Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 27.05.2013, Az.: 3 A 836/11

Rückforderung von kinderbezogenem Familienzuschlag im Fall der Wiederheirat des Ex-Ehegatten

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
27.05.2013
Aktenzeichen
3 A 836/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 55574
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2013:0527.3A836.11.0A

Amtlicher Leitsatz

Zur Rückforderung von kinderbezogenem Familienzuschlag im Fall der Wiederheirat des Ex Ehegatten

[Gründe]

Der Kläger wendet sich gegen eine Rückforderung.

Der 1966 geborene Kläger war Obersekretär (BesGrp A 7) im Justizvollzugsdienst; seit dem 01.01.2008 ist er aufgrund bestehender Dienstunfähigkeit im Ruhestand.

Der Kläger war in erster Ehe seit 1990 verheiratet. Diese Ehe, aus der die Kinder G., geb. 1990, und H., geb. 1992, hervorgingen, wurde im Februar 1997 geschieden. Gleichzeitig wurde das Sorgerecht auf die Mutter der Kinder übertragen. Die Kinder lebten seitdem bei ihrer Mutter; der Kläger leistete Barunterhalt.

Der Kläger heiratete 2007 erneut und hat mit seiner zweiten Ehefrau ein gemeinsames Kind (I., geb. 2000). Auch die erste Ehefrau des Klägers heiratete im April 2004 erneut. Deren jetziger Ehemann ist seit dem 01.06.2005 Tarifbeschäftigter bei der Stadt J. (Stadtreinigung).

Auf eine Anfrage der Beklagten zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des kinderbezogenen Familienzuschlags erklärte der Kläger unter dem 27.03.2009 u.a., dass er für H. den Kinderanteil erhalte; das Kindergeld für diesen erhalte der andere Elternteil, der wiederverheiratet sei. Gleichzeitig wies der Kläger darauf hin, dass ihm weitere Angaben nicht bekannt seien und er von seiner geschiedenen Ehefrau keine Auskunft erhalte. Auf Anfrage der Beklagten zur Gewährung von Kindergeld für H. angesichts dessen bevorstehender Volljährigkeit bat der Kläger unter dem 05.01.2010, etwaige Nachweise von seiner geschiedenen Frau oder der zuständigen Kindergeldkasse J. einzuholen, da die Zusammenarbeit mit seiner geschiedenen Frau sehr schwierig sei.

Unter Hinweis auf die Tatsache, dass H. im Haushalt der Mutter lebt, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 13.01.2010 fest, dass angesichts des fehlenden Anspruchs auf Kindergeld auch kein Anspruch auf Gewährung des Kinderanteils im Familienzuschlag bestehe. Die dennoch erfolgte Gewährung habe für den Zeitraum Dezember 2009 bis Januar 2010 zu einer Überzahlung von - einschließlich Sonderzahlung - 311,06 Euro geführt, die zurückgefordert werde. Gleichzeitig wurde hinsichtlich dieses Betrages die Aufrechnung mit den Versorgungsbezügen erklärt.

Dagegen legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein, mit dem er erneut auf seine Unkenntnis über die Lebensverhältnisse seiner Ex-Frau hinwies; hierauf habe er auch in der Vergangenheit immer hingewiesen. Er machte geltend, dass er aufgrund seiner Unterhaltszahlung Anspruch auf den Kinderanteil im Familienzuschlag für H. habe.

Nach weiteren Ermittlungen, insbesondere der Rückfrage bei der Stadt J., erging am 12.04.2010 der Bescheid der Beklagten, mit dem eine Überzahlung in Höhe von 8.082,46 Euro festgestellt wurde. Diese Überzahlung sei entstanden, weil dem Kläger für seine Söhne G. bis zum 31.01.2008 (Volljährigkeit) und H. bis zum 28.02.2010 (Volljährigkeit) der Kinderanteil im Familienzuschlag gewährt wurde. Gleichzeitig sei ein entsprechender Betrag dem Stiefvater der Kinder und jetzigen Ehemann der Ex-Frau des Klägers ab Juni 2005 gezahlt worden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass G. und H. als Zählkinder zu berücksichtigen seien und unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass der Zeitraum Dezember 2009 - Januar 2010 durch den Bescheid vom 05.01.2010 erfasst wurde, sei eine Überzahlung in der genannten Höhe entstanden. Dieser Betrag wurde zurückgefordert; gleichzeitig wurde die Aufrechnung mit den laufenden Versorgungsansprüchen des Klägers erklärt.

Auch hiergegen legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein, mit dem er darauf verwies, in den Erklärungen zum Familienzuschlag zwischen 2005 und 2009 immer angegeben zu haben, dass er über die persönlichen Verhältnisse seiner geschiedenen Frau keine Angaben machen könne. Insbesondere sei er von seiner Ex-Frau nicht darauf hingewiesen worden, dass deren Ehemann ebenfalls den Kinderanteil im Familienzuschlag für seine Söhne beziehe. Wenn der Stiefvater diese Leistungen beantragt habe, sei davon auszugehen, dass auch in jenen Erklärungen Angaben über den leiblichen Vater erforderlich gewesen seien, so dass die Leistungsgewährung auch an ihn, den Kläger, von Beginn an nachvollziehbar gewesen wäre. Er jedenfalls habe seine Angaben immer wahrheitsgemäß abgegeben.

Mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 01.06.2011 wurden die Widersprüche gegen die Rückforderungsbescheide zurückgewiesen. Der Stiefvater der Kinder des Klägers sei vorrangig zum Bezug des Kinderanteils im Familienzuschlag berechtigt, weil die Kinder in seinem Haushalt leben. Aus diesem Grunde sei die Überzahlung in der zurückgeforderten Höhe entstanden, weil der Kläger objektiv keinen Anspruch auf Gewährung der ihm gezahlten Beträge habe. Auf einen Wegfall der Bereicherung könne der Kläger sich nicht berufen; er hafte verschärft. Aus der Anzeigepflicht des Klägers folge, dass er die erforderlichen Auskünfte von seiner geschiedenen Ehefrau ggf. auch mit gerichtlicher Hilfe einholen müsse. Dies habe er unterlassen und sei damit seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung sei es ausreichend gewesen, dem Kläger eine Ratenzahlung zu gewähren.

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass der Stiefvater den Kinderanteil im Familienzuschlag nicht beanspruchen könne. Dies könne dann der Fall sein, wenn ihm etwa das Bestimmungsrecht und damit auch das Kindergeld zustehe, nicht aber dann, wenn keinerlei rechtliche Beziehung zwischen ihm und den Kindern bestehe.

Der Kläger sei auch entreichert, denn die gezahlten Beträge seien als Unterhalt an seine Kinder weitergeleitet worden. Auch habe er seine jetzige Ehefrau und das gemeinsame Kind zu unterhalten. Auf die Entreicherung könne er sich auch berufen, weil er den Mangel des rechtlichen Grundes nicht habe erkennen können. Insbesondere habe er nicht gegen seine Anzeigepflicht verstoßen. Eine Änderung im Kindergeldbezug, aus der Erkenntnisse herzuleiten gewesen wären, sei nicht eingetreten. Von der Beantragung und Gewährung des Kinderanteils an den Stiefvater habe er ebenfalls keine Kenntnisse gehabt. Auf die Tatsache, dass er über ggf. erforderliche Kenntnisse nicht verfüge, habe er regelmäßig hingewiesen. Unter diesen Umständen sei sein Verhalten allenfalls als leicht fahrlässig einzustufen.

Im Rahmen der Billigkeit habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Rückforderung des doppelt gezahlten Kinderanteils auch bei dem Stiefvater hätte geltend gemacht werden können. Zudem bedeute die Rückforderung vom Kläger seine doppelte Belastung, weil er die weitergeleiteten Beträge nicht mit Aussicht auf Erfolg von seiner Ex-Frau bzw. seinen Kindern zurückverlangen könne.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 13.01.2010 und vom 12.04.2010 und ihren Widerspruchsbescheid vom 01.06.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist drauf hin, dass der Stiefvater der Kinder zum Bezug des Kindergeldes berechtigt wäre; dem folgend habe er auch den Kinderanteil im Familienzuschlag beanspruchen können. Dies ergebe sich aus § 29 Abs. 3 BAT und für die Zeit ab dem 01.10.2005 aus § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA. Dieser Umstand führe zu einer Konkurrenzsituation, die durch § 40 Abs. 5 BBesG geregelt werde. Aus dieser Bestimmung, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, folge, dass der gewährte Kinderanteil dem Stiefvater zustehe und der Kläger die Beträge damit ohne rechtlichen Grund bezogen habe.

Auf den Wegfall der Bereicherung könne sich der Kläger nicht berufen. Vielmehr sei er, etwa mit dem Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 20.10.2009, darauf hingewiesen worden, alle Tatsachen anzuzeigen, die für die Höhe der Bezüge von Bedeutung sein könnten. Die Unkenntnis über die Lebensumstände seiner geschiedenen Ehefrau habe er im Verhältnis zur Beklagten zu vertreten. Dies sei der Fall, weil nur der Kläger und nicht die Beklagte in einer Rechtsbeziehung zum geschiedenen Ehegatten stehe.

Die Billigkeitsentscheidung sei nicht zu beanstanden. Insbesondere sei keine Möglichkeit gegeben, gegen den Stiefvater der Kinder vorzugehen, weil eine Rechtsbeziehung zwischen diesem und der Beklagten nicht bestehe.

Gleichzeitig mit der vorliegenden Klage hat der Kläger einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Diesen hat die Kammer mit Beschluss vom 03.08.2011 abgelehnt (3 B 837/11).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Klage hat Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger daher in seinen Rechten, so dass sie aufzuheben waren (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 12 Abs. 2 BBesG, soweit Beträge aus der aktiven Dienstzeit des Klägers zurückgefordert werden, und der gleichlautende § 52 Abs. 2 BeamtVG, soweit Beträge nach der Zurruhesetzung betroffen sind. Nach diesen Vorschriften regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge grundsätzlich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, wobei es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes für den Bezug der Beträge gleich steht, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift(en) liegen jedoch nicht vor.

Der Kläger hat den zurückgeforderten Betrag zwar objektiv rechtsgrundlos erlangt.

Grundsätzlich hat auch der geschiedene Beamte einen Anspruch auf Gewährung der kinderbezogenen Familienzuschläge, wie sich aus § 40 Abs. 3 BBesG ergibt. Allerdings hat auch der Stiefvater der Kinder einen entsprechenden Anspruch. Inhaltlich folgt der Familienzuschlag dem Anspruch auf Gewährung von Kindergeld. Dies kann der Stiefvater beanspruchen, wenn es nicht, wie hier, der früheren Ehefrau des Klägers gezahlt würde, weil der Stiefvater das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (vgl. hierzu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 25. August 2008 - 3 ZB 07.2993 -, [...] unter Hinweis auf § 64 Abs. 2 EStG). Damit hat der Stiefvater einen eigenen Anspruch auf eine kinderbezogene Leistung, wie aus § 29 Abs. 3 BAT folgt.

Diese Zusammenhänge führen zur Anwendung der Konkurrenzregel des § 40 Abs. 5 BBesG, der eine Doppelleistung des streitigen Betrages an zwei Personen ausschließt (vgl. VG München, Urteil vom 18. November 2008 - M 21 K 06.4385 -, [...]). Dem steht die Tatsache, dass der Kläger Beamter und der Ehegatte seiner ehemaligen Frau Tarifangestellter ist, nicht entgegen, denn gemäß § 40 Abs. 6 BBesG ist öffentlicher Dienst im Sinne auch des § 40 Abs. 5 BBesG unter anderem das Angestelltenverhältnis bei einer Kommune, weil der gemäß § 29 BAT gewährte Sozialzuschlag nach Leistungszweck, Leistungsvoraussetzungen und Leistungsmodalitäten dem Familienzuschlag gemäß §§ 39, 40 BBesG entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 01. September 2005 - 2 C 24/04 -, [...]).

Rechtliche Bedenken gegen die Konkurrenzregel des § 40 Abs. 5 BBesG bestehen nicht. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass die Bestimmung gegen höherrangiges Recht verstoßen würde (hierzu Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. Februar 2009 - 3 LB 12/07 -, [...]).

Hiernach hat der Kläger den Familienzuschlag (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BBesG, § 50 Abs. 1 S. 2 BeamtVG) ohne rechtlichen Grund im Sinne der §§ 12 Abs. 2 BBesG, 52 Abs. 2 BeamtVG erhalten.

Der Kläger, der entreichert ist, weil er die Beträge zum überwiegenden Teil an die Kindesmutter weitergeleitet hat (sofern ihm geringfügige Beträge verblieben sein sollten, ist eine "centgenaue" Abrechnung nicht erforderlich, weil bei geringfügigen Beträgen der Verbrauch im Rahmen der normalen Lebensführung anzunehmen ist, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 4/11 -, [...]), kann sich jedoch auf diese Entreicherung berufen, denn er haftet nicht verschärft.

Wie bereits erwähnt, regelt sich die Rückforderung von Bezügen nach den Vorschriften des BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung. Das bedeutet, dass grundsätzlich eine Verpflichtung zur Herausgabe ausgeschlossen ist, wenn der Empfänger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Dieser Grundsatz erfährt in § 819 Abs. 1 BGB eine Ausnahme insoweit, als dass der Empfänger so zur Herausgabe verpflichtet ist, als wenn der Herausgabeanspruch bereits rechtshängig wäre, wenn er den Mangel der rechtlichen Grundes bei Empfang kennt, der Empfänger den Gegenstand - hier die Bezüge in Gestalt des Familienzuschlages - also "nimmt", obwohl ihm bewusst ist, dass ihm die Gelder nicht zustehen. Dies führt gemäß § 818 Abs. 4 BGB zu einer Haftung nach den allgemeinen Vorschriften und damit nach § 292 BGB dazu, dass sich der Empfänger nicht mehr auf die Entreicherung, also auf die Aussage, über den herauszugebenden Gegenstand nicht mehr zu verfügen, berufen kann. Diese zivilrechtlichen Grundsätze werden hier ergänzt durch die beamtenrechtliche Vorschrift des § 12 Abs. 2 S. 2 BBesG (bzw. § 52 Abs. 2 S. 2 BeamtVG), nach der es der bewussten Kenntnis gleich steht, wenn der Mangel des Rechtsgrundes für den Empfang der - hier - Beträge so offensichtlich war, dass der Beamte diesen Mangel hätte erkennen müssen. Die zu klärende Frage lautet damit, ob der Kläger, der nicht wusste, dass der neue Ehemann seiner Ex-Frau den ihm gewährten Beträgen gleichstehende Zuschläge erhielt, diese Zusammenhänge hätte erkennen müssen, weil sie offensichtlich waren. Diese Frage ist nach Auffassung der Kammer zu verneinen.

Eine Offensichtlichkeit in dem genannten Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn etwaige Fehler dem Beamten gleichsam "ins Auge springen". Dem Beamten ist vielmehr aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht grundsätzlich auch zuzumuten, die für seine Besoldung/ Versorgung maßgeblichen Umstände auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Bei Unklarheiten oder Zweifeln ergibt sich hieraus die Verpflichtung, durch Rückfrage zumindest überprüfen zu lassen, ob eine Zahlung zu Recht erfolgt ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 4/11 -, [...]).

Hinter diesen Grundsätzen bleiben die Anforderungen an den Beamten in einer Trennungssituation in gewisser Weise zurück, um der Privatsphäre des Beamten und, damit einhergehend, dem Umstand, dass es Sache des Beamten ist, wie er den weiteren Umgang mit seinem Ex-Ehegatten gestalten kann und/oder will, Rechnung zu tragen. Das VG Gelsenkirchen (Urteil vom 23. März 2010 - 12 K 1165/06 -, [...]) hat zu einer hier vorliegenden Konstellation ausgeführt:

"Insbesondere ist der Beamte auch nicht ohne weiteres zu entsprechenden Nachfragen beim geschiedenen Ehegatten verpflichtet. Soweit im Bescheid des LBV vom 25. Januar 1999 ausgeführt wird, der Kläger sei verpflichtet, von Zeit zu Zeit Erkundigungen über ein mögliches Beschäftigungsverhältnis sämtlicher dort genannter (potenziell kindergeldberechtigter) Personen und damit u.a. auch des neuen Ehemannes der geschiedenen Ehefrau einzuholen, kann dem jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Auch dies hieße - auch bei Berücksichtigung der dem Beamten obliegenden Treuepflicht - die Anforderungen an den Beamten zu überspannen."

In den vom VG Gelsenkirchen zitierten Entscheidungen des OVG Münster (Urteile vom 26. August 1999 - 12 A 2998/97 - und 12 A 3370/97; jeweils [...]) heißt es übereinstimmend:

"Nach Auffassung des Senats würde es die im Rahmen des § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG dem Beamten aufgrund seiner Treuepflicht abzuverlangenden Obliegenheiten zur Abwendung einer verschärften bereicherungsrechtlichen Haftung übersteigen, wenn diesem stets zugemutet würde, bei fehlender Kenntnis bestimmter für die Überprüfung der Richtigkeit seiner Besoldung relevanter Umstände erst selbst noch unter Umständen aufwendige weitere Ermittlungen zum Sachverhalt durchzuführen. Dem dürfte bereits die Auslegungsgrenze des Wortlauts ("offensichtlich") entgegenstehen. Außerdem ist hier zu berücksichtigen, daß die in Frage stehende Erkundigung bei dem geschiedenen Ehegatten einen besonders sensiblen zwischenmenschlichen Bereich berührt. Dessen Ausgestaltung muß bei Einbeziehung der in den Grundrechten aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zum Schutz der privaten Lebenssphäre enthaltenen objektiven Wertentscheidungen grundsätzlich den Betroffenen selbst überlassen bleiben. Das betrifft auch die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang nach der Scheidung weiterer Kontakt der Eheleute zueinander gehalten wird.

Vgl. auch Senatsurteil vom 20. Januar 1999 - 12 A 3867/97 -.

Dieser Schutz der Privatsphäre wird auch durch die beamtenrechtliche Treuepflicht nicht vollständig überlagert bzw. verdrängt, zumal dann nicht, wenn - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - der Dienstherr zur Ermittlung des Sachverhaltes auf eine Mitwirkung des Beamten nicht zwingend angewiesen ist. Berücksichtigt man dies, so ist es nicht schon ohne weiteres zu den einen Beamten zur Abwendung der verschärften Haftung treffenden Obliegenheiten zu zählen, sich die für eine vollständige und sichere Überprüfung der Richtigkeit seiner Besoldung erforderlichen Angaben selbst von dem geschiedenen Ehegatten zu beschaffen."

Diese Ausführungen (ebenso VG Magdeburg, Urteil vom 21. Mai 2003 - 8 A 127/02 -, [...]) legt die Kammer ihrer Auffassung zugrunde. Dabei berücksichtigt die Kammer insbesondere auch die Darstellung des Klägers zu seinen persönlichen Lebensumständen nach der Trennung von seiner 1. Ehefrau wie in der mündlichen Verhandlung geschildert.

Eine bewusste Kenntnis über die Zahlung der kinderbezogenen Leistungen für seine Söhne an den zweiten Ehemann seiner Ex-Frau hatte der Kläger nicht. Er hatte aber auch keine Anhaltspunkte, die eine entsprechende Nachfrage erforderlich gemacht hätte. Aus seiner Darstellung folgt glaubhaft, dass der Kontakt zwischen den Ehegatten nach der Trennung 1995 zunehmend geringer geworden sei. Zu einem bereits zuvor schwierigen Verhältnis seien mehrere Umzüge seiner ehemaligen Ehefrau getreten, die zuletzt 2002/3 in die Gegend von J. verzogen sei. Weiter erläuterte der Kläger, dass diese räumliche Trennung auch - nicht zuletzt aus finanziellen Gründen - zu einem immer geringeren Kontakt zu seinen Söhnen geführt habe. An der Richtigkeit der Aussage des Klägers, bereits von der neuerlichen Eheschließung seiner Ex-Frau erst 2005 erfahren zu haben, wie geschildert, besteht unter diesen Umständen kein Zweifel, denn einerseits ist nachvollziehbar, dass das Verhältnis zwischen den ehemaligen Ehegatten Mitteilungen der geschiedenen Ehefrau über eine neue Partnerschaft über Person und persönliche Umstände - insbesondere die Einkommensverhältnisse - des neuen Partners ausschließt. Dies gilt um so mehr, als der Kläger Unterhaltsleistungen an seine Ex-Frau nicht erbracht hat und damit eine Kommunikation "über Geld" zwischen den geschiedenen Ehegatten nicht erforderlich war. Andererseits ist plausibel, dass der Kläger insoweit maßgebliche Einzelheiten auch nicht über seine Söhne erlangen konnte. Unabhängig von der Frage, ob die 1990 und 1992 geborenen Söhne ab 2004 überhaupt Einzelheiten zur Person des neuen Partners ihrer Mutter hätten angeben können, ist nachvollziehbar, dass das sehr lose Verhältnis des Klägers zu seinen Söhnen nicht die Grundlage für einen "Erkenntnisgewinn" in dieser Richtung sein kann; wenn, wie der Kläger geschildert hat, briefliche oder telefonische Kontakte z.T. nur einmal innerhalb eines Vierteljahres stattgefunden haben, richtet sich das Interesse des von seinen Kindern getrennt lebenden Vaters auf diese und nicht auf den ihm unbekannten neuen Partner seiner Ex-Frau.

Aus diesen Gründen hat der Kläger seine Treuepflichten hier nicht verletzt, indem er keine weiteren Auskünfte eingeholt hat. Zwar mag das Verhältnis zwischen geschiedenen Ehegatten häufig angespannt sein und entgegen den Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist die Tatsache, dass er bereits seit 1997 gegenüber der Beklagten auf fehlende Auskünfte seiner Ex-Ehefrau hingewiesen haben will, aus den Verwaltungsvorgängen nicht nachvollziehbar. Insoweit folgt das Gericht jedoch der Darstellung des Klägers aus der mündlichen Verhandlung über die hier besonders schwierige Situation. Zudem gilt, dass dann, wenn entsprechende Mitteilungen des Klägers in dem genannten Sinne - erst seine Erklärung vom 27.03.2009 weist auf diesen Umstand hin - gefehlt haben sollten, der Kläger dennoch objektiv keine Hinweise auf die berufliche Tätigkeit und den Bezug des Zuschlags durch den 2. Ehemann seiner Ex-Frau und damit auch keinen Anlass zur Nachfrage hatte. Ein gerichtliches Vorgehen gegen seine Ex-Frau und/oder seine Söhne, um entsprechende Auskünfte zu erlangen, gehört entgegen der Auffassung der Beklagten grundsätzlich nicht zu den Verpflichtungen des Klägers; Anhaltspunkte für ein insoweit bewusst treuwidriges Verhalten bestehen nicht (zu einer vergleichbaren Wertung für die Realisierung eines Unterhaltsanspruchs im Rahmen des § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG vgl. Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 15. Juli 2009 - 3 K 740/08 -, [...]).

Eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung ist dem Kläger danach nicht vorzuwerfen, so dass er sich auf die Entreicherung berufen kann.

Damit liegen die Voraussetzungen für die Rückforderung nicht vor, so dass der Klage stattzugeben war. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.