Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Urt. v. 19.11.2012, Az.: AGH 16/12 (I 6)
Bibliographie
- Gericht
- AGH Niedersachsen
- Datum
- 19.11.2012
- Aktenzeichen
- AGH 16/12 (I 6)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 44572
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Die Berufung des Rechtsanwalts gegen das Urteil des Anwaltsgerichts für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer O. vom 9.5.2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Geldbuße entfällt.
Die Kosten der Berufung trägt die Landeskasse.
Die dem Rechtsanwalt im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Rechtsanwaltskammer O.
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 116, 145 BRAO, 267 Abs. 4 StPO)
I.
Das Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer O. hat gegen den Rechtsanwalt mit Urteil vom 9.5.2012 wegen zweier Rechtsanwaltspflichtverletzungen einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 1.000 € verhängt.
Gegen dieses Urteil hat der Rechtsanwalt am 16.5.2012 form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese im Hauptverhandlungstermin mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wirksam zunächst auf den Rechtsfolgenausspruch und sodann weiter auf die Verhängung der Geldbuße beschränkt. Durch die Beschränkung ist das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Schuldspruchs mit den dazu gehörigen Feststellungen und der Verhängung des Verweises rechtskräftig.
Das mit dem Ziel eingelegte Rechtsmittel, die Geldbuße entfallen zu lassen, hat Erfolg.
II.
1. Zu den persönlichen Verhältnissen des Rechtsanwalts hat der Senat aufgrund seiner insoweit glaubhaften Angaben und durch Verlesen des Urteils vom 9.5.2012 die gleichen Feststellungen getroffen wie das Anwaltsgericht. Es wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (dort Ziffer I und II, Seite 2, 3 des Urteils, Bl. 99, 100 d. A.) Bezug genommen.
Ergänzend hat der Senat festgestellt, dass der Rechtsanwalt im Jahr 2010 einen Gewinn in Höhe von 15.037,06 € und im Jahr 2011 in Höhe von weniger als 9.616,84 € erzielt hat. Die Feststellungen beruhen auf den vorgelegten Einnahme-/Überschussrechnungen für 2010 und 2011 sowie der glaubhaften Einlassung des Rechtsanwalts. Er hat darüber hinaus für den Senat überzeugend erklärt, dass sein Gewinn im Jahr 2012 nur ein wenig besser ausfallen werde als 2011.
Der Rechtsanwalt bewohnt ein in seinem Eigentum stehendes Wohnungseigentum, in dem sich auch seine Kanzlei befindet und das von seiner Ehefrau betriebene Geschäft mit Toto-/Lottoannahmestelle. Von dem mit ihm gemeinsam in der Kanzlei arbeitenden Kollegen bezieht er keine Einnahmen. Vielmehr hat sich der Kollege verpflichtet, für die kostenlose Nutzung der Räumlichkeiten nachmittags anwesend zu sein, um insbesondere das Telefon zu bedienen oder Mandantengespräche zu führen. Der Rechtsanwalt ist häufig ortsabwesend, da er nach eigenen Angaben überwiegend Kraftfahrer bundesweit vertritt.
2. Da der Angeklagte die Berufung wirksam auf das Strafmaß beschränkt hat, sind die erstinstanzlichen Feststellungen zu den Verletzungshandlungen für den Senat bindend geworden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf das angefochtene Urteil (dort Ziffer III, IV sowie V Absatz 1 bis 5, Seite 3 bis 5, 2. Absatz, Bl. 100 bis 102, 2. Absatz d. A.) Bezug genommen.
III.
Infolge der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch hatte der Senat lediglich über das Strafmaß zu befinden, während er an den Schuldspruch im angefochtenen Urteil und die ihm zugrunde liegenden Feststellungen des Anwaltsgerichts gebunden war.
Bei der Strafzumessung hat der Senat berücksichtigt, dass neben dem vom Rechtsanwalt akzeptierten Verweis die Verhängung einer Geldbuße nach § 114 Abs. 2 BRAO als Maßnahme statthaft ist. Unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Rechtsanwalt sprechenden Umstände sieht der Senat aber von der Verhängung einer Geldbuße ab. Die festgestellten Pflichtverletzungen sind mit dem Verweis hinreichend geahndet.
Zu Lasten des Rechtsanwalts ist nicht, wie vom Anwaltsgericht angenommen, seine hartnäckige Untätigkeit zu berücksichtigen. Dieses Verhalten begründet die Pflichtverletzung. Der Rechtsanwalt hat seine Mandantin über ihren Vater stets nach § 11 BROA informiert, in dem er bei jedem Telefonat mitgeteilt hat, dass er nichts unternommen habe. Wenn sodann dennoch auf § 11 BROA die Untätigkeit als Pflichtverletzung gestützt wird, dann muss diese gerade von besonderer Dauer sein, weshalb dieser Aspekt bei einer nachteiligen Berücksichtigung bei der Auswahl und Gewichtung der anwaltsgerichtlichen Maßnahmen doppelt verwertet würde.
Zugunsten des Rechtsanwalts ist berücksichtigt worden, dass er die Pflichtverletzung frühzeitig und umfassend eingeräumt hat und er erstmals anwaltsgerichtlich in Erscheinung getreten ist. Darüber hinaus ist der durch die Pflichtverletzung zum Nachteil der Zeugin K. entstandene finanzielle Schaden mit 410,69 € relativ gering.
Darüber hinaus wird auch die Schadenswiedergutmachung entsprechend dem in §§ 46 Abs. 2, 46a Nr. 1 StGB enthaltenen Grundgedanken zugunsten des Rechtsanwalts berücksichtigt. Dass die Schadenswiedergutmachung erst nach dem 18.6.2012 erfolgt ist und damit nach der anwaltsgerichtlichen Entscheidung, kann dem Rechtsanwalt nicht zum Nachteil gereichen. Er hat sich insoweit glaubhaft dahingehend eingelassen, dass zuvor noch Fragen zur Schadenshöhe haben geklärt werden müssen, die sich insbesondere auf die Kosten der Bürgschaft bezogen haben. Auch ist der Senat aufgrund der Schilderungen des Rechtsanwalts davon überzeugt, dass die Schadenswidergutmachung von der Geschädigten in Höhe des gezahlten Betrages akzeptiert worden ist.
Nach alledem erschien zur Einwirkung auf den Rechtsanwalt die Verhängung des Verweises als ausreichend.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 195 BRAO i. V. m. 467 StPO entspr., 198 Abs. 1 BRAO. Das Rechtsmittel des Rechtsanwalts hat vollen Erfolg gehabt, weshalb er nicht mit den Verfahrenskosten zu belasten ist. Entstandene Auslagen sind danach der Rechtsanwaltskammer O. aufzuerlegen gewesen.