Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.09.2017, Az.: 15 K 307/15

Pfändungs- und Einziehungsverfügung; Zulässigkeit eines Einspruchs vor Bekanntgabe des angefochtenen Verwaltungsakts; Fortsetzungsfeststellungsklage

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
26.09.2017
Aktenzeichen
15 K 307/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 43875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2017:0926.15K307.15.00

Amtlicher Leitsatz

Pfändungs- und Einziehungsverfügung ohne Ermessenserwägungen endgültig rechtswidrig, nachdem die Vollstreckungsbehörde gegenüber dem Vollstreckungsschuldner und dem Drittschuldner die Verfügung für erledigt erklärt hat.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Pfändung- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 3. November 2015 gegenüber der ... als Drittschuldnerin.

2

Die Klägerin ist unternehmerisch tätig. Im Verlauf des Jahres ... zahlte sie die Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume ... jeweils nicht bei Fälligkeit. Der Beklagte leitete daher das Vollstreckungsverfahren gegen die Klägerin ein.

3

Der Beklagte erließ am ... eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der ... als Drittschuldnerin, mit der er die Ansprüche, Forderungen und Rechte der Klägerin aus deren Konten bei der ... pfändete und sich zur Einziehung überwies. Diese Pfändung erledigte sich am ... durch Zahlung.

4

Bereits am ... hatte der Beklagte - jedenfalls nach seinem unwidersprochenen Vortrag - die Umsatzsteuer für ... geschätzt, da die Klägerin bis dahin keine Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben hatte. Neben der Umsatzsteuer ... in Höhe von ... setzte der Beklagte einen Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer für ... in Höhe von ... fest. Die festgesetzten Beträge wurden am ... fällig.

5

Am ... gelangte eine weitere Rückstandsanzeige zu den Akten der Erhebungsstelle. Danach waren Umsatzsteuer für ... in Höhe von ... sowie ein Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer für ... in Höhe von ... sowie Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer ... in Höhe von ... seit dem ... fällig.

6

Am 22. Oktober 2015 gab die Klägerin erstmals Umsatzsteuervoranmeldungen für ... ab. Danach ergaben sich für ... Erstattungsansprüche der Klägerin. Nach der Voranmeldung für ... bestand eine geringere Zahllast als nach der aufgrund einer Schätzung des Beklagten insoweit ergangenen Festsetzung.

7

Am 27. Oktober 2015 wurde ausweislich einer Rückstandsaufstellung vom 3. November 2015 Umsatzsteuer für ... in Höhe von ... fällig. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Klägerin außerdem noch mit Umsatzsteuer für ... in Höhe von ... im Rückstand befunden. Unter Einschluss von Säumniszuschlägen und einem Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer für ... betrugen die Rückstände insgesamt ....

8

Der Beklagte erließ wegen dieser Gesamtforderung gegenüber der ... als Drittschuldnerin am 3. November 2015 die streitbefangene Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der er die Ansprüche, Forderungen und Rechte der Klägerin aus deren Konten bei der ... pfändete und sich zur Einziehung überwies.

9

Am 4. November 2015 erteilte der Beklagte seine Zustimmung zu den am 22. Oktober 2015 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen. Die sich danach ergebenden Steuerherabsetzungen und Verrechnungsmöglichkeiten führten zur vollständigen Tilgung der in Vollstreckung befindlichen Rückstände.

10

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 wurde der ...am 5. November 2015 mit Zustellungsurkunde zugestellt. Mit Schreiben vom gleichen Tag unterrichtete die Drittschuldnerin die Klägerin von der Verfügung und der Sperre der Konten der Klägerin.

11

Die Zustellungsurkunde für die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 ging am Freitag, den 6. November 2015 wieder beim Beklagten ein.

12

Am Montag, den 9. November 2015 übersandte der Beklagte den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin daraufhin ausweislich eines hierzu in der Erhebungsstelle des Beklagten gefertigten Postaufgabevermerks einen Mehrabdruck der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 sowie eine Zusammenstellung der Rückstände der Klägerin, wegen der die Pfändung ausgebracht worden war. Die Mehrausfertigung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin mit einfachem Brief bekanntgegeben wurde, enthielt keine Ermessenserwägungen.

13

Die Erhebungsstelle des Beklagten hatte der Drittschuldnerin ausweislich eines Postaufgabevermerks bereits vom 6. November 2015 mit Schreiben vom gleichen Tage mitgeteilt, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 habe sich erledigt. Am 9. November 2015 wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin eine Ablichtung dieses Schreibens übersandt, das ausweislich des von den Verfahrensbevollmächtigten auf dem Übersendungsschreiben angebrachten Posteingangsstempels am 13. November 2015 dort einging.

14

Bereits am 11. November 2015 ging ein Schreiben der Klägerin beim Beklagten ein, in dem die Klägerin mitteilte, der Beklagte habe es bisher unterlassen, sie, die Klägerin, ordnungsgemäß über den Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 zu unterrichten. Angesichts der bereits abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen und der sich daraus ergebenden Erstattungsansprüche der Klägerin sei die Vollstreckung unangemessen und unverhältnismäßig. Die Klägerin forderte den Beklagten auf, die Kontopfändung unverzüglich aufzuheben und ihr bis zum 12. November 2015, 12.00 Uhr, einen Nachweis hierüber zukommen zu lassen. Andernfalls werde die Klägerin gerichtliche Schritte zur Abwehr einleiten.

15

Am 12. November 2015 erhob die Klägerin Klage gegen den Beklagten beim Niedersächsischen Finanzgericht und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Beklagte aus Billigkeitsgründen verpflichtet werden sollte, die Kontopfändung aufzuheben. Im Hauptsacheverfahren begehrte die Klägerin zunächst die Feststellung der Unzulässigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Kontopfändung, die sofortige Einstellung der Vollstreckung insgesamt und die Anordnung der Aufhebung der Kontopfändung sowie die Feststellung, dass der Beklagte der Klägerin den aus der Kontopfändung resultierenden Schaden zu ersetzen habe.

16

Die Klägerin begründet ihre Klage wie folgt:

17

Die Klägerin sei von der Kontopfändung überrascht worden. Sie habe hiervon durch ein Schreiben der Drittschuldnerin erfahren. Der Beklagte habe die Klägerin zuvor entgegen § 259 Abgabenordnung (AO) weder gemahnt noch die Vollstreckung angekündigt. Der Beklagte könne dem nicht entgegenhalten, dass wegen älterer Rückstände eine Rückstandsanzeige vom ... übersandt worden sei. Der Inhalt dieser Rückstandsanzeige sei aufgrund der von der Klägerin am 22. Oktober 2015 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen überholt gewesen. Beide Seiten hätten danach mit einer Erstattung an die Klägerin rechnen müssen. In dieser Situation habe der Beklagte keine Kontopfändung ausbringen dürfen.

18

Das Verhalten der Mitarbeiterin der Erhebungsstelle des Beklagten lasse vermuten, dass die Kontopfändung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Dem Beklagten seien bereits zwei Wochen vor der Kontopfändung die korrekten Voranmeldungsbeträge bekannt gewesen. Selbst wenn die Bearbeitung nach jenen zwei Wochen noch nicht abgeschlossen gewesen sei, hätte zumindest § 258 AO den Beklagten verpflichtet, bis zur Aufhebung oder Korrektur der Schätzungen jegliche weiteren Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen.

19

Der Beklagte habe die Klägerin auch bis zur Klageerhebung nicht in Kenntnis von der Kontopfändung gesetzt.

20

Die der Vollstreckung zu Grunde liegenden geschätzten Umsatzsteuervoranmeldungen hätten deutlich über den tatsächlichen Verhältnissen gelegen. Der Bearbeitungsrückstand bei der Abgabe der Voranmeldungen sei im Oktober 2015 aufgearbeitet worden. Die Kontopfändung sei umso überraschender gewesen, als die Klägerin insgesamt eine Rücküberweisung erwartet habe, da die Voranmeldungen insgesamt um etwa ... niedriger als die Schätzungen gelegen hätten. Vor diesem Hintergrund sei die Kontopfändung rechtsmissbräuchlich.

21

Der Geschäftsführer der Klägerin habe am 9. November 2015 die Räumlichkeiten des Beklagten aufgesucht und dort mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Erhebungsstelle gesprochen. Diese sei nicht dazu bereit gewesen, ihm, dem Geschäftsführer, schriftliche Informationen zu der Pfändung auszuhändigen. Auch auf seine Bitte um einen Auszug aus dem Steuerkonto sei er auf die entsprechende Post verwiesen worden.

22

Die Sachbearbeiterin habe dem Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt, dass die Rückstände ausgeglichen und die Pfändung bereits aufgehoben seien. Eine Durchschrift der entsprechenden Mitteilung habe sie dem Geschäftsführer jedoch nicht aushändigen wollen.

23

Die Klägerin habe bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung über das Schreiben der Drittschuldnerin hinaus noch keine weiteren Informationen zu der Kontopfändung erhalten. Auch sei die Pfändung ausweislich eines von der Klägerin am 12. November 2015 um 14.00 Uhr erstellten Auszugs aus dem Online-Banking noch nicht aufgehoben. Schließlich habe der Beklagte auch nicht auf ein Schreiben der Klägerin vom 11. November 2015 an den Beklagten reagiert, das diese dem Beklagten in den frühen Morgenstunden jenes Tages übersandt habe.

24

Soweit sich der Beklagte darauf berufe, die Drittschuldnerin sei mit Schreiben vom 6. November 2015 über die Aufhebung der Kontopfändung unterrichtet worden, so bestreite die Klägerin dies. Dagegen spräche, dass die Klägerin von der Drittschuldnerin erst mit Schreiben vom 17. November 2015 über die Aufhebung der Kontopfändung unterrichtet worden sei. Nach Auskunft der Drittschuldnerin würden Kontopfändungen wie auch jegliche Folgekorrespondenz durch dieselbe Abteilung in Reihenfolge des Eingangs abgearbeitet. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Kontopfändung bereits zwei Tage nach Absendung, die Aufhebung der Pfändung hingegen elf Tage nach Absendung bearbeitet worden sein solle. Gegen die Absendung der die Erledigung der Pfändung betreffenden Post am 6. November 2015 spreche auch, dass das Schreiben an die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des von diesen auf dem Schreiben angebrachten Eingangsstempel erst am 13. November 2015 dort eingegangen sei. Möglicherweise sei das Schreiben an die Drittschuldnerin auch ganz versäumt worden. Dies würde jedenfalls erklären, warum auf die Anfrage des Beklagten bei der Drittschuldnerin per Telefax vom 16. November 2015 dann am 17. November 2015 die Kontopfändung aufgehoben worden sei. Auch im Gerichtsverfahren sei ein auf den 19. November 2015 datierter Schriftsatz des Beklagten erst am 1. Dezember 2015 bei Gericht eingegangen.

25

Die Kontopfändung und die bis zu deren Aufhebung erfolgten Rücklastschriften hätten der Klägerin Schäden verursacht, die durch das Fehlverhalten des Beklagten entstanden seien. Das Informationsverhalten des Beklagten sei schikanös. Das Finanzgericht möge das Verhalten des Beklagten auch strafrechtlich überprüfen. Aufgrund der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit werde um möglichst rasche Terminierung gebeten.

26

An dem Begehren auf Feststellung eines Schadensersatzanspruchs halte die Klägerin nach einem Hinweis des Berichterstatters nicht mehr fest. Zum Nachweis des ihr durch die Sperre ihres Kontos aufgrund der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung in Höhe von mindestens 10,40 Euro entstandenen Schadens legte die Klägerin Unterlagen der Drittschuldnerin und ihrer Internethandels-Plattform vor.

27

Die Klägerin beantragt,

28

die Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 3. November 2015 festzustellen.

29

Der Beklagte beantragt,

30

die Klage abzuweisen.

31

Die Klägerin habe ihre Umsatzsteuervoranmeldungen verspätet abgegeben und habe die Nachteile daraus zu tragen. Der Beklagte sei am 3. November 2015 berechtigt gewesen, wegen der fälligen Rückstände eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu erlassen. Eine Mahnung sei nicht erforderlich gewesen, da bereits weitere Rückstände in Vollstreckung gewesen seien. Sofort nach Bekanntwerden der Verrechnung der Rückstände mit angemeldeten Erstattungsansprüchen sei der Drittschuldnerin schriftlich mitgeteilt worden, dass die Pfändung sich erledigt habe.

32

Ausweislich einer Mitteilung der Drittschuldnerin an den Beklagten vom 21. Dezember 2015 lag das Schreiben des Beklagten vom 6. November 2015, mit der der Beklagte der Drittschuldnerin die Erledigung der Kontopfändung vom 3. November 2015 mitgeteilt hatte, dort am 12. November 2015 vor. Am 17. November 2015 hatte die Drittschuldnerin die Sperre des Kontos der Klägerin aufgehoben.

33

Der Senat hat die Kosten des Verfahrens über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung 15 V 308/15 durch Beschluss vom 19. Januar 2016 der Klägerin und dortigen Antragstellerin auferlegt, nachdem die Beteiligten des Antragsverfahrens das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten.

34

Der Senat hat zunächst am 16. August 2016 über die Klage mündlich verhandelt, die Entscheidung jedoch vertagt. Der Senat war nach dem Ergebnis jener Verhandlung zu der Auffassung gelangt, die langfristig erkrankte Sachbearbeiterin der Erhebungsstelle des Beklagten als Zeugin hören zu müssen.

35

Ein Versuch des Berichterstatters, in einem Erörterungstermin am 27. September 2016 zu einer einvernehmlichen Erledigung des Verfahrens zu gelangen, blieb ebenso erfolglos wie ein diesbezüglich ohne Beteiligung des Gerichts zwischen den Beteiligten geführtes Gespräch am 1. November 2016.

36

Mit Verfügung des Berichterstatters vom 11. Juli 2017 hat der Senat den Beklagten darauf hingewiesen, dass der Senat im Lichte einer neuen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 17. Januar 2017 VIII R 52/17, BFH/NV 2017, 777 [BFH 17.01.2017 - VIII R 52/14]) auch prüfen müsse, ob die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 dadurch unheilbar rechtswidrig geworden sei, dass sie sich erledigt habe, bevor der Beklagte die ihr zugrundeliegende Ermessensentscheidung der Klägerin gegenüber begründet habe. Der Beklagte ist dem entgegengetreten und vertritt hierzu die Auffassung, aufgrund der Besonderheiten der Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die zunächst dem Drittschuldner zuzustellen und erst danach - und nach Ansicht des Beklagten mit gegenüber der dem Drittschuldner zugestellten Fassung unverändertem Inhalt - dem Vollstreckungsschuldner bekanntzugeben sei, sei eine Begründung der Ermessensentscheidung entbehrlich.

37

Unabhängig hiervon dürfe dem Finanzamt in einer solchen Situation selbst bei Annahme eines Fehlers der Begründung die Möglichkeit der Nachholung der Begründung nach § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO über § 127 AO bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht verwehrt werden, auch wenn es sich bei der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2017 um einen Ermessens-Verwaltungsakt handele. Der Bundesfinanzhof habe in seinem Beschluss vom 2. August 2012 V B 68/11 (BFH/NV 2013, 243) entschieden, dass auch bei einer Ermessensentscheidung eine Missachtung der örtlichen Zuständigkeit dann nicht gerügt werden könne, wenn im Einzelfall keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden könne. Dies müsse auch im Streitfall gelten, da das Ermessen hinsichtlich des Gegenstands und des Zeitpunkts der Vollstreckung hier nicht gegenüber der Klägerin als Vollstreckungsschuldnerin, sondern bereits zuvor gegenüber der Drittschuldnerin ausgeübt und in der Vollstreckungsakte dokumentiert worden sei. Die gegenüber der Klägerin dann noch vorzunehmende Begründung dieser Entscheidung sei eine bloße Formalie, deren Fehlen nicht die Rechtswidrigkeit der Verfügung begründen könne. Ansonsten blieben dem Finanzamt verfahrensrechtliche Möglichkeiten verwehrt, obwohl es die Klägerin sei, die sich durch die verspätete Abgabe ihrer Umsatzsteuervoranmeldungen pflichtwidrig verhalten habe.

38

Dem Senat hat zur Prüfung eine Heftung Vollstreckungsakten des Beklagten vorgelegen.

39

Der Senat hat am 26. September 2017 erneut über die Klage verhandelt und sodann entschieden. Auf die Sitzungsniederschrift vom 26. September 2017 nimmt der Senat Bezug.

Entscheidungsgründe

40

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten gegenüber der Drittschuldnerin vom 3. November 2015 war rechtswidrig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage ergeht die Entscheidung trotz des Einverständnisses der Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 79 a Abs. 3 und 4 Finanzgerichtsordnung -FGO-) durch den Senat.

41

I. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.

42

Grundsätzlich ist gegen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung als belastendem Verwaltungsakt nach § 40 Abs. 1 FGO die Anfechtungsklage gegeben. Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf, soweit diese rechtswidrig sind und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist.

43

Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (Fortsetzungsfeststellungsklage, § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO). Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage setzt neben diesem besonderen Interesse voraus, dass die ursprüngliche Anfechtungsklage zulässig war oder - wenn die Erledigung des Verwaltungsakts bereits vor der Klageerhebung eingetreten ist - zulässig gewesen wäre.

44

1. Im Streitfall war zunächst die Anfechtungsklage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2017 gegeben. Die Klägerin hat am 12. November 2015 Anfechtungsklage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 in Form der Untätigkeitsklage erhoben. Soweit die Zulässigkeit der Klage grundsätzlich den Abschluss des Einspruchsverfahrens voraussetzt (§ 44 Abs. 1 FGO), kommt es hierauf im Streitfall aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht an.

45

a) Die Klägerin hat mit dem Schreiben vom 11. November 2015 frist- und formgerecht Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 eingelegt. Zwar hatte die Klägerin ihr Schreiben nicht als Einspruch bezeichnet, dies ist aber nach § 357 Abs. 1 Satz 4 AO (in der 2015 geltenden Fassung; heute § 357 Abs. 1 Satz 3 AO) auch nicht erforderlich. Aus dem Schreiben der - nicht durch einen sachkundigen Verfahrensbevollmächtigten vertretenen - Klägerin geht eindeutig hervor, dass sie die Verfügung für rechtswidrig hielt und deren Aufhebung begehrte.

46

Die Klägerin war als Vollstreckungsschuldnerin zum Einspruch gegen die wegen ihrer Rückstände ergangenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung befugt (§ 347 Abs. 1 Nr. 1, § 350 AO). Der Zulässigkeit des Einspruchs der Klägerin steht nicht entgegen, dass ihr gegenüber die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 erst nach Einlegung des Einspruchs als bekanntgegeben gilt.

47

aa) Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein Verwaltungsakt, der mit einfachem Brief zur Post gegeben worden ist, drei Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, es sei denn, dass er tatsächlich später bekanntgegeben worden ist.

48

bb) Im Streitfall ist die Mitteilung an den Vollstreckungsschuldner über die der Drittschuldnerin zugestellte Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 am 9. November 2015 an die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin zur Post gegeben worden. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt sie daher als am 12. November 2015 bekanntgegeben. Da die Klägerin bereits am 11. November 2015 Einspruch gegen die Verfügung eingelegt hat, kann offenbleiben, ob die Verfügung tatsächlich erst später als am 12. November 2015 bei den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin eingegangen ist.

49

cc) Zwar ist ein vor der Bekanntgabe des Verwaltungsakts eingelegter Einspruch grundsätzlich unzulässig (ständige Rechtsprechung, vgl. bereits Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 13. Dezember 1973 I R 143/73, BStBl II 1974, 433, zur Rechtslage vor Inkrafttreten der AO 1977) und muss wiederholt werden (Klein/Rätke, AO, 13. Aufl. 2016, § 355 Rn. 11 mit Hinweisen zu Rechtsprechung und Literatur).

50

Ausnahmsweise ist ein vor der Bekanntgabe des angefochtenen Verwaltungsakts an den Einspruchsführer eingelegter Einspruch aber zulässig, wenn der Bescheid durch Bekanntgabe an eine andere Person existent geworden ist. So hat der Bundesfinanzhof in Fällen der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen entschieden, wenn der Feststellungsbescheid einem ausgeschiedenen Gesellschafter, dem er hätte bekanntgegeben werden müssen, noch nicht bekanntgegeben worden ist, wohl aber einem anderen Feststellungsbeteiligten (BFH-Urteil vom 27. April 1993 VIII R 27/92, BStBl II 1994, 3, m.w.N.).

51

Eine solche Ausnahme ist auch im Streitfall gegeben. Sowohl die Pfändungsverfügung als auch die Einziehungsanordnung werden mit der Bekanntgabe gegenüber dem Drittschuldner wirksam (§ 309 Abs. 2 Satz 1, § 314 Abs. 1 Satz 2 AO). Die im Streitfall angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung war mithin seit ihrer Zustellung an die Drittschuldnerin am 5. November 2015 wirksam. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens an, aufgrund dessen die Konten der Klägerin bei der Drittschuldnerin gesperrt waren, die Klägerin zur Anfechtung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung berechtigt sein musste, auch ohne dass sie die schriftliche Mitteilung über die Verfügung erreichte. Der Senat musste daneben keine Feststellungen dazu treffen, ob die Bekanntgabe der Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Klägerin bereits am 9. November 2015 in den Amtsräumen der Erhebungsstelle des Beklagten mündlich gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin erfolgt ist. Die Klägerin hat am 11. November 2015 in zulässiger Weise Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 eingelegt.

52

b) Bevor der Beklagte über den von der Klägerin eingelegten Einspruch entschieden hat, hat sich die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung am 13. November 2015 erledigt.

53

aa) Erlischt der der Vollstreckung zu Grunde liegende Leistungsanspruch, beseitigt dies nicht die Wirksamkeit einer Forderungspfändung (vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich Jatzke, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Lieferung 239 August 2016, § 257 AO Rn. 46 ff., 49 f.). Vielmehr ist die Finanzbehörde nach § 257 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO verpflichtet, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung aufzuheben. Dies wird in zwei Schritten bewirkt, indem die Finanzbehörde zum einen eine Aufhebungsverfügung als feststellenden Verwaltungsakt gegenüber dem Drittschuldner und dem Vollstreckungsschuldner erlässt, zum anderen, indem die betreffende Vollstreckungsmaßnahme rückgängig gemacht wird. Bei der Pfändungs- und Einziehungsverfügung geschieht dies wiederum gemäß § 316 Abs. 3 AO, § 843 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) dadurch, dass die Finanzbehörde dem Vollstreckungsschuldner den Verzicht durch eine ihm zuzustellende Erklärung mitteilt. Der Verzicht ist nach § 843 Satz 3 ZPO auch dem Drittschuldner mitzuteilen. Wirksam wird der Verzicht jedoch allein durch die entsprechende Erklärung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner. Dabei kann nach den Umständen des Falles auch eine einfache Mitteilung genügen (Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 26 Januar 1983 VIII ZR 258/81, NJW 1983, 886 [BGH 26.01.1983 - VIII ZR 258/81], m.w.N.). Dies entspricht auch der Praxis der Finanzverwaltung (Abschnitt 44 Abs. 3 Satz 4 Vollstreckungsanweisung -VollstrA-).

54

bb) Nach diesen Grundsätzen hatte sich die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 im Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs durch die Klägerin noch nicht erledigt, da die entsprechende Mitteilung an die Klägerin erst zwei Tage nach Einlegung des Einspruchs bei den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin einging. Demgegenüber kann die von der Klägerin dargestellte mündliche Mitteilung der Sachbearbeiterin des Beklagten gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin vom 9. November 2015 darüber, dass sich eine entsprechende Mitteilung auf dem Postweg befinde und die Klägerin deren Eingang abwarten möge, nicht als eine Verzichtserklärung im Sinne von § 843 ZPO angesehen werden. Die Mitarbeiterin hat durch bloßen Hinweis auf ein auf dem Postweg befindliches Schreiben keine rechtsverbindliche Erklärung abgegeben.

55

c) Nachdem sich die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung am 13. November 2015 erledigt hatte, war die am Tag zuvor hiergegen gerichtete Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung der Verfügung ungeachtet der Frage nach deren Zulässigkeit im Zeitpunkt der Klageerhebung jedenfalls deshalb nicht mehr zulässig, weil die mit der Verfügung verbundene Beschwer durch ihre Erledigung weggefallen war.

56

2. Die Klage war danach aber als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage setzt zum einen grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt der Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts die bis dahin geführte Anfechtungsklage zulässig war. Wegen der Erledigung der angefochtenen Verfügung einen Tag nach Klageerhebung kann der Klägerin jedoch die aus der verfrühten Klageerhebung resultierende vorläufige Unzulässigkeit der Klage nach der nachfolgend dargelegten Auffassung des Senats der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Zum anderen hat die Klägerin auch das für die Fortsetzung des Verfahrens über die erledigte Klage erforderliche besondere Festsetzungsinteresse in hinreichender Weise dargetan und glaubhaft gemacht.

57

a) Im Streitfall hatte die Klägerin bereits einen Tag nach Einlegung des Einspruchs gegen die Verfügung Anfechtungsklage in Form einer Untätigkeitsklage (§ 46 FGO) erhoben.

58

aa) Zwar setzt § 44 Abs. 1 FGO für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage grundsätzlich voraus, dass ein Einspruch gegen den angefochtenen Verwaltungsakt zumindest teilweise erfolglos geblieben ist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Klage aber abweichend hiervon ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Dabei bestimmt Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift, dass die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden kann, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist.

59

bb) Im Streitfall kann offenbleiben, ob die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit der Einlegung des Einspruchs oder - wegen besonderer Umstände, hier insbesondere wegen der unmittelbar belastenden Wirkung der Kontosperre auf die Klägerin - bereits nach Ablauf einer kürzeren Frist zulässig gewesen wäre. Zwar bedarf es neben dem Hinweis auf die Rechtsbehelfe zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes keiner näheren Erläuterung, dass jedenfalls die von der Klägerin dem Beklagten gesetzte Frist von einem Tag für die Entscheidung über den Einspruch unangemessen kurz war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann jedoch die zunächst vor Ablauf einer angemessenen Frist unzulässige Klage in die Zulässigkeit hineinwachsen, wenn diese Frist erst nach Klageerhebung, jedoch vor der gerichtlichen Entscheidung abläuft (vgl. BFH-Beschluss vom 7. März 2006 VI B 78/04, BStBl II 2006, 430 [BFH 07.03.2006 - VI B 78/04], m.w.N.). Es handelt sich bei der Ausschlussfrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht um eine Zugangsvoraussetzung, die bereits bei Klageerhebung vorliegen muss, sondern um eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die erst im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben sein muss. Die Klägerin hat eine Anfechtungsklage als Untätigkeitsklage erhoben, die in die Zulässigkeit hätte hineinwachsen können, wenn sich nicht zuvor der angefochtene Verwaltungsakt erledigt hätte. Der Senat musste daher keine Feststellungen dazu treffen, welche Frist im Streitfall für die Entscheidung über den Einspruch der Klägerin angemessen gewesen wäre.

60

cc) Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Klage bereits einen Tag nach Einlegung des Einspruchs erhoben hat. Zwar hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass rechtsmissbräuchlich vor Ablauf einer angemessenen Frist erhobene Untätigkeitsklagen endgültig unzulässig sind mit der Folge, dass sie nicht mehr in die Zulässigkeit hineinwachsen können. Diese Rechtsprechung ist aber zu Fallkonstellationen ergangen, in denen sowohl das Finanzamt als auch das Gericht aus verfahrensrechtlichen Gründen im Zeitpunkt der Klageerhebung an einer Entscheidung gehindert waren, weil Musterverfahren anhängig waren (grundlegend BFH-Beschluss vom 8. Mai 1992 III B 138/92, BStBl II 1992, 673). Damit ist der dem Streitfall zugrundeliegende Sachverhalt jedoch nicht vergleichbar. Die von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage war im Zeitpunkt der Erledigung der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung lediglich vorläufig unzulässig.

61

b) Diese vorläufige Unzulässigkeit der zunächst erhobenen Anfechtungsklage steht der Fortsetzung der Klage als Fortsetzungsfeststellungklage nicht entgegen.

62

aa) Der Senat ist der Auffassung, dass es nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage ist, dass die allein aufgrund des zu frühzeitigen Erhebung der Untätigkeitsklage "noch" unzulässige Anfechtungsklage bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses in die Zulässigkeit hineingewachsen ist. Hiergegen spricht im Streitfall bereits, dass der Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses nicht von der Klägerin zu vertreten ist. Außerdem ist der Grund für die vorläufige Unzulässigkeit der Klage, nämlich die Frage nach der angemessenen Frist für die Bescheidung des Einspruchs, durch die Erledigung der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung ihrerseits gegenstandslos geworden. Denn der Einspruch der Klägerin war danach mangels Beschwer nicht mehr zulässig (§ 350 AO). Aufgrund der Erledigung der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung war eine Sachentscheidung über den zuvor eingelegten Einspruch entbehrlich geworden (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juni 1987 VIII R 192/83, BFH/NV 1988, 104).

63

bb) Es steht der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage auch nicht entgegen, dass die Klägerin das besondere Rechtsschutzinteresse an der Fortsetzung des Verfahrens damit begründet, sie wolle einen von ihr aufgrund der von ihr für rechtswidrig gehaltenen streitbefangenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlittenen Schaden in einem Amtshaftungsprozess geltend machen und diesen durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung im finanzgerichtlichen Verfahren vorbereiten. Zwar hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass es in solchen Fällen nicht zulässig ist, unmittelbar Fortsetzungsfeststellungsklage zum Finanzgericht zu erheben, falls sich der angefochtene Verwaltungsakt bereits vor der Klageerhebung erledigt (BFH-Urteil vom 26. September 2007 I R 43/06, BStBl. II 2008, 134; vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG- vom 27. März 1998 4 C 14/96, NVwZ 1998, 1295). Diese Rechtsprechung wird damit begründet, dass das noch nicht anhängige verwaltungsgerichtliche bzw. finanzgerichtliche Verfahren im Falle der Erledigung des Verwaltungsakts vor Klageerhebung nicht mehr erforderlich ist, um die verwaltungsrechtlichen Vorfragen zu klären, von denen die Annahme eines Amtshaftungsanspruchs abhängt.

64

Diese Erwägung lässt sich aber nicht auf die im Streitfall gegebene Situation übertragen, in der die Klägerin vor der Erledigung der streitbefangenen Verfügung bereits eine - wenn auch vorläufig unzulässige - finanzgerichtliche Klage erhoben hatte. Es entspricht in dieser Lage dem Gebot der Prozessökonomie, die Zulässigkeit der bereits anhängigen finanzgerichtlichen Klage nunmehr als Fortsetzungsfeststellungsklage zu bejahen. Hierfür kommt es nicht darauf an, inwieweit das vor Erledigung des Verwaltungsakts anhängig gewordene Klageverfahren bereits konkrete "Früchte" erbracht hat, die die Klägerin im Amtshaftungsprozess verwerten könnte (BVerwG-Urteil vom 27. März 1998 4 C 14/96, NVwZ 1998, 1295)

65

c) Die Klägerin hat auch das für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche besondere Feststellungsinteresse glaubhaft gemacht, indem sie einen Schaden belegt und ihre Absicht versichert hat, diesen im Amtshaftungsprozess gegen den Beklagten geltend machen zu wollen. Der Senat hat aufgrund der Einlassungen des Geschäftsführers der Klägerin im vorbereitenden Verfahren und in den mündlichen Verhandlungen über die Klage die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin ernstlich gewillt ist, das Amtshaftungsverfahren zu führen.

66

aa) Der Hinweis auf einen Schadensersatzprozess kann ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO begründen. Dies setzt jedoch voraus, dass ein Schadensersatzprozess, wenn nicht schon anhängig, so doch mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass die Entscheidung nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO für den Schadensersatzprozess nicht unerheblich ist und dass der Schadensersatzprozess nicht offenbar aussichtslos ist; die Voraussetzungen für das besondere Feststellungsinteresse müssen substantiiert dargelegt werden (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs; vgl. BFH-Beschluss vom 14. Januar 2003 V R 93/01, BFH/NV 2003, 643, m.w.N.).

67

bb) Nach diesem Maßstab hat die Klägerin das besondere Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der von ihr angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung hinreichend dargelegt. Sie hat den ihr konkret und einfach feststellbar entstandenen Schaden benannt und nachvollziehbar dargetan, dass die Ermittlung eines daneben weiter entstandenen Schadens aufwändig sei und dass insoweit der Ausgang des finanzgerichtlichen Verfahrens abgewartet werden solle, bevor die Klägerin einen Amtshaftungsprozess anhängig macht. Der Senat ist hierbei der Auffassung, dass bereits ein Schaden in Höhe von 10,40 Euro geeignet ist, ein besonderes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts zu begründen.

68

cc) Außerdem kommt es für den Erfolg einer etwaigen Amtshaftungsklage maßgeblich auf den Ausgang dieses Verfahrens an. Schließlich erscheint ein Schadenersatzprozess nicht offenbar aussichtslos. Zwar mag im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses zu berücksichtigen sein, ob ein Mitverschulden der Klägerin an dem entstandenen Schaden darin liegt, dass sie ihre Umsatzsteuervoranmeldungen verspätet abgegeben und die im Schätzungswege festgesetzte Steuer nicht bei deren Fälligkeit freiwillig gezahlt hat. Ein solcher Prozess erscheint deshalb aber nicht offenbar aussichtslos.

69

II. Die Klage ist auch begründet. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten gegenüber der Drittschuldnerin vom 3. November 2015 ist mit Zugang der Verzichtserklärung des Beklagten hinsichtlich seiner Rechte aus der Verfügung beim Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin am 13. November 2015 endgültig rechtswidrig geworden.

70

1. Die streitbefangene Pfändungs- und Einziehungsverfügung war im Zeitpunkt ihres Erlasses formell rechtswidrig, weil der Beklagte ihr keine Begründung hinsichtlich der Ermessenserwägungen beigefügt hatte, die er dem Erlass der Verfügung zugrunde gelegt hatte.

71

a) Wenngleich es zweifelhaft ist, ob den Finanzbehörden für das "Ob" der Vollstreckung ein Ermessen eingeräumt ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 22. Oktober 2002 VII R 56/00, BStBl. II 2003, 109, unter 3. b), so liegt gleichwohl die Entscheidung über die weiteren Fragen des "Wann" und des "Wie" der Vollstreckung im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörden; dabei ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten (Werth in Klein, Komm. zur AO, 13. Aufl. 2016, Vor § 249 Rz. 6 u. § 249 Rz. 2, jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen).

72

b) Ist - wie im Bereich der Auswahl zwischen verschiedenen möglichen Vollstreckungsmaßnahmen nach § 249 AO - für die Finanzbehörde ein Ermessensspielraum eröffnet, so hat sie nach § 5 AO das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Dabei ist eine Entscheidung nur dann frei von Ermessensfehlern, wenn die Behörde sie auf der Grundlage einer einwandfreien und umfassenden Sachverhaltsermittlung getroffen hat. Zwar ist dann jede innerhalb des Ermessensrahmens und unter Berücksichtigung des Ermächtigungszwecks von der Behörde für sachgerecht erachtete Maßnahme rechtmäßig. Die Behörde muss aber ihre Maßnahmen in jedem Einzelfall auf das unumgänglich Notwendige beschränken und prüfen, welche der zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeigneten Maßnahmen den Betroffenen am wenigsten belasten (BFH-Urteil vom 24. September 1991 VII R 34/90, BStBl. II 1992, 57).

73

c) Damit der Betroffene und gegebenenfalls die Gerichte die Ermessenserwägungen der Finanzbehörde überprüfen können, muss eine Ermessensentscheidung grundsätzlich begründet werden. Die Begründung muss zeigen, dass die Finanzbehörde den Ermessensspielraum erkannt hat und von welchen Gesichtspunkten sie bei ihrer Ermessensentscheidung ausgegangen ist (Klein/Gersch, AO, § 5 Rz. 13). Zwar ist unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 AO oder in Fällen, in denen die Ermessenserwägungen dem Betroffenen bereits bekannt sind, eine Begründung der Entscheidung nicht erforderlich. Daneben ist in bestimmten Bereichen des den Finanzbehörden eingeräumten Ermessens wie der Anordnung von Außenprüfungen oder der Inhaftungnahme von Steuerhinterziehern die Ermessensentscheidung in einer Weise vorgeprägt, die eine besondere Begründung in der Regel entbehrlich macht (vgl. näher Klein/Gersch a.a.O.). Der Bereich der Vollstreckung nach den Vorschriften der §§ 249 ff. AO zählt hierzu jedoch nicht.

74

2. Nach diesen Grundsätzen war die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 formell rechtswidrig, weil der Beklagte bei deren Erlass nicht diejenigen Erwägungen dargelegt hat, die der Auswahl und dem Zeitpunkt der Vollstreckungsmaßnahme zugrunde lagen.

75

a) Der Beklagte kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die der Entscheidung zum Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung zugrundeliegenden Ermessenserwägungen dem Drittschuldner nicht mitgeteilt werden dürfen, um hinsichtlich der Besteuerungsverhältnisse des Vollstreckungsschuldners das Steuergeheimnis zu wahren (§ 30 AO), und dass deswegen - da der Bescheid über den Verwaltungsakt Pfändungs- und Einziehungsverfügung nur mit einheitlichem Inhalt an Drittschuldner und Vollstreckungsschuldner bekanntgegeben werden könne - die Ermessenserwägungen auch in der Bekanntgabe der Verfügung an den Vollstreckungsschuldner nicht enthalten sein dürften.

76

aa) Diese Erwägung verkennt, dass die Mitteilung der Ermessenserwägungen Teil der Begründung eines Ermessensverwaltungsakts ist und nicht Inhalt der damit getroffenen Regelung. Die Begründung des Verwaltungsakts nimmt nicht an einem verbindlichen Rechtsbindungsanspruch teil, sie wird nicht "wirksam" im Sinne von § 124 Abs. 1 Satz 2 AO (vgl. Müller-Franken in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 241. Lieferung Februar 2017, § 124 AO Rn. 201). Gerade deshalb kann die Begründung gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO nachgeholt werden, während der Verwaltungsakt zunächst auch ohne Begründung mit seiner Bekanntgabe wirksam wird (Müller-Franken, a.a.O.). Ebenso kann deshalb die Begründung eines gegenüber mehreren Betroffenen bekanntzugebenden Steuerverwaltungsakts im Verhältnis der Betroffenen voneinander abweichen.

77

bb) Auch § 30 AO, § 309 Abs. 2 Satz 2 AO stehen der Verpflichtung zur Begründung der Ermessensentscheidung an den Vollstreckungsschuldner bei der Bekanntgabe einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht entgegen.

78

(1) Nach § 30 Abs. 1 AO haben Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren. Die Offenbarung der Verhältnisse der Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörden ist danach nur unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AO zulässig. Von den darin bestimmten Tatbeständen kommt hier allein § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) AO in Betracht, wonach die Offenbarung zulässig ist, soweit sie der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen dient. Nach § 309 Abs. 2 Satz 2 AO soll die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungs- und Einziehungsverfügung den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe bezeichnen, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird. Die Vorschrift konkretisiert für ihren Anwendungsbereich die Anforderungen an das Steuergeheimnis.

79

(2) Der Beklagte ist der Auffassung, aus diesen Vorschriften ergebe sich mittelbar, dass die Ermessenserwägungen dem Drittschuldner nicht mitgeteilt werden dürften und dass sie deshalb auch dem Vollstreckungsschuldner nicht mitgeteilt werden dürften oder jedenfalls nicht müssten. Dieser weitere Schluss ist jedoch nicht zulässig. Dass § 309 Abs. 2 Satz 2 AO die Mitteilung des Schuldgrundes in einer Summe auch gegenüber dem Drittschuldner anordnet, steht im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 260 AO, nach der in der Pfändungsverfügung der Schuldgrund für die beizutreibenden Beträge anzugeben ist (eingehend BFH-Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BStBl II 2001, 5 [BFH 18.07.2000 - VII R 101/98]). § 260 AO ist seinerseits lex specialis im Verhältnis zu § 30 AO. Er wird wiederum durch § 309 Abs. 2 Satz 2 AO als noch speziellere Regelung für den Bereich der Forderungspfändung eingeschränkt.

80

Hinsichtlich der Verpflichtung der Finanzbehörde, dem Vollstreckungsschuldner im Rahmen der Begründung auch die der Entscheidung zum Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zugrundeliegenden Ermessenserwägungen mitzuteilen, lässt diese Gesetzeslage nicht den Schluss zu, dem Vollstreckungsschuldner bräuchten keine Ermessenserwägungen mitgeteilt zu werden. Genauso wie der Vollstreckungsschuldner die ihm gegenüber geltend gemachte Forderung getrennt nach Steuerart und -jahr kennen muss, um zu überprüfen, ob die Finanzbehörde diese Beträge zu Recht ihm gegenüber geltend macht (vgl. bereits BFH-Beschluss vom 19. November 1963 VII 18/61 U, BStBl III 1964, 22; BFH-Urteil vom 8. Februar 1983 VII R 93/76, BStBl II 1983, 435 [BFH 08.02.1983 - VII R 93/76]), muss er die Ermessenserwägungen der Finanzbehörde kennen, um sie auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen und über einen Rechtsbehelf gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu entscheiden. Genauso wie der Drittschuldner hingegen die Aufteilung der der Vollstreckung zugrundeliegenden Schuld auf Steuerarten und -jahre nicht kennen muss um seine eigenen Rechte zu wahren, bedarf er hierzu nicht der Kenntnis der Ermessenserwägungen der Finanzbehörde. Deren Mitteilung an den Drittschuldner dient demgemäß nicht der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) AO). Für die Ermessenserwägungen ergibt sich vielmehr die Verpflichtung, sie dem Drittschuldner nicht mitzuteilen, aus § 30 AO, während sich die Verpflichtung zu deren Mitteilung an den Vollstreckungsschuldner aus § 121 Abs. 1 AO ergibt.

81

b) Im Übrigen zeigt auch die Verwaltungspraxis, nach der die Mitteilung an den Vollstreckungsschuldner von der wegen seiner Rückstände erfolgten Forderungspfändung in der Weise erfolgt, dass ihm ein Anschreiben, eine Ausfertigung der dem Drittschuldner bekanntgegebenen Verfügung sowie eine Rückstandsaufstellung übersandt werden, dass die Aufnahme von Ermessenserwägungen in das Anschreiben ohne weiteres möglich wäre, ohne auf die Mitteilung der dem Drittschuldner übersandten Verfügung im Originalwortlaut zu verzichten.

82

c) Da die der Klägerin bekanntgegebene Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 keine Begründung hinsichtlich der Ermessenserwägungen des Beklagten enthielt, war sie wegen eines Verstoßes gegen § 121 Abs. 1 AO formell rechtswidrig. Hieran hat sich bis zur Erledigung der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung am 13. November 2015 nichts geändert.

83

3. Der Begründungsmangel konnte nach der Erledigung der streitbefangenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht mehr nach § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO geheilt werden.

84

a) Die Regelung des § 126 Abs. 2 AO dient der Verfahrensökonomie. Sie soll verhindern, dass ein Verwaltungsakt allein wegen eines Verfahrensmangels aufgehoben wird und die Behörde danach einen Verwaltungsakt gleichen Inhalts erlassen muss. Hat sich der Verwaltungsakt vor der Einlegung des Einspruchs durch Zeitablauf oder in sonstiger Weise gemäß § 124 Abs. 2 AO erledigt, ist eine Heilung nach § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO nicht mehr möglich, da die Heilung einen wirksamen Verwaltungsakt voraussetzt (BFH-Urteil vom 17. Januar 2017 VIII R 52/14, BFH/NV 2017, 777).

85

b) Die vom Beklagten angeführten Besonderheiten, die - wie vorstehend zu II. 2. dargestellt - der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht entgegenstehen, erlauben im Streitfall auch keine abweichende Beurteilung hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Möglichkeit der Heilung einer erledigten Kontopfändung. Gründe hierfür sind weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich.

86

c) Diesem Ergebnis steht § 102 Satz 2 FGO nicht entgegen. Zwar kann die Finanzbehörde danach ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen. Das setzt aber zum einen voraus, dass bereits Ermessenserwägungen mitgeteilt sind. Zum anderen scheidet die Anwendung des § 102 Satz 2 FGO im Streitfall auch deshalb aus, weil die Ergänzung einer Ermessensentscheidung begrifflich das Vorliegen eines noch wirksamen Verwaltungsakts voraussetzt. Die Anwendung der Vorschrift ist bei einer nach Erledigung des Verwaltungsakts nur noch in Betracht kommenden Fortsetzungsfeststellungsklage folglich ausgeschlossen ((BFH-Urteil vom 17. Januar 2017 VIII R 52/14, a.a.O.). Im Übrigen hat der Beklagte seine dem Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zugrundeliegenden Ermessenserwägungen auch im gerichtlichen Verfahren nicht mitgeteilt; allerdings hat der Senat den Beklagten hierzu wegen seiner Rechtsauffassung zur endgültigen Rechtswidrigkeit der Verfügung aufgrund von deren Erledigung auch nicht ausdrücklich aufgefordert.

87

4. § 127 AO steht der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht entgegen. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Die Vorschrift ist auch im Verfahren über die Fortsetzungsfeststellungsklage anwendbar (vgl. - dies offenbar voraussetzend - BFH-Urteil vom 21. Juni 1994 VIII R 24/92, BFH/NV 1994, 763, unter II.2.b)). Auch handelt es sich beim Fehlen der Ermessenserwägungen um einen Begründungsmangel im Sinne dieser Vorschrift. Die Voraussetzungen für Ihre Anwendung liegen aber im Streitfall gleichwohl nicht vor, da es sich beim Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung wie dargelegt um eine Ermessensentscheidung handelt, wegen derer in der Sache auch eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre.

88

a) Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass im Einzelfall auch bei Ermessensentscheidungen aufgrund einer Ermessensreduzierung auf null nur eine einzige Entscheidung ermessensgerecht sein kann. Ein solcher Fall lag auch der vom Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Beschluss vom 2. August 2012 V B 68/11, BFH/NV 2013, 243) zugrunde.

89

b) Anders als in jenem Beschlussfall war aber im Streitfall das dem Beklagten zu Gebote stehende Ermessen nicht auf null reduziert. Es wäre nicht ermessensfehlerhaft gewesen, anstelle des Erlasses der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 3. November 2015 die Klägerin noch einmal zur Zahlung aufzufordern, wegen der von der Klägerin eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen oder ggf. - bei entsprechender, ermessensfehlerfreier Begründung - eine andere Vollstreckungsmaßnahme zu ergreifen. In der mündlichen Verhandlung am 15. August 2016 hat die Vertreterin des Beklagten selbst vorgetragen, dass der Beklagte wohl am 3. November 2015 anders über die Pfändung der Konten der Klägerin entschieden hätte, wenn die Mitarbeiterin der Erhebungsstelle des Beklagten Kenntnis davon gehabt hätte, dass die Klägerin Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben hatte, aus denen sich der Wegfall der fälligen Rückstände ergab. Der Beklagte kann sich daher gegenüber der von der Klägerin begehrten Feststellung nicht auf § 127 AO berufen.

90

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 2 Nr. 3, § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 1 und 2 Nr. 1 FGO) erfolgt zur Klärung der grundsätzlich bedeutenden Frage, ob die Heilung einer angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung hinsichtlich der zunächst fehlenden Begründung der Ermessenserwägungen des Beklagten möglich ist, nachdem sich die Verfügung erledigt hat.