Landgericht Hannover
Urt. v. 11.08.2016, Az.: 25 O 8/16

Unterlassung von Werbeaussagen betreffend ein Nahrungsergänzungsmittel

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
11.08.2016
Aktenzeichen
25 O 8/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43613
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2016:0811.25O8.16.00

In dem Rechtsstreit
...
Kläger
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen: UWG
hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 21.07.2016 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
den Handelsrichter ... und
die Handelsrichterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt "... Zellschutz Kautabletten" wie folgt zu werben:

  1. 1.

    "Wir haben Nachweise...in vitro, also im Labor, dass wir die Zellschutzmechanismen mit den Inhaltsstoffen tatsächlich aktivieren können...Wir haben bei mehreren...Krebszell-Linien, die uns freundlicherweise die Universität F... zur Verfügung gestellt hat, Darmkrebs...Prostatakrebs, Brustkrebs, Hautkrebszellen einen signifikanten Stopp...der Tumoraktivität in der Zelle gesehen...",

  2. 2.

    "Wenn Sie sich nur schützen wollen, Ihre Anti, wirklicher Nachweis von antioxidativer Fähigkeit...Wir haben's bewiesen. Dann brauchen Sie nur eine Kautablette am Tag",

  3. 3.

    "...wenn Sie tatsächlich schon böse Zellen im Körper haben, sollten Sie zwei Kautabletten nehmen, weil in den Studien rausgekommen ist, dass man dann 5 Gramm...von Zellschutz am Tag braucht",

jeweils wenn dies geschieht wie in Anlage K1 wiedergegeben.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, angedroht.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, im Übrigen hinsichtlich der Unterlassungsansprüche gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € für jede der Werbeaussagen.

Der Streitwert wird auf bis zu 20.000 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein .... Zu seinen Mitgliedern gehören u.a. der ... Apothekerverein e.V., die Apothekerkammer ..., mehrere Apotheken, die Ärztekammer in H... und Sch..., Ärzte, Kliniken sowie Hersteller und Großhändler von Arzneimitteln.

Die Beklagte betreibt einen Teleshopping-Sender und vertreibt Konsumgüter aller Art, darunter auch Nahrungsergänzungsmittel.

Die Beklagte bewarb in einer am 16.01.2016 ausgestrahlten Dauerwerbesendung namens "... - Mein P...", die in der Zeit von 09.00 Uhr bis 10.00 Uhr ausgestrahlt wurde, das Produkt "... Zellschutz Kautabletten" im Rahmen eines Gesprächs zwischen der Moderatorin, Frau ... (A) und dem Produktpromotor ... (B). Bezogen auf das o.g. Produkt kam es im Rahmen der Sendung zu nachstehendem Gesprächsverlauf zwischen der Moderatorin und dem Produktpromotor:

"(B) Da sage ich zwei oder drei Sätze

(A) Gerne.

(B) sogar dazu. Erstens weil's mein Baby ist. Da hab ich 2 Jahre dran gearbeitet, liebe Damen und Herren, um Ihnen ... Zellschutz vorstellen zu dürfen. Wir haben Nachweise im, ähm, im, in vitro, also im Labor, dass wir die Zellschutzmechanismen mit den Inhaltsstoffen tatsächlich aktivieren können, Punkt Nummer 1. Und Punkt Nummer 2, wir haben bei 5 verschiedenen Krebs-Linien, weil wir haben einmal das Ergebnis an der gesunden Zelle gesehen und wurden neugierig und haben gesagt, "Sieht man denn auch Effekte an der kranken Zelle?" Und nur mit einem Satz. Wir haben bei mehreren, ähm, Krebszell-Linien, die uns freundlicherweise die Universität F... zur Verfügung gestellt hat, Darmkrebs, ähm, Prostatakrebs, Brustkrebs, Hautkrebszellen einen signifikanten Stopp, des der, der, der Tumoraktivität in der Zelle gesehen. Das ist ´ne absolute

(A) Wahnsinn!

(B) Sensation. Wir werden diesen ... Zellschutz in Kürze auch noch mal wieder ´ne, ähm, in ´ner entsprechend größeren Sendung, ähm, den Boden bieten.

(A) So´n Rahmen, ni, dass man;

(B) Ähm, nur der Zinweis auch das ist bei uns rausgekommen. Deswegen steht da 1 bis 2 Monatsvorrat. Wenn Sie sich nur schützen wollen, Ihre Anti, wirklicher Nachweis von antioxidativer Fähigkeit. Es wird so viel darüber gesprochen. Wir haben's bewiesen. Dann brauchen Sie nur eine Kautablette am Tag. Ähm, wenn Sie tatsächlich schon böse Zellen im Körper haben, sollten Sie zwei Kautabletten nehmen, weil in den Studien rausgekommen ist, dass man dann 5 Gramm, äh, von Zellschutz am Tag braucht. Ich kann´s Ihnen nur ans Herz legen. Das wird den Rest meiner medizinischen Laufbahn, ähm, wird das weiter verfolgen. Da werde ich nicht locker lassen, um immer mehr Forschungsergebnisse zu bekommen."

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Unterlassung der im Tenor aufgeführten, in den vorstehenden Text eingebetteten Werbeaussagen. Er ist der Auffassung, es handele sich um unzulässige gesundheitsbezogene Angaben, für die keine Zulassung nach der Lebensmittelgesundheitsangaben-VO (LGVO) vorliege und für die ein anerkannter wissenschaftlicher Nachweis der beworbenen Wirkung fehle (wegen der weiteren Einzelheiten vgl. Seite 7 - 10 der Klagschrift). Der Kläger verlangt die Unterlassung der o.g. Aussagen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Kosten für eine fruchtlose Abmahnung und beantragt,

die Beklagte wie erkannt zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie rügt, dass die in den Anträgen aufgeführten Werbeaussagen aus dem Zusammenhang der Werbesendung herausgerissen seien. Im Übrigen beschreibe keine der beanstandeten Aussagen dem Produkt die Eigenschaft zu, Krankheit vorzubeugen, behandeln oder heilen zu können (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten die Klagerwiderung, Blatt 25 - 27). Im Übrigen wäre die mit dem Antrag zu Ziffer 2 (Ziffer 2 des Tenors) von dem Healthclaim "Ribovlavin trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen" gedeckt, da das Produkt diesen Wirkstoff enthalte (vgl. Bl. 28 d.A.). Auch die anderen Werbeaussagen seien im Grunde Abwandlungen dieser Aussage und daher zulässig.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der Kläger kann gem. § 8 Abs.1 Satz 1, Abs.3 Nr. 2, 3 Abs.1, 3 a UWG in der Fassung vom 02.12.2015 i.V.m. Artikel 2 Abs.2 Nr.5, Artikel 10 Abs.1 und Artikel 3 - 10 LGVO die Unterlassung der im Tenor aufgeführten Werbeaussagen verlangen.

1.

Der Kläger ist nach § 8 Abs.3 Nr.2 UWG als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen klagebefugt. Die geltend gemachte Zuwiderhandlung berührt die Interessen der in im Tatbestand aufgeführten Mitglieder des Klägers.

2.

Bei sämtlichen angegriffenen Werbeaussagen handelt es sich um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Artikels 2 Nr. 5 LGVO. Nach dieser Regelung sind alle Angaben gesundheitsbezogen, in denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen eine Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Die dem Produkt zugeschriebenen Nachweise, es sei möglich, damit "Zellschutzmechanismen mit den Inhaltsstoffen tatsächlich zu aktivieren" und man habe bei "mehreren Krebszell-Linien, die uns freundlicherweise die Universitätsklinik F... zur Verfügung gestellt hat, Darmkrebs, ..., Prostatakrebs, Brustkrebs, Hautkrebszellen einen signifikanten Stopp ... der Tumoraktivität in der Zelle gesehen" enthält explizit auf die Behandlung von Krebs bezogene Aussagen. Die Aussage hat auch mit dem o.g. Healthclaim von Riboflavin (Schutz von Zellen vor oxidativem Stress) nichts zu tun, sondern suggeriert weit darüber hinausgehend die Möglichkeit von Krebsbehandlungen durch "einen signivikanten Stopp der Tumoraktivität".

Der Klagantrag ist auch nicht etwa unzulässig, weil konkret die gesundheitsbezogenen Aussagen aus dem übrigen längeren Text herausgelöst angegriffen werden. Es liegt auf der Hand, dass der Beklagten nicht die übrigen Gesprächsfloskeln untersagt werden können und müssen, in den die hier beanstandeten Werbeaussagen eingebettet worden sind. Maßgeblich ist, dass diese die Aussagen nicht einschränken oder in frage stellen.

Die weitere Werbeaussage, in der ein "wirklicher Nachweis von antioxidativer Fähigkeit" enthalten ist, geht ebenfalls über den o.g. Claim hinaus. Diese steht im Zusammenhang mit der ersten Werbeaussage und suggeriert, die antioxidative Fähigkeit sei die Fähigkeit, die Tumoraktivität zu bekämpfen.

Dies unterstreicht auch die dritte Werbeaussage, die sich gerade an bereits an Krebs erkrankte Personen wendet ("Wenn Sie schon böse Zellen im Körper haben"), denen die Einnahme von 2 Kautabletten empfohlen wird, "weil in den Studien rausgekommen ist, dass man dann 5 Gramm ... von Zellschutz am Tag braucht". Gerade bei an Krebs erkrankten Zuschauern, die mit Rücksicht auf die nur sehr schwer bekämpfbare Erkrankung erfahrungsgemäß nach jedem Strohhalm greifen, , wird massiv und unmissverständlich zur Behandlung der Erwerb der ... Zellschutz Kautabletten empfohlen. Dies verstößt bezüglich sämtlicher Aussagen gegen Artikel 10 Abs.1 LGVO, da auf die Krebsbehandlung bezogene Werbeaussagen Produkt bzw. seine Bestandteile nicht gem. Artikel 13 LGVO zugelassen sind.

Die Beklagte hat im Übrigen auch in keiner Weise dargetan, dass das Produkt nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet ist, die behaupteten Wirkungen zu erzielen. Insofern liegt hier auch ein Verstoß gegen Artikel 5 Abs. 1 a LGVO vor. Die von der Beklagten vorgelegten "Abstracts" (Anlage B1), die im Übrigen nur in englischer Sprache vorliegen, beschreiben keine konkreten, wissenschaftlichen Standards standhaltende Doppelblindstudien. Aus ihnen geht nicht hervor, welche Patientengruppen mit welchen Vorerkrankungen in welcher Form behandelt worden sind und welche Ergebnisse dabei konkret bezogen auf bestimmte Patientengruppen erzielt worden sind. Außerdem ergibt sich aus allen vorgelegten Abstracts, dass die Gabe der darin beschriebenen Wirkstoffe nur die sonstige Therapie begleiten, nicht etwa diese ersetzen sollen. Die o.g. Werbeaussagen hingegen enthalten keinerlei derartige Einschränkung.

Die Klage ist daher begründet.

Der Kläger kann gem. § 12 Abs.1 Satz 2 UWG auch die Erstattung der ihm entstandenen vorprozessualen Kosten verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Der Streitwert ist unter Berücksichtigung des Interesses des Klägers an der Unterlassung der beanstandeten Werbeaussagen festgesetzt worden.