Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 03.06.2020, Az.: 1 B 59/20

Abschluss, berufsqualifizierend; Abschlussprüfung; Ausbildungsdauer; Elternzeit; Fehlzeiten; geringfügig; Mutterschutz; Vorwegnahme der Hauptsache; Zulassung zur Abschlussprüfung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
03.06.2020
Aktenzeichen
1 B 59/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71767
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • GewArch 2020, 456-459
  • SchuR 2023, 124

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. "Zurückgelegt" im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG ist die Ausbildungszeit nur dann, wenn der Auszubildende tatsächlich aktiv ausgebildet worden ist.

2. Längere Unterbrechungen der aktiven Ausbildung, z.B. infolge Mutterschutzes oder Elternzeit, können insoweit nicht unberücksichtigt bleiben.

3. Sofern Fehlzeiten als geringfügig zu bewerten sind, steht dies einem Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung nicht entgegen. Ob Fehlzeiten noch als geringfügig anzusehen sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles.

4. Ist die Ausbildungszeit bereits vor dem Prüfungstermin verstrichen, beurteilt sich der Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung ausschließlich anhand der 1. Variante von § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG; die 2. Variante von § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG ist in diesem Fall nicht anwendbar und wirkt sich nicht auf die Bestimmung der maßgeblichen Ausbildungsdauer aus.

5. Vorliegend: Einzelfall, in dem wegen erheblicher Fehlzeiten kein Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung bestanden hat.



Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, sie zur Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf “Fachpraktikerin im Verkauf“ zuzulassen.

Die Antragstellerin befindet sich seit dem 1. September 2017 in einer Ausbildung zur “Fachpraktikerin im Verkauf“ bei der Ausbildungswerkstatt A-Stadt e.V. Die Ausbildungszeit beträgt nach § 3 der von der Antragsgegnerin erlassenen Ausbildungsregelung über die Berufsausbildung zum Fachpraktiker im Verkauf / zur Fachpraktikerin im Verkauf (im Folgenden: Ausbildungsregelung) zwei Jahre. Im Herbst 2018 bestand die Klägerin die Zwischenprüfung mit 66 von 100 möglichen Punkten. Ab dem 25. Februar 2019 bis zum 5. Juni 2019 befand sich die Antragstellerin im Mutterschutz, anschließend bis zum 5. März 2020 in Elternzeit. Das Berufsausbildungsverhältnis war ursprünglich bis zum 31. August 2019 befristet und wurde bis zum 31. Mai 2020 verlängert. Ob dies im Wege einer Entscheidung der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz (im Folgenden: BBiG) – so die Antragsgegnerin – oder ohne deren Mitwirken im Hinblick auf die Elternzeit der Antragstellerin „automatisch“ (so die Antragstellerin) geschehen ist, ist zwischen den Beteiligten umstritten.

Mit Anmeldung vom 13. Januar 2020 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin, sie zur „Abschlussprüfung Sommer 2020“ zuzulassen. Der Ausbildungsbetrieb gab auf dem Anmeldeformular als Fehltage der Antragstellerin 50 an.

Am D.. Februar 2020 entschied der Prüfungsausschuss, die Antragstellerin nicht zur Abschlussprüfung zuzulassen. Ausweislich des Protokolls über die Beschlussfassung berücksichtigte er hierbei eine Stellungnahme des Ausbildungsbetriebs vom 17. Januar 2020. Hierin führte der Ausbildungsbetrieb aus, dass sich die Fehlzeiten der Antragstellerin mit insgesamt 50 Tagen sowohl auf die Berufsschule als auch Praxis- und Theorieeinheiten in der Ausbildungswerkstatt bezögen. Die verpassten theoretischen und praktischen Inhalte, so das Schreiben weiter, seien jeweils intensiv mithilfe der Lehrkräfte und des Ausbilders zeitnah zu den Schulungstagen nachgearbeitet worden. Diese seien mit den Ausbildungsinhalten der Fachpraktikerin im Verkauf vertraut und hätten daher die notwendigen Inhalte mit der Antragstellerin erarbeiten können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme (Bl. 14 der Gerichtsakte) verwiesen. Darüber hinaus berücksichtigte der Prüfungsausschuss das Zeugnis der Berufsschule für die Antragstellerin vom 24. Juni 2019, in dem unter anderem 32 Fehltage ausgewiesen werden und ausgeführt ist, dass die Leistungen der berufsbezogenen Lernbereiche „Geschäftsprozesse erfassen und kontrollieren“ sowie „Besondere Verkaufssituationen bewältigen“ nicht beurteilt werden konnten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Zeugnis (Bl. 56 der Gerichtsakte) verwiesen. Schließlich berücksichtigte der Prüfungsausschuss eine Stellungnahme des Ausbildungsbetriebs der Antragstellerin vom 11. Februar 2020, wonach eine Stellungnahme von dem Betrieb, in dem die Antragstellerin bis Ende des Jahres 2018 im Rahmen der Berufsausbildung ihre letzte Praktikumsphase absolviert hatte, nicht mehr eingeholt werden könne, weil diese Praktikumsphase länger als ein Jahr zurückliege. Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung verwies der Prüfungsausschuss darauf, dass die Antragstellerin die gesetzlich vorgeschriebene Ausbildungsdauer von 24 Monaten insgesamt nicht erreicht habe und sie zusätzlich bis zum heutigen Zeitpunkt vier Monate Fehlzeiten vorzuweisen habe.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13. Februar 2020 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin auf Zulassung zur „Abschlussprüfung Sommer 2020“ ab. Zur Begründung führte sie aus, die Antragstellerin erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung zur Abschlussprüfung. Die Ausbildungszeit müsse tatsächlich und nicht nur kalendarisch zurückgelegt werden. Durch die hohen Fehlzeiten der Antragstellerin von 15,58 Prozent hätten Ausbildungsinhalte im Betrieb und in der Berufsschule nicht ausreichend vermittelt werden können. Dem Antrag habe deswegen auch unter Berücksichtigung aller sonstigen vorliegenden Informationen nicht entsprochen werden können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid (Bl. 16 der Gerichtsakte) verwiesen.

Am 27. Februar 2020 hat die Antragstellerin Klage erhoben (gerichtliches Aktenzeichen: 1 A 58/20) und zugleich den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.

Die ursprünglich für den 29. April 2020 vorgesehene Abschlussprüfung für die Berufsausbildung der Antragstellerin wurde im Zusammenhang mit den Einschränkungen des öffentlichen Lebens wegen der Corona-Pandemie aufgehoben und auf den 18. und 19. Juni 2020 – schriftlicher Prüfungsteil – und nach Angaben der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29. Mai 2020 darüber hinaus auf den 8. Juni 2020 – mündlicher Prüfungsteil – verschoben.

Seit dem 6. März 2020 hat die Antragstellerin die Berufsausbildung wieder aufgenommen. In der Zeit vom 18. März 2020 bis zum 8. Mai 2020 war die Präsenzpflicht der Auszubildenden in ihrem Ausbildungsbetrieb im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie aufgehoben und durch Aufgaben im häuslichen Umfeld ersetzt, die ausweislich einer Stellungnahme ihres Ausbildungsbetriebs vom 25. Mai 2020 neben der Erstellung einer Hausarbeit mit prüfungsrelevanten Inhalten regelmäßige Arbeitspakete umfasste, die der Antragstellerin zugeschickt worden seien und die diese zur Kontrolle habe zurückreichen müssen. Darüber hinaus habe es mehrfach Videokonferenzen mit den Ausbildern und Dozenten gegeben, in denen die Arbeitspakete systematisch besprochen worden seien und besondere Fragestellungen erörtert worden seien. Die Antragstellerin habe die ihr zugewiesenen Aufgaben vollumfänglich bearbeitet und an allen Videokonferenzen teilgenommen. Seit dem 8. Mai 2020 finde wieder regelmäßig Präsenzausbildung statt, an der die Antragstellerin ohne Fehlzeiten teilnehme. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 25. Mai 2020 (Anlage K8) verwiesen. Die Antragstellerin wird, seitdem sie seit dem 6. März 2020 die Berufsausbildung wieder fortführt, auch von der Berufsschule beschult. Ausweislich einer durch die Klassenlehrerin der Antragstellerin erstellten Stellungnahme der Berufsschule vom 22. Mai 2020 besucht die Antragstellerin die Fachklasse E188 im Ausbildungsberuf „Fachpraktiker im Verkauf“. Wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie sei der Präsenzunterricht in den Zeiträumen vom 16. bis zum 28. März 2020 sowie vom 20. bis zum 25. April 2020 durch Lernen zu Hause ersetzt worden. Die Antragstellerin sei in diesen Zeiträumen von dem Klassenteam der Berufsschule über IServ mit weiterführenden Unterrichtsmaterialien bzw. mit Wiederholungsaufgaben zur Prüfungsvorbereitung versorgt worden, die sie habe bearbeiten und an die Schule zurückreichen müssen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 22. Mai 2020 (Anlage K9) verwiesen.

Die Antragstellerin begründet den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wie folgt: Die Antragsgegnerin habe ihrer Entscheidung zu Unrecht zugrunde gelegt, dass sie Fehlzeiten von 15,58 Prozent aufweise. Selbst wenn man insgesamt 50 Fehltage zugrunde lege, ergäben diese bei 220 Arbeitstagen pro Ausbildungsjahr nur Fehlzeiten in Höhe von 11,25 Prozent. Unabhängig hiervon habe sie seit dem 6. März 2020 ihre Berufsausbildung wieder aufgenommen. Bis zum Prüfungszeitpunkt gegen Mitte Juni 2020 habe sie somit mehr als drei weitere Monate der Ausbildung und so die volle Ausbildungsdauer absolviert. Auch wenn die Antragsgegnerin, wenn auch zu Unrecht, weiterhin Fehlzeiten zugrunde lege, berücksichtige sie in ihrer Entscheidung über die Nichtzulassung nicht hinreichend, dass ein Ausnahmefall gegeben und sie auch bei der Annahme von Fehlzeiten zur Abschlussprüfung zuzulassen sei. Die Fehlzeiten seien als geringfügig anzusehen. Sie resultierten teilweise aus ihrer Schwanger- bzw. Mutterschaft und hätten sich insoweit ausschließlich auf den zeitlich letzten Teil ihrer Ausbildung bezogen. Soweit sich vor dem Beginn des Mutterschutzes Fehlzeiten für sie ergeben hätten, habe ihre Ausbildungsstätte dargelegt, dass die ausbildungsrelevanten Inhalte nachgearbeitet worden seien. Sie habe das Ausbildungsziel erreicht und verfüge über ausreichend theoretische und praktische Kenntnisse, um sie auf ihren Antrag zur Abschlussprüfung zuzulassen. Die Antragsgegnerin lege nicht ansatzweise dar, weshalb dies nicht der Fall sein solle. Die Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung resultiere daraus, dass der nächste Prüfungstermin erst am 24./25. November 2020 stattfinde und ihr ein Zuwarten unzumutbar sei.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, sie zur Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf “Fachpraktikerin im Verkauf“ im Prüfungstermin Sommer 2020 zuzulassen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie erwidert im Wesentlichen wie folgt:

Klage und Eilantrag seien mangels hinreichenden Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin unzulässig. Der Antragstellerin habe es offen gestanden, sich direkt – ohne Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes – für die Prüfung im Juni 2020 anzumelden; dies habe sie aber nicht getan. Der Antrag sei zudem unbegründet. Die Antragstellerin könne die Zulassung zur Abschlussprüfung derzeit nicht beanspruchen. Sie habe die erforderliche Ausbildungsdauer nach § 43 Abs. 1 BBiG nicht zurückgelegt. Angesichts der hohen Fehlzeiten der Antragstellerin könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Ausbildungsziel gemäß § 1 Abs. 3 BBiG erreicht sei. Den Anteil an Fehlzeiten berechne sie wie folgt: Sie gehe zunächst von der Regelausbildungsdauer von 24 Monaten aus. Im Hinblick auf die Regelung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG, wonach die Prüfung zwei Monate vor Ablauf der Ausbildungszeit absolviert werden dürfe, sei Bezugspunkt ihrer Berechnung des Anteils an Fehlzeiten eine Ausbildungsdauer von 22 Monaten. Nach Absolvieren von 22 Monaten hätte die Antragstellerin eine Ausbildungszeit von 100 Prozent erreicht; eine nachträgliche Veränderung der Ausbildungszeit ändere hieran nichts. Hinsichtlich der Antragstellerin sei aber zu berücksichtigen, dass vor dem Mutterschutz 50 Fehltage, hiervon 32 Fehltage im Bereich der Berufsschule, angefallen seien. Hinzukämen die durch den Mutterschutz und die Elternzeit bedingten Fehlzeiten. So seien für die Antragstellerin vor dem Beginn des Mutterschutzes in circa 78 Wochen Ausbildungsdauer insgesamt circa zehn Wochen Fehlzeiten angefallen und weitere Fehlzeiten durch Mutterschutz und Elternzeit. Angesichts dessen könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Ausbildung der Antragstellerin seit Anfang März 2020 bis zum Prüfungstermin im Juni die Fehlzeiten insgesamt ausgleichen könne. Hierfür sei vielmehr eine zusätzliche Berufsausbildung über mehrere Monate erforderlich. Die Antragstellerin habe so trotz der seit dem März 2020 wieder aufgenommenen Berufsausbildung die hohen Fehlzeiten nicht kompensiert; dies sei ein schwerwiegendes Indiz dafür, dass sie die Ausbildungsinhalte nicht erreicht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beurteilt sich nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Hiernach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint. Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung ihre – vorläufige – Zulassung zur Abschlussprüfung ihrer Berufsausbildung als Fachpraktikerin im Verkauf. Weil sie hiermit eine Erweiterung ihres Rechtskreises anstrebt, ist die sogenannte Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO einschlägig. Aus dem gleichen Grund ist vorläufiger Rechtsschutz nicht nach § 80 oder § 80a VwGO möglich und die Statthaftigkeit der Regelungsanordnung nicht nach § 123 Abs. 5 VwGO ausgeschlossen.

Zu Unrecht wendet die Antragsgegnerin ein, der Eilantrag wie auch die Klage 1 A 58/20 seien mangels eines hinreichenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil die Antragstellerin vor der Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht zunächst – erfolglos – ihre Zulassung zur Abschlussprüfung im Juni 2020 beantragt habe. Die Antragstellerin hat nach ihrer – erfolgslosen – Anmeldung zur „Abschlussprüfung Sommer 2020“ vom 13. Januar 2020 nicht nochmals bei der Antragsgegnerin ihre Zulassung zur Abschlussprüfung beantragen müssen. Der Zulassungsantrag der Antragstellerin vom 13. Januar 2020 wie auch der ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2020 haben sich nicht auf eine Abschlussprüfung im April 2020, sondern auf die „Abschlussprüfung Sommer 2020“ bezogen. Diese Prüfung ist aber in den Juni 2020 verschoben worden.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist aber nicht begründet. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO setzt voraus, dass sowohl ein sogenannter Anordnungsanspruch und ein sogenannter Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind. Ein Antragsteller, der im Wege einer einstweiligen Anordnung zu einer Prüfung zugelassen werden möchte, muss demnach sowohl die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Eilentscheidung (Anordnungsgrund) als auch einen Anspruch auf Zulassung zu der Prüfung (Anordnungsanspruch) glaubhaft machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO).

Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend, kann das Gericht regelmäßig nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfange dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses sogenannte Verbot einer Vorwegnahme in der Hauptsache jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d. h. wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären. Dies kommt im Falle einer – wie vorliegend – erheblichen Grundrechtsbetroffenheit, wie sie in der Nichtzulassung zu einer berufseröffnenden Prüfung verbunden mit der einer erheblichen Verzögerung des Abschlusses der Ausbildung zu sehen ist, in Betracht. In diesem Fall erhält das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG eine besondere Bedeutung. Würde danach der Erlass einer Regelungsanordnung die Hauptsache vorwegnehmen, setzt der ausnahmsweise Erlass der einstweiligen Anordnung regelmäßig voraus, dass eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens in der Hauptsache besteht (vgl. VG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 17.5.2018 – 7 B 68/18 –, juris Rn. 19 m.w.N.). Zur Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache ist hierbei eine möglichst eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage geboten. Nur soweit dies im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht möglich ist, kommt unter bestimmten Voraussetzungen eine Entscheidung anhand einer reinen Folgenabwägung in Betracht (vgl. VG Osnabrück, Beschl. v. 16.4.2018 – 1 B 17/18 –, n.v.; VG Würzburg, Beschl. v. 6.5.2013 – W 6 E 13.379 –, juris Rn. 19). Hinsichtlich der mit einer einstweiligen Anordnung angestrebten Zulassung zu der Abschlussprüfung einer Berufsausbildung kommt hiernach regelmäßig allenfalls eine vorläufige Zulassung in Betracht: Stellt sich nach absolvierter und gegebenenfalls als bestanden gewerteter Prüfung in einem verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren heraus, dass dem Antragsteller die Teilnahme an der Abschlussprüfung ursprünglich zu Recht versagt worden war, gilt die Prüfung als nicht abgelegt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.11.2017 - 14 B 1341/17 -, juris Rn. 12; Leinemann/Taubert, BBiG, 2. Aufl. 2008, § 46 Rn. 19 m.w.N.). Ob mit einer solchen vorläufigen Zulassung zu einer Abschlussprüfung eine Vorwegnahme der Hauptsache einhergeht, ist umstritten (vgl. dies verneinend bspw. OVG Nordrhein-Westfalen, Besch. v. 16.11.2017 - 14 B 1341/17 -, juris Rn. 12; Jeremias, in: Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 909; dies bejahend: VG Dresden, Beschl. v. 17.11.2005 - 5 K 2002/05 -, juris Rn. 4; VG Osnabrück, Beschl. v. 16.4.2018 – 1 B 17/18 –, n.v.), muss vorliegend aber nicht entschieden werden, weil die Bedingungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung schon ohne die bei Annahme einer Vorwegnahme der Hauptsache erschwerenden Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes im Hinblick auf die Betroffenheit der Antragstellerin insbesondere in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG gebotenen intensiven summarischen Prüfung hat die Antragstellerin aller Voraussicht nach keinen Anspruch darauf, zur „Abschlussprüfung Sommer 2020“ ihrer Berufsausbildung zugelassen zu werden. Dass die Antragsgegnerin den Zulassungsantrag der Antragstellerin vom 13. Januar 2020 abgelehnt hat, ist vielmehr aller Voraussicht nach rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG sowie § 8 Abs. 1 Nr. 1 der Prüfungsordnung ist zur Abschlussprüfung zuzulassen, wer die Ausbildungsdauer zurückgelegt hat (1. Var.) oder wessen Ausbildungsdauer nicht später als zwei Monate nach dem Prüfungstermin endet (2. Var.). Diese Anforderung gilt auch in Bezug auf die Antragstellerin, unabhängig davon, ob sie (vgl. § 2 der Ausbildungsordnung) zum Personenkreis gemäß § 2 SGB IX zählt, denn § 65 Abs. 2 Satz 2 BBiG bzw. § 8 Abs. 2 der Prüfungsordnung suspendieren insoweit nur von den weiteren Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 1 BBiG bzw. § 8 Abs. 1 der Prüfungsordnung (vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.12.2007 – 19 B 1523/07 –, juris Rn. 4). Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie diese Anforderung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG erfüllt. Aller Voraussicht nach ist die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin die Ausbildungsdauer nicht im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 1 der Prüfungsordnung zurückgelegt hat.

Zurückgelegt im Sinne der Regelung ist die Ausbildungszeit nur dann, wenn der Auszubildende tatsächlich aktiv ausgebildet worden ist. Der bloße kalendarische Ablauf der Ausbildungszeit rechtfertigt die Zulassung zur Abschlussprüfung nicht. Denn das Ziel der Berufsausbildung, die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit, § 1 Abs. 3 Satz 1 BBiG) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrung zu ermöglichen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BBiG), wird regelmäßig nur erreicht, wenn eine tatsächlich aktive Ausbildung erfolgt ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.12.2007 – 19 B 1523/07 –, juris Rn. 5; VG Osnabrück, Beschl. v. 16.4.2018 – 1 B 17/18 –, n.v.; Leinemann/Taubert, in: BBiG, 2 Aufl. 2008, § 43 Rn. 10). Die Anforderung soll zugleich sicherstellen, dass der Prüfling die Grundvoraussetzungen erfüllt, die einerseits einen Erfolg in der Prüfung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwarten lassen und zugleich eine genauere Leistungskontrolle in der Prüfung erst sinnvoll machen. Fachspezifische Zulassungsvoraussetzungen sind vielfach vorgeschrieben und dienen dem Zweck, die Aussagekraft von Prüfungen, die letztlich immer nur punktuelle Leistungsmessungen sein können, mittels Anforderungen an die Vorbildung und eine vorangegangene Ausbildung zu stärken (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 6.5.2013 – W 6 E 13.379 –, juris Rn. 19; Maring, in: Wohlgemuth/Pepping, BBiG, 2. Aufl. 2020, § 43 Rn. 5).

Längere Unterbrechungen der aktiven Ausbildung, z.B. infolge Mutterschutzes oder Elternzeit, können insofern nicht unberücksichtigt bleiben. Letzterem steht nicht entgegen, dass nach § 46 Abs. 2 Satz 3 BBiG Auszubildenden kein Nachteil daraus erwachsen darf, dass sie Elternzeit genommen haben. Hinsichtlich der Zulassung zur Abschlussprüfung befreit sie dies nämlich nicht von der Voraussetzung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG (vgl. Leinemann/Taubert, BBiG, 2. Aufl. 2008, § 43 Rn. 11; Maring, in: Wohlgemuth/Pepping, BBiG, 2. Aufl. 2020, § 46 Rn. 15).

Geringfügige Fehlzeiten hingegen stehen einer Zulassung zur Abschlussprüfung nicht entgegen. Die Versagung der Zulassung zur Abschlussprüfung verstieße bei Geringfügigkeit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Fehlzeiten den Ausbildungserfolg nicht gefährden. Unter welchen Voraussetzungen Fehlzeiten als geringfügig anzusehen sind, ist normativ nicht geregelt. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles. Zahlenmäßig geringe oder hohe Fehlzeiten sind ein Indiz für geringfügige oder erhebliche Fehlzeiten, wenngleich es eine starre zeitliche Grenze etwa dergestalt, dass bei Fehlzeiten von 10 % der Ausbildungszeit stets mehr als nur geringfügige Fehlzeiten vorliegen, von Gesetzes wegen nicht gibt. Bei der Beurteilung der Fehlzeiten kommt es vielmehr darauf an, ob die Fehlzeiten im konkreten Einzelfall das Erreichen des Ausbildungsziels gefährden. Zahlenmäßig geringe Fehlzeiten können den Ausbildungserfolg gefährden, wenn sie wesentliche Ausbildungsabschnitte betreffen. Zahlenmäßige hohe Fehlzeiten können als noch geringfügig angesehen werden, wenn sie etwa auf den letzten Ausbildungsabschnitt entfallen und die für den Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit und die erforderliche Berufserfahrung wesentliche Ausbildung bereits in den vorhergehenden Ausbildungsabschnitten erfolgt ist. Diese nicht nur auf die der Zahl der Fehlstunden abstellende Wertung im Einzelfall entspricht den in § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 BBiG enthaltenen Rechtsgedanken. Danach kann vom Nachweis gewisser Mindestzeiten abgesehen werden, wenn durch die Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft gemacht ist, dass der Bewerber die berufliche Handlungsfähigkeit erworben hat, die die Zulassung zur Prüfung rechtfertigt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.12.2007 - 19 B 1523/07 -, juris Rn.7 ff.; VG Würzburg, Beschl. v. 6.5.2013 – W 6 E 13.379 –, juris Rn. 25; VG Oldenburg, Beschl. v. 17.11.2015 – 12 B 406/15 –, n.v.; Hagen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, Stand: 1.3.2020, § 43 BBiG Rn. 2; Maring, in: Wohlgemuth/Pepping, BBiG, 2. Aufl. 2020, § 43 Rn. 5).

Nach diesem Maßstab hat die Antragstellerin das Vorliegen der Voraussetzungen von § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG nicht glaubhaft gemacht. Ihre Fehlzeiten in der Ausbildung sind mehr als geringfügig. Sie sind zahlenmäßig hoch, und es ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin trotz der zahlenmäßig hohen Fehlzeiten das Ausbildungsziel gemäß § 1 Abs. 3 BBiG erreicht hat. Abzustellen ist insoweit, weil es sich nach dem Rechtsschutzziel in der Hauptsache um eine Verpflichtungsklage handelt, auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. VG Osnabrück, Beschl. v. 16.4.2018 – 1 B 17/18 –, n.v.).

Die Fehlzeiten der Antragstellerin belaufen sich insgesamt auf mehr als 24 Prozent. Allein im Hinblick auf die Zeit, in der wegen des Mutterschutzes der Antragstellerin deren praktische Ausbildung vom 25. Februar 2019 bis zum 5. Juni 2019 suspendiert war, ergeben sich trotz einer Berücksichtigung ihrer seit dem 6. März 2020 bis zum 31. Mai 2020 fortgeführten Berufsausbildung, Fehlzeiten von mehr als 14 Prozent. Die vor Beginn des Mutterschutzes angefallenen Fehlzeiten der Antragstellerin von weiteren 50 Tagen betragen zusätzlich mehr als zehn Prozent.

Als Ausbildungsdauer sind hinsichtlich der Antragstellerin 24 Monate in Ansatz zu bringen und nicht 22 Monate, wie die Antragsgegnerin dies zugunsten der Antragstellerin zugrunde legt. Als Ausbildungsdauer ist von der in den Ausbildungsordnungen vorgesehene (Regel-) Ausbildungsdauer auszugehen. Soweit die Ausbildungszeit jedoch abgekürzt (§ 8 Abs. 1 BBiG) oder verlängert (§§ 8 Abs. 2, 21 Abs. 3 BBiG) wurde, ist dies zu berücksichtigen, sodass im Ergebnis die konkret für den jeweiligen Auszubildenden geltende Ausbildungszeit maßgeblich ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.12.2007 - 19 B 1523/07 -, juris Rn. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.6.2010 – OVG 10 S 24.10 –, juris Rn. 6; Hagen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, Stand: 1.3.2020, § 43 BBiG Rn. 2; Leinemann/Taubert, BBiG, 2. Aufl. 2008, § 43 Rn. 9; Maring, in: Wohlgemuth/Pepping, BBiG, 2. Aufl. 2020, § 43 Rn. 4).

Nach diesem Maßstab ergibt sich für die Antragstellerin eine maßgebliche Ausbildungsdauer von 24 Monaten: Diese in der Ausbildungsordnung vorgesehene Regelausbildungsdauer war mit dem Zeitraum vom 1. September 2017 bis zum 31. August 2019 in ihrem Berufsausbildungsvertrag geregelt. Das Berufsausbildungsverhältnis der Antragstellerin hat sich – dies ist im Ergebnis zwischen den Beteiligten nicht umstritten – um neun Monate bis zum 31. Mai 2020 verlängert. Die für die Bewertung des Anteils an Fehlzeiten maßgebliche Ausbildungsdauer hat sich hierdurch jedoch nicht über 24 Monate hinaus verlängert, weil die ebenfalls neun Monate lange Elternzeit der Antragstellerin vom 5. Juni 2019 bis zum 5. März 2020 – anders als die Zeit des Mutterschutzes – kraft gesetzlicher Anordnung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 BEEG nicht auf die Berufsausbildungszeit angerechnet wird.

Es ist hingegen nicht – wie von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 29. Mai 2020 ausgeführt – zugunsten der Antragstellerin eine Ausbildungsdauer von nur 22 Monaten zugrunde zu legen. Dies ergibt sich zunächst nicht aus einer unmittelbaren Anwendung von § 43 Abs. 1 Nr. 1 2. Var BBiG. Diese Regelung ist hinsichtlich der Antragstellerin nicht einschlägig. Denn ihre Ausbildungsdauer endet nicht – weniger als zwei Monate – nach dem Prüfungstermin. Vielmehr hat die Berufsausbildung der Antragstellerin - nach dem derzeitigem Sachstand - zum 31. Mai 2020 und somit vor dem Prüfungstermin geendet. Ist die Ausbildungszeit aber bereits vor dem Prüfungstermin verstrichen, beurteilt sich der Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung ausschließlich anhand der 1. Variante von § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der insoweit von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2007 (- 19 B 1523/07 -, juris Rn. 11). Vielmehr war in dem vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschiedenen Einzelfall die 2. Variante von § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG anwendbar, weil sich das dortige Berufsausbildungsverhältnis im Sinne dieser Regelung über den - für Ende Juli (2005) vorgesehenen - Prüfungstermin erstreckt hätte. Weder der Regelung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 2. Var. BBiG noch der genannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Dezember 2007 lässt sich – wie von der Antragsgegnerin zu Grunde gelegt – der Rechtsgedanke entnehmen, dass die volle Ausbildungsdauer im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG stets – unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der 2. Variante der Vorschrift – zwei Monate geringer zu bemessen sei als die für den jeweiligen Auszubildenden individuell geltende Ausbildungszeit. Dieses Verständnis stünde im Widerspruch zum Zweck von § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG sowie den eingangs dargelegten Zwecken der Berufsausbildung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BBiG, weil so trotz Fehlzeiten im Umfang von zwei ganzen Monaten stets ein von den Umständen des Einzelfalls unabhängiger gebundener Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung begründet wäre. Mit der hier zugrunde gelegten Ansicht geht keine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung Auszubildender, deren Berufsausbildung zeitlich vor der Abschlussprüfung endet, einher. Zwar kommt in Betracht, dass Auszubildende mit der gleichen Berufsausbildungsrichtung wie die Antragstellerin bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 43 Abs. 1 Nr. 1 2. Var. BBiG bereits nach – absolut – 22 Monaten ihrer Berufsausbildung an der Abschlussprüfung teilnehmen können. Dies setzt allerdings voraus, dass sie während dieses Zeitraums eine kontinuierliche Berufsausbildung mit anteilig allenfalls geringfügigen Fehlzeiten absolviert haben.

Die Antragstellerin hat von den 24 Monaten ihrer Ausbildungsdauer allein im Hinblick auf die Zeit ihres Mutterschutzes weniger als 21 - circa 20,6 - Monate tatsächlich absolviert. Dies ergibt sich wie folgt: Im Zeitraum vom 1. September 2017 bis zum 25. Februar 2019 hat sie an insgesamt etwas weniger als 18 Monaten die Ausbildung tatsächlich absolviert (18 Monate abzüglich vier Arbeitstage) und im Zeitraum vom 6. März 2020 bis zum 31. Mai 2020 zusätzlich an etwas weniger als drei Monaten (drei Monate abzüglich einer Woche). Setzt man die sich so ergebende Zeit von 20,6 Monaten praktischer Ausbildung ins Verhältnis zur Ausbildungsdauer von 24 Monaten ergibt sich ein Wert von 85,8 Prozent und im Umkehrschluss ein Anteil von Fehlzeiten in Höhe von mehr als 14 Prozent.

Hinzu kommen ausweislich ihrer Anmeldung zur Abschlussprüfung vom 13. Januar 2020 – dies ist zwischen den Beteiligten nicht länger umstritten – weitere 50 Fehltage (hiervon 32 im Bereich der Berufsschule), die vor der Zeit des Mutterschutzes angefallen waren. Dies entspricht einem Anteil von zusätzlich mehr als zehn Prozent an der Gesamtausbildungsdauer.

Diese zahlenmäßig sehr große Höhe indiziert die Erheblichkeit der Fehlzeiten der Antragstellerin (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.12.2007 – 19 B 1523/07 –, juris Rn. 5; VG Osnabrück, Beschl. v. 16.4.2018 – 1 B 17/18 –, n.v.; VG Oldenburg, Beschl. v. 17.11.2015 – 12 B 4067/15 -, n.v.).

Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie trotz der zahlenmäßig sehr hohen Fehlzeiten das Ausbildungsziel erreicht hätte und die Fehlzeiten deswegen – ausnahmsweise – als geringfügig zu bewerten wären. Soweit sie darauf verweist, dass ausweislich der Stellungnahme ihres Ausbildungsbetriebs die während der Fehlzeiten verpassten Inhalte nachgearbeitet worden seien, bezieht sich dies – dies ist mit der Stellungnahme der Antragstellerin vom 2. Juni 2020 zwischen den Beteiligten nicht länger umstritten – nur auf die Fehlzeiten vor Beginn ihres Mutterschutzes. Schon, weil die durch die Zeit des Mutterschutzes entstandenen sehr hohen Fehlzeiten von mehr als 14 Prozent für sich genommen nicht als geringfügig betrachtet werden können, ist nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin die Voraussetzung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG erfüllt.

Unabhängig hiervon hat die Antragstellerin auch in Bezug auf die vor Beginn des Mutterschutzes angefallenen Fehlzeiten nicht hinreichend substanziiert dargelegt, dass sie insoweit die Ausbildungsreife erlangt hätte. Die Stellungnahmen ihres Ausbildungsbetriebs vom 17. Januar 2020 und vom 25. Mai 2020 wie auch der Berufsschule vom 22. Mai 2020 belegen zwar, dass die Antragstellerin ausgebildet und beschult wurde, nicht aber, welche verpassten Inhalte nachgearbeitet und inwiefern die Antragsteller belegt habe, hierdurch das Ausbildungsziel erlangt zu haben. Hiergegen spricht vielmehr, dass im Zeugnis der Berufsschule vom 24. Juni 2019 von fünf berufsbezogenen Lernbereichen zwei nicht bewertet werden konnten.

Ein Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung ergibt sich für die Antragstellerin auch nicht aus anderen Vorschriften, insbesondere nicht aus § 45 Abs. 1 BBiG bzw. § 11 Abs. 1 der Prüfungsordnung. Die Antragstellerin hat die dort geregelte vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung bereits nicht bei der Antragsgegnerin beantragt. Insbesondere ergibt sich aber aus den zuvor genannten Gründen nicht, dass sie durch gute bzw. überdurchschnittliche Leistungen belegt habe, das Ausbildungsziel vorzeitig erreicht zu haben (vgl. zu diesem Erfordernis VG Würzburg, Beschl. v. 6.5.2013 – W 6 E 13.379 –, juris Rn. 29 f.; Wohlgemuth/Pepping, BBiG, 2. Aufl. 2020, § 43 Rn. 45). Das Berufsschulzeugnis vom 24. Juni 2019 und die Zwischenprüfung vom Herbst 2018 sind vielmehr allenfalls mit befriedigendem bis ausreichendem Ergebnis ausgefallen.

Weil die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen. Auch bei einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der mit einer Nichtzulassung zur Berufsabschlussprüfung einhergehenden erheblichen Grundrechtsbetroffenheit ist es nicht geboten, der Antragstellerin die vorläufige Teilnahme an der Abschlussprüfung Sommer 2020 zu ermöglichen. Ihre Rechtsverfolgung ist nach derzeitigem Sachstand in der Hauptsache nicht Erfolg versprechend. Wie bereits dargelegt, kann eine ungerechtfertigte Zulassung zur Prüfung den wohlverstandenen Interessen der Antragstellerin auch zuwiderlaufen. Nähme die Antragstellerin vorläufig an der Abschlussprüfung teil und würde diese als bestanden gewertet, würde die Prüfung dennoch als nicht abgelegt gelten, wenn die Zulassung der Antragstellerin zur Abschlussprüfung im Hauptsacheverfahren – wovon nach derzeitigem Sachstand mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen ist – als unrichtig erkannt bzw. die Nichtzulassung durch die Antragsgegnerin bestätigt würde. Dem wohlverstandenen Interesse der Antragstellerin entspricht vielmehr, im Hinblick auf die während ihrer Ausbildung angefallenen Fehlzeiten auf eine Verlängerung ihrer Berufsausbildung gemäß § 8 Abs. 2 BBiG hinzuwirken, und diese Zeit zu nutzen, um die notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten und die erforderlichen Berufserfahrungen, die sie während ihrer Fehlzeiten versäumt hat, geordnet nachzuarbeiten, um das Ausbildungsziel zu erreichen und gegebenenfalls an der Abschlussprüfung im November 2020 teilnehmen zu können. Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 29. Mai 2020 mitgeteilt, dass sie eine Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses bei durch Mutterschutz bedingten Fehlzeiten grundsätzlich nicht versage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Das beschließende Gericht hat in Anlehnung an die Empfehlung zu Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ 2013, Beilage Heft 2, 57 ff.) für das Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes den Streitwert des Klageverfahrens (vgl. insoweit Nr. 36.3 des Streitwertkatalogs) um die Hälfte reduziert.