Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.10.2006, Az.: 12 UF 111/06

Anforderungen die Regelung der elterlichen Sorge für die gemeinsamen Kinder nach einer Scheidung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.10.2006
Aktenzeichen
12 UF 111/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 35934
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:1012.12UF111.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Rinteln - 24.05.2006 - AZ: 4 F 43/06

Fundstellen

  • FamRZ 2007, 756 (red. Leitsatz)
  • OLGReport Gerichtsort 2007, 690-691

Verfahrensgegenstand

Regelung der elterlichen Sorge für die minderjährigen Kinder

In der Familiensache
...
hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ....... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ....... und .......
am 12.10.2006
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird das am 24.05.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rinteln im Ausspruch zur elterlichen Sorge (Ziffer II der Urteilsformel) aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

  2. 2.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Ehe der Parteien geschieden und zugleich die elterliche Sorge für die drei gemeinsamen Kinder der Parteien ... (geboren ...1990), ... (geboren ... 1991) und ... (geboren ...2000) der Antragstellerin allein übertragen, nachdem der Antragsgegner sich mit dieser Regelung einverstanden erklärt hatte.

2

Mit seinem Rechtsmittel greift der Antragsgegner die Sorgerechtsregelung an und begehrt die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Er macht geltend, als in erster Instanz nicht anwaltlich vertretene Partei die Reichweite seiner Zustimmung zu einer Übertragung der elterlichen Sorge allein auf die Kindesmutter verkannt zu haben. Nunmehr sei er mit einer solchen Regelung nicht einverstanden.

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Die Antragstellerin vertritt demgegenüber die Rechtsauffassung, der Antragsgegner müsse sich an seinem einmal erklärten Einverständnis festhalten lassen.

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II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg nach Maßgabe der Beschlussformel.

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1.

Das Rechtsmittel ist nicht bereits deswegen unbegründet, weil der Antragsgegner in erster Instanz seine Zustimmung zu der angefochtenen Sorgerechtsregelung erklärt hat. Zustimmungen im Sinne des § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind nach herrschender Meinung bis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz

6

frei widerrruflich (vgl. u.a. Schwab FamRZ 98, 457; Johannsen/Henrich/Jaeger Eherecht, 4. Aufl., § 1671, Rn. 24 ff. m.w.Nachw., AG Hannover FamRZ 01, 846, 848). Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Elternrechte und -pflichten sind nicht durch Willenserklärungen verzichtbar. Die Zustimmung nach § 1671 Abs. 2 S. 1 BGB ist lediglich eine unter Aufrechterhaltung der Elternverantwortung eröffnete rechtliche Möglichkeit, an praktikablen Lösungen im Sinne des Kindeswohls mitzuwirken (Jaeger a.a.O, Rn. 25). Ein endgültiger Verzicht ist damit nicht verbunden. Allein diese Auslegung entspricht auch der Rechtsprechung des BGH, der diese Frage zu § 1671 i.d.F. des SorgerechtsG zwar bislang nicht zu entscheiden hatte, aber bereits zur vorherigen Fassung der Vorschrift festgestellt hat, dass es sich bei dem übereinstimmenden Elternvorschlag zur elterlichen Sorge nicht um eine vertragliche oder vertragsähnliche Vereinbarung handele, welche den Regeln des Vertragsrechts unterliege (BGH FamRZ 93, 314, 315).

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2.

Die angefochtene Entscheidung kann hinsichtlich der Regelung der elterlichen Sorge bereits deswegen keinen Bestand haben, weil das erstinstanzliche Verfahren insoweit unter einem schwerwiegenden, die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigenden Verfahrensfehler leidet. Das Amtsgericht hat seine Entscheidung ausschließlich auf die Zustimmung des Antragsgegners gegründet. Gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB genügt die Zustimmung des anderen Elternteils jedoch nur dann, wenn betroffene, mindestens 14 Jahre alte Kinder der Übertragung nicht widersprechen. Ob dies der Fall ist, hat das Gericht gemäß § 50b Abs. 2 FGG stets durch persönliche Anhörung der Kinder zu klären (Jaeger a.a.O, Rn. 27; Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt FGG, 15. Aufl., § 50b, Rn. 9). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall, da zwei der drei betroffenen Kinder 14 Jahre oder älter sind.

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Im Ergebnis war daher die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr zu prüfen haben, welche Regelung der elterlichen Sorge dem Kindeswohl am Besten entspricht und hierzu auch die betroffenen Kindern anzuhören haben. Dabei wird auch zu beachten sein, dass die widerrufene Zustimmung nicht vollkommen bedeutungslos geworden ist. Vielmehr sind die Gründe für den Widerruf nebst Begleitumständen sorgfältig daraufhin zu überprüfen, ob der Widerruf tatsächlich im Interesse des Kindeswohls erklärt worden ist (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab näher Jaeger a.a.O. Rn. 26 a.E.).