Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 02.03.1995, Az.: 1 U 40/94
Anspruch auf Ersatz des Neubeschaffungspreises gegen den Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer bei Diebstahl; Wegfall der Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer bei erheblicher Wahrscheinlichkeit für das Vortäuschen des Versicherungsfalls; Berücksichtigung von Privatgutachten bei ausreichender zuverlässiger Beantwortung streitiger Punkte; Indizwirkung der Anfertigung eines Nachschlüssels vom Originalschlüssel kurze Zeit vor der behaupteten Entwendung; Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten zu Vorschäden; Grundsätze der Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs; Ernsthafte Gefährdung der Interessen des Versicherers
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 02.03.1995
- Aktenzeichen
- 1 U 40/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 17640
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1995:0302.1U40.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 09.09.1994 - AZ: 5 O 105/94
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 VVG
- § 6 Abs. 3 VVG
- § 7 Nr. 5 Abs. 4 AKB
- § 12 Abs. 1 Nr. 1b AKB
- § 13 Abs. 2 AKB
- § 13 Abs. 3 AKB
Verfahrensgegenstand
Zahlung aufgrund einer Vollkaskoversicherung
Prozessführer
Herr ...
Prozessgegner
die ...
gesetzlich vertreten durch die Herren ...
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Wird von einem Originalschlüssel erst kurze Zeit vor einer vom Versicherungsnehmer behaupteten Entwendung seines Fahrzeugs ein Nachschlüssel angefertigt und sprechen weitere Umstände dafür, dass dies nicht ohne Wissen und Billigung des Versicherungsnehmers geschehen sein kann, so ergibt sich daraus eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung des behaupteten Diebstahls mit der Folge, dass die grundsätzlich zugunsten des Versicherungsnehmers bestehende Beweiserleichterung entfällt.
- 2.
Falsche Angaben des Versicherungsnehmers zu Vorschäden eines Kraftfahrzeugs sind generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden.
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 16. Februar 1995
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts vom 9. September 1994 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 3.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Der Wert der Beschwer des Klägers beträgt 112.389,99 DM.
Tatbestand
Am 1.4.1993 erstattete der Kläger bei der Polizeiwache ... Strafanzeige wegen Diebstahls seines auf dem Parkplatz vor dem Flughafen ... verschlossen abgestellten PKW ... in der Zeit vom 25.3. bis 1.4.1993. Das Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft ... am 7.5.1993 mit der Begründung eingestellt, daß ein Täter nicht habe ermittelt werden können (156 UJs 1340/93).
Der Kläger meldete den Diebstahl der Beklagten, mit der er einen Vollkaskoversicherungsvertrag abgeschlossen hatte. Am 7.4.1993 füllte er den "Zusatzfragebogen bei Kfz.-Diebstahl" der Beklagten aus. Es ist unstreitig, daß er die Frage 6 nicht vollständig beantwortet, nämlich einen am 23.12.1991 erlittenen Unfallschaden nicht angegeben hat.
Die ... hat den Kläger ermächtigt, die an sie aus Anlaß der Finanzierung des Fahrzeugs abgetretenen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im eigenen Namen geltend zu machen.
Die Beklagte gab bei dem Sachverständigen Dipl.-Ing. ... ein Schlüsselgutachten in Auftrag. In seinem Gutachten vom 18.5.1993 gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, daß der Reservehauptschlüssel des Fahrzeugs des Klägers im Kopierfräsverfahren vervielfältigt worden sei und daß dies zeitlich nicht weit vor Abgabe der Schlüssel geschehen sein könne.
Der Kläger hat behauptet, daß sein Fahrzeug während seines Urlaubs auf den Malediven entwendet worden sei. Von der Anfertigung eines Nachschlüssels habe er nichts gewußt. Beim Ausfüllen des Zusatzfragebogens der Beklagten habe er den nicht angegebenen Vorschaden schlichtweg vergessen, da es sich damals nur um einen leichten Blech- und Lackschaden gehandelt habe, der vollständig instandgesetzt worden sei. Die Nichtangabe dieses Schadens, der zu keiner Wertminderung des Fahrzeugs geführt habe, sei nicht geeignet, die Interessen der Beklagten zu gefährden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
- 1.
an den Kläger 44.596,79 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.7.1993,
- 2.
an die ... 67.793,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7.1.1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, daß der Kläger den Diebstahl des Porsche nur vorgetäuscht habe. Außerdem hat sie die Ansicht vertreten, daß ihre Leistungspflicht schon deshalb entfalle, weil der Kläger den Unfall und den Schaden vom Dezember 1991 verschwiegen habe.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze und deren Anlagen sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft ... Bezug genommen.
Das Landgericht ... hat die Klage am 9.9.1994 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob sich aus dem Vorbringen der Beklagten genügend Anhaltspunkte für die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Diebstahls ergeben. Jedenfalls sei die Beklagte leistungsfrei, weil der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit in rechtlich relevanter Weise verletzt habe.
Gegen diese am 14.9.1994 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 21.9.1994 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel nach entsprechender Verlängerung der Frist am 21.11.1994 begründet.
Er nimmt in Abrede, bewußt unwahre Angaben gemacht und dadurch eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung begangen zu haben. Der Betrag der unterlassenen Schadensanzeige sei so gering, daß nicht von einer Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten ausgegangen werden könne. Die Beklagte habe auch niemals davon ausgehen können, daß das entwendete Fahrzeug unfallfrei gewesen sei; schließlich sei der Kaskoschaden im November 1992 angegeben worden.
Der Kläger rügt außerdem die Feststellung des Landgerichts, er habe nicht den Nachweis eines geringeren Verschuldensgrades als Vorsatz bzw. grobe Fahrlässigkeit erbracht. Demgegenüber macht er geltend, er habe die Angabe des geringfügigen Schadens lediglich vergessen und diese seine Einlassung sei glaubhaft. Die Glaubhaftigkeit ergebe sich bereits aus dem Umstand, daß er, der Kläger, den geringfügigen Schaden trotz Rückfrage seitens der Beklagten bezüglich der Anzahl von Vorschäden nicht gemeldet habe.
Der Kläger stellt dieselben Anträge wie gegenüber dem Landgericht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, der Kläger habe schon keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Diebstahl des Fahrzeugs dargelegt. Unter Berücksichtigung der Feststellungen des Schlüsselgutachtens bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die bloße Vortäuschung eines Diebstahls. Der Kläger habe nämlich keine plausible Erklärung dafür, daß von einem Hauptschlüssel im Kopierfräsverfahren Nachschlüssel gefertigt worden seien. Die Beklagte beruft sich unabhängig von diesen Überlegungen auf eine Leistungsfreiheit auch wegen der Obliegenheitsverletzung des Klägers.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz werden wiederum die gewechselten Schriftsätze in Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.
1.
Aktivlegitimation und Höhe des Klageanspruchs sind außer Streit. Die ... GmbH hat den Kläger mit Schreiben vom 9.2.1994 bevollmächtigt, im eigenen Namen auch die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen, die der Kläger ihr in Höhe der jeweiligen Darlehnsforderung zur Finanzierung des Fahrzeugskaufs abgetreten hatte. Nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers beträgt die Restforderung der Bank derzeit 67.793,20 DM. Da der Kaufpreis ursprünglich 113.389,99 DM betrug, verbleiben nach Abzug der im Versicherungsvertrag vereinbarten Selbstbeteiligung von 1.000,00 DM noch 44.596,79 DM, deren Zahlung der Kläger unmittelbar an sich begehrt.
2.
Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist § 1 VVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. I lit. b i.V.m. § 13 Abs. 2, 3 a AKB. Der Kläger verlangt für seinen noch nicht zwei Jahre alten PKW Porsche Carrera den Neupreis als Versicherungsleistung mit der Begründung, der Wagen sei ihm gestohlen worden.
Der beweisbelastete Versicherungsnehmer kann den Nachweis, daß das Fahrzeug gestohlen worden ist, in aller Regel kaum fuhren. Wegen dieser Schwierigkeiten ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß der Versicherungsnehmer seiner Beweislast genügt, wenn er Anzeichen beweist, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines versicherten Diebstahls ergeben. Unverzichtbar ist jedoch, daß er den vollen Beweis für ein Mindestmaß an Tatsachen erbringt, die den Schluß auf das äußere Bild einer versicherten Entwendung erst ermöglichen. Dafür genügt die Anzeige des behaupteten Diebstahls bei der Polizei für sich allein nicht (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH VersR 1993, 571, 572[BGH 17.03.1993 - IV ZR 11/92] m.w.N.; OLG Hamm, VersR 1993, 218, 219) [OLG Hamm 20.03.1992 - 20 U 289/91]. Diese Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer entfällt jedoch, wenn der Versicherer darlegt und gegebenenfalls beweist, daß nicht nur hinreichende Wahrscheinlichkeits- oder Verdachtsmomente vorliegen, sondern eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen anderen Geschehensablauf besteht. Es müssen konkrete Tatsachen festgestellt werden, die die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legen, wobei ein Minus an Beweisanzeichen gegenüber dem üblichen Fall eines Indizienbeweises genügt, um das erforderliche Beweismaß für den Versicherer zu erreichen (BGH VersR 1989, 587; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Düsseldorf VersR 1994, 976[OLG Düsseldorf 13.07.1993 - 4 U 177/92]).
3.
Der Kläger hat die nach dieser Rechtslage von ihm zu führenden Beweise nicht erbracht.
Verhältnismäßig geringe Aussagekraft hat der Umstand, daß der Kläger unterschiedliche Daten angegeben hat, an denen er den Porsche beim Flughaften ... abgestellt haben will. Während er in seiner Klageschrift den 24.3.1993 nennt, hat er in der Strafanzeige vom 1.4.1993 den 25.3.1993 angegeben. Da er gegenüber der Beklagten in dem am 7.4.1993 ausgefüllten "Zusatzfragebogen bei Kfz.-Diebstahl" ebenfalls den 24.3. eingetragen hat, dürfte wohl dieses Datum zutreffend sein und die abweichende Angabe in der Strafanzeige auf einem Irrtum beruhen.
Für das äußere Bild eines Diebstahls könnte der Parkschein der ... Flughafen ... sprechen, der am 24.3.1993 um 13.46 Uhr abgestempelt worden ist. Der Beweiswert dieser Urkunde ist allerdings nicht hoch zu veranschlagen. Bekanntermaßen muß man sein Fahrzeug nicht auf einem mittels elektronisch zu betätigender Schranke und dazugehörendem Parkscheinautomat versehenen Parkplatz oder Parkhaus abstellen, um in den Besitz eines "aktuellen" Parkscheins zu gelangen. Außerdem hat der Polizeibeamte, der die Strafanzeige des Klägers auf der Polizeiwache ... entgegengenommen hat, darin vermerkt, daß es sich zwar um einen bewachten Parkplatz handele, daß aber ein Entwenden des betreffenden Fahrzeugs auch durch Abstellen eines Alt-PKW's (Austausch) möglich sei.
Der Kläger hat in der Senatsverhandlung sodann das Original seines Reisepasses vorgelegt. Aus diesem ergibt sich, daß der Kläger am 25.3.1993 in die Republik Malediven eingereist und am 1.4.1993 wieder ausgereist ist.
Ein gewichtiges Indiz gegen die Richtigkeit des Diebstahlsvorbringens des Klägers ist das von der Beklagten in Auftrag gegebene Schlüsselgutachten des Dipl.-Ingenieurs ... vom 18.5.1993. Der Sachverständige befaßt sich ausweislich seines Briefkopfs mit der Erstellung von Schadensgutachten, Bewertungen, Schloßgutachten und Schlüsselanalysen. Er hat die drei Original-Schlüssel des Fahrzeugs untersucht, die der Kläger der Beklagten zur Verfügung gestellt hatte. Seine Untersuchungen an diesen Schlüsseln hat er mit einem Stereoauflichtmikroskop angestellt und zusätzlich ein Rasterelektronenmikroskop eingesetzt. Bei den beiden Hauptschlüsseln hat er geringe bzw. stärkere Gebrauchsspuren, aber keine Kopierspuren festgestellt. Der dritte Schlüssel, der Reservehauptschlüssel, weist dem Gutachten zufolge kaum schloßspezifische Gebrauchsspuren auf, er wurde, wenn überhaupt, nur sehr wenig benutzt. Demgegenüber befindet sich, wie Theenhaus weiter festgestellt hat, in einer Fräsung eine hellglänzende, riefenartige Schürfspur, die in unvermindert ausgeprägter Form nahezu über die gesamte Fräsung verläuft. Diese signifikante Spurenzeichnung hat, wie der Sachverständige weiter mitgeteilt hat, starke Veränderungen auf der Werkstoffoberfläche hervorgerufen und ist widerspruchsfrei nur für den Fall zu bewerten, wenn mehrfach über diese Fräsung ein Abtaststift einer Schlüsselkopiermaschine geführt wurde. Der Schlüssel ist dem Sachverständigen zufolge im Kopierfräsverfahren vervielfältigt worden und, da die Kopierspur nicht von schloßspezifischen Gebrauchsspuren überlagert ist, nach dem Kopiervorgang nur noch sehr wenig, wenn überhaupt, benutzt worden. Da die Kopierspuren hellglänzend sind und sich deutlich von dem dunkler aussehenden Grundmaterial des Schlüssels unterscheiden, kann der Kopiervorgang zeitlich gesehen nicht weit vor der Abgabe des Schlüssels geschehen sein. Dem Gutachten sind Fotos beigefügt, auf denen die beschriebenen Umstände stark vergrößert zu erkennen sind, und zwar sehr deutlich.
Nachdem die Beklagte dem Kläger telefonisch mitgeteilt hatte, daß von einem Wagenschlüssel wahrscheinlich eine Kopie hergestellt worden ist, hat der Kläger unter dem 17.5.1993 dazu schriftlich Stellung genommen. Den Notschlüssel bewahre er "eigentlich ständig im Portemonnaie" auf. Er habe ihn erst ein einziges Mal gebraucht. Zugang zu dem Schlüssel hätten theoretisch seine Frau (die noch zu keiner Zeit mit dem Porsche gefahren sei) sowie sein Sohn (der noch keinen Führerschein habe). Außerdem hätten auch andere Personen theoretisch Zugang haben können, und zwar beim Sport mit der Fußballmannschaft seines Ortes sowie beim Schwimmtraining in ... und in .... Unter dem 17.6.1993 hat sein erstinstanzlicher Bevollmächtigter sodann der Beklagten mitgeteilt, daß der Kläger bisher keine Kenntnis gehabt habe, daß von einem Schlüssel eine Kopie angefertigt worden ist. Das Portemonnaie, in dem sich der Notschlüssel befunden habe, habe er selbstverständlich nicht ständig bei sich getragen und habe es auch in seiner Wohnung und in seinem Büro wiederholt abgelegt. Diese Darstellung wiederholt er in der Klageschrift; Familienangehörige, deren Freunde oder auch Büropersonal hätten durchaus die Möglichkeit gehabt, den Schlüssel unbemerkt an sich zu nehmen.
Auch wenn es sich bei dem Schlüsselgutachten um ein von der Beklagten in Auftrag gegebenes Privatgutachten handelt, bestehen gegen dessen Berücksichtigung keine Bedenken. Zunächst ist bedeutsam, daß der Kläger die Feststellungen des Gutachters nicht bestritten hat. Außerdem kann auch ein Privatgutachten für die Entscheidung zugrunde gelegt werden, wenn es zur zuverlässigen Beantwortung streitiger Punkte ausreicht (BGH VersR 1989, 587; OLG Hamm VersR 1993, 218, 219) [OLG Hamm 20.03.1992 - 20 U 289/91]. Das ist vorliegend der Fall.
Wenn von einem Originalschlüssel erst kurze Zeit vor der vom Versicherungsnehmer behaupteten Entwendung des Fahrzeugs ein Nachschlüssel angefertigt worden ist, dann spricht vieles dafür, daß dies nicht ohne Wissen und Billigung des Versicherungsnehmers geschehen sein kann. Der Kläger hat vorliegend keine überzeugende Darstellung gegeben, wie der Schlüssel ohne sein Wissen hätte kopiert werden können. Dritte Personen hatten keinen offenen Zugang zu diesem Schlüssel. Es erscheint wenig glaubhaft, daß jemand diesen Schlüssel, von dessen Existenz er zunächst nichts weiß, aus dem Portemonnaie genommen, im Fräsverfahren eine Kopie hergestellt und das Original später wieder in das Portemonnaie zurückgetan haben soll. Einfacher wäre es gewesen, sogleich diesen oder den vom Kläger ständig benutzten Hauptschlüssel zu entwenden. Außerdem müßten der oder die Täter sehr raffiniert vorgegangen sein. Zunächst hätte eine Person im privaten oder beruflichen Umfeld des Klägers in ... den Nachschlüssel angefertigt, später hätte dann dieselbe oder eine andere Person das Fahrzeug vom Flughafenparkplatz ... mittels dieses Duplikats entwendet. Das erscheint um so weniger überzeugend, weil der Kläger in seinem bereits erwähnten Schreiben an die Beklagte vom 17.5.1993 mitgeteilt hat, der Flug auf die Malediven sei eine Last-Minute-Buchung gewesen, den Abflughafen hätten eigentlich nur seine Familie und seine Mitarbeiter - nach Angaben des Klägers in der Senatsverhandlung hat er 3 Mitarbeiter - gekannt. Für einen Täter, der ohne Wissen des Klägers die Doublette angefertigt hat, um das Fahrzeug zu stehlen, wäre es viel einfacher gewesen, den Wagen gleich danach in ... oder ... zu entwenden. Daß er statt dessen die urlaubsbedingte Abwesenheit des Klägers genutzt hat, von der er durch Zufall erfahren haben muß, erscheint wenig glaubhaft.
In der Senatsverhandlung hat der Kläger den Verdacht geäußert, in Fällen der vorliegenden Art könne der zuständige Sachbearbeiter des Versicherungsunternehmens selbst von einem der ihm übergebenen Originalschlüssel ohne Wissen des Versicherten einen Nachschlüssel hergestellt und auf diese Weise zur Verbesserung der Position der Versicherung beigetragen haben. Dieser Verdacht ist zu vage, als daß für den Senat Veranlassung bestanden hätte, ihm nachzugehen. Außerdem hat der Kläger insoweit weder fallbezogen eine Behauptung aufgestellt noch dafür einen Beweis angetreten.
Im Rahmen einer anzustellenden Gesamtwürdigung spricht gegen den Kläger auch, daß der behauptete Diebstahl kurz vor Ablauf der Zweijahresfrist geschehen sein soll, binnen deren grundsätzlich der Neubeschaffungspreis von der Versicherung ersetzt wird (vgl. § 13 Abs. 1, 2 AKB).
Bei dieser Sachlage bestehen wegen der vorhandenen Ungereimtheiten erhebliche Verdachtsmomente, daß die Anfertigung des Schlüsselduplikats nicht ohne Wissen des Klägers geschehen sein kann. Daraus ergibt sich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung des behaupteten Diebstahls mit der Folge, daß die grundsätzlich zugunsten des Versicherungsnehmers bestehende Beweiserleichterung entfällt (vgl. für den Fall der Anfertigung von Ersatzschlüsseln ähnlich OLG Düsseldorf, VersR 1994, 976[OLG Düsseldorf 13.07.1993 - 4 U 177/92]; OLG Hamm VersR 1993, 218, 219) [OLG Hamm 20.03.1992 - 20 U 289/91]. Den von ihm zu führenden vollen Beweis für seine Behauptung hat der Kläger nicht erbracht.
4.
Die Beklagte beruft sich darüber hinaus auf Leistungsfreiheit mit der Begründung, der Kläger habe wegen der falschen bzw. unvollständigen Ausfüllung des Zusatzfragebogens eine Obliegenheitsverletzung begangen (§ 7 V Abs. 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG). Auf diese Frage kommt es letztlich nicht mehr an, da die Beklagte aus den zuvor im einzelnen dargestellten Gründen nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Zwar dürfte der Kläger die bei objektiver Obliegenheitsverletzung bestehende Vermutung für vorsätzliches Handeln (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH VersR 1976, 849, 850) nicht widerlegt haben. Insofern kann zur Begründung auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Auch dürfte die Aufklärungsobliegenheit im Sinne der sog. Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs generell geeignet gewesen sein, die berechtigten Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden (vgl. insoweit BGH VersR 1984, 228 m.w.N.; 1982, 742; auch OLG Köln VersR 1991, 766, 767) [OLG Köln 05.07.1990 - 5 U 244/89]. Falsche Angaben zu Vorschäden eines Kraftfahrzeugs sind generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, da Vorschäden im allgemeinen einen Einfluß auf die Zeitwertermittlung haben. Indessen erscheint fraglich, ob auch die zweite Voraussetzung der Relevanzrechtsprechung für eine Haftungsbefreiung der Beklagten als Folge der Obliegenheitsverletzung des Klägers zu bejahen ist: Ein erhebliches Verschulden des Klägers wird unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Kläger einen 15 Monate zuvor erlittenen und gemessen am Wert des Fahrzeugs nicht allzu schwerwiegenden Unfall nicht angegeben, den gewichtigeren Schaden vom November 1992 aber mitgeteilt hat, nicht angenommen werden können.
5.
Da der Kläger die tatsächlichen Voraussetzungen eines versicherten Diebstahls nicht bewiesen hat, muß seine Berufung zurückgewiesen werden. Als unterliegende Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert der Beschwer des Klägers beträgt 112.389,99 DM.