Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 28.02.2007, Az.: 3 A 113/06

Beamter; Beihilfe; Beihilfevorschrift; Blutdruck; Blutdruckmessgerät; Fürsorge; Fürsorgeanspruch; Gefahr; Gerät ; Hilfsmittel; Hypertonie; Messgerät; Messung; Niere; Nierenerkrankung; Nierenersatztherapie; Nierenfunktion; Selbstkontrolle; Therapie

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
28.02.2007
Aktenzeichen
3 A 113/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71897
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die zur Konkretisierung der Fürsorgeansprüche der Beamten für eine Übergangszeit weiterhin heranzuziehenden Beihilfevorschriften sind wie Rechtsnormen auszulegen und anzuwenden.

Die Unterscheidung von Hilfsmittel und Geräten zur Selbstkontrolle ist für die Anwendung der Anlage 3 zu § 6 Absatz 1 Nr. 4 Satz 2 BhV unerheblich.

Die Aufführung in der Negativliste (Nr. 9) der Anlage 3 schließt entsprechende Aufwendungen nicht von vornherein von der Beihilfefähigkeit aus. Prüfungsmaßstab sind die im Einleitungssatz zu Nr. 9 der Anlage aufgeführten übergreifenden Tatbestandsmerkmale, die den Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Anschaffung von Geräten zur Selbstkontrolle systemkonform daran anknüpfen, ob diese nicht notwendig und angemessen oder von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen.

Ein Membran-Blutdruckmessgerät mit einer den Verhältnissen eines Kindes entsprechenden Armmanschette ist weder in der Bevölkerung verbreitet, wird auch nicht von oder für gesunde Kinder angeschafft und ersetzt auch keinen anderen Gegenstand der allgemeinen Lebensführung.

Unter "geringfügigem Abgabepreis" ist eine Bagatell-Belastung zu verstehen, die Beamten jeder Besoldungsgruppe nach allgemeiner Verkehrsauffassung ohne weiteres zugemutet werden kann; dies ist bei Aufwendungen in Höhe von 52,20 € nicht der Fall.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist Staatsanwalt im Dienste des Landes Niedersachsen. Einer ärztlichen Bescheinigung des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation e. V. in D. vom 21.2.2006 zufolge leidet sein Sohn J. E. an einer angeborenen Nierenerkrankung, die erfahrungsgemäß bereits im jungen Kindesalter zu einer behandlungspflichtigen arteriellen Hypertonie, im weiteren Verlauf auch zu einem Verlust der Nierenfunktion und zur Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie (Dialyse, Nierentransplantation) führt. Deshalb wurde ihm ein Blutdruckmessgerät verordnet, das, so die Bescheinigung, einer rechtzeitigen Erkennung einer Verschlechterung der Blutdrucksituation eines chronisch nierenkranken Kindes diene, dessen Blutdrucktherapie sicherlich in den nächsten Monaten und Jahren weiter intensiviert werden müsse. Bei diesem Messgerät handele es sich nicht um ein Gerät, das in der allgemeinen Lebenshaltung häufig benutzt werde.

2

Der Kläger erwarb ein solches Gerät zum Preis von 52,20 €. Diese Aufwendungen reichte er mit Antrag vom 23.01.2006 bei der Beihilfestelle zur teilweisen Erstattung ein. Durch Bescheid vom 30.1. 2006 lehnte der Beklagte eine Anerkennung des Gegenstandes als beihilfefähig mit folgender Begründung ab: Der Gegenstand sei kein anerkanntes notwendiges Hilfsmittel im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV. Dagegen legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein, den der Beklagte mit Bescheid vom 22..3.2006 mit folgender Begründung zurückwies: Durch die Beihilfevorschriften selbst sei eine Beihilfe zu den Aufwendungen für ein Blutdruckmessgerät ausgeschlossen. Ein Blutdruckmessgerät sei ein Gegenstand der allgemeinen Lebensführung.

3

Dagegen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Er trägt vor: bei einem Blutdruckmessgerät handele es sich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne der Beihilfevorschriften, sondern um ein Gerät zur Selbstkontrolle. In seiner Bedeutung für die Gesundheit eines Patienten sei es vergleichbar einem Blutzuckermessgerät, bei dessen Erwerb die Beihilfefähigkeit grundsätzlich gegeben sei. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb hinsichtlich der Beihilfefähigkeit zwischen einem Blutdruckmessgerät und einem Blutzuckermessgerät unterschieden werde. Ein Blutdruckmessgerät, wie er es erworben habe (Ansicht Bl. 16. Gerichtsakten), sei nicht typischerweise in der Bevölkerung verbreitet.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 30.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. 03. 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Aufwendungen für das verordnete Blutdruckmessgerät in Höhe von 52,20 € als beihilfefähig anzuerkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt unter weitgehender Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vor: Für die Einordnung eines Gegenstandes als Hilfsmittel komme es auf die objektive Eigenart dieses Gegenstandes an und nicht darauf, ob der Gegenstand im Einzelfall nicht oder in gleicher Ausführung angeschafft worden wäre. An dieser gegenständlichen Begrenzung vermöge auch die Schwere einer Erkrankung nichts zu ändern. Der Vergleich eines Blutdruckmessgerätes mit einem Blutzuckermessgerät sei nicht statthaft, weil Letzteres typischerweise nicht von Gesunden zur Vorbeugung einer Erkrankung oder zur Aufrechterhaltung des Wohlbefindens angeschafft werde.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet.

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Gemäß § 87c Absatz 1 NBG erhalten Beamte und Versorgungsempfänger des Landes Niedersachsen grundsätzlich nach den für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes geltenden Beihilfevorschriften Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen. Gemäß § 1 Absatz 1 Beihilfevorschriften (BhV) regeln die Beihilfevorschriften insbesondere die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Satz 1); die Beihilfen ergänzen in diesen Fällen die Eigenvorsorge, die aus den laufenden Dienstbezügen zu bestreiten ist (Satz 2). Beihilfen werden zu den beihilfefähigen Aufwendungen beihilfeberechtigter Personen und deren berücksichtigungsfähigen Angehörigen gewährt (§ 1 Absatz 4 BhV).

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Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen setzt gemäß § 5 Absatz 1 BhV voraus, dass die Aufwendungen (1.) dem Grunde nach notwendig, (2.) der Höhe nach angemessen sind und (3.) ihre Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Bezüglich der aus Anlass einer Krankheit entstandenen Aufwendungen sind neben den ärztlichen Leistungen sowie den vom Arzt verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten Arznei- und Verbandsmitteln (§ 6 Absatz 1 Nr. 1 und 2 BhV) auch Aufwendungen für die Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb und Unterhaltung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel und Geräten zur Selbstbehandlung und zur Selbstkontrolle (§ 6 Absatz 1 Nr. 4 Satz 1 BhV) grundsätzlich beihilfefähig sind. Voraussetzung und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3 (§ 6 Absatz 1 Nr. 4 Satz 2 BhV).

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Anlage 3 unterscheidet zwischen Hilfsmitteln, Geräten zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, für deren Anschaffung die Aufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen beihilfefähig sind (Anlage 3 Nr. 1 BhV, „Positiv-Liste“) und solchen Geräten, die nicht zu den Hilfsmitteln zählen (Anlage 3 Nr. 9 BhV, „ Negativ-Liste“).

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Dem Kläger dürfte darin zuzustimmen sein, dass es sich - abweichend vom Sprachgebrauch des Beklagten - bei einem Blutdruckmessgerät begrifflich nicht um ein Hilfsmittel handelt. Es dient der Selbstkontrolle und nicht dazu, die Ausübung natürlicher Körperfunktionen zu ermöglichen, zu ersetzen, aufrecht zu erhalten oder zu erleichtern ( vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 21.09.2005 - 2 LB 118/03 -). Mit dem Messgerät überwacht der Patient seine Blutdruckwerte, ohne hierzu jeweils einen Arzt aufsuchen zu müssen, um im Falle einer Änderung der Messergebnisse die Entscheidung eines Arztes über eine unter Umständen erforderliche Anpassung der Therapie herbeizuführen. Die Funktion eines Blutdruckmessgerätes erschöpft sich in der Kontrolle des Kreislaufparameters Blutdruck, je nach Art des Gerätes unter Umständen auch der Pulsfrequenz.

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Andererseits ist die Unterscheidung von Hilfsmittel und Geräten zur Selbstkontrolle für die Anwendung der Anlage 3 unerheblich. Zwar ist im Einleitungssatz zur „Negativliste“ (Nr. 9 der Anlage 3) im Gegensatz zum Einleitungssatz zur „Positiv-Liste“ (Nr. 1 der Anlage 3) nur von Hilfsmitteln die Rede, nicht dagegen von Geräten zur Selbstkontrolle. Der systematische Zusammenhang zwischen § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 BhV und der Anlage 3 legt es jedoch nahe, unter „Hilfsmittel“ im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 begriffsübergreifend alle Arten von Geräten zu verstehen, für deren Anschaffung die Aufwendungen im Grundsatz beihilfefähig sind. Dafür spricht auch die Verknüpfung des Einleitungssatzes mit den in der Liste angeführten Geräten zur Selbstkontrolle durch das Wort „insbesondere“. Wenn „insbesondere“ auch Geräte zur Selbstkontrolle (etwa: Blutdruckmessgerät, Fieberthermometer, Pulsfrequenzmesser, Spirometer und Waage) nicht als Hilfsmittel gelten, kann der Begriff Hilfsmittel in diesem Zusammenhang nur in einem auch die Geräte zur Selbstkontrolle und zur Selbstbehandlung umfassenden Sinne verstanden werden. Vor diesem Hintergrund erhält auch der Einwand des Beklagten einen Sinn, für die Einordnung als „ Hilfsmittel “ komme es auf die objektive Eigenart und Beschaffenheit des betreffenden Gegenstands an, nicht dagegen darauf, ob im Einzelfall der Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt und in gleich teurer Ausführung beschafft worden wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.03.1991 - 2 C 23.89 -, ZBR1991,350, zit. nach juris).

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Die Bezeichnung „Blutdruckmessgerät“ findet sich in der „Negativliste“. Daraus folgt indessen nicht, dass die Aufwendungen für die Anschaffung des vom Kläger erworbenen Blutdruckmessgerätes nicht beihilfefähig wären. Die Aufwendungen für den Erwerb eines Blutdruckmessgerätes sind nicht bereits deshalb von vornherein von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, weil „Blutdruckmessgerät“ in der Negativliste ausdrücklich erwähnt ist (so aber obiter dictum: OVG Lüneburg, U. v. 21.09.2005 - 2 LB 118/03 -und: Bay. VGH, Urt. v. 12.06.1991 - 3 B 90.3727 -). Eine systematisch gebotene und dem Wortsinn gerecht werdende Auslegung der Regelung zu Nr. 9 der Anlage 3 führt nämlich zu dem Ergebnis, dass der Ausschluss der Beihilfefähigkeit entsprechender Aufwendungen sich nicht isoliert aus der Zugehörigkeit einer Gattung von Geräten zur “Negativ-Liste“ ergibt. Vielmehr ist diese Liste im Zusammenhang mit dem ihr vorangestellten Einleitungssatz zu interpretieren. Im Einleitungssatz zur „Negativ-Liste“ sind Tatbestandsmerkmale aufgeführt, die den Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Anschaffung eines „Hilfsmittels“ systemkonform rechtfertigen, nämlich soweit sie nicht notwendig und angemessen oder von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen. In diesem Einleitungssatz ist das Programm niedergelegt, nach welchem die Aufwendungen für die Anschaffung von einem der in der Negativ-Liste aufgeführten Geräte von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Die in der Liste aufgeführten Geräte-Bezeichnungen sind mit dem die Liste einleitenden „Programmsatz“ durch das Wort „insbesondere“ verknüpft. Daraus folgt, dass die Geräte in der Liste wenigstens einem der die Beihilfefähigkeit ausschließenden Tatbestandsmerkmale müssen zugeordnet werden können. Hierfür spricht auch der Umstand, dass die in Anlage 3 Nr. 9 normierten Ausschlussvoraussetzungen entsprechend den teilidentischen Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsbestimmung des § 6 Abs. 5 Nr. 3 BhV (ehemals § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BhV) in "inhaltsgleicher" Umsetzung der für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Gesundheits-Reformgesetz vom 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) eingeführten Bestimmungen der §§ 33 Abs. 1 Satz 1, 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V Eingang in die Beihilfebestimmungen fanden (vgl. Schröder u.a., Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Teil 1/6 - BhV § 6 Anm. 35 zu Abs. 3). Davon geht offenbar auch der Beklagte aus, der zur Begründung seiner Entscheidung über den Widerspruch des Klägers darauf abstellt, dass ein Blutdruckmessgerät ein Gegenstand der allgemeinen Lebensführung sei (ebenso ohne nähere Begründung: Bay. VGH a.a.O.). Eine derartige Subsumtion eines Blutdruckmessgerätes unter den Rechtsbegriff „Gegenstand der allgemeinen Lebensführung“ wäre nicht nur überflüssig, sondern auch irreführend, wenn allein die Auflistung der Gegenstände ohne Rücksicht auf den abstrakt-generell vorangestellten Maßstab den Ausschluss der Beihilfefähigkeit begründete. Dem ist auch nicht mit dem Einwand zu begegnen, dem Dienstherr sei ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, die Aufwendungen für die Beschaffung bestimmter Gegenstände von der Beihilfegewährung auszuschließen. Diesem Einwand liegt zwar der zutreffende Gedanke zu Grunde, der Dienstherr müsse kraft seiner Fürsorgepflicht dem Beamten nicht für jede Aufwendung im Krankheitsfall Beihilfe gewähren (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.03.1991 - 2 C 23.89 -, a.a.O.). Aus der Regelung zu Nr. 9 der Anlage 3 folgt indessen, dass der Dienstherr sein Gestaltungsermessen durch Anwendung der Beihilfevorschriften selbstbindend dahingehend ausgeübt hat, dass die Aufwendungen für die in der Liste aufgeführten Gegenstände nach Maßgabe des Einleitungssatzes von der Beihilfegewährung ausgeschlossen sein sollen. Die Aufwendungen für die Anschaffung eines in der Liste aufgeführten Gerätes sind demnach nur dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, wenn und soweit wenigstens eines der Tatbestandsmerkmale erfüllt ist. Umgekehrt bedeutet dies: Soweit die Anschaffung eines der Liste zugehörigen Geräte unter kein Tatbestandsmerkmal des Einleitungssatzes subsumiert werden kann, so ist die Beihilfefähigkeit entsprechender Aufwendungen nicht durch die Nr. 9 der Anlage 3 ausgeschlossen. Daraus folgt weiter, dass eines der Tatbestandsmerkmale des Einleitungssatzes zu Nr. 9 der Anlage 3 nicht bereits deshalb erfüllt ist, weil eine bestimmte Gattung von Geräten in der Negativ-Liste aufgeführt ist.

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Hiernach sind die Aufwendungen für das Blutdruckmessgerät, das der Kläger zur Kontrolle der Blutdruckwerte seines kranken Kindes auf ärztliche Verordnung hin angeschafft hat, beihilfefähig. Denn das Gerät lässt sich unter keines der Tatbestandsmerkmale des Einleitungssatzes zu Nr. 3 der Anlage 3 subsumieren. Insbesondere dient es nicht der allgemeinen Lebensführung. Die Kammer kann keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass ein Membran-Blutdruckmessgerät mit einer den Verhältnissen eines Kindes entsprechenden Armmanschette in der Bevölkerung verbreitet wäre und etwa auch von oder für gesunde Kinder angeschafft würde oder einen anderen Gegenstand der allgemeinen Lebensführung ersetzte ( vgl. zu antiallergenen Bettzwischenbezügen: OVG Lüneburg, Urt. vom 21.09.2005, - 2 LB 118/03 -, NdsRpfl 2006, 226-228, zit. nach juris). Gegenteiliges hat auch der Beklagte nicht geltend gemacht. Er stellt vielmehr darauf ab, dass es auf die besonderen Bedürfnisse desjenigen, bei welchem das Gerät Anwendung finde, sowie auf die Art und Beschaffenheit des Gerätes nicht ankomme; allein der Gattungsbegriff „Blutdruckmessgerät“ sei für die Beurteilung der Beihilfefähigkeit maßgeblich. Eine in diesem Sinne undifferenzierte, rein begriffliche Abgrenzung lässt sich indessen weder den Beihilfevorschriften selbst noch der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entnehmen. So sind etwa in der Anlage 3 Gegenstände aufgeführt, die hinsichtlich der Beihilfefähigkeit nach ihrer Beschaffenheit oder Zweckbestimmung unterschieden werden, ohne Rücksicht darauf, ob sie nach ihrer objektiven Eignung und Beschaffenheit auch im Rahmen der allgemeinen Lebensführung benutzt werden könnten: Krankenbett (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 21.09.2005 - 2 LB 118/03), Knetmaterial, Lesehilfen. Die Aufwendungen für einen Computer-Bildschirm bestimmter Größe sind wegen der Einheit, die dieser mit einem bestimmten Anwendungsprogramm bildet, ohne Rücksicht auf die ohne weiteres anzunehmende Nutzbarkeit im Rahmen der allgemeinen Lebensführung als beihilfefähig anerkannt worden (Bay. VGH, Urt. v. 27.09.2002 - 3 B 97.3265 -, zit. nach juris). Deshalb kann nach Auffassung der Kammer auch für Blutdruckmessgeräte nicht vom Bezug zu einer Krankheit oder Therapie abstrahiert und allein auf die Gattungszugehörigkeit abgestellt werden. Einerseits spricht einiges dafür, dass Blutdruckmessgeräte - jedenfalls Geräte einer bestimmten Art - in der Gesellschaft verbreitet sind und typischerweise auch von Gesunden zur Vorbeugung vor Erkrankungen, zur Erhaltung des Wohlbefindens oder sogar ohne zwingenden Bezug zu einer Erkrankung genutzt und daher nach der Verkehrsauffassung schon als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens (Lifestyle-Produkte) der allgemeinen Lebensführung zugerechnet werden können. Solche Geräte finden etwa bei sportlicher Betätigung (Laufen, Radfahren) allgemein zur Vorbeugung, in der Regel in einer gerade darauf abgestimmten technischen Ausgestaltung (Handgelenkmessgerät), Verwendung und werden in diesem Sinne - etwa im Internet - beworben. Andererseits ist das vom Kläger angeschaffte Gerät nicht für eine derartige Verwendung geeignet. Auch der Umstand, dass für die Anwendung des Gerätes nach dem unbestrittenen und im übrigen plausiblen Vortrag des Klägers zuerst spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit der Armmanschette und dem Flachbett-Membranstethoskop zu erwerben sind, spricht gegen eine Verbreitung eines solchen Gerätes in der Bevölkerung - namentlich unter Kindern - zur allgemeinen Lebensführung. Wesentliche Bedeutung kommt schließlich der Tatsache zu, dass bei dem Sohn des Klägers die Ermittlung der Blutdruckwerte unverzichtbarer Bestandteil der Therapie und Beobachtung des Krankheitsverlaufes ist. Aus der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Stellungnahme des behandelnden Arztes geht hinreichend deutlich die medizinische Notwendigkeit einer zeitlich engmaschigen Kontrolle der Blutdruckwerte hervor. Dies wird von dem Beklagten nicht infrage gestellt. Die Anschaffung des Messgerätes tritt hier gewissermaßen an die Stelle eines anderenfalls notwendigen regelmäßigen Besuch des Arztes, allein zur Blutdruckmessung. Die Verordnung des Messgerätes durch den behandelnden Arzt rechtfertigt die Annahme, dass ein regelmäßiger Besuch beim Arzt nicht erforderlich ist, solange sich die Messergebnisse innerhalb einfach - auch von medizinisch unerfahrenen Personen - zu beurteilender Parameter halten. Deshalb legt auch das rechtliche Gebot der sparsamen Haushaltsführung, das in § 5 Abs. 1 BhV seinen Niederschlag gefunden hat, eine Auslegung der Beihilfevorschriften nahe, wonach ein Gerät, das zur Kontrolle bestimmter medizinischer Parameter notwendiger Bestandteil einer Therapie ist, nicht der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen ist, es sei denn, es handele sich um ein Gerät, das in der Bevölkerung verbreitet ist und häufig außerhalb einer therapeutischen Betreuung eingesetzt wird (Fieberthermometer, Basalthermometer, Waage).

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Die Beihilfefähigkeit der unstreitig notwendigen und angemessenen Aufwendungen für das hier in Rede stehende Gerät scheitert auch nicht an der Höhe der Beschaffungskosten (52,20 €). Vom Gegenteil geht offenbar auch der Beklagte nicht aus, dessen Vortrag allein auf die Frage abzielt, ob das Gerät der allgemeinen Lebensführung unterliegt. Nach Anlage 3 Nr. 9 gehören zu den „Hilfsmitteln“ u.a. nicht Gegenstände von geringem Abgabepreis. Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für solche Gegenstände kann das Bundesministerium des Innern gem. § 6 Abs. 5 Nr. 3 BhV ausschließen. Eine weitergehende Ausschlussregelung als die zu Anlage 3 Nr. 9 ist nicht ersichtlich. Der oben dargelegte systematische Zusammenhang zwischen einer in die Negativliste eingestellten Gerätegattung und den Tatbestandsmerkmalen des Einleitungssatzes führt zu der Prüfung, ob die Aufwendungen in Höhe von 52,20 € einem geringen Abgabepreis entsprechen. Dies ist zu verneinen. Die Beihilfevorschriften selbst regeln nicht, bis zu welchem Betrag von einem geringen Abgabepreis auszugehen ist. Der Inhalt dieses Rechtsbegriffes ist daher durch Auslegung zu ermitteln. Grundsätzlich wird die Beihilfe ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beihilfeberechtigten gewährt. Dies rechtfertigt es, unter „geringfügigem Abgabepreis“ eine Bagatell-Belastung zu verstehen, die jedem Beamten, gleich welcher Besoldungsgruppe er zugehört, nach allgemeiner Verkehrsauffassung ohne weiteres zugemutet werden kann. Dazu kann wiederum der Maßstab der Eigenbeteiligung orientierend in den Blick genommen werden, die bei Hilfsmitteln im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV höchstens 10 € beträgt ( § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b)). Den geringen Abgabe Preis als Bagatell-Belastung zu verstehen, wird dem mit einer vergleichbaren Regelung (§ 34 Abs. 4 SGB V i. v. m. Verordnung vom 13.12.1989, BGBl I, S. 2237; vgl. zur „inhaltsgleichen“ Umsetzung Schröder u. a., a.a.O.) im Sozialversicherungsrecht verfolgten und ins Beihilferecht wesensgleich transferierten Zweck gerecht, dem Wachstum der Ausgaben im Gesundheitswesen zu begegnen und dazu Leistungen aus dem Leistungskatalog herauszunehmen, für die der Beamte keiner ergänzenden Hilfe des Dienstherrn beziehungsweise der gesetzlich Versicherte keiner solidarischen Absicherung bedarf (vgl. zu Letzterem: BSG, Urt. v. 28.09.1993 - 1 RK 37/92 -). Ohne die Unterschiede zwischen dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Beihilferecht zu verkennen, hält die Kammer ein inhaltsgleiches Verständnis des die Leistungskataloge beider Systeme bestimmenden Rechtsbegriffs „ geringer Abgabepreis“ für geboten. Das bedeutet, dass unter dem Gesichtspunkt des geringen Abgabepreises nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit auszuschließen sind, für die der Beamte nur wenige Euro aufbringen muss (vgl. für die gesetzliche Krankenversicherung: BSG, Urt. v. 28.09.1993 - 1 RK 37/92 -).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

20

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

21

Die hier vertretene Auslegung der Beihilfevorschriften, insbesondere der Anlage 3, hat grundsätzliche Bedeutung und weicht jedenfalls von einer obergerichtlichen Entscheidung (OVG Lüneburg, Urt. v. 21.09.2005 - 2 LB 118/03 -) ab. Die Berufung ist deshalb zuzulassen (§ 124 a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 124 Abs. 1 Nr. 3 und 4 VwGO).