Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 20.02.2012, Az.: AGH 13/10

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
20.02.2012
Aktenzeichen
AGH 13/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44568
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 31.08.2012 - AZ: AnwZ (Brfg) 25 /12

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der am …19.. geborene Kläger ist seit dem 06.11.1997 als Rechtsanwalt zugelassen. Er betreibt seine Kanzlei seit 2001 gemeinsam in Sozietät mit seinem Vater, Rechtsanwalt W. H., in Meppen.

Im Frühjahr 2009 traten erste Unregelmäßigkeiten auf. Die Beklagte forderte den Kläger im Mai 2009 auf, zu eingeleiteten Pfändungsmaßnahmen und anhängigen Verfahren Stellung zu nehmen. In der Folge wurden weitere Forderungen und Pfändungen gegen den Kläger bekannt, darunter auch Unterhaltsforderungen und schließlich auch insgesamt fünf Haftbefehle zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Am 03.02.2010 teilte die Beklagte dem Kläger den beabsichtigten Widerruf seiner Zulassung mit. Mit Schreiben vom 22.02.2010 erklärte der Kläger, dass sämtliche im Anhörungsschreiben aufgeführten Forderungen erledigt seien, mit Ausnahme der Forderung der P.. S.zentrum O. GmbH & Co. KG. Diese Forderung würde beglichen, wenn die Entscheidung des Landgerichts rechtskräftig werden sollte. Das Amtsgericht M. bestätigte, dass die fünf Haftanordnungen vom 26.01.2010 gelöscht, der Obergerichtsvollzieher L., dass alle ihm zur Zwangsvollstreckung vorliegenden Forderungen beglichen worden seien. Die Pfändung der Geschäftskonten der Kanzlei in der Angelegenheit der Firma M. und U. sei - so der Kläger - nach Ausgleich der Forderung aufgehoben worden.

Sodann wurden weitere Forderungs- und Vollstreckungsangelegenheiten bekannt. Die Beklagte forderte den Kläger zur Stellungnahme auf und kündigte später erneut an, dass sie den Widerruf seiner Zulassung beabsichtige.

Nach Ablauf der gesetzten Frist widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft mit am 21.06.2010 zugestellter Verfügung vom 17.06.2010. Die Beklagte stützt ihren Widerrufsbescheid im Wesentlichen auf folgenden Sachverhalt:

1. Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts U. wegen einer Forderung von 4.378,55 EUR der Firma E. L. GmbH. Nach zunächst außergerichtlicher Einigung habe der Obergerichtsvollzieher L. vom 27.04.2010 mitgeteilt, dass die Vollstreckung wegen eines Restbetrages von 3.985,00 EUR fortgesetzt wurde. Mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 25.05.2010 sei ein Haftbefehl ergangen (Az. 22 M 734/10).

2. Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts H. vom 18.01.2010 wegen einer Forderung der P. Verrechnungsstelle W.-N. GmbH von insgesamt 315,00 EUR. Auch insoweit sei ein Haftbefehl am 25.05.2010 ergangen (Az. 22 M 735/10).

3. Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts U. vom 26.02.2010 wegen einer Forderung von 704,37 EUR (zuzügl. Zinsen und Kosten) der Firma D. K. GmbH. Die klägerseits behauptete Zahlung sei nicht nachgewiesen worden und ein Haftbefehl am 25.05.2010 (Az. 22 M 736/10) ergangen.

4. Zwangsgeldfestsetzung durch das Amtsgericht - Betreuungsgericht - M. in Höhe von 1.000,00 EUR und Haftbefehl am 25.05.2010.

5. Vollstreckungsmaßnahmen der B. GmbH & Co. KG wegen einer Hauptforderung von 2.975,00 EUR zuzügl. Zinsen und Kosten. In diesem Zusammenhang sei in die Konten des Klägers bei der Sparkasse E. sowie der e. Volksbank e. G. gepfändet worden.

6. Bezüglich der Pfändung des Geschäftskontos bei der Sparkasse E. durch die P. S.zentrum O. GmbH & Co. KG aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts O. vom 27.07.2009 (titulierte Forderung 28.777,32 EUR) müsste mangels anderer Nachweise davon ausgegangen werden, dass die Pfändung des Geschäftskontos bei der Sparkasse E. immer noch wirksam sei.

Ferner verwies die Beklagte in ihrem Widerrufsbescheid  (Ziff. 7.-14.) auf eine Reihe früherer Vollstreckungsmaßnahmen und am 26.01.2010 erlassener Haftbefehle,  zu denen der Obergerichtsvollzieher L. mit Schreiben vom 04.03.2010 mitgeteilt habe, dass die zugrundeliegenden Forderungen von dem Kläger getilgt worden seien. Bei diesen Maßnahmen sei es ebenfalls zur Pfändung der Geschäftskonten des Klägers gekommen.

Aus allem ergebe sich der Vermögensverfall des Klägers. Eine Stellungnahme zu den jüngsten Anhörungen sei nicht eingegangen, ein Vermögensstatus läge nach wie vor nicht vor. Aus den durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen ergäbe sich, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet seien. Es bestünde insbesondere die Gefahr, dass zur Weiterleitung bestimmte Werte nicht auftragsgemäß behandelt werden könnten. Dies habe sich bereits bestätigt bei dem Mandanten K. Z. Hier sei es zu einer Anklage wegen Untreue gekommen.

Gegen den ihm am 21.06.2010 zugestellten Bescheid hat der Kläger mit am 21.07.2010 beim Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben.

Er beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 17.06.2010 aufzuheben.

Die zu Pos. 1. bis 3. des Widerspruchsbescheides aufgeführten Angelegenheiten seien erledigt. Hintergrund des festgesetzten Zwangsgeldes  (Pos. 4. des Widerrufsbescheides) sei ein Streit über die Art und Weise der Rechnungslegung. Hierzu hätten inzwischen Gespräche mit dem Amtsgericht M. stattgefunden. Mit einer Vollstreckung des Zwangsgeldbeschlusses sei nicht mehr zu rechnen.

Die Forderung der Firma B. GmbH & Co. KG (Pos. 5) sei erledigt.

In der Forderungssache P. S.zentrum O. (Pos. 6 des Widerspruchsbescheides) werde in den nächsten Wochen eine endgültige Klärung herbeigeführt werden. Ein Kanzleikonto sei wegen dieser Sache nie gepfändet worden.

Sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen hätten nur ihn persönlich betroffen, nicht die Kanzlei als solche. Er selbst sei durch seine Scheidung in persönliche Schwierigkeiten geraten.

Die Sozietät habe stets Gewinne über 80.000,00 EUR erzielt, wie sich aus den Jahresabschlüssen 2008 und 2009 ergäbe.

Das Interesse der Rechtsuchenden sei auch nicht wegen des früheren Falles „Z.“ gefährdet, bei dem es eine Durchsuchung auch der Kanzleiräume gegeben habe. Der Kläger habe einer Einstellung des gegen ihn wegen angeblicher Unterschlagung eingeleiteten Strafverfahrens zugestimmt und die damit verbundenen Auflagen vor längerer Zeit erfüllt. Dessen ungeachtet sei hier ein Strafbefehl ergangen. Nach dem von ihm eingelegten Einspruch sei bislang noch keine weiterführende Entscheidung ergangen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage zurückzuweisen.

In ihrer Klagerwiderung bestätigt die Beklagte zunächst, dass die zu Nr. 1 bis 3 genannten Angelegenheiten tatsächlich erledigt seien. Die Zahlungen seien laut Mitteilung des Obergerichtsvollziehers L. allerdings erst nach Zustellung des Widerrufsbescheides erfolgt. Erledigt sei auch eine bislang nicht bekannte Vollstreckung der V.-Versicherungsdienst GmbH.

Richtig sei, dass auch andere Angelegenheiten vom Kläger inzwischen bereinigt worden seien. Es gäbe jedoch noch offene Vorgänge.

Der Zwangsgeldbeschluss des Amtsgerichts M. (Ziff. 4 des Widerspruchsbescheides), in dessen Zusammenhang auch Haftbefehl ergangen sei, bestünde noch. Es sei keinesfalls belegt, dass mit einer Vollstreckung aus dem Beschluss nicht mehr zu rechnen sei.

Die Erledigung der Forderung der Firma B. (Ziff. 5 des Widerspruchsbescheides) sei nicht belegt. Das Bestätigungsschreiben der Rechtsanwälte H. pp. fehle.

Auch die Forderung des S.zentrums (Ziff. 6 des Widerspruchsbescheides) sei nicht erledigt. Aus dem Versäumnisurteil seien die privaten Konten des Klägers bei der Sparkasse E. gepfändet worden. Die fünf Sparbücher und das Privatgirokonto hätten ein Gesamtguthaben von 355,57 EUR ergeben, wobei noch vorrangige Pfändungen von 2.358,00 EUR vorlägen. Die Sparkasse selbst mache ebenfalls vorrangige Forderungen in beträchtlicher Höhe geltend.

Die mit über  80.000,00 EUR angegebenen Jahresgewinne der Sozietät hätten offensichtlich nicht ausgereicht, die eingegangenen Verbindlichkeiten zu tilgen.

Inzwischen seien der Beklagten weitere Vollstreckungsmaßnahmen bekannt geworden, über die der Kläger bislang nicht informiert habe.

Aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts U. vom 06.04.2010 (Pos: 15a: Verlag H. H. GmbH & Co. KG) über 1.494,85 EUR zuzügl. Kosten und Zinsen läge ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vor, mit dem das Konto des Klägers bei der Sparkasse E. gepfändet worden sei. Wegen der Forderung des PZ S.zentrum O. (Pos. 6) sei laut Mitteilung des OGV L. vom 23.07.2010 der Kläger zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nicht erschienen und das AG M. habe auch hier einen Haftbefehl erlassen. Mit weiterem Schreiben vom 07.08.2010 habe OGV L. weitere Vollstreckungsaufträge mitgeteilt, darunter Verlag H. (Pos. 15 a), Unterhaltsansprüche von D. und S. H. (Pos. 15b) in Höhe von 765,25 EUR, ferner wegen Beitragsrückständen der Rechtsanwaltsversorgung (Pos. 15c) in Höhe von insgesamt 5.712,92 EUR und wegen einer Forderung der A. M. GmbH (Pos. 15e) über 190,58 EUR. Schließlich habe OGV L. mit Schreiben vom 24.08.2010 auf eine weitere Vollstreckungsmaßnahme wegen einer Forderung der B. P. F. S. A. in Höhe von 648,06 EUR (Pos. 15f)  berichtet. Die V. Versicherungs AG (Pos. 15 g) vollstrecke wegen einer Forderung von 674,49 EUR aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts H. vom 23.03.2010.

Von geordneten finanziellen Verhältnissen könne also keine Rede sein.

Nach gewährter Fristverlängerung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.11.2010 Steuererklärungen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 2008 und 2009 und die betriebswirtschaftliche Auswertung (Jan. bis Okt. 2010) übermittelt.

Nach der internen Gewinnverteilung erhält der Sozius und Vater des Klägers, RA. W. H., jährlich lediglich 3.600,00 EUR, den verbleibenden Rest der Kläger (2008: 78.380 EUR; Praxisgewinn 2009: 96.764 EUR). Aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung für die ersten zehn Monate des Jahres 2010 ergibt sich ein vorläufiges Betriebsergebnis von 90.891,00 EUR. Ausweislich der betriebswirtschaftlichen Auswertung fallen keine Personalkosten an.

Für das Erbbaugrundstück „K. T.“, M. (bebaut mit einem Einfamilienhaus) kündigte der Kläger die Übersendung eines Grundbuchauszuges an. Das Grundstück stehe zur Hälfte in seinem Eigentum.

Seinem Schriftsatz vom 25.11.2010 hat der Kläger Kontoauszüge und weitere Schreiben/ Erklärungen beigefügt, aus denen sich ergibt, dass eine Reihe der Forderungen bereinigt sind. Laut Schreiben der Rechtsanwaltsversorgung N. vom 15.10.2010 soll der bis dahin aufgelaufene Beitragsrückstand von 8.086,06 EUR in Raten à 547,25 EUR getilgt werden und die Zwangsvollstreckung zunächst ruhend gestellt.

OGV L. hatte dem Kläger eine Gesamtforderung von 3.665,00 EUR mitgeteilt für die Vollstreckungsvorgänge zu den Pos. 15a/15b/15c//15e u. 15f. Der Kläger hat diese Forderung am 30.09.2010 bezahlt, ebenso bereits zuvor die Forderung „B.“ (Pos. 5).

Aus einem Schreiben vom 20.11.2010 des OGV L. ergeben sich weitere Vollstreckungsvorgänge mit einer Gesamtsumme von 4.923,20 EUR, die der Kläger nach dem vorgelegten Überweisungsträger vom 20.11.2010 offenbar ebenfalls gezahlt hat.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 10.01.2011 einen Auszug aus dem Vollstreckungsregister vom 20.12.2010 zur Akte gereicht, aus der sich ergibt, dass der Haftbefehl des AG M. vom 26.07.2010 in der Sache P. S.zentrum (Pos. 6) nach wie vor besteht, ebenso der Haftbefehl vom 25.05.2010 in der Zwangsgeldsache (Pos. 4). Unterlagen, die laufende Gespräche oder gar abschließende Regelungen (Zwangsgeld) bestätigen, seien vom Kläger nicht vorgelegt worden.

Auch wenn eine Reihe von (weiteren) Vorgängen erledigt worden sei, reichten offenbar die aus der Kanzlei erzielten Gewinne nicht aus, die laufenden Verpflichtungen zu erfüllen. Trotz dieser Gewinne sei es immer wieder zu Vollstreckungsmaßnahmen gekommen.

Mit Schriftsatz vom 18.05.2011 hat die Beklagte strafrechtliche Vorgänge und neue Vollstreckungsangelegenheiten vorgetragen. Danach vollstrecke die V. Leasing GmbH (15g) wegen einer Forderung von 13.050,00 € aus einem Vergleich vom 15.11.2011 (richtig wohl: 2010). In dieser Sache sei am 03.05.2011 (Az.: 22M 515/11) Haftbefehl ergangen. Frau C. B. vollstrecke aus einem Urteil des AG M. vom 22.03.2011 wegen einer Forderung von 683,17 €. Hier sei es zu einer Pfändung der Konten bei der Sparkasse E. gekommen. Des Weiteren vollstrecke die r. r. T. Verlag GmbH wegen Forderungen von 415,25 € und von 722,59 €, wobei es ebenfalls zu Kontenpfändungen gekommen sei. Der Verlag H. H. GmbH & Co. KG vollstrecke aus einem Vollstreckungsbescheid vom 25.02.2011 wegen einer Forderung von 1.075,76 €.

Die Generalstaatsanwaltschaft habe mit Datum vom 13.01.2011 den Kläger vor dem Anwaltsgericht angeschuldigt, seine Berufspflichten bezüglich der Behandlung von Fremdgeldern verletzt zu haben. Das Hauptverfahren sei eröffnet worden (Az.: 200EV 7/10). Der zugrundeliegende Sachverhalt resultiere aus dem Mandat des Klägers für Herrn K. Z. wegen seiner Forderung aus dem Vollstreckungsbescheid vom 17.09.2009 in Höhe von 1.560,22 € .

Die Staatsanwaltschaft O. habe inzwischen eine weitere Anklage mit Datum vom 18.04.2011 erhoben. Hierbei geht es ebenfalls um die Verletzung fremder Vermögensinteressen. Dieser Anklage würde das Mandat des Klägers für Herrn F. W. zugrunde liegen, für den der Kläger 10.000,00 € eingezogen hatte.

Mit Schriftsatz vom 12.10.2011 behauptete der Kläger, dass alle ihm bekannten Forderungen ausgeglichen oder aber geregelt seien. Die Forderungen der P. S.zentrum O. GmbH & Co. KG und der V. L. GmbH seien durch Zahlungsvereinbarungen geregelt, die zugrundeliegenden Vollstreckungsaufträge zurückgenommen worden. Auch die übrigen im Schriftsatz der Beklagten vom 18.05.2011 angeführten Haftbefehle seien längst aufgehoben worden.

Mit Verfügung vom 03.11.2011 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung des Widerrufs der Zulassung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VWGO an. Sie stützt sich hierbei zum einen auf die zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids bestehenden Haftbefehle, die nach dem Beschluss des BGH vom 29.06.2011 ungeachtet der späteren Entwicklung maßgeblich seien. Darüber hinaus hätte der OGV L. am 25.10.2011 mitgeteilt, dass die V. L. GmbH am 19.10.2011 erneut Haftantrag gestellt habe. Dieser sei zuvor ausgesetzt gewesen. An die zuvor getroffene Einigung habe sich der Kläger nicht gehalten und nach Zahlung einer ersten Rate von 1.000,00 EUR keine weiteren Raten entrichtet.

Ferner sei der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts M. vom 01.09.2011 wegen Untreue zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen á 60,00 EUR verurteilt. Diesem Urteil habe eine Fremdgeldzahlung von 10.000,00 EUR im Jahre 2003 zugrunde gelegen. Der Mandant sei im März 2008 verstorben. Eine Abrechnung mit den Erben sei bislang nicht erfolgt und das Geld nicht ausgezahlt.

Ein weiteres Strafverfahren vor dem Amtsgericht M. sei mit Beschluss vom 17.09.2010 gemäß § 153 a Abs. 2 StPO gegen Zahlung von 2.000,00 EUR eingestellt worden. Auch hier sei es um Fremdgeld gegangen und zwar in Höhe von 2.362,67 EUR, die erst über 1 ½ Jahre später an den Mandanten ausgezahlt worden seien. Wegen dieses Verfahrens werde inzwischen vor dem Anwaltsgericht ein weiteres Verfahren geführt. Ferner gäbe es unter dem Aktenzeichen 1100 Js 22145/11 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft O. mit dem Vorwurf der Untreue. Hier ginge es um über 4 Jahre nicht ausgezahltes Fremdgeld. Schließlich läge der Beklagten noch eine Eingabe vom 30.06.2011 vor, die zur weiteren Ermittlung an die Generalstaatsanwaltschaft O. abgegeben worden sei. Auch hierbei ginge es um nicht ordnungsgemäß weitergeleitete Gelder.

Mit Schriftsätzen vom 16.11.2011, 19.11.2011, 07.12.2011 und 06.01.2012 hat der Kläger durch RA. W. H. u. a. Folgendes vorgetragen:

Es sei bislang nicht bekannt gewesen, dass das Amtsgericht M. einen Haftbefehl beantragt habe. Das zugrundeliegende Zwangsgeld sei in einer Betreuungssache ergangen, bei der es Meinungsverschiedenheiten zwischen der Rechtspflegerin und dem Kläger über die Vorlage von Kontoauszügen gegeben habe. Die Sache sei endgültig bereinigt worden. Mit dem beigefügten Beschluss des Amtsgerichts M. vom 06.12.2011 ist der Zwangsgeldbeschluss vom 23.02.2010 aufgehoben worden, nachdem die Schlussrechnung vorgelegt worden ist. Der Haftbefehl ist inzwischen gemäß Mitteilung des AG M. vom 25.01.2012 gelöscht worden.

Zu dem Vollstreckungsvorgang „V. L.“ legt der Kläger ein Schreiben der Gläubigerin vom 16.11.2011 vor, wonach an den Gerichtsvollzieher sofort eine á-conto-Zahlung von 2.500,00 EUR zuzügl. der dort angefallenen Kosten und sodann monatliche Ratenzahlungen von 500,00 EUR ab 01.12.2011 zu leisten sind. Der Zwangsvollstreckungsauftrag werde mit Eingang der á-conto-Zahlung zurückgenommen. Der Anwalt des Klägers trägt hierzu ergänzend vor, dass er vom Gerichtsvollzieher angeforderte á-Conto-Beträge jeweils immer gezahlt habe. Die 2.500,00 EUR würden unverzüglich gezahlt werden, wenn die angeforderte schriftliche Bestätigung vorliege.

Mit der P. S.zentrum O. (22 M 1971/10) sei eine Regelung getroffen worden, wonach die Forderung bis 2013 ausgeglichen werden soll. Eine feste Ratenzahlung sei nicht vereinbart und es dem Kläger überlassen worden, welche Beträge er wann zahle.

Die drei vorgenannten Angelegenheiten betreffen die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch eingetragenen drei Haftanordnungen im Schuldnerverzeichnis, wie sich aus der Mitteilung des Amtsgerichts M. vom 24.11.2011 ergibt (Blatt 292 des Beiheftes der Personalakte der Beklagten).

In seinen o. a. Schriftsätzen hat der Kläger ferner ausgeführt, dass er der Geldauflage von 2.000,00 EUR gem. Beschluss des AG M. vom 17.09.2010 zugestimmt habe, weil keine hinreichenden Aussichten bestanden hätten, die mündlichen Verrechnungsvereinbarungen zu beweisen.

Die Verurteilung wegen Untreue durch das Amtsgericht M. sei nicht zu akzeptieren. Deshalb sei gegen das Urteil Berufung eingelegt worden. Der Einbehalt des Geldes sei auf ausdrückliche, allerdings nur mündliche Weisung der Lebensgefährtin (und späteren gesetzlichen Betreuerin) des bei einem Unfall verletzten Mandanten geschehen. Ebenfalls auf ausdrücklichen Wunsch der Betreuerin seien die weiteren Kosten, einschließlich eigener Anwaltsgebühren noch nicht abgerechnet worden. Erst nach dem Tod des Unfallopfers seien im Jahre 2008 vorher nicht bekannte Neffen als Erben aufgetreten. Die Betreuerin hätte diesen Erben nicht die erbetenen Auskünfte gegeben und sei inzwischen ebenfalls verstorben. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stehe hier jedoch noch als Zeuge für die Weisung zur Verfügung. Ob seine Vernehmung als Zeuge in erster Instanz erfolgt ist oder nicht, erschließt sich aus dem Vorbringen nicht.

Der Kläger hat zu den praxisinternen Regelungen vorgetragen, dass sein Sozius - RA. W. H. - sich verpflichtet habe, Verluste der Kanzlei abzudecken und hierzu zwei Verträge vorgelegt. In dem Vertrag vom 29.09.1997 hat der Sozius, seinerzeit noch als Ministerialdirigent zeichnend, im Interesse eines zügigen Aufbaus der Kanzlei bis auf weiteres auf persönliche Entnahmen aus der Sozietät verzichtet und sich verpflichtet, Erlöse aus dem Verkauf zweier Eigentumswohnungen in die Kanzlei einzuschießen, um die Anlaufverluste abzudecken. Darüber hinaus ist vereinbart worden, dass zur Abdeckung etwaiger Finanzierungslücken Kredite bei der e. Volksbank und bei der Kreissparkasse M. aufgenommen werden. Nach dem Vertrag sind beide Sozien zeichnungsberechtigt, größere Verfügungen sollen jedoch gemeinsam abgestimmt werden.

Diese Vereinbarung ist ersetzt worden durch den Vertrag vom 27.12.2000. Danach sollte der einzigen Mitarbeiterin gekündigt werden und der Betrieb der Kanzlei ohne angestellte Kräfte mit Unterstützung der Ehefrauen geführt werden. Auch in diesem Vertrag verzichtet der Sozius W. H. bis auf weiteres auf persönliche Entnahmen und sagt zu, die aus dem Verkauf zweier Eigentumswohnungen verbleibenden Barmittel in die Sozietät einzuschießen. Ferner sollten Betriebsmittelkredite zur Deckung von Finanzierungslücken aufgenommen werden.

Aus den vom Kläger vorgelegten Kontoauszügen (Nr. 41/42/43) für ein Anderkonto mit der Nr. 1080004136 bei der Sparkasse E. ergibt sich per 01.12.2011 ein Guthaben von 14.581,30 EUR.

In seinem Schriftsatz vom 06.01.2012 gibt der Prozessbevollmächtigte des Klägers an, dass das Geld aus dem Erlös der Eigentumswohnungen bereits in der Anfangsphase verbraucht worden sei. Er habe allerdings auch in der späteren Zeit Forderungen im Zusammenhang mit Vollstreckungen ausgeglichen. Diese seien ihm im Vorfeld vom Kläger leider nicht mitgeteilt worden. Es habe auch eine Reihe von unklaren und möglicherweise unberechtigten Forderungen gegeben. Als Vater und Sozius werde er auch in Zukunft sein Privatvermögen einsetzen, wobei allerdings sichergestellt sein müsse, dass die Praxis sich auf Dauer auch wirtschaftlich trage. Es müsse zunächst versucht werden, alle offenen Forderungen zu bezahlen. Über das Kanzleianderkonto bei der Sparkasse E. werde ausschließlich von ihm verfügt.

Der Senat hat dem Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 19.12.2011 (AGH 39/11) unter einer Reihe von Auflagen stattgegeben, die sicherstellen sollen, dass bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet werden. Hiergegen hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt, über die bislang noch nicht entschieden worden ist.

In der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2012 hat der Kläger zu einzelnen Punkten weitere Stellungnahmen abgegeben und sein Vorbringen anschließend in nachgelassenen Schriftsätzen weiter vertieft bzw. teilweise belegt.

Für das Berufungsverfahren in der Strafsache gibt es danach noch keinen Termin, die Staatsanwaltschaft habe lediglich angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Ferner ergab sich aus den Ausführungen des Klägers, dass Fremdgelder aufgrund von mündlichen Absprachen, zum Teil über mehrere Jahre, nicht ausgekehrt worden sind. Kredite bestünden per 23.12.2011 noch in Höhe von gut 305.000 EUR. Aus einer „Engagementaufstellung“ der Sparkasse E. vom 23.12.2011 ergibt sich, dass sich die monatlichen Belastungen hieraus auf knapp 4.000,00 EUR belaufen und die Kredite auf 315.000 EUR. Gemäß Schreiben der Sparkasse E. vom 23.12.2011 sind Ansprüche aus Kapitallebensversicherungen sicherungshalber abgetreten und das Grundstück K. T. belastet worden. Eine Sondertilgung in Höhe von ca. 60.000 EUR aus einer Lebensversicherung stünde unmittelbar bevor. Für die Ehefrau und den jüngsten Sohn seien monatlich insgesamt ca. 600,00 EUR Unterhalt zu zahlen. Aus dem Schriftverkehr bezüglich der Forderung der Fa. P.-S.zentrum ergibt sich eine Einigung über bis zum 01.03.2013 zu zahlende ca. 36.000 EUR. An die V.L. sind am 29.11.2011 2.521,10 EUR sowie im Dezember zwei Raten á 500 EUR gezahlt worden, wie sich aus vorgelegten Kontoauszügen ergibt.

Dem Senat haben die von der Beklagten geführten Personalakten vorgelegen. Aus der Beiakte „Klagen und Vollstreckungsmaßnahmen“ (Sonderheft 1) ergibt sich gemäß Mitteilung des Amtsgerichts M. vom 24.11.2011, dass noch die Verfahrennummern 1-3 aus dem beigefügten Auszug des Vollstreckungsregisters II vom 24.11.2011 offen seien. Der Auszug umfasst insgesamt 27 Vorgänge. Bei der Sache Nr. 1 handelt es sich um die Forderung der V. L. GmbH (22 M 515/11). Der Vorgang Nr. 2 betrifft die Sache P. S.zentrum O. (22 M 971/10) und der Vorgang Nr. 3 die Forderung des Amtsgerichts M. (Betreuungsgericht - 22 M 733/10). Der Haftbefehl in dieser Sache ist am 26.01.2012 gelöscht worden.

II.

Die Klage ist zulässig und fristgerecht eingegangen, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu Recht wegen Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist von einem Vermögensverfall auszugehen, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (BGH, Beschluss vom 25.03.1991 - AnwZ (B) 73/90; Beschluss vom 12.07.2010 - AnwZ (B) 19/10, jeweils mwN.)

Darüber hinaus gilt gem. § 14 Abs. 2 Nr. 7 2. Halbsatz BRAO die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist. In diesem Fall trifft die Beweislast, dass ein Vermögensfall nicht vorliegt, den betroffenen Rechtsanwalt selbst.

Zur Zeit des Erlasses der Widerrufsverfügung bestanden vier Haftbefehle gegen den Kläger zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung (vgl. Nr. 1-4 des Widerrufsbescheides vom 17.06.2010). Dementsprechend war der Kläger in das Schuldnerverzeichnis eingetragen, woraus sich die Vermutung des Vermögensverfalls zu seinen Lasten ergibt. Daneben waren zahlreiche Schuldtitel gegen den Kläger ergangen, aus denen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgeführt worden waren, auch durch Kontenpfändungen. Eine Reihe von Schuldtiteln war zwar schon vor der Widerrufsverfügung erledigt, auch weitere Haftbefehle, doch zeigt diese Gesamtsituation indiziell auch positiv, dass die Vermögensverhältnisse des Klägers nicht geordnet waren und immer wieder Forderungen gegen ihn tituliert und vollstreckt werden mussten. Vermögensverfall steht damit fest, den Beweis des Gegenteils - bezogen auf den Zeitpunkt der Widerrufsverfügung - hat der Kläger nicht geführt.

Im Ergebnis konnte auch nicht festgestellt werden, dass zur Zeit der Widerrufsverfügung die Interessen Rechtsuchender ausnahmsweise nicht gefährdet waren. Hier war allerdings zu bedenken, dass die weit überwiegende Zahl der Schuldtitel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, gerade auch diejenigen, derentwegen Haftanordnungen ergangen waren, sich nur gegen den Kläger persönlich, nicht gegen die Sozietät (GbR der Rechtsanwälte H. und H.) richtete. Soweit wegen solcher Forderungen auch wiederholt Zwangsvollstreckungen durch Pfändungen in die Geschäftskonten versucht wurden, mussten diese zwangsläufig erfolglos bleiben, weil offensichtlich - etwas anderes wäre bei einer Sozietät auch steuerrechtlich widersinnig - die Geschäftskonten solche der GbR sind. Insoweit unterliegen diese aber nicht der unmittelbaren Zwangsvollstreckung durch Gläubiger einzelner Gesellschafter; es handelt sich vielmehr um Vermögen der GbR, nicht des Klägers als Schuldner. Selbst die Ansprüche der Gesellschafter untereinander in Bezug auf diese Konten sind nicht pfändbar, weil nicht übertragbar (§§ 717 Satz 1 BGB, 851 Abs. 1 ZPO). Durch solche offenkundig erfolglose Zwangsvollstreckungen konnte und kann deshalb eine Gefährdung Rechtsuchender nicht eintreten, wenn Fremdgeld auf diese Konten eingegangen ist bzw. eingehen sollte. Dementsprechend hat ja auch die Sparkasse E. mit ihrer Drittschuldnererklärung vom 19.10.2009 Auskünfte nur über persönliche Vermögenswerte des Klägers bei ihr erteilt (Sonderheft 1 zur Personalakte, Blatt 65). Ansprüche der Gesellschafter untereinander, die nach § 717 Satz 2 BGB übertragbar und damit pfändbar wären, erfassen per se niemals Fremdgeld.

Im vorliegenden Fall betraf lediglich die Forderung der Fa. B. GmbH & Co. KG von 2.975,00 € zuzüglich Zinsen und Kosten (Nr. 5 der Widerrufsverfügung vom 17.06.2010) die Sozietät, sie richtete sich nicht nur gegen den Kläger persönlich, sondern auch die „Rechtsanwaltskanzlei H. GbR“ (vgl. Sonderheft 1 zur Personalakte, Blatt 94, 95 und Blatt 140-144). Die mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19.05.2010 (Amtsgericht M. 19 M 746/10) ausgebrachte Pfändung erfasste deshalb unmittelbar die dortigen Geschäftskonten bei der Sparkasse E. und der E. V.bank e.G.. Damit war eine akute Gefährdung von Mandanteninteressen begründet. Nachdem das Gleiche schon einmal bei der Forderung der Fa. M. & U. GmbH wegen einer Forderung von 555,20 € im Jahre 2009 geschehen war (vgl. Nr. 10 der Widerrufsverfügung sowie Sonderheft 1 zur Personalakte, Blatt 48, 49), kann auch nicht von einem einmaligen „Ausreißer“ die Rede sein. Die Gefährdung von Mandanteninteressen ist vielmehr evident.

Die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter schließt diese Gefahren im Ergebnis nicht aus. Die laufenden persönlichen finanziellen Verpflichtungen des Klägers sind selbst im Verhältnis zu seinen Einkünften erheblich (dazu nachfolgend unten). Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Sozius und Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt W. H., sind aufgrund seiner Versorgungsbezüge als höherer Beamter im Ruhestand vermutlich gesichert. Gleichwohl hat er zum Ausdruck gebracht, dass seine Bereitschaft, für Verbindlichkeiten des Klägers einzustehen, begrenzt sei. Auch war mindestens zur Zeit der Widerrufsverfügung die Kommunikation zwischen den Sozien und die Kontrolle über wichtige Geschäftsvorgänge absolut unzureichend. Das kann hier nicht unberücksichtigt bleiben.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob dem Kläger zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung auch der Vorwurf einer Fehlbehandlung von Fremdgeld im Fall des Mandanten K. Z. gemacht werden kann oder muss, der in der Widerrufsverfügung als weiterer Gesichtspunkt für die Gefährdung von Mandanteninteressen genannt war. Der dafür maßgebliche Sachverhalt ist in der Widerrufsverfügung kaum ansatzweise nachvollziehbar dargelegt worden. Der lediglich mitgeteilte Antrag auf Erlass eines Strafbefehls ersetzt das nicht.

Der Kläger ist der Darstellung insoweit entgegen getreten, als er behauptet, das Strafverfahren (Staatsanwaltschaft O. 1100 Js 26498/09) sei gemäß § 153a StPO eingestellt, die Auflagen habe er erfüllt (Gerichtsakte Blatt 3). Das könnte zutreffen, wenn man die entsprechenden Ausführungen der Beklagten in dem Sofortvollzugbescheid vom 03.11.2011, Seite 4 (Personalakte Blatt 239), hierauf beziehen kann. Sichere Feststellungen ließen sich hiernach nicht treffen, für weitere Sachaufklärung über die tatsächlichen Hintergründe bestand aus den oben genannten Rechtsgründen kein Anlass. Eine rechtskräftige Verurteilung wegen Untreue ist insoweit offensichtlich nicht erfolgt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die rechtliche Beurteilung der Widerrufsverfügung ausschließlich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an (BGH, Urteil vom 29.06.2011, NJW 2011, 3234, AnwBl 2011, 691 [BGH 29.06.2011 - AnwZ (Brfg) 11/10]). Danach stünde hiermit fest, dass der Widerruf der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft zu Recht erfolgt ist.

Gegen diese Auffassung des Bundesgerichtshofs sind gewichtige Gesichtspunkte vorgebracht worden (vgl. Kleine-Cosack, AnwBl 2011, 939 ff.), denen sich der Senat auch unter dem Eindruck der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht von vornherein verschließt. Die Berücksichtigung neuer Tatsachen, die im gerichtlichen Anfechtungsverfahren vorgebracht und festgestellt werden müssten, müsste allerdings - im Einklang auch mit der früheren Rechtsprechung - dazu führen, dass die Gründe, die ursprünglich den Widerruf der Zulassung gerechtfertigt haben, zweifelsfrei weggefallen sind. Das ist hier nicht der Fall.

Auch zur Zeit der (letzten) mündlichen Verhandlung vor dem Senat waren noch immer mindestens zwei Haftbefehle gegen den Kläger im Schuldnerverzeichnis eingetragen, selbst wenn man berücksichtigt, dass die Aufhebung desjenigen Titels, der Grundlage des dritten Haftbefehls war, inzwischen nachgewiesen wurde, die Löschung dieses Eintrags im Schuldnerverzeichnis also unmittelbar bevorstand.

Allerdings handelte es sich insoweit um solche Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis, die zur Zeit der maßgeblichen Verwaltungsentscheidung (Erlass des Widerrufsbescheides am 17.06.2010) noch nicht erfolgt waren, weil die zugrunde liegenden Haftanordnungen erst vom 26.07.2010 und vom 03.05.2010 datierten (vgl. Auszug aus dem Vollstreckungsregister des Amtsgerichts M. vom 24.11.2011, Sonderheft 1 zur Personalakte, Blatt 293).

Die Vermutung des Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO kann unter konsequenter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit nicht angenommen werden, weil Gründe für den Vermögensverfall grundsätzlich nicht nachgeschoben werden dürfen (BGH, Beschluss vom 18.10.2004, AnwZ (B) 10/04, AnwBl 2005, 217). Aus diesem Grunde darf der Vollstreckungstitel zugunsten der V. L. GmbH, der überhaupt erst am 15.11.2010, also nach Erlass der Widerrufsverfügung erwirkt wurde (Sonderheft 1 zur Personalakte, Blatt 233), hier überhaupt nicht, der Vollstreckungstitel zugunsten der P. S.zentrum O. GmbH & Co. KG (vgl. Nr. 6 der Widerrufsverfügung) nur als solcher berücksichtigt werden, nicht der darüber hinaus erfolgte Eintrag in das Schuldnerverzeichnis infolge der Haftanordnung vom 26.07.2010.

Unter diesen Umständen kann im Rahmen der hier zu treffenden Entscheidung Vermögensverfall zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zwar nicht (mehr) vermutet werden. Es bleibt jedoch nach wie vor Vermögensverfall positiv festzustellen. Der Forderung gemäß Nr. 6 der Widerrufsverfügung liegt ein rechtskräftiges Versäumnisurteil zugrunde. Die vom Kläger dazu mit nachgelassenem Schriftsatz vom 18.01.2012 vorgetragene und nachgewiesene Regelung mit der Gläubigerin, wonach die (erheblich höhere) Forderung mit einer Zahlung von rund 36.000,00 € bis zum 01.03.2013 vollständig erledigt (abgegolten) sein soll, lässt nach Überzeugung des Senats nicht die Erwartung zu, dass der Kläger diese Zahlung wird leisten können. Die vom Kläger nur zum Teil nachvollziehbar dargelegten Einkommens- und Vermögensverhältnisse erscheinen nicht ausreichend für eine solche Annahme.

Während des gerichtlichen Verfahrens sind immer wieder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger bekannt geworden. Diese erklären sich nicht aus bloßer Nachlässigkeit, sondern aus der - trotz der erzielten Einnahmeüberschüsse - angespannten finanziellen Lage des Klägers. Die erhebliche finanzielle Belastung ist nachvollziehbar geworden aus den in der mündlichen Verhandlung angeführten und später belegten Darlehensverpflichtungen des Klägers, die zu monatlichen Zahlungen von knapp 4.000,00 € führen, d.h. jährlich ca. 48.000,00 €. Hierfür wird ein großer Betrag des Überschusses benötigt. Hinzu kommen Unterhaltsbelastungen von gut 7.000,00 € jährlich, Steuern sowie Kranken- und Rentenversicherung. Per November 2010 bestand ein Beitragsrückstand von 8.000,00 € bei der Rechtsanwaltsversorgung, der ratenweise getilgt werden muss, weiter ist inzwischen eine Klage vom 07.07.2011 der D. Krankenversicherungsverein a.G. gegen den Kläger persönlich vor dem Landgericht O. zur Geschäftsnummer 9 O 1817/11 bekannt geworden, durch die Beitragsrückstände in der Krankenpflichtversicherung bis Oktober 2010 in Höhe von 7.890,13 € sowie weitere Beitragsrückstände für den Zeitraum November 2010 bis Juli 2011 in Höhe von 7.973,31 € nebst jeweils Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht werden (Sonderheft zur Personalakte, Blatt 274 ff.). Der Ausgang dieses Verfahrens ist nicht bekannt. Aus der Mitteilung wird allerdings deutlich, in welcher Höhe generell finanzielle Belastungen bestehen. Hinzu kommen schließlich allgemeine Lebenshaltungskosten, so dass im Ergebnis auch bei bescheidenster Lebensführung die aus der anwaltlichen Tätigkeit erzielten Überschüsse kaum ausreichen dürften, die laufenden Ausgaben zu decken. Abgesehen von den für die laufenden Verpflichtungen nicht ausreichenden Überschüssen hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass seinen Verbindlichkeiten ausreichende Aktiva gegenüber stehen. Die vielen Vollstreckungsmaßnahmen sprechen hier vielmehr dagegen. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Klägers. Dieser ist hinreichend oft aufgefordert worden, eine zusammenfassende Darstellung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben, auch im Hinblick auf vorhandenes Immobilienvermögen. Diese Auflagen hat der Kläger insgesamt nur teilweise erfüllt.

Wenn danach akut eine Zwangsvollstreckung der Fa. P. S.zentrum O. GmbH & Co. KG gegen den Kläger auch nicht zu erwarten ist, ist gleichwohl hiernach der Vermögensverfall nicht zweifelsfrei weggefallen. Obgleich die weitere Haftanordnung mit Eintrag in das Schuldnerverzeichnis wegen der vollstreckbaren Forderung der V.-L. GmbH, die erst nach der Widerrufsverfügung als solche feststand, als solche im Rahmen dieser Entscheidung außer Betracht bleibt, weil Gründe für den Vermögensverfall grundsätzlich nicht nachgeschoben werden dürfen, so ist doch festzustellen, dass die im Rahmen der Regelung dieser Forderung vereinbarte Ratenzahlung zusätzlich erhebliche Geldmittel des Klägers bindet. Insgesamt kann hiernach nicht von geordneten Vermögensverhältnissen die Rede sein.

Es lässt sich des Weiteren aber auch nach wie vor nicht feststellen, dass die Interessen Rechtsuchender hier nicht gefährdet sind.

Zu Gunsten des Klägers spricht in diesem Zusammenhang zunächst, dass eine Reihe von Vollstreckungsangelegenheiten von ihm geregelt und die zugrunde liegenden Forderungen ausgeglichen worden sind. Der Sozius und Vater des Klägers hat in der Vergangenheit bereits nicht unerhebliche Mittel eingesetzt, um gegen den Kläger bestehende Forderungen auszugleichen. Dies gilt aber nach eigener Erklärung für die Zukunft nicht unbeschränkt. Außerdem hat die finanzielle Unterstützung durch den Vater in der Vergangenheit Vollstreckungen nicht verhindern können. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt eine weitere Tätigkeit eines Anwalts, der sich in Vermögensverfall befindet, nur im Rahmen einer Mitarbeit in einer Sozietät mit zumindest zwei weiteren Partnern im Anstellungsverhältnis in Betracht (vgl. z.B. BGH vom 25.06.2011, BRAK-Mitteilungen 2011, 249). Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 29.08.2011 (BRAK-Mitteilung 2011, 287) es grundsätzlich auch für möglich gehalten, dass eine weitere Tätigkeit bei einem Einzelanwalt möglich sei, wobei allerdings auch berücksichtigt werden müsse, ob Fremdgeldverstöße vorlagen und ob mandantenbezogene Forderungen betroffen waren.

Eine solche Ausnahme, die im Einzelfall unter besonderen Umständen möglich sein könnte, ist vorliegend jedenfalls nicht gegeben. Hier ist zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass mehrere Fremdgeldverstöße vorgelegen haben, die sogar bis hin zu Strafverfahren geführt haben. Die in der mündlichen Verhandlung vom Kläger hierzu abgegebenen Erklärungen zum Umgang mit Fremdgeld sind mit den sich aus § 4 BORA geregelten Anforderungen nicht in Einklang zu bringen. Angebliche Vereinbarungen über längerfristige Verwahrung von größeren Fremdgeldbeträgen sind weder schriftlich noch in Textform getroffen worden. Das jeweilige Geld ist auch nicht auf Anderkonten verwahrt worden. 10.000 EUR aus einer Unfallsache aus dem Jahre 2002 stecken - so die Darstellung - „immer noch in der Praxis“. Dieser objektiv berufsrechtswidrige, leichtfertige Umgang mit Fremdgeld ist nicht nur dem Kläger, sondern auch seinem Sozius vorzuwerfen. Nach Bekanntwerden des maßgeblichen Sachverhalts vor nun schon geraumer Zeit hat auch der Sozius und Prozessbevollmächtigte des Klägers es nicht unternommen, entweder eine gerichtliche Hinterlegung des Fremdgeldes von 10.000 EUR gemäß §§ 372 Satz 2, 378 BGB zu Gunsten der möglicherweise nicht im Einzelnen bekannten Erben des früheren Mandanten zu veranlassen oder wenigstens das von ihm eingerichtete „Sicherheits“-Anderkonto mit einem das Fremdgeld übersteigenden Guthaben entsprechend als spezielles Fremdgeldkonto für diese Gläubiger umzuwidmen, um so die Sozietät vom Odium des Selbstverbrauches des Geldes zu befreien.

Hinzu kommt schließlich, dass es bis in die jüngste Vergangenheit zu Vollstreckungsmaßnahmen gekommen ist, obwohl der Vater und Sozius des Klägers kontrollierende Aufgaben wahrgenommen hat. Dass dies in der Vergangenheit nicht ausgereicht hat, mag damit zusammenhängen, dass der Vater des Klägers schon älter ist und dass das enge Vater-Sohn-Verhältnis sich unter Kontrollaspekten nicht nur positiv ausgewirkt haben dürfte. Schließlich war auch während des gerichtlichen Verfahrens wieder eine Pfändung von Geschäftskonten der Sozietät durch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 04.03.2011 (Amtsgericht M. 19 M 274/11 und 19 M 275/11, Sonderheft 1 zur Personalakte, Blatt 234-241) aufgrund von Forderungen der Fa. R. T.Verlag GmbH ausgebracht worden wegen Forderungen von 415,25 € bzw. 722,59 €, jeweils zuzüglich Zinsen und Kosten.

Der Widerruf der Zulassung kann nur dann unterbleiben, wenn mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Interessen Rechtsuchender nicht gefährdet sind. Einen derartigen Ausnahmefall vermag der Senat hier in der Gesamtschau auch für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht festzustellen.

Der anzulegende Maßstab ist ein anderer als im Eilverfahren. Der Senat hatte hier unter einer Reihe von Auflagen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage angeordnet (vergl. AGH 39/11). Im Eilverfahren ging es jedoch darum, dass dem Kläger bereits vor einer Entscheidung in der Hauptsache eine weitere Tätigkeit untersagt werden sollte. Der damit verbundene Eingriff in Artikel 12 des Grundgesetzes verschiebt bei Entscheidungen vor der Hauptsacheentscheidung den Maßstab zugunsten des Betroffenen. Hier ist unter Umständen ein „Restrisiko“ in Kauf zu nehmen. Dieser Maßstab ist im Hauptsacheverfahren nicht anzuwenden.

Die Widerrufsgründe des § 14 Abs. 2 Nr. 7.  BRAO liegen hier vor.

III.

Ein Anlass, die Berufung nach § 124 VwGO, §§ 112 Abs. 1, 112e BRAO, zuzulassen, besteht nicht. Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO). Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben.

Der Senat ist zwar in einzelnen Punkten von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen, die Entscheidung beruht aber nicht auf der Abweichung.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112 c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1 VwGO, § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert war gemäß § 194 Abs. 2 BRAO auf 50.000,00 € festzusetzen.