Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 08.10.2012, Az.: AGH 34/11

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
08.10.2012
Aktenzeichen
AGH 34/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44570
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der im Jahre 19.. geborene Kläger ist seit August 1977 als Rechtsanwalt in H. zugelassen. 1990 erfolgte die Bestellung zum Notar. Nach Verzicht des Klägers endete sein Notaramt zum 28.02.2011.

Kanzleisitz des Klägers ist seit langer Zeit das Bürohaus T.Str. in H.. Dort ist der Kläger mit wechselnden Partnern tätig gewesen. Mit seinem Sohn hat er unmittelbar nach dessen Zulassung als Anwalt im Jahre …. die Partnerschaft „S. & Partner“ gegründet. Die Auflösung dieser Partnerschaft ist am 04.05.2011 beim Amtsgericht H. eingetragen worden.

Am 01.04.2011 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit (PA 444). Die Verbindlichkeiten des Klägers belaufen sich nach seiner Aufstellung auf über 3,6 Mio. Euro, wobei es sich zum weitaus überwiegenden Teil um Verbindlichkeiten gegenüber Banken handelt, sowie um rückständige Einkommensteuern, die der Kläger auf 289.712,35 Euro (PA 438) beziffert hat. Vermögenswerte sind nach den Angaben des Klägers in seinem Insolvenzantrag nicht vorhandenen, abgesehen von einem eventuellen Abfindungsanspruch wegen seines Ausscheidens aus der Partnerschaft „S. & Partner“ (PA 431).

Das Insolvenzverfahren ist mit Beschluss vom 14.06.2011 eröffnet und RA. B. zum Insolvenzverwalter bestellt worden (PA 545). Der Insolvenzverwalter führt in seinem Bericht zur ersten Gesellschafterversammlung aus, dass nach Angaben des Gemeinschuldners (Klägers) durch gescheiterte Immobiliengeschäfte in den 90er Jahren erhebliche Schulden angefallen seien, die über Jahre auch bedient worden seien. Schließlich hätten die finanziellen Ressourcen des Klägers jedoch nicht mehr ausgereicht, u. a. aufgrund von Forderungsausfällen gegenüber insolventen Mandanten (PA 633). Angemeldet seien Forderungen von knapp 3,6 Mio. Euro (PA 629).

Der Insolvenzverwalter hat mit Schreiben vom 29.08.2011 dem Kläger die selbständige Tätigkeit im Bereich der Rechtsberatung mit Wirkung ab Insolvenzeröffnung freigegeben (PA 621).

Mit Bescheid vom 21.09.2011, zugestellt am 22.09.2011 (PA 657), widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gem. § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO (GA 15 bzw. PA 656).

Der Vermögensverfall werde bei einer Insolvenzeröffnung gesetzlich vermutet. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens könne von geordneten Vermögensverhältnissen erst wieder ausgegangen werden, wenn eine Restschuldbefreiung erfolgt sei (§ 291 InsO), ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder ein angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliege, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit werde; hierzu werde auf den BGH-Beschluss vom 31.05.2010 - AnwZ (B) 27/09) verwiesen. Eine Gefährdung der Rechtsuchenden entfalle nach der BGH-Rechtsprechung nicht schon durch die Insolvenzeröffnung und die damit einhergehende Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners. Vielmehr müsse die begründete Aussicht bestehen, dass das Insolvenzverfahren in absehbarer Zeit beendet werde und die Wiederherstellung geordneter Vermögensverhältnisse zu erwarten sei. Der Insolvenzverwalter gehe jedoch von einer Verfahrensdauer von mindestens 2 Jahren aus.

Obwohl das Notaramt des Beklagten Ende Februar 2011 erloschen sei, sei der Kläger am 17.08.2011, wie die Vizepräsidentin der Beklagten Frau K. festgestellt habe, auf dem Kanzleischild immer noch als Notar geführt worden. Die Staatsanwaltschaft H. sei deshalb um Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen unberechtigten Titelführens (§ 132 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) gebeten worden (das später eingestellt wurde).

Die Partnerschaft „S. & Partner“ sei seit 04.05.2011 aufgelöst, dessen ungeachtet seien immer noch Briefbögen „S. & Partner“ verwendet worden.

Ein Ausnahmefall, bei dem trotz der Insolvenz eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgeschlossen werden könne, liege nicht vor. Die vom Kläger vorgetragenen Vorkehrungen zum Schutze der Interessen der Rechtsuchenden seien nicht ausreichend bzw. nicht überzeugend. Der Anstellungsvertrag mit der „B. Steuerberatungsgesellschaft B., A. und S.“ vom 11.07.2011 sei ebenso wenig ausreichend wie die sonstigen vorgetragenen Vorkehrungen zum Schutze der Mandanten.

Eine „Flucht in die Angestelltenalternative“ habe der BGH nur in zwei Ausnahmefällen zugelassen (BGH Beschluss vom 18.10.2004 und 25.06.2007 - NJW 2005, 511 [BGH 18.10.2004 - AnwZ (B) 43/03] bzw. NJW 2007, 2924 [BGH 25.06.2007 - AnwZ(B) 101/05]). Der BGH habe hierbei darauf abgestellt, dass die Anstellungsverträge über einen längeren Zeitraum beanstandungsfrei durchgeführt („gelebt“) worden seien, wobei in den vom BGH zu beurteilenden Sachverhalten die Anstellungsverträge mehr als 1,5 bzw. mehr als drei Jahre in Vollzug gesetzt gewesen seien. Die arbeitsvertraglich vereinbarten Beschränkungen dürften nicht nur auf dem Papier stehen, sondern müssten „gelebt“ und effektiv umgesetzt werden. Dies sei hier nicht zu erkennen.

Einziger Anwalt in der B. Steuerberatungsgesellschaft sei der Sohn des Klägers, die anderen beiden Partner seien Steuerberater. Die Partnerschaft sei noch nicht einmal im Partnerschaftsregister eingetragen. Der Arbeitsvertrag vom 11.07.2011 mit dem Kläger solle gemäß dessen Ziff. 24 erst mit Eintragung der Partnerschaft beginnen. Die ganze Konstruktion sei daher nicht nachvollziehbar und faktisch auch noch nicht vollzogen. In Ziff. 9 b des Anstellungsvertrages werde geregelt, dass bei längerer Abwesenheit des Sohnes des Klägers ein Urlaubsvertreter bestellt wird. Der in Aussicht genommene Vertreter RA. K. K. sei Vermieter der Kanzleiräume und Gläubiger des Klägers wegen einer Darlehensforderung in Höhe von 20.000 Euro.

Der Hauptsitz der B. Steuerberatungsgesellschaft sei in G. geplant gewesen. H. sollte lediglich Zweigstelle sein. Auf Nachfrage bezüglich der Briefbögen und Konten hätte der Beklagte mit Fax vom 01.09.2011 mitgeteilt, dass der Hauptsitz der B. Steuerberatungsgesellschaft nunmehr nicht mehr G., sondern H. (T.Str.) sein solle. Eine Zweigniederlassung in G. werde es zunächst nicht geben, während Zweigniederlassungen in H. und I. bestünden, letztere sollte in I. von dem Partner S. B. geleitet werden. Leiter der Hauptniederlassung in H. sollten nach Angaben des Klägers Steuerberater B. und RA. N.S., H. werden.

In der Unbedenklichkeitsbescheinigung der Steuerberaterkammer Niedersachsen vom 31.08.2011 werde auf eine Fassung des Partnerschaftsvertrages vom 20./23.06.2011 Bezug genommen, die der Beklagten bislang nicht bekannt gewesen sei. In ihrem Schreiben habe die Steuerberaterkammer darauf hingewiesen, dass die Partnerschaft ihre Tätigkeit erst aufnehmen dürfe, wenn sie die Anerkennungsurkunde erhalten habe. In der Fassung des Partnerschaftsvertrages vom 09.08.2011 sei der Name der Partnerschaft geändert worden, als Sitz der Partnerschaft allerdings immer noch G. angegeben, was zu den Erklärungen des Klägers im Widerspruch stehe. Der Steuerberaterkammer Niedersachsen sei nicht bekannt, dass als Hauptsitz nunmehr H. statt G. vorgesehen sei, was eine entsprechende Änderung des Partnerschaftsvertrages erforderlich mache. Die B. Steuerberatungsgesellschaft habe jedenfalls ihre Tätigkeit bislang nicht aufnehmen dürfen, da sie weder im Partnerschaftsregister eingetragen, noch eine Anerkennung durch die Steuerberaterkammer Niedersachsen erfolgt sei.

Die Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO führe nicht zu einer anderen Bewertung. Die Freigabe stelle nur eine Arbeitserleichterung für den Insolvenzverwalter dar.

Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners schließe eine Gefährdung der Rechtsuchenden nicht aus (BGH BRAK-Mitteilungen, 2008, 42). Den Betroffenen entlaste es nicht, dass er nach eigenen Angaben kein Fremdgeld annehme und verwalte, sondern Zahlungen direkt an die Mandanten fließen. Ein derartiges Vorgehen hinge allein vom Willen des Betroffenen ab und sei nicht kontrollierbar (BGH BRAK-Mitteilungen 1991, 102).

Gegen den Widerrufsbescheid erhob der Beklagte am 20.10.2011 Anfechtungsklage - Eingang per Telefax bei der gemeinsamen Annahmestelle des OLG C. und des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs.

In seinen weiteren Schriftsätzen, zuletzt 27.09.2012 begründet der Kläger seine Klage mit formellen und materiellen Einwänden.

In formeller Hinsicht bezweifelt der Kläger die Zuständigkeit des Präsidiums für den Erlass des Widerrufsbescheides. Die Protokollführung sei mangelhaft und das Verfahren intransparent. Er hält zumindest drei der Mitglieder des Präsidiums für befangen. RAin. K. habe das Kanzleischild am 17.08.2011 geprüft und, ohne ihn zu informieren und auf Abhilfe anzusprechen, umgehend die Kammer informiert. R. habe voreilig ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft verfasst wegen unberechtigten Titelführens. RA. K. habe die Kammer vor einigen Jahren angewiesen, in Erfahrung zu bringen, ob es Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger gäbe. Möglicherweise seien auch die anderen Präsidiumsmitglieder befangen gewesen.

Am 04.04.2011 sei im Büro des Klägers mit dem Personal besprochen worden, dass nunmehr nur noch sein Sohn alleiniger Ansprechpartner sei und der Kläger kein Geld mehr annehmen dürfe. Es seien von ihm auch keine Rechnungen mehr geschrieben worden und jegliche Zugriffsmöglichkeiten auf Praxiskonten unterbunden worden. Der Kläger habe keine Vollmachten über Praxiskonten mehr und Vollmachten der Mandanten seien seit April 2011 nur noch auf seinen Sohn ausgestellt worden. Dies sei in der EDV so eingestellt worden. Auch neue Mitarbeiter seien entsprechend eingewiesen worden. Die einzelnen getroffenen Maßnahmen seien nicht protokolliert worden, weil im Büro des Klägers das gesprochene Wort gelte. Ein Gedächtnisprotokoll über den Inhalt der Anweisungen bzw. der Personalversammlung, sowie eidesstattliche Versicherungen von Mitarbeitern hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.09.2012 zur Akte gereicht.

Er habe all das veranlasst, was nach der Rechtsprechung zu dieser Problematik erforderlich sei. Im Übrigen hält er die Anforderungen der Rechtsprechung zum Teil auch für überzogen und verweist auf die kritischen Anmerkungen von K.

Es sei unüblich, dass auf Kanzleischildern auf die Angestellteneigenschaft eines dort aufgeführten Anwalts hingewiesen werde. Auf dem Briefbogen sei ein entsprechender Hinweis erfolgt.

Aus der B. Steuerberatungsgesellschaft sei sein Sohn später wieder ausgeschieden und habe stattdessen mit den Steuerberatern A. und B. die Partnerschaft „B.S. & Partner“ gegründet, die am 04.06.2012 im Partnerschaftsregister eingetragen worden sei. Mit dem Tage der Eintragung sei der Kläger dort angestellt worden aufgrund des am 28.12.2011 abgeschlossenen Arbeitsvertrages.

Im Übrigen gebe es nur noch ein Konto der alten Partnerschaft „RAe. S. & Partner“ bei der D. Bank. Die Bank sei nicht zur Umschreibung auf den Sohn des Klägers unter Beibehaltung der Kontonummer bereit gewesen. Das Konto werde nur noch unterhalten, um irrtümliche Einzahlungen zu erfassen. Auf den Briefbögen werde das Konto nicht erwähnt.

Der Kläger habe als Notar über Anderkonten mit sehr großen Beträgen verfügt, ohne dass es je zu irgendwelchen Problemen gekommen sei. Wegen der kompletten Auskehrung der Fremdgelder auch an Mandanten, die ihm hohe Kosten geschuldet hätten, sei er zahlungsunfähig geworden, weil seine Kostenforderungen nicht realisierbar gewesen seien. Unter den Insolvenzgläubigern befänden sich keine Mandanten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21. September 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe.

Sie weist ergänzend darauf hin, dass es abgesehen von der Verwendung unkorrekter Briefbögen, der Problematik des Kanzleischildes auch einen Internetauftritt der Kanzlei gegeben habe, bei dem der Kläger als Notar aufgeführt worden sei, ohne dass auf das Löschen des Notaramtes hingewiesen werde. Dass es vorher Abklebungen der Schilder gegeben habe, die von dritter Seite häufiger entfernt worden seien, sei wenig überzeugend. Alte Klebespuren habe RAin. K. bei ihrem Besuch nicht festgestellt. Nach außen hin sei der Eindruck erweckt worden, dass sich nichts geändert habe.

Die vom Kläger behaupteten Sicherungsvorkehrungen hätten vollständig und schriftlich dokumentiert und der Kammer vollständig nachgewiesen werden müssen, wie im Beschluss des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 29.08.2011 (AGH 17/08) gefordert. Zu dem Schild im Fahrstuhl müsse davon ausgegangen werden, dass letzteres von den meisten Mandanten benutzt werde und dass somit über viele Monate noch der Eindruck erweckt worden sei, der Kläger sei noch Notar. Bei den - wechselnden - Partnerschaften, bei denen der Kläger angestellt werden sollte, habe es nur einen Anwalt - den Sohn des Klägers - gegeben. Die arbeitsvertraglichen Beschränkungen hätten im Übrigen erst nach Anerkennung der B. Steuerberatungsgesellschaft - die erst nach dem Widerruf erfolgt sei - in Kraft treten können; bezüglich der weiteren Partnerschaft erst nach deren Eintragung im Partnerschaftsregister im Juni 2012.

Die Mitglieder des Präsidiums seien nicht befangen; sie hätten nur ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt, wozu z. B. auch die Überprüfung der Kanzleischilder und die Einleitung des Verfahrens gehöre, weil der Kläger immer noch den Eindruck erweckt habe, Notar zu sein. Das Präsidium sei seit jeher zuständig für derartige Entscheidungen und das Verfahren in jeder Hinsicht ordnungsgemäß abgelaufen. Zu den, zur Gerichtsakte gereichten Protokollen der Präsidiumssitzungen vom 26.04., 18.08. und 19.09.2012 weist die Beklagte daraufhin, dass es sich hier (nur) um Auszüge der Protokolle der jeweiligen Sitzungstage handele. Aus den Auszügen seien die Eingangs- und Abschlussformulierungen naturgemäß nicht ersichtlich. Das Präsidium habe den Widerruf einstimmig beschlossen, wobei Rechtsanwältin K. an der Sitzung nicht teilgenommen habe.

Dem Senat haben die Personalakten des Klägers bis einschließlich Blatt 761 vorgelegen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Der Kläger gab an, dass er nach seinem Insolvenzantrag kaum neue Mandate bearbeitet habe, weil er mit der Aufarbeitung von Notariatsvorgängen und den Anfragen des Insolvenzverwalters weitgehend ausgelastet gewesen sei. Die Schwierigkeiten mit der Gründung der zunächst angestrebten Partnerschaft, die zugleich auch Steuerberatungsgesellschaft sein sollte, seien unterschätzt worden. Soweit sich die Forderungen der Finanzämter inzwischen auf über 500.000 EUR belaufen sollten, beruhe dies auf einer Rückzahlung des Finanzamtes nach Anfechtung durch den Insolvenzverwalter.

In der Verhandlung ist ferner erörtert worden, dass die Position des Klägers in der Kanzlei seines Sohnes bis zum Juni 2012 kaum einzuordnen sei und einiges dafür spreche, dass der Eindruck einer Scheinsozietät vermittelt worden sei.

II.

Die Klage ist zulässig und fristgerecht eingegangen, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu Recht wegen Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet sind.

1. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt Vermögensverfall vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (BGH, Beschluss vom 25.03.1991 -AnwZ (B) 73/90; Beschluss vom 12.07.2010 - AnwZ (B) 19/10, jeweils m. w. N., ständige Rechtsprechung).

Hier gilt gem. § 14 Abs. 2 Nr. 7, 2. Halbsatz BRAO die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls, da über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet und er deshalb in das vom Insolvenzgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO) eingetragen ist.

Das eröffnete Insolvenzverfahren dauert noch - voraussichtlich sogar noch über längere Zeit - an. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann von geordneten Vermögensverhältnissen nur in bestimmten Fällen wieder ausgegangen werden, wie von der Beklagten in ihrem Widerrufsbescheid unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung zutreffend ausgeführt. Die genannten Fallgruppen liegen hier offensichtlich nicht vor, so dass der Vermögensverfall nach wie vor andauert.

2. Es kommt daher darauf an, ob ein Ausnahmefall vorliegt, bei dem trotz Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Dies ist hier nicht der Fall.

Von einem Widerruf kann nur dann abgesehen werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbundenen typischen Gefahren nicht bestehen (BGH, Beschl. v. 18.10.2010 - AnwZ (B) 21/10). Entscheidend ist eine nach strengen Maßstäben vorzunehmende Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände, wobei die Feststellungslast den Rechtsanwalt trifft (BGH aaO). Diesem Ansatz folgt auch der Senat, wobei die grundrechtlichen Gewährleistungen (Artikel 12 GG) zu beachten sind. Die aufgestellten Hürden dürfen nicht so hoch sein, dass sie von dem betroffenen Anwalt nicht zu erfüllen sind.

Aus der Gesamtwürdigung des Sachverhalts ergibt sich hier, dass ein derartiger Ausnahmefall nicht vorliegt.

a) Der Senat unterstellt, dass die von dem Kläger vorgetragenen Anweisungen in der Personalversammlung vom 04.04.2011 tatsächlich erfüllt und befolgt worden sind, ebenso die selbst auferlegten Beschränkungen. Die Absprachen berücksichtigen auch weitgehend die Anforderungen, die zu stellen sind, um Gefährdungen Rechtsuchender weitgehend auszuschließen. Derartige Verhaltensmaßregeln und Kontrollmechanismen müssen jedoch schriftlich zusammengefasst und der zuständigen Rechtsanwaltskammer zugeleitet werden. Nur so ist sicherzustellen, dass die handelnden Personen innerhalb der jeweiligen Kanzlei eine klare Orientierung haben und die zuständige Rechtsanwaltskammer eine umsetzbare Möglichkeit zur Prüfung und Kontrolle bekommt (vergl. Senat Beschl. v. 29.08.2011 - AGH 17/08, BRAK-Mitteilungen 2011, 287, 291). Dies gilt umso mehr, als der Kläger als langjähriger Chef und Seniorpartner bis zu seiner Insolvenz in der Kanzlei führend tätig gewesen ist und für die Aufsicht und Kontrolle sein erst seit 2009 zur Anwaltschaft zugelassener Sohn zuständig sein soll.

b) Die arbeitsvertraglichen Beschränkungen liefen zumindest bis Juni 2012 ins Leere. Die „B. Steuerberatungsgesellschaft“ mit der der Kläger einen Anstellungsvertrag geschlossen hatte, ist am 19.10.2011 im Register eingetragen und erst später anerkannt worden. Nach dem geschlossenen Anstellungsvertrag sollte das Anstellungsverhältnis sogar ausdrücklich erst mit Eintritt dieser Bedingung beginnen. Die Anstellung bei der „B. Steuerberatungsgesellschaft“ ist später - mit dem Ausscheiden seines Sohnes aus der Gesellschaft - nicht weiter vom Kläger verfolgt worden, sondern stattdessen bei einer neuen Partnergesellschaft - der „B. S. & Partner“. Diese Partnerschaft, die nicht mehr zugleich als „Steuerberatungsgesellschaft“ konzipiert wurde, ist erst im Juni 2012 ins Partnerschaftsregister eingetragen worden. Die arbeitsvertraglichen Beschränkungen des mit dieser Partnerschaft erst am 28.12.2011 geschlossen Arbeitsvertrages konnten somit frühestens ab deren Eintragung greifen. Bis Juni 2012 sind die Verhältnisse undurchsichtig. Der Kläger war erklärtermaßen nicht bei seinem Sohn angestellt. Es gab auch kein eindeutig vereinbartes freies Mitarbeiterverhältnis. Regelungen hierzu fehlten schlicht. Es bestanden später nur bedingte Anstellungsverträge mit (noch) nicht existierenden Partnerschaften. Vom Frühjahr 2011 bis Juni 2012 bestand eine letztlich nicht näher zu fassende Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und seinem Sohn.

c) Auf den Kanzleischildern wird der Kläger neben seinem Sohn an prominenter Stelle als Anwalt aufgeführt, so wie es schon vor der Insolvenz der Fall war. Eine Zeit lang wurden noch die Geschäftsbögen der früheren Partnerschaft „RAe. S. & Partner“ bzw. S. & S.“ (so noch die Klageschrift) verwendet. Das Gedächtnisprotokoll über die Betriebsversammlung am 04.04.2011 (GA 202) enthält weder hierzu eine eindeutige Aussage noch zu den Rechtsbeziehungen der Anwälte zueinander. Auch der Internetauftritt scheint nicht angepasst worden zu sein; auf die Beendigung des Notaramtes ist jedenfalls nicht hingewiesen worden. Nach außen hin bestand eine Scheinsozietät. Theoretisch hätten Mandanten dem Kläger Bargeld übergeben können, ohne dass damit sichergestellt gewesen wäre, dass sie von ihrer Kostenschuld befreit wurden.

Auf den Geschäftsbögen ist nicht ausdrücklich ein für Fremdgeldüberweisungen zu verwendendes Konto angegeben worden. Letztlich kommt es nicht darauf an, ob Gefährdungen konkret zu erwarten sind. Die bloße Möglichkeit einer Gefährdung reicht aus.

d) Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Kontrollmaßnahmen und Beschränkungen des insolventen Anwalts schriftlich festzuhalten (vergl. Senat-Beschluss vom 29.08.2011 Az. 17/08, BRAK-Mitteilungen 2011, 287, 291).

Soweit der Kläger kurz vor der mündlichen Verhandlung ein Gedächtnisprotokoll zu der Betriebsversammlung nebst eidesstattlichen Versicherungen von Mitarbeitern vorgelegt hat, könnte damit dem Erfordernis einer schriftlichen Festlegung der getroffenen Vorkehrungen Rechnung getragen sein. Der Senat neigt allerdings zu der Auffassung, dass eine schriftliche Fixierung der Sicherungsmaßnahmen umgehend mit Aufnahme der Tätigkeit eines insolventen Anwalts erfolgen und die RAK hierüber unterrichtet und ihr - zumindest auf Anforderung - der Maßnahmekatalog vorgelegt werden muss. Nur so ist eine Prüfung und Kontrolle durch die RAK hinreichend zu gewährleisten. Selbst nach Erlass der Widerrufsverfügung ist keine schriftliche Niederlegung und Unterrichtung der Beklagten erfolgt. Erst ein Jahr danach, kurz vor der mündlichen Verhandlung ist dem Gericht das genannte Gedächtnisprotokoll vorgelegt worden.

Zeitnah zum Insolvenzantrag und der Personalversammlung Anfang April 2011 ist die Beklagte vom Kläger über die getroffenen Maßnahmen nicht unterrichtet worden. In seinem Schreiben vom 29.03.2012 an die Beklagte (PA 373) weist der Kläger lediglich auf Anstellungsverträge mit arbeitsvertraglichen Beschränkungen hin. Ab 01.04.2011 bestünde die Möglichkeit, Angestellter einer größeren Partnerschaft zu werden. In dem Vertrag würde alles Erforderliche geregelt werden und die Kammer würde dann eine Mitteilung erhalten (PA 371/370). Auch im folgenden Schriftverkehr wird zu den Absprachen mit dem Sohn des Klägers und den Mitarbeitern vom Kläger nichts vorgetragen. Es bleibt bei allgemeinen Ausführungen (vergl. z. B. das Schreiben vom 06.04.2011 (PA 393). Es fragt sich natürlich, weshalb der Kläger, der sich nach seinen Angaben intensiv mit der einschlägigen Rechtsprechung befasst hat, die Kammer seinerzeit nicht über die von ihm eingeleiteten Sicherungsmaßnahmen unterrichtet hat, insbesondere auch nicht nach Veröffentlichung des oben zitierten Senatsbeschlusses vom 29.08.2011. Der Kläger beließ es bei Hinweisen auf Regelungen in Arbeitsverträgen, die allerdings noch in der Schwebe waren, weil der Vertragspartner noch nicht existent war.

e) Um sicherzustellen, dass eine Gefährdung Rechtsuchender ausgeschlossen ist, bedarf es einer Beaufsichtigung des in Vermögensverfall geratenen Anwalts.

Dazu bietet ein Angestelltenverhältnis die beste Grundlage, vergl. BGH-Beschluss vom 22.06.2011 AnwZ (Brfg) 12/11, BRAK-Mitteilung 2011, 249. Unter Umständen kann dies auch bei anderen Formen der Zusammenarbeit gewährleistet werden, wenngleich dann ein komplexeres Regelungswerk als in einem Angestelltenverhältnis erforderlich wird (vergl. Senat, Beschluss vom 29.08.2011, AGH 17/08 a.a.O.)

Hier ist schon unklar, welches Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Sohn bis zum Juni 2012 bestanden hat (vergl. o. b). Nach außen hin hat sich kaum etwas geändert (vergl. oben c).

Wenn es nur einen „aufsichtführenden“ Rechtsanwalt gibt, besteht das Problem, eine durchgängige Kontrolle auch bei Abwesenheiten dieses Kollegen zu gewährleisten. Für geplante Abwesenheiten (Urlaube, Seminare und Ähnliches), kann ein geeigneter Vertreter bestellt werden. Für nicht vorhersehbare bzw. nicht planbare Abwesenheiten (z. B. durch Unfälle/Krankheit) können sich jedoch Kontrolllücken ergeben. Ob und inwieweit Restrisiken im Hinblick auf Art. 12 GG hinzunehmen sind, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Hier ist der beaufsichtigende Anwalt der noch recht junge Sohn des Klägers, der noch fast ein Berufsanfänger ist, wobei sich nach außen hin zunächst kaum etwas geändert hatte. Dies ist aus Sicht des Klägers bzw. seines Sohnes durchaus verständlich und vielleicht sogar gewollt oder in Kauf genommen worden, da sich der Ruf der Kanzlei auf die langjährige und offenbar auch lange Zeit erfolgreiche Tätigkeit des Klägers gründet. Daraus ergibt sich aber eine prägende Stellung des Klägers, sowohl in den Außenbeziehungen der Kanzlei wie auch kanzleiintern gegenüber den langjährigen Mitarbeitern und dem Sohn des Klägers. Unter diesen Umständen hält der Senat es für nicht ausreichend, wenn hier nur der Sohn des Klägers die Kontrollaufgaben übernimmt. Eine effektive Kontrolle (vergl. BGH Beschluss vom 22.06.2011, AnwZ (Brfg) 12/11) erscheint damit nicht gewährleistet.

Soweit - ab Juni 2012 - weitere potenziell aufsichtführende Partner hinzugetreten sind, handelt es sich um zwei Steuerberater, die allerdings nicht oder nur eingeschränkt in Hannover tätig sind. Deshalb erscheint deren Kontrollmöglichkeit schon strukturell im vorliegenden Falle nicht ausreichend. Ob zusätzliche, besondere Sicherungsmaßnahmen diesem Problem wiederum abhelfen könnten, bedarf keiner Entscheidung, weil der Kläger solche hier nicht aufgezeigt und nachgewiesen hat. Es kann deshalb auch offen bleiben, ob Steuerberater, die nicht der Aufsicht der Rechtsanwaltskammer unterliegen, grundsätzlich geeignet sind, die erforderlichen Kontrollaufgaben zu übernehmen.

f) Auch wenn eine Reihe von Gesichtspunkten hier für den Kläger sprechen, so unter anderem seine im wesentlichen ordnungsgemäße Amtsführung als Notar, die selbst veranlasste Einleitung des Insolvenzverfahrens, die Tatsache, dass Mandanten nicht zu den Insolvenzgläubigern zählen, auch keine Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Fremdgeld vorlagen, geben doch die vorstehend aufgeführten Bedenken in der Gesamtschau den Ausschlag zu Ungunsten des Klägers. Hiernach ist der Senat im Ergebnis nicht davon überzeugt, dass die Interessen Rechtsuchender durch die vom Kläger getroffenen Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen nicht gefährdet seien. Hier hatte vor allem die lange Phase der unklaren Position des Klägers in der zumindest räumlich-faktischen Zusammenarbeit mit dem Sohn des Klägers in den bisherigen Kanzleiräumen und die Verwendung eines gemeinsamen Briefkopfes ohne jede sichtbare Beschränkung besonderes Gewicht. Das gilt ohne weiteres für den Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides.

Es kann aber auch dahin stehen, ob die durch den ursprünglichen Anstellungsvertrag vom 11.07.2011, der dann in neuer Relation an 28.12.2011 erneut geschlossen wurde, konzeptionierten Sicherungsmaßnahmen schon für den Zeitpunkt des Widerrufsbescheides zu berücksichtigen gewesen wären, weil ihre Wirkung ja von der Eintragung der Partnerschaftsgesellschaft als Arbeitgeber abhing. Denn die strukturellen Defizite der Sicherungsmaßnahmen im diesem Zusammenhang haben hier ein solches Gewicht, dass sie nicht ausreichend erscheinen. Deshalb kann auch offenbleiben, ob für die rechtliche Beurteilung ausschließlich auf den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung abzustellen ist - so std. Rspr. des BGH, seit Beschluss vom 29.06.2011 - AnwZ (Brfg) 11/10 - oder ob nachträgliche Veränderungen zugunsten des Klägers zu berücksichtigen wären, wofür im Hinblick auf § 7 Nr. 9 BRAO und Art. 12 Abs. 1 GG in der besonderen Situation des Klägers einiges hätte sprechen können; insoweit kann auch offen bleiben, ob an dem Postulat des Bundesgerichtshofs, Sicherungsmaßnahmen der notwendigen Art müssten auch schon einige Zeit „gelebt“ worden sein, um Anerkennung zu finden, noch festzuhalten ist, weil sich ansonsten kaum überwindbare Hürden für die betroffenen Rechtsanwälte ergäben.

3.

Auch die formellen Einwendungen des Klägers gegen das dem Widerruf vorausgegangene Verwaltungsverfahren greifen nicht durch.

a) Richtig ist, dass die Regelung der Zuständigkeit des Präsidiums der beklagten Kammer unter Umständen nicht ganz eindeutig zu verstehen ist. § 9 der Geschäftsordnung des Vorstandes weist Personalangelegenheiten der Mitglieder der Kammer dem Präsidium zu, soweit nicht der Präsident allein zuständig ist, § 9 S. 1 Nr. 1 der Geschäftsordnung. In § 10 der Geschäftsordnung ist allerdings geregelt, dass der Präsident in Personalangelegenheiten der Kammermitglieder zuständig sein soll, „soweit nicht Versagungsgründe…. zu prüfen sind……“

Diese Formulierung („Versagungsgründe“) deutet darauf hin, dass nur Zulassungsverfahren und nicht Widerrufsverfahren gemeint sind. Hieraus könnte man folgern, dass der Präsident allein zuständig sei für Widerrufsfälle. Es entspricht jedoch langjähriger Praxis der Beklagten, dass Widerrufsvorgänge vom gesamten Präsidium behandelt werden, was im Übrigen auch sachgerecht ist. Der Vorstand der Beklagten und auch das Präsidium einschließlich des Präsidenten gehen daher vertretbar von einer Auslegung der §§ 9 und 10 ihrer Geschäftsordnung im weiteren Sinne aus, wonach auch Untersagungs- und Widerrufsfälle der Entscheidung des Präsidiums vorbehalten sind und handeln danach. Wenn man der engen Auslegung folgt, wäre für den Widerruf der Präsident alleine zuständig. Die Beratung im Präsidium würde dann nur der Vorbereitung der Entscheidung des Präsidenten dienen. Die hier zugrundeliegende Widerrufsverfügung ist von ihm unterschrieben worden, so dass diese Entscheidung ihm auch eindeutig zugeordnet werden kann. Auch bei dieser Interpretation der Geschäftsordnung läge eine Entscheidung der zuständigen Stelle - des Präsidenten - vor. Der Einwand des Klägers ist daher unbegründet.

b) Die Beklagte hat Auszüge aus den Sitzungsprotokollen des Präsidiums vorgelegt, insgesamt drei, die das Verfahren gegen den Kläger im Jahre 2011 betreffen. Hierbei sind lediglich Ausschnitte aus den Gesamtprotokollen vorgelegt worden, die die den Kläger betreffenden Tagesordnungspunkte wiedergeben. Der Protokolleingang (vor dem ersten Tagesordnungspunkt) aus dem sich unter anderem die Teilnehmer ergeben würden, ist nicht mitvermerkt worden, was sicherlich besser gewesen wäre. Hieraus kann der Beklagten aber nicht der Vorwurf einer mangelhaften Protokollführung gemacht werden. Die Protokolle sind vielmehr inhaltlich sehr ausführlich gehalten. Das gleiche gilt, soweit ein Abstimmungsergebnis nicht ausdrücklich wiedergegeben wird. Hier hat die Beklagte eindeutig erklärt, dass der den Kläger betreffende Beschluss einstimmig getroffen worden ist. Dass das Präsidium nicht beschlussfähig war, weil eines ihrer Mitglieder - RAin. K. - fehlte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Es gibt keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Angabe der Klägerin zu zweifeln. Schließlich kann vor dem Hintergrund des Einwands bezüglich der Zuständigkeit (siehe oben a) der Einwand mangelhafter Protokollierung keinen Einfluss auf das Ergebnis der Willensbildung gehabt haben.

c) Es ist auch nicht erkennbar, dass Mitglieder des Präsidiums sich von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen und es deshalb zu der angegriffenen Widerrufsverfügung gekommen ist.

Dass die RAin. K. am 17.08.2011 das Schild im Auftrag der Beklagten überprüft hat, ist sachgerecht. Vertretbar ist auch, dass die Kammer daraufhin die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat, wenngleich es durchaus fraglich ist, ob ein Notar, dessen Amt erloschen ist, gleich jeglichen Hinweis auf sein Notaramt einschließlich des Landeswappens entfernen bzw. unkenntlich machen müsste.

Abschnitt VII. Ziffer 8.1 der Richtlinie der Notarkammer C. für die Amtsführung der Notare ist in diesem Punkt nicht eindeutig. Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft lag im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens der Beklagten. Soweit der Kläger dem Präsidenten R. aufgrund der Unterzeichnung des Briefes vom 24.11.2011 an die Staatsanwaltschaft, der das Verfahren nur verschärft habe, Besorgnis der Befangenheit vorhält, muss dieser Gesichtspunkt außer Betracht bleiben, weil der Widerrufsbescheid schon zwei Monate zuvor erlassen war; es ist nicht erkennbar, dass die in dem Brief ausgedrückte Auffassung zur Sach- und Rechtslage die Widerrufsentscheidung beeinflusst hat. Hinzukommt, dass mit dem Brief die Auffassung der Beklagten als Körperschaft zum Ausdruck gebracht wurde, nicht die Privatauffassung ihres Präsidenten.

Im Übrigen hat RAin. K. an der Entscheidung des Präsidiums - als einziges Präsidiumsmitglied - nicht mitgewirkt. RA. K. ist wegen des vom Kläger angesprochenen Vorgangs aus dem Jahre 2004 ebenfalls nicht als befangen anzusehen. Die Anfrage stand ersichtlich im Zusammenhang mit dem der Kammer unmittelbar zuvor bekannt gewordenen Notarverfahren gegen den Kläger (PA 116). Dass ein sieben Jahre zurückliegender Vorgang noch eine Rolle gespielt haben könnte, ist nicht erkennbar.

Insgesamt gesehen haben die Mitglieder des Präsidiums ihre Aufgabe sachgerecht wahrgenommen. Dass dies zu einer für den Kläger nachteiligen Entscheidung geführt hat, liegt in der Natur der Sache. Sachfremde Erwägungen sind jedenfalls nicht zu erkennen. Es handelt sich auch um keine Ad-hoc-Entscheidung. Die Kammer hat sich vielmehr vor dem Widerruf sehr eingehend mit der Sache des Klägers befasst und diesem auch hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dies ergibt sich schon aus den vorgelegten Protokollen und dem umfangreichen Schriftverkehr der Parteien.

Insgesamt sind keine Umstände ersichtlich, die zu einer Nichtigkeit des Beschlusses nach § 44 VwVerfG führen könnten, noch sind Verfahrensfehler festzustellen, die gemäß § 46 VwVerfG zu einer Aufhebung des Widerrufsbescheides führen können. Ebenso wenig besteht auch nur ansatzweise der Verdacht, dass sachfremde Erwägungen die Entscheidung der Beklagten beeinflusst hätten.

III.

Ein Anlass, die Berufung nach §§ 112 Abs. 1, 112e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO zuzulassen, bestand nicht. Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, § 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO. Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112 c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO, § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert war gemäß § 194 Abs. 2 S. 1 BRAO auf 50.000,00 € festzusetzen. Eine Herabsetzung nach § 194 Abs. 2 S. 2 BRAO, wie vom Kläger angeregt, war nicht gerechtfertigt. Der Kläger strebt - wenn auch im Anstellungsverhältnis - eine uneingeschränkte Rechtsanwaltstätigkeit an. Sein Alter spielt dabei keine Rolle, auch nicht der Umstand, dass über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Seine Tätigkeit ist nach § 35 Abs. 2 InsO freigegeben. Er hat im Rahmen der Vergütungsregelung seines Anstellungsvertrages (GA 103 - 106) die Möglichkeit, nennenswerte Einkünfte zu erzielen. Dass diese gem. § 295 Abs. 2 InsO gegebenenfalls zu großen Teilen den Insolvenzgläubigern zugutekommen, ist für die Bemessung des Streitwertes ohne Bedeutung.