen ist allerdings auch § 254 Abs. 2 BGB. Danach ist der Geschädigte verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Außerdem darf er wirtschaftlich nicht besser gestellt sein als ohne das schädigende Ereignis. Nach diesen Grundsätzen ist der Geschädigte zwar nicht verpflichtet - sei es bei Neuanschaffungen, sei es bei Reparaturen - überobligationsmäßige Anstrengungen im Interesse des Schädigers zu unternehmen, um einen möglichst geringen Preis zu erhalten oder nach "Schnäppchen" Ausschau zu halten, wohl aber dazu, handelsübliche Rabatte oder aber solche, die ihm ohne jeglichen Verhandlungsaufwand offen stehen, wahrzunehmen. Das übersteigt nicht die Grenze des Zumutbaren (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.06.2009 - 1 U 13/09 - m. w. N. zitiert nach [...]).

Im vorliegenden Fall besteht für die Beklagte die Möglichkeit, ohne dafür irgendwelche Anstrengungen unternehmen zu müssen, die von der N. AG eingeräumten Rabatte in Anspruch zu nehmen. Würde sie diese Rabatte auf die Ersatzteile nicht dem Kläger zugutekommen lassen, würde sie nach dem Unfall wirtschaftlich besser dastehen als vorher, wofür keine rechtliche Grundlage ersichtlich ist. Sie würde damit bei der gebotenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot und das Bereicherungsverbot verstoßen. Es gibt keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf eine Verdienstspanne zwischen den fiktiv kalkulierten und den tatsächlichen Reparaturkosten (Wenker, jurisPR-VerkR 7/2010 Anm. 2 (Anmerkung)). Ähnlich liegt die Problematik, wenn der Geschädigte das Fahrzeug in der Reparaturwerkstatt des eigenen Unternehmens repariert, wenn eine Werkstatt für den eigenen Fuhrpark unterhalten wird. Unterhält ein Geschädigter eine eigene Werkstatt, kann er nach überwiegender Rechtsprechung nur seine Selbstkosten (Lohn- und Materialkosten, anteilige Gemeinkosten) beanspruchen, nicht auch einen darüber hinausgehenden Unternehmergewinn (BGH, Urteil vom 03.02.1961 - VI ZR 178/59; OLG Nürnberg, Urteil vom 26.06.1970 - 1 U 118/69 und AG Münster, Urteil vom 14.02.1996 - 29 C 661/95). Nach den Umständen des Einzelfalles kann diese Frage aber anders zu beurteilen sein, wenn der Geschädigte nachweist, dass seine Werkstatt im fraglichen Zeitraum voll ausgelastet war und ihm durch die Reparatur seines eigenen Fahrzeugs Fremdaufträge entgangen sind (OLG München, Urteil vom 24.01.1966 - 10 U 1976/63; OLG Nürnberg, Urteil vom 26.06.1970 - 1 U 118/69; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 28.09.1988 - 8 S 4444/88 und LG Offenburg, Urteil vom 28.03.1988 - 1 S 330/87).

Im vorliegenden Fall beträgt der Warenwert der Ersatzteile nach dem Angebot der N. AG vom 23. August 2011 unter Berücksichtigung der auf jedes Ersatzteil gewährten Rabatte in unterschiedlicher Höhe 956,02 € ohne Mehrwertsteuer, während sich der Warenwert der Ersatzteile nach dem Gutachten des TÜV L. ohne Mehrwertsteuer auf 1.744,33 € beläuft. Die Reparaturkosten einschl. Mehrwertsteuer belaufen sich laut TÜV-Gutachten auf einen Betrag in Höhe von 4.788,11 €. Hinzu kommen die Kosten für das TÜV-Gutachten in Höhe von 611,07 €. Demnach ergibt sich folgende Berechnung des Schadens: Schaden ohne MwSt lt. TÜV-Gutachten: 4.023,62 € - 1.744,33 € (Kosten für Ersatzteile lt. TÜV-Gutachten) = 2.279,29 € + 956,02 € (Kosten für Ersatzteile lt. Angebot der N. AG ohne MwSt) = 3.235,31 € + 611,07 € Gutachterkosten = 3.846,38 €.

Eine weitere Reduzierung der Schadenshöhe kommt entgegen der Auffassung des Klägers indes nicht in Betracht. Denn die Kammer legt der Berechnung der Schadenshöhe zu Grunde, dass die ausstehende Reparatur des Unfallfahrzeugs wegen der laut TÜV-Gutachten erforderlichen Vermessungs-, Richt- und Lackierarbeiten nicht bundeswehrintern durchgeführt werden kann, sondern durch eine gewerbliche Fachwerkstatt erfolgen wird.

Ebenso wenig schließt sich die Kammer der Auffassung des Klägers an, eine Abrechnung auf Basis der Reparaturkosten verbiete sich, weil im vorliegenden Fall ein wirtschaftlicher Totalschaden des Fahrzeugs anzunehmen sei, so dass lediglich der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs abzüglich des Restwertes zu erstatten wäre. Denn das TÜV Gutachten, dem die Kammer insoweit folgt, kommt zu dem Ergebnis, dass es anhand der vorgelegten Unterlagen sowie sämtlicher bekannt gegebener Informationen unter Berücksichtigung der örtlichen und überregionalen Marktlage offensichtliche sei, dass die Reparaturkosten die Wiederbeschaffungskosten bei weitem nicht erreichten. Aus diesem Grund sei auf eine detaillierte Ermittlung des Wiederbeschaffung- und des Restwertes verzichtet worden. An dieser Aussage zu zweifeln besteht trotz des Alters des verunfallten Fahrzeugs deshalb kein Anlass, weil das Fahrzeug zum Schadenszeitpunkt lediglich eine für das Fahrzeugalter von 21 Jahren äußerst geringe Laufleistung von 23.794 km aufwies.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i. V. m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.