Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.09.2017, Az.: 14 K 241/16
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 26.09.2017
- Aktenzeichen
- 14 K 241/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 43874
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2017:0926.14K241.16.00
Rechtsgrundlagen
- § 39e EStG 2009
- § 40a Abs. 2 EStG 2009
- § 42d Abs. 1 EStG 2009
- § 8 Abs. 2 SGB 4
- EStG VZ 2013
- EStG VZ 2014
- EStG VZ 2015
Amtlicher Leitsatz
Ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis liegt in der Regel dann vor, wenn die beschäftigte Person eine geringfügige und eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ausübt.
Der Arbeitgeberbegriff ist nicht betriebsbezogen, sondern personenbezogen zu verstehen.
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob bei den in beiden Betrieben des Klägers zugleich tätigen Mitarbeitern ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt.
Der Kläger ist Inhaber des Betriebes X, einem Betrieb für den Vertrieb und die Verarbeitung von Klebstoffen und Klebstoffzubehör und einer Buchbinderei. Die Betriebsstätten liegen räumlich nahe beieinander und die Betriebe werden beim beklagten Finanzamt (FA) unter eigenen Steuernummern geführt.
Von den insgesamt 24 Arbeitnehmern waren 9 Arbeitnehmer als Aushilfskräfte geführt. Der Kläger unterhielt für jeden Betrieb eine gesonderte Lohn- und Finanzbuchhaltung. Die Lohnsteueranmeldungen gab er für beide Betriebe zusammengefasst unter der Steuernummer des Betriebes X ab.
Die Arbeitnehmer Herr A, Frau B, Frau C und Frau D arbeiteten neben ihrer Festanstellung in dem einen Betrieb jeweils auch als geringfügig Beschäftigte in dem anderen Betrieb. Der Kläger ermittelte die Lohnsteuer für das Hauptbeschäftigungsverhältnis nach individuellen Besteuerungsmerkmalen und pauschalierte für das zweite (geringfügige) Beschäftigungsverhältnis die Lohnsteuer nach § 40a Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG). In den jeweiligen Beschäftigungsverhältnissen wurden im Streitzeitraum folgende Lohnzahlungen geleistet:
Betrieb X | Buchbinderei | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Anstellung lt. Vertrag | ||||||||
Herr A | Industr.Mech, 38,5 Std/Wo, xxx € | BuchBinde-Helfer 10-12 Std/Wo, 400,00 € (bar) | ||||||
Frau D | G+A Kauffr. 40,0 Std/Wo, xxx € +9 ÜStd | BuchBinde-Helfer 10-12 Std/Wo, 400,00 € (bar) | ||||||
Frau C | Buchhalterin, 28,0 Std/Wo, xxx € | Prod.Helfer 9-10 Std/Wo, 350,00 € (bar) | ||||||
Frau B | Bürohelferin, 10-12 Std/Wo, 400,00 € | Prod.Helfer , 38,5 Std/Wo, xxx € | ||||||
Lohn | 2012 EUR | 2013 EUR | 2014 EUR | 2015 EUR | 2012 EUR | 2013 EUR | 2014 EUR | 2015 EUR |
A | xxx | xxx | xxx | xxx | 4.800,00 | 4.800,00 | 4.800,00 | 4.794,00 |
D | xxx | xxx | xxx | xxx | 4.800,00 | 4.800,00 | 4.800,00 | 4.794,00 |
C | xxx | xxx | xxx | xxx | 4.200,00 | 4.200,00 | 4.200,00 | 4.182,00 |
B | 4.800,00 | 4.800,00 | 4.800,00 | 4.794,50 | xxx | xxx | xxx | xxx |
Eine Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung für den Zeitraum Januar 2010 bis Dezember 2012 blieb ohne Feststellungen. Im Jahr 2016 führte das FA in den Betrieben des Klägers eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch, bei der die Prüferin die Auffassung vertrat, dass bei den in beiden Betrieben beschäftigten Arbeitnehmern ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vorliege, weil der Kläger als Betriebsinhaber auch deren Arbeitgeber sei. Nach § 40a Abs. 4 Nr. 2 EStG könnten die Arbeitnehmer nicht für denselben Arbeitgeber in zwei --gegenwärtigen-- Arbeitsverhältnissen mit der Folge unterschiedlicher steuerlicher Behandlung beschäftigt sein. Dies gelte auch dann, wenn es sich um unterschiedliche Tätigkeiten handele.
Das FA erließ einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge betreffend den Zeitraum Januar 2013 bis Dezember 2015, mit dem es den Kläger nach § 42d Abs. 1 EStG u.a. für Lohnsteuer in Höhe von insgesamt xxx EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von xxx EUR in Haftung nahm. Das FA nahm zur Begründung auf den Prüfungsbericht über die Lohnsteueraußenprüfung Bezug und führte ergänzend aus, dass der Kläger als Haftender anstelle der Arbeitnehmer in Anspruch genommen werde, weil ein Haftungsausschluss nicht vorliege, seine Inanspruchnahme nicht unbillig sei und er sich mit der Inanspruchnahme einverstanden erklärt habe.
Mit dem hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch wandte sich der Kläger gegen die Annahme von einheitlichen Beschäftigungsverhältnissen. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Ausweislich eines Vermerks der Prüferin sei die Inanspruchnahme des Klägers als Arbeitgeber mit dem Ziel der einheitlichen Klärung des Sachverhalts einvernehmlich erfolgt und sei deshalb von der vorrangigen Inanspruchnahme der Arbeitnehmer abgesehen worden.
Mit der fristgerecht erhobenen Klage hält der Kläger an seiner Auffassung fest, dass die Arbeitsverhältnisse der 4 Arbeitnehmer in beiden Firmen nicht als einheitliches Beschäftigungsverhältnis zu werten seien, weil die Betriebe eigenständige Unternehmen mit unterschiedlichen Unternehmenszwecken seien und unterschiedliche Betriebssitze hätten. Der Betrieb X sei ein Handel mit Klebstoffen und biete Lohnarbeiten im Bereich der Klebetechnik an, während die Buchbinderei im Bereich der Papierverarbeitung und Buchbindungen tätig sei. Die Auftragssituation beim Betrieb X sei im Allgemeinen konstant, während es bei der Buchbinderei erheblichen Schwankungen bei der Arbeitsbelastung gebe. Da er bei der Buchbinderei zur Abdeckung der Spitzenzeiten anderenfalls Personal vorhalten müsse, dieses aus finanziellen Gründen aber nicht möglich sei und entsprechendes Personal kurzfristig nicht zur Verfügung stehe, werde dieser Bedarf in Spitzenzeiten durch Mitarbeiter des Betriebes X abgedeckt. Die Entlohnung erfolge nach geleisteten Stunden im Rahmen von sogenannten Minijobs.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Regelung des § 40a EStG auf seine Betriebe nicht anwendbar sei. Nach der Regelung des § 40a EStG scheide eine Lohnsteuerpauschalierung nur dann aus, wenn der Arbeitnehmer von demselben Arbeitgeber Arbeitslohn beziehe, da aber in seinem Fall zwei verschiedene Arbeitgeberbetriebe beständen, sei nicht von "demselben Arbeitgeber" im Sinne der Regelung auszugehen. Für diese Beurteilung spreche auch seine tatsächliche Handhabung, weil für jeden der beiden Betriebe der Gewinn getrennt ermittelt werde und die jeweils angefallenen Betriebsausgaben, zu denen auch der Arbeitslohn gehöre, dem jeweiligen Betrieb zugeordnet würden. Ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis könne nur angenommen werden, wenn beide Beschäftigungsverhältnisse in einem Arbeitsvertrag geregelt seien. Die Tätigkeiten der betreffenden Arbeitnehmer als Vollzeittätigkeit in dem einem Betrieb und Minijob in dem anderen Betrieb könnten arbeitsrechtlich schon deshalb nicht in einem Vertrag geregelt werden, weil die Betriebe unterschiedlichen Berufsgenossenschaften angehörten. Soweit der Beklagte sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Januar 1983 (12 R K 26/81, BSGE 55, 1) stütze, sei der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt nicht auf seine Betriebe übertragbar. Auch hätten seine Rückfragen bei Rentenversicherung und Krankenkasse ergeben, dass sofern die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien, auch die Lohnsteuerpauschalierung nach § 40a EStG erfolgen könne. Für die Beantwortung der Frage, ob ein einheitliches Dienstverhältnis oder mehrere nebeneinander bestehende Dienstverhältnisse vorlägen, komme es auch auf die Art der Beschäftigungsverhältnisse an, die bei den betreffenden Arbeitnehmern unterschiedlich seien.
Ergänzend führt der Kläger aus, dass die Aushilfstätigkeit der Arbeitnehmer nicht am Ort ihrer Haupttätigkeit ausgeübt worden sei. Arbeitszeitkonten habe er für die Aushilfstätigkeiten nicht geführt. Aus Gründen bürokratischer Erleichterungen sei mit den Mitarbeitern eine bestimmte Anzahl von zu leistenden Arbeitsstunden pro Monat festgelegt worden, sodass er kontinuierliche Zahlungen habe leisten können. Dieses sei durch die an die Krankenkasse vorzunehmenden Meldungen bedingt, die bis zum 27. eines jeden Monats einzureichen seien, während gerade in den Tagen zum Monatsende häufig Mehrarbeit angefallen sei. Soweit mehr als die vereinbarten Stunden geleistet worden seien, seien diese in den nächsten Monat übertragen worden, während ein Stundenminus in der Folgezeit nachgeholt worden sei. Dieses System habe sich bewährt, weil es sich um langjährig beschäftigte Mitarbeiter handele, die mit den Betriebsabläufen vertraut seien und absolut korrekt und vereinbarungsgemäß ihre jeweiligen Aufgabenbereiche erfüllt hätten.
Zu den Tätigkeiten im Einzelnen führt der Kläger aus, dass Herr A zunächst als Industriemechaniker beim Betrieb X begonnen habe und sich dessen Arbeitsbereich durch die allgemeine technische Entwicklung bedingt verändert habe. Aufgrund seiner Erfahrung und Kenntnisse sei er dort nunmehr als technischer Betriebsleiter tätig und überwache die Lohnarbeiten sowie die Anfertigung der Werkzeuge, die hierfür erforderlich seien. In der Buchbinderei sei er wegen seiner technischen Kenntnisse für die Wartung und Reparatur des teilweise sehr betagten Maschinenparks zuständig. Diese Arbeiten führe er in der Regel nach Feierabend aus, damit der Betriebsablauf beim Betrieb X nicht beeinträchtigt werde. Zudem habe er manuelle Tätigkeiten, die im Produktionsablauf zu erbringen seien, zur Einhaltung der Liefertermine unterstützt.
Frau D arbeite beim Betrieb X im Büro und sei in der Buchbinderei auf Zuruf als Produktionshelferin (Springerin) eingesetzt worden, wenn es die personelle Situation erfordert habe.
Frau C habe in der Buchbinderei die Buchhaltung bearbeitet, Schriftverkehr und sonstige Verwaltungstätigkeiten ausgeführt und Tätigkeiten im Produktionsablauf unterstützt, die nur manuell ausgeführt werden könnten. Da sie beim Betrieb X nur an 4 Tagen in der Woche gearbeitet habe, sei sie in der Regel am Freitag in der Buchbinderei tätig gewesen.
Frau B sei ursprünglich seit Mitte der 1990er Jahre beim Betrieb X beschäftigt gewesen, bevor sie zur Buchbinderei gewechselt sei. Dort sei sie für die Auftragsannahme und Auftragskoordination zuständig. Aufgrund ihrer Englischkenntnisse sei sie beim Betrieb X unverändert für die Betreuung und Überwachung der Sicherheitsdatenblätter verantwortlich, die sie in die deutsche Sprache übersetze und für das europäische Recht anpasse. Sie sei auch für die Überprüfung der Ursprungsländer, aus denen Rohstofflieferungen erfolgten, zuständig.
Die Arbeitszeiten seien nicht im Vorhinein festgelegt, die Mitarbeiter arbeiteten eigenverantwortlich je nach Arbeitsanfall. Die zusätzliche Beschäftigung der Mitarbeiter sei seit dem Jahr 2010 erforderlich geworden, weil sich die Zahl seiner Mitarbeiter in der Buchbinderei verringert habe und er selbst auch nicht mehr in dem Umfang wie früher dort habe mitarbeiten können. Die Regelung sei getroffen worden, weil die Mehrarbeit unplanbar kurzfristig anfalle und in der Kürze der Zeit nicht die erforderlichen Aushilfen zur Verfügung stünden. Da die betreffenden Mitarbeiter besonders zuverlässig seien, habe er für die Aufzeichnung der Arbeitszeiten keine Veranlassung gesehen. Seiner Ansicht nach sei die Aufzeichnung der Arbeitszeiten nicht nur überflüssiger Verwaltungsaufwand, sondern bringe auch Misstrauen gegenüber den Arbeitnehmern zum Ausdruck und führe zu einer Belastung des Betriebsklimas.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge ... aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat einen geänderten Haftungsbescheid erlassen, mit dem er den Lohnsteuer-Haftungsbetrag auf xxx € herabgesetzt hat.
Er hält an seiner im Vorverfahren vertretenen Auffassung fest, dass bei den streitbefangenen geringfügigen Beschäftigungen von einheitlichen Beschäftigungsverhältnissen auszugehen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), insbesondere dem Urteil vom 27. Juli 1990 (VI R 20/89, BStBl II 1990, 931) könne das Beschäftigungsverhältnis eines Arbeitnehmers zu einem Arbeitgeber grundsätzlich nicht in ein Pauschalierungsarbeitsverhältnis einerseits und ein dem normalen Lohnsteuerabzug zu unterwerfendes Arbeitsverhältnis andererseits aufgespalten werden. Diese Arbeitnehmer könnten auch nicht Arbeitnehmern gleichgestellt werden, die eine Nebentätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber ausübten, weil der Arbeitgeberbegriff nicht betriebsbezogen zu verstehen sei. Wenn die Vertragsparteien bei Abschluss mehrerer Arbeitsverträge wie im vorliegenden Fall identisch seien, liege aufgrund der Personenidentität ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vor. Im Übrigen sei auch der Kläger dementsprechend verfahren, da er die Lohnsteueranmeldungen für beide Betriebe kumuliert vorgelegt und nicht jeweils getrennt für jeden Betrieb gesondert gefertigt habe.
Selbst wenn es möglicherweise auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers ankomme, sei anhand der vom Kläger vorgelegten Arbeitsverträge aber nicht auszuschließen, dass die Einrichtung der Pauschalierungsarbeitsverhältnisse lediglich einer unzulässigen Aufspaltung von Arbeitsverhältnissen habe dienen sollen. Hierfür spreche die wechselseitige Beschäftigung der Arbeitnehmer in den jeweiligen Betrieben. So seien die Beschäftigten A, C und D im Betrieb X regulär und in der Buchbinderei geringfügig beschäftigt gewesen, während die Arbeitnehmerin B in der Buchbinderei mit ihrem Hauptarbeitsverhältnis und daneben im Betrieb X geringfügig beschäftigt gewesen sei. Es sei nicht ersichtlich, warum Frau B mit der Hauptbeschäftigung in der Buchbinderei zusätzlich noch geringfügig im Betrieb X habe tätig werden müssen, während gleichzeitig Arbeitnehmer mit Hauptbeschäftigung im Betrieb X zusätzlich aushilfsweise in der Buchbinderei gearbeitet hätten. Wären die Betriebe des Klägers so verschieden, dass steuerlich keine einheitlichen Beschäftigungsverhältnisse anzunehmen seien, hätte es nahegelegen, die jeweiligen Arbeitnehmer in verstärktem Maß jeweils in ihrem Hauptbetrieb zu beschäftigen, anstatt zusätzliche geringfügige Beschäftigungen im anderen Betrieb einzurichten.
Nach dem Inhalt der Arbeitsverträge bestehe keine Verschiedenartigkeit der Beschäftigungsverhältnisse. So sei Frau B in der Buchbinderei mit 38,5 Wochenstunden als Produktionshelferin und mit 10-12 Wochenstunden im Betrieb X als Bürohelferin beschäftigt, während umgekehrt Frau C mit 28 Wochenstunden als Buchhalterin im Betrieb X und daneben mit 9-10 Wochenstunden als Produktionshelferin in der Buchbinderei beschäftigt sei. Dies zeige, dass die geringfügigen Helferbeschäftigungen offensichtlich austauschbar und von den jeweiligen Haupttätigkeiten nicht abgrenzbar seien. Gleiches gelte für die Arbeitsverhältnisse von Frau D und Herrn A. Ein Widerspruch zu § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) bestehe aufgrund der Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV nicht.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Nachforderungsbescheid verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-), weil der Beklagte zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Aushilfsbeschäftigungen nicht im Rahmen eines pauschal besteuerten Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werden konnten, und die Inanspruchnahme des Klägers für die zu niedrig abgeführte Lohnsteuer zu Recht erfolgt ist.
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Danach muss die Lohnsteuer nicht in einer Höhe abgeführt worden sein, wie sie hätte abgeführt werden müssen. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor, da die Voraussetzungen für eine Lohnsteuerpauschalierung nicht gegeben waren.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich der Ausschluss der Pauschalierungsmöglichkeit nicht bereits unmittelbar aus § 40a Abs. 4 Nr. 2 EStG, da diese Vorschrift nicht auf die Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 EStG anzuwenden ist (vgl. Schmidt/Krüger, EStG 36. Aufl. § 40a Rz. 14; Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 40a Rz.1). Der Ausschluss folgt vielmehr daraus, dass bei den streitigen Arbeitsverhältnissen nicht von einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 40a Abs. 2 EStG ausgegangen werden kann, sondern in diesen Fällen vielmehr einheitliche Beschäftigungsverhältnisse vorliegen.
aa) Gemäß § 40a Abs. 2 EStG kann der Arbeitgeber unter anderem bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV die Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer mit einem einheitlichen Pauschsteuersatz in Höhe von insgesamt 2 Prozent des Arbeitsentgelts erheben. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 € nicht übersteigt. Unter den in § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV geregelten Voraussetzungen kann zwar eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV neben einer Hauptbeschäftigung ausgeübt werden. Dies gilt nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung jedoch nicht, wenn die geringfügige und die versicherungspflichtige Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ausgeübt werden. In diesen Fällen ist von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geht davon aus, dass alle von einem Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen, als einheitliche Beschäftigung gelten und die bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigungen ohne Rücksicht auf ihre arbeitsvertragliche Gestaltung als einheitliches Beschäftigungsverhältnis anzusehen sind (BSG-Urteile vom 31. Oktober 2012 B 12 R 1/11 R, NZS 2013, 349; vom 27. Juni 2012 B 12 KR 28/10 R, SozR 4-2400 § 8 Nr. 5; vom 16. Februar 1983, 12 RK 26/81, BSGE 55, 1, USK 8310). Zur Begründung wird ausgeführt, dass auch wenn nach § 8 Abs. 2 SGB IV die Versicherungsfreiheit einer geringfügigen Beschäftigung neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich sei, es keinen Hinweis darauf gebe, dass nach dem Willen des Gesetzgebers damit auch eine weitere Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber versicherungsfrei sein solle (BSG-Urteil vom 27. Juni 2012, B 12 KR 28/10 R, SozR 4-2400 § 8 Nr. 5). Abhängig von der Art der Tätigkeit kann danach eine einheitliche Beschäftigung bereits dann vorliegen, wenn aus der einen Beschäftigung gewonnene Kenntnisse und Erfahrungen für die andere Tätigkeit genutzt werden müssen und die Tätigkeit dem (selben) Arbeitgeber nützlich ist (vgl. BSG-Urteil vom 31. Oktober 2012 B 12 R 1/11 R, NZS 2013, 349).
bb) Hieraus ergibt sich im Ergebnis auch für die Regelung des § 40a Abs. 2 EStG, dass eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden muss, wenn diese von demselben Arbeitgeber stammen, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind.
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze geht der Senat davon aus, dass die betreffenden Arbeitnehmer ihre Haupt- und Nebentätigkeit bei demselben Arbeitgeber ausgeübt haben und einheitliche Beschäftigungsverhältnisse vorliegen
a) Der zivilrechtliche, sozialversicherungsrechtliche wie auch lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberbegriff knüpfen (allein) daran an, wer den Anspruch auf die nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitskraft hat (vgl. Schaub/Koch, Arbeitsrecht von a-Z, 21. Aufl. 2017 "Arbeitgeber"; LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 20. Juni 2013 L 7 R 2757/11, juris auch unter Hinweis auf die schon zitierte Rspr. des BSG; Schmidt/Krüger, EStG 36. Aufl. § 38 Rz. 2). Das ist regelmäßig der Vertragspartner im Arbeitsvertrag (Blümich/Thürmer, EStG 137. Lfg. § 38 Rz. 65), also entweder die natürliche oder juristische Person oder sofern ein Betrieb in der Form einer GbR i.S.d. § 705 BGB betrieben wird, die GbR (Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht (ErfK), BGB § 611 Rn. 183). Bei den streitigen Arbeitsverhältnissen hat der Kläger auf Seite des Arbeitgebers sämtliche Verträge unterzeichnet.
b) Danach sind nicht die Betriebe des Klägers, sondern ist der Kläger als deren Inhaber als Arbeitgeber anzusehen, weil er in dieser Eigenschaft die Arbeitsverträge mit den Arbeitnehmern geschlossen hat und er selbst den Anspruch auf die von den Arbeitnehmern geschuldete Arbeitsleistung hatte. Diese Beurteilung führt übertragen auf die hier in Streit stehende Möglichkeit der Lohnsteuerpauschalierung dazu, dass ohne Rücksicht auf die arbeitsvertragliche Gestaltung von einheitlichen Beschäftigungsverhältnissen auszugehen ist und aufgrund der auch bestehenden versicherungspflichtigen Tätigkeiten nicht von daneben bestehenden geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen ausgegangen werden kann.
c) Auch wenn der Senat der teilweise vertretenen Auffassung folgte, wonach es nach dem Gesetzeswortlaut nicht ausgeschlossen sei, dass die geringfügige Nebentätigkeit auch beim Arbeitgeber der Haupttätigkeit ausgeübt werden könne, wenn eine nach objektiven Kriterien vorzunehmende Abgrenzbarkeit der Tätigkeiten gewährleistet sei (Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 40a Rz. 6), könnte dieses der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Arbeitsverhältnisse nicht nach objektiven Kriterien abgrenzbar sind.
aa) Es fehlen die erforderlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeiten zeitlich innerhalb der jeweiligen Arbeitsverhältnisse abgrenzbar und tatsächlich so ausgestaltet sind, dass sie eindeutig dem jeweiligen zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis zugerechnet werden können. Es lässt sich nicht feststellen, wann die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit im Hauptbetrieb und wann im Nebenbetrieb ausgeübt haben, weil die Mitarbeiter auf eigene Veranlassung je nach Bedarf in dem einen oder dem anderen Betrieb tätig geworden sind, und der monatliche Lohn auch für die geringfügige Beschäftigung unabhängig von den tatsächlich geleisteten Stunden regelmäßig in der vertraglich vereinbarten Höhe gezahlt worden ist. Eine Aufzeichnung der Stunden wäre aber mindestens erforderlich, um eine in zeitlicher Hinsicht nach objektiven Kriterien mögliche Abgrenzung vornehmen zu können. Wenn nämlich wie im Streitfall nicht ausgeschlossen werden kann, dass die im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung zu erbringende Arbeit auch zu Zeiten geleistet worden ist, in denen die Mitarbeiter ihre Arbeit regelmäßig im Hauptbetrieb hätten verrichten müssen, ist dieses ein Indiz, dass die Haupt- und Nebenarbeitsverhältnis tatsächlich so miteinander verbunden sind, dass faktisch jeweils von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen werden muss. Es ist für den Senat auch nicht nachvollziehbar, wann beispielsweise die Mitarbeiterin D, die nach ihrem Hauptarbeitsvertrag mit 40 Wochenstunden und einschließlich bis 9 Überstunden monatlich angestellt war, die 10-12 Stunden im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung wöchentlich zu erbringen waren, überhaupt ableisten konnte.
bb) Auch die Tätigkeiten selbst sind nicht eindeutig nach objektiven Kriterien abgrenzbar. Die Aufgabenbeschreibungen in den Anstellungsverträgen der Nebentätigkeit lassen keinen Rückschluss zu, da die Mitarbeiter tatsächlich andere Tätigkeiten als in den Arbeitsverträgen angegeben ausgeübt haben. So hat beispielsweise der als Buchbindehelfer angestellte Mitarbeiter A bei der Buchbinderei mit der Wartung der Maschinen die Tätigkeit ausgeübt, für die er ursprünglich beim Betrieb X angestellt gewesen ist. Die als Bürohelferin beschäftigte Mitarbeiterin B war bei insoweit gleichbleibender Arbeitsaufgabe vor ihrem Wechsel zur Buchbinderei zunächst mit ihrem Hauptarbeitsverhältnis beim Betrieb X beschäftigt, um dann anschließend die früher auch im Rahmen der Haupttätigkeit erbrachte Tätigkeit insoweit als geringfügige Beschäftigung auszuüben. Die als Produktionshelferin beschäftigte Frau C war tatsächlich überwiegend wie im Hauptberuf als Buchhalterin und Bürokraft tätig.
c) Soweit das FG Münster in seinem Urteil vom 21. Februar 2003 (11 K 1158/01 L, EFG 2003, 864) die Auffassung vertreten hat, dass eine Arbeitnehmerin, die in einem Betrieb (Ausbildungsinstitut) ihres Arbeitgebers als Sekretärin und in dessen zweiten Betrieb (Buchhandel) als Verkäuferin in den Abendstunden tätig ist, im Rahmen von zwei verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen in zwei verschiedenen Betrieben tätig wird, ist diese Fallgestaltung auf den Streitfall nicht übertragbar. In dem Urteilsfall hat die Arbeitnehmerin mit zwei Arbeitsverträgen inhaltlich unterschiedliche Tätigkeiten ausgeübt und auch die im Rahmen des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses abzuleistende Arbeitszeit war auf die Abendstunden begrenzt und von der Arbeitszeit des Hauptarbeitsverhältnisses abgrenzbar. Dahingehende Feststellungen konnten jedoch im Streitfall für die betreffenden Arbeitnehmer jedoch nicht getroffen werden.
d) Die Tatsache, dass die Prüfungen durch die Rentenversicherung keine Beanstandungen ergeben haben, führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts, weil der Entscheidung der Rentenversicherung für die Frage der Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Pauschalierung der Lohnsteuer keine Bindungswirkung zukommt.
Abgesehen davon, dass der Prüfungszeitraum der Deutschen Rentenversicherung nicht mit dem Prüfungszeitraum der Lohnsteueraußenprüfung identisch ist, können ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung behördliche Entscheidungen wie die der Deutschen Rentenversicherung nur dann eine Bindungswirkung im Sinne eines Grundlagenbescheides für eine nachfolgende Entscheidung des Finanzamts entfalten, wenn Sachverhalte zu beurteilen sind, die die Finanzbehörde mangels eigener Sachkunde nicht selbst nachzuprüfen vermag (vgl. BFH-Beschluss vom 13. April 2005, VI B 197/04, BFH/NV 2005, 1231 [BFH 13.04.2005 - VI B 197/04]). Da es keine gesetzlich geregelte Bindungswirkung der Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung in Bezug auf die Anerkennung der Geringfügigkeit der Beschäftigung im Sinne des § 40a Abs. 2 EStG gibt, war der Beklagte auch nicht insoweit gebunden.
e) Schließlich kann auch der Umstand, dass die Zugehörigkeit der Betriebe zu unterschiedlichen Berufsgenossenschaften den Abschluss getrennter Arbeitsverträge erfordert, keine andere Beurteilung in der Sache herbeiführen. Auch wenn die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Berufsgenossenschaften den Abschluss getrennter Arbeitsverträge erfordert, so kann dieses nicht zugleich die Vornahme der Pauschalversteuerung nach § 40a Abs. 2 EStG rechtfertigen, da § 40a Abs. 2 EStG lediglich ein Wahlrecht und keine Verpflichtung begründet. Im Übrigen schließt allein die Tatsache, dass der Kläger das Arbeitsentgelt für das Nebenarbeitsverhältnis nach den nach § 39e EStG zu bildenden Lohnsteuerabzugsmerkmale versteuern muss, den Abschluss von zwei getrennten vereinbarten Arbeitsverträgen nicht aus, weil die Annahme eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses nicht davon abhängt, dass für eine Beschäftigung in beiden Betrieben zugleich ein für beide Betriebe geltender, einheitlicher Arbeitsvertrag geschlossen wird.
2. Die Höhe der im Haftungsbescheid ausgewiesenen Lohnsteuer ist durch den geänderten Haftungsbescheid berichtigt worden und im Übrigen nicht zu beanstanden. Die Inanspruchnahme des Klägers durch Haftungsbescheid ist ebenfalls rechtmäßig. Insbesondere sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Kläger vorrangig in Haftung genommen werden sollte, um die einheitliche Beurteilung für alle streitigen Beschäftigungsverhältnisse zu gewährleisten. Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Regelmäßig wird von einem nur geringfügigen Unterliegen ausgegangen, wenn der Streitwert nicht ungewöhnlich hoch ist und ein Beteiligter bei einer Kostenverteilung nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO weniger als 5 % der Kosten zu tragen hätte (Gräber/Ratschow, FGO Kommentar, 8. Aufl., § 136 Rz. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, weil der Beklagte weniger als 2 % der Kosten zu tragen hätte.
III. Die Revision wird nach § 115 FGO zugelassen, da die Klärung der Frage, ob und gegebenenfalls nach welchen Abgrenzungskriterien ein Arbeitnehmer in einem zweiten Betrieb seines Arbeitgebers geringfügig beschäftigt sein kann, grundsätzliche Bedeutung hat.