Landgericht Hannover
Urt. v. 29.04.2016, Az.: 15 O 34/15

Unterlassung des Vertriebs und Bewerbens eines diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) zur diätetischen Behandlung von Kopfschmerzen, Übelkeit und Unwohlsein nach Alkoholgenuss; Fehlen einer nach allgemeinen Grundsätzen veröffentlichten, randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
29.04.2016
Aktenzeichen
15 O 34/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43612
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2016:0429.15O34.15.00

In dem Rechtsstreit
XXX
XXX
Kläger
Prozessbevollmächtigte: XXX
XXX
XXX
gegen
XXX
XXX
XXX
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: XXX
XXX
XXX
XXX
XXX
wegen unlauteren Wettbewerbs
hat die 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2016
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft,

    oder

    einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer,

    zu unterlassen,

    im geschäftlichen Verkehr

    das Mittel "XXX" als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte diät) zur diätetischen Behandlung von Kopfschmerzen, Übelkeit und Unwohlsein nach Alkoholgenuss zu vertreiben und/oder zu bewerben,

    wenn dies geschieht wie in der Anlage K3 wiedergeben.

  2. II.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage am 6. November 2015 zu zahlen.

  3. III.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  4. IV.

    Dieses Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der jeweils zu vollstreckenden Beträge vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, im Interesse seiner Mitglieder dafür zu sorgen, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbes eingehalten werden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 13.10.2015, Seiten 3 - 9 (Blatt 3 - 9 d. A.), verwiesen.

Die Beklagte ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das das diätische Lebensmittel "XXX" für besondere medizinische Zwecke zur Behandlung von Kopfschmerzen, Übelkeit und Unwohlsein nach Alkoholgenuss herstellt und vertreibt.

Der Kläger nimmt Anstoß an der Werbung für "XXX" durch die Beklagte als diätetisches Lebensmittel. Er hält diese Werbung für unzulässig und macht hierzu geltend, dass es nach seiner Auffassung an dem Nachweis der Wirksamkeit von "XXX" fehlt, das im Übrigen kein diätetisches Lebensmittel sei. In der Werbung fehle es außerdem an dem vorgeschriebenen Hinweis auf eine Krankheit. Zudem sei die Werbung der Beklagten auch irreführend.

Die Beklagte hat es abgelehnt, nach der Aufforderung des Klägers vom 16.04.2015 (Anlage K5) die diesem Schreiben beigefügte, vorbereitete Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten vom 29.04.2015 (Anlage K 6) verwiesen.

XXX Klage auf Unterlassung ihrer Werbung und des Vertriebes für "XXX" in Anspruch, soweit diese so vorgenommen werden, wie es sich aus Anlage K 3 ergibt, sowie auf Erstattung der ihr vorgerichtlich entstandenen Abmahnkosten in Höhe von 178,50 € nebst Rechtshängigkeitszinsen.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte geht davon aus, dass der Kläger seine Klage ausschließlich auf den fehlenden Nachweis der Wirksamkeit stützt und macht insoweit geltend, der nach der Rechtsprechung erforderliche Nachweis durch eine sogenannte randomisierte Doppelblindstudie sei erbracht durch die Studie ihres Gesellschafters und Geschäftsführers XXX aus Februar 2012 (Anlage B 1). Diese Studie sei auch in der Art und Weise publiziert worden, dass diese auf der Internetseite der Beklagten und der Plattform XXX unschwer einzusehen sei.

Der Kläger hält dem entgegen, diese Studie sei bezüglich der Wirksamkeit nicht von einem unabhängigen Dritten verifiziert worden. Sie sei auch nicht in der Weise publiziert worden, dass ein wissenschaftlicher Diskurs habe stattfinden können. Er setzt sich außerdem inhaltlich mit der Studie zusammen. Insoweit wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 29.01.2016, Seiten 3 - 9 (Blatt 52 - 58 d. A.) verwiesen.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien nimmt die Kammer Bezug auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2016 (Blatt 61 d. A.).

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig.

a) Das Vorbringen des Klägers zu seiner Antrags- und Klagebefugnis hat die Beklagte unbestritten gelassen. Der somit als unstreitig zugrunde zulegende Vortrag des Klägers erfüllt die Voraussetzungen von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, so dass an seiner Antrags- und Klagebefugnis keine Bedenken bestehen.

b) Der vor allem auf Unterlassung gerichtete Klageantrag ist nicht entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO insoweit unklar, als nicht deutlich wird, wie der Nachsatz "wenn dies geschieht wie in der Anlage K3 wiedergegeben" zu werten ist.

Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat ergeben, dass der Kläger die Beklagte auf Unterlassung der Werbung und des Vertriebes für "XXX" insgesamt in Anspruch nehmen will. Der geschilderte Nachsatz mit der Bezugnahme auf Anlage K3 ist insoweit nur "colorandi causa" hinzugefügt. Unterlassung soll im Einklang mit der höchst richterlichen Rechtsprechung nur begehrt begehrt werden bezüglich der beiden genannten konkreten Sachverhalte, nämlich des Unterlassens und Vertriebes von "XXX"; und zwar unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Unterlassungstatbestände, aber ohne zugleich erreichen zu wollen, dass auch der Wortlaut der Werbung in allen Einzelheiten Gegenstand der Unterlassung sein soll (vgl. dazu BGH WRP 2013, 472, 474/475, Rdnrn. 24, 25).

2. Die Klage erweist sich auch als begründet.

a) Der Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich alleine schon aus § 8 UWG in Verbindung mit §§ 3 Abs. 1, 3 a Abs.1 UWG n. F. (bisher § 4 Nr. 11 UWG a. F.) in Verbindung mit § 14 b Abs. 1 Satz 2 DiätVO. Nach dieser Vorschrift müssen bilanzierende Diäten sich gemäß den Anweisungen des Herstellers sicher und nutzbringend verwenden und wirksam sein in dem Sinne, dass sie den besonderen Ernährungserfordernissen der Person, für die sie bestimmt sind, entsprechen.

Dafür ist nach der Rechtsprechung in der Regel notwendig eine nach allgemeinen Grundsätzen veröffentlichte, randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie, die durch ihre Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (vgl. BGH GRUR 2009, 75 [BGH 02.10.2008 - I ZR 51/06] - Priorin -, zitiert nach Juris, Rdnrn. 24, 26; OLG Düsseldorf vom 10.07.2012 zu Az.: I-20 U 233/11, zitiert nach Juris, Rdnr. 2). Dem genügt die von der Beklagten vorgelegt Studie schon deshalb nicht, weil weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen worden ist, dass diese Gegenstand eines wissenschaftlichen Diskurses über ihre Wirksamkeit gewesen ist, zumal sie von dem Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten selbst stammt. Aus der Veröffentlichung der Studie auf der Homepage der Beklagten und auf dem von der Beklagten genannten Blog ergibt sich dieser wissenschaftliche Diskurs jedenfalls nicht, zumal der Kläger mit Schriftsatz vom 29.01.2016, Seite 2 (Bl. 51 d. A.) unwidersprochen vorgetragen hat, es handele sich bei dem Blog XXX keineswegs um ein wissenschaftliches Publikationsportal.

Als diejenige, die den Wirksamkeitsnachweis zu führen hat (vgl. BGH WRP 2012, 1164 ff. - ARTROSTAR -,zitiert nach Juris Rdnr. 20), ist die Beklagte nach Ansicht der Kammer schon aus diesem formalen Grund bezüglich des Wirksamkeitsnachweises beweisfällig geblieben.

Unabhängig davon hätte die Beklagte sich zudem nach der ausführlichen, wissenschaftlichen Auseinandersetzung des Klägers mit den Zweifel an der Studie im Schriftsatz vom 29.01.2016, Seiten 3 bis 11 (Bl. 52 bis 60 d. A.) nicht damit begnügen dürfen, wegen des Wirksamkeitsnachweises lediglich auf die Studie selbst zu verweisen, anstatt auf die geltend gemachten Bedenken inhaltlich einzugehen.

b) Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann der Kläger von der Beklagten außerdem Zahlung der nach Grund und Höhe unbestritten gebliebenen vorgerichtlichen Abmahnkosten in Höhe von 178,50 € beanspruchen.

Der Zinsanspruch insoweit ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

3. Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 Satz 1, 108 Abs. 1 ZPO.