Sozialgericht Osnabrück
Beschl. v. 11.12.2008, Az.: S 16 AY 59/08 ER
Voraussetzungen für eine Gewährung von privilegierten Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG); Teleologische Reduzierung des Anwendungsbereichs des § 2 AsylbLG; Erweiternde Auslegung des § 2 AsylbLG bezüglich der Vorbezugszeit; Wirkung des § 2 AsylbLG auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 11.12.2008
- Aktenzeichen
- S 16 AY 59/08 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 33985
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOSNAB:2008:1211.S16AY59.08ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 AsylbLG
- § 3 AsylbLG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Frist des § 2 AsylbLG kann bei einer beachtlichen Unterbrechung neu beginnen. Eine Beachtlichkeit ist gegeben, wenn die Unterbrechung dazu führt, dass die Vorbereitung der Integration in die deutsche Gesellschaft abgebrochen wird. Dies ist mit der Ausreise ins Heimatland der Fall.
- 2.
§ 2 AsylbLG ist bezüglich der Vorbezugszeit der erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Insbesondere kann nicht der Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG zur Erfüllung der Frist von 48 Monaten herangezogen werden.
Tenor:
- 1.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
- 2.
Kosten werden nicht erstattet.
- 3.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von privilegierten Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit ab dem 01.10.2008.
Die Antragstellerin, Staatsangehörige Bosniens und Herzegowinas, bosnischer Volks- und katholischer Religionszugehörigkeit, reiste zunächst am 10.09.1992 mit einem bis zum 10.12.1992 gültigen Besuchsvisum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 06.01.1993 wurde der Antragstellerin aufgrund des Bürgerkriegs im Heimatland eine Aufenthaltsbefugnis erteilt. Diese Aufenthaltsbefugnis wurde mehrmals verlängert. Mit Bescheid vom 14.10.1997 wurde ein erneuter Verlängerungsantrag abgelehnt. Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 13.11.1997 wies die damalige Bezirksregierung Weser-Ems mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.1998 zurück.
Nach einem Verlassen der Bundesrepublik Deutschland reiste die Antragstellerin erneut, ihren Angaben zufolge am 12.07.1999, in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantrage am 15.07.1999 die Anerkennung als Asylberechtigte. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 28.02.2005 zurück und stellte zudem fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 bis 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorlägen. Auf die gegen diesen Bescheid erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück, verpflichtete dieses das Bundesamt mit Urteil vom 27.06.2005 zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG und wies die Klage im Übrigen zurück (Az.: 5 A 131/05).
Die Antragstellerin steht bei dem Antragsgegner in Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG. Im Rahmen dieses Leistungsbezuges gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Bescheid vom 19.01.2007 Leistungen in Höhe von 661,93 EUR. In diesem Bescheid heißt es wie folgt:
"Die Ihnen bisher nach den Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetztes in entsprechender Anwendung des Sozialgesetzbuch XII gewährte Hilfe wird mit Wirkung zum 01.01.2007 wegen des erhöhten Krankenversicherungsbeitrages neu festgesetzt auf 661,93 EUR."
Zudem heißt es in diesem Bescheid wie folgt:
"Ursprünglich wollte ich für 02-04/07 den aus der Überzahlung für Aleksandar entstandenen Restbetrag von 69,- EUR in drei Raten à 23,- EUR bei Ihren Sozialleistungen einbehalten. Aufgrund des erhaltenen Vorschusses verschiebe ich dieses um zwei Monate. Die wegen früher Arbeitstätigkeit Aleksandar entstandene Überzahlung wäre dann nach 06/07 ausgeglichen"
Ein expliziter Hinweis darauf, dass sich die Gewährung nur auf den konkreten Monat beziehe, ist in dem Bescheid nicht enthalten.
Mit Schreiben vom 14.11.2007 kündigte der Antragsgegner eine Rückstufung auf Leistungen nach § 3 AsylbLG an. Eine Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde nicht erwähnt. Mit Schreiben vom 06.12.2007 wies der Antragsgegner darauf hin, dass eine Verschiebung der Leistungsumstellung wohl trotz der konkret, individuell nachvollziehbaren Gründen wohl nicht in Betracht komme.
Mit Bescheid vom 12.12.2007 hob der Antragsgegner die seit 01.08.2002 erfolgte Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG mit Wirkung zum 01.01.2008 bis 31.12.2008 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Auf Grund der geänderten gesetzlichen Regelung, die nunmehr einen Bezug von 48 Monaten voraussetze, sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Zudem wurde die sofortige Vollziehung des Bescheides nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angeordnet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehe darin, dass der sparsame Verbrauch von Steuermitteln im Interesse der Allgemeinheit liege. Außerdem sei das der Änderung des § 2 AsylbLG zu Grunde liegende Gesetz der Europäischen Union zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien bereits am 28.08.2007 in Kraft getreten. Folge der Richtlinie sei außerdem nicht nur die Verschlechterung des Gesamtumfangs der Leistungen, sondern auch ein verbesserter Zugang zum Arbeitsmarkt, sowie eine verbesserte Bleiberechtsregelung. Aus diesen beiden Gründen, also des sparsamen Verbrauchs der Steuermittel in Verbindung mit den überprüfbaren Optionen, liege ein besonderes öffentliches Interesse vor. Mit Bescheid vom 12.12.2007 gewährte der Antragsgegner daraufhin mit Wirkung zum 01.01.2008 510,67 EUR monatlich.
Gegen diese Leistungskürzung legte die Antragstellerin Widerspruch ein und wandte sich mit dem Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz unter dem Aktenzeichen 16 AY 2/08 ER am 07.01.2008 an die beschließende Kammer. Im Rahmen dieses Verfahrens erkannte der Antragsgegner auf Grund einer vorläufigen Bewilligung Leistungen nach § 2 AsylbLG für die Zeit ab dem 01.01.2008 an, worauf das einstweilige Rechtschutzverfahren unstreitig beendet wurde.
Mit Bescheid vom 14.02.2008 gewährte der Antragsgegner ein Darlehen wegen Stromschulden in Höhe von 314,34 EUR. Mit Bescheid vom 10.06.2008 gewährte der Antragsgegner erneut ein Darlehen wegen Stromschulden in Höhe von 172,18 EUR. Zudem gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin ein Darlehen in Höhe von 100 EUR für eine Urkunde über ihr bestandenes mündliches Examen an einer Krankenpflegeschule.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2008 wies der Antragsgegner den Widerspruch vom 07.01.2008 zurück. Der Gesetzgeber verlange in § 2 AsylbLG gerade den Bezug der geringeren Leistungen nach § 3 AsylbLG. Ein anderer Leistungsbezug könne hierfür nicht angerechnet werden. Gegen eine Analogie spreche, dass der Wortlaut eindeutig sei und der Gesetzgeber in Kenntnis der divergierenden Rechtsprechung, zuletzt durch das Gesetz vom 19.08.2007, an dem klaren Wortlaut der Vorschrift festgehalten habe. Ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers sei eine reine Fiktion. Gegen eine verfassungskonforme Auslegung spreche, dass der Wortlaut der Vorschrift einer Auslegung nicht zugängig sei. Zweifel an der Vereinbarkeit der Vorschrift mit der Verfassung bestünden darüber hinaus nicht. Insbesondere liege kein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) vor, weil nicht ersichtlich sei, worin eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung liegen solle. Die Ungleichbehandlung zwischen Personen, die sich auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und solchen, die nur vorübergehend im Bundesgebiet verbleiben, könne durch einen unterschiedlichen Integrationsbedarf gerechtfertigt werden. Es bestehe zudem kein Anspruch darauf, mit denjenigen Ausländern gleich behandelt zu werden, die bereits mehrere Jahre lang geringere Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen hätten.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob die Antragstellerin am 29.09.2008 Klage (16 AY 56/08).
Mit Schreiben vom 19.09.2008 widerrief der Antragsgegner die vorläufige Gewährung. Dieser Widerruf erfolgte auf Grund des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2008 und des Urteils des Bundessozialgerichts vom 17.06.2008 (Az.: B 8/9b AY 1/07 R). Ab 01.10.2008 wurde dementsprechend die Leistungsgewährung auf Leistungen nach § 3 AsylbLG umgestellt.
Mit Schreiben vom 18.09.2008 wies der Antragsgegner darauf hin, dass zur Vermeidung besonderer Härten von einer Rückzahlung des Stromdarlehens derzeit abgesehen werde. Auch die Rückforderung für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.09.2008 wurde, soweit ersichtlich, bislang nicht zurückgefordert.
Mit Schreiben vom 29.10.2008 erhob die Antragstellerin gegen die ab 01.10.2008 erfolgte konkludente Versagung von Leistungen nach § 2 AsylbLG Widerspruch. Am gleichen Tag hat sich die Antragstellerin zudem mit dem Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz an das Gericht gewandt.
Sie erhalte seit weit mehr als vier Jahren Leistungen nach Maßgabe zunächst der § 3 AsylbLG und seit ebenfalls mehreren Jahren Leistungen nach Maßgabe des § 2 AsylbLG. Zudem seien mit bestandskräftigem Bescheid vom 19.01.2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG ohne zeitliche Befristung gewährt worden. Dementsprechend habe es sich hierbei um einen unbefristeten Dauerverwaltungsakt gehandelt. Gegen den Bescheid vom 12.12.2007 sei eine Klage beim erkennenden Gericht anhängig. Dementsprechend werde in bestehende Rechtspositionen eingegriffen. Zudem ist die Antragstellerin der Ansicht, dass der Rechtsprechung des BSG nicht zu entnehmen sei, dass zur Erfüllung der Frist des § 2 AsylbLG nur Zeiten des Bezuges von § 3 AsylbLG herangezogen werden könnten. Das BSG habe in Bezug auf die möglicherweise bestehende unechte Rückwirkung gerade Ausländer abgestellt, die zur Ausreise verpflichtet seien. Lediglich derjenige Personenkreis der nur über eine Duldung verfüge, dessen Aufenthalt also nicht verfestigt sei, könne demnach auf eine bestimmte Leistungshöhe nicht vertrauen. So liege der Fall hier gerade nicht. Sie verfüge über einen gesicherten Aufenthalt. Sie besitze seit langem eine Aufenthaltserlaubnis und habe sich zu Recht auf einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet eingestellt.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichem Vorbringen sinngemäß,
- 1.
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 29.09.2008 gegen den Bescheid vom 12.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2008 anzuordnen,
- 2. hilfsweise,
den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Verfügung zu verpflichten, ihr ab dem 01.10.2008 weiterhin Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftsätzlichem Vorbringen,
den Antrag abzuweisen.
Er hält seine Bescheide für rechtmäßig.
Ergänzend wird auf die (asylbewerberleistungsrechtlichen und ausländerrechtlichen) Verwaltungsakten des Antragsgegners, sowie die Gerichtsakte zum vorliegenden Verfahren, sowie zum vorliegenden Verfahren 16 AY 56/08 verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Das Verfahren richtet sich hier nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetzt - SGG (dazu unter 1), die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen jedoch nicht vor (dazu unter 2).
1.
Das vorliegende Verfahren richtet sich nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG, da bei einer aufschiebenden Wirkung der Klage vom 29.09.2008 gegen den Bescheid vom 12.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2008 die Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG aus dem Bescheid vom 19.01.2007 wieder in Geltung treten würde. Hierbei handelt es sich nämlich um einen Dauerverwaltungsakt.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vorliegt, der konkrete Inhalt des Bescheides aus Sicht des Adressaten entscheidend (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2007, Az.: B 9b 1/06 R). Diese Auslegung führt hier zu dem Ergebnis, dass über den Monat Januar 2007 hinausgehende Regelung getroffen wurde. In dem Bescheid vom 19.01.2007 wurde die Leistung "mit Wirkung zum 01.01.2007 [ ] neu festgesetzt auf [ ]". Dies ist vergleichbar mit einer Gewährung "ab" einem gewissen Zeitraum, die bereits für einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung spricht (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 08.02.2007, Az.: B 9b 1/06 R, im Ergebnis aber offen gelassen). Zum anderen greift der Bescheid in Bezug auf die Verrechnung des Vorschusses selbst in die Zukunft. Dadurch ergibt sich im vorliegenden Fall aus Sicht des Empfängerhorizonts der eindeutige Regelungswille über den konkreten Monat hinaus. Zwar befindet sich an diesem Bescheid lediglich ein einzelner Berechnungsbogen, was die Kammer bislang zum Anlass genommen hat, die Auslegung nach dem Empfängerhorizont als offen anzusehen (vgl. dazu: SG Osnabrück , Beschluss vom 18.01.2008, Az.: S 16 AY 30/07 ER), hier überwiegen jedoch die in die Zukunft weisenden Anzeichen den dem Bescheid vom 19.01.2007.
2.
Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG liegen nicht vor. Der Antrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass das Verfahren zum Aktenzeichen S 16 AY 2/08 ER unstreitig erledigt worden ist. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn dadurch die Anordnung der sofortigen Vollziehung bindend geworden wäre. Dies ist aber bereits deshalb nicht der Fall, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung keine beinen Verwaltungsakt darstellt (vgl. LSG Niedrsachsen-Bremen , Beschluss vom 30.09.2002, Az.: L 4 KR 122/02 ER; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 86a, Rn. 17a).
Der Antrag ist unbegründet.
Nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen wie dem vorliegenden, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Vorschrift ist auch für den Fall der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde anwendbar (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Einverfahren, S. 65, Rn. 134). Dabei ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung Wirkung rechtswidrig ist. Im vorliegenden Fall ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell und materiell rechtmäßig.
a)
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig.
aa)
Einer Anhörung bedarf es vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach herrschender Meinung (vgl. beispielsweise: Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 86b, Rn. 20; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, S. 67, Rn. 139), der sich die Kammer anschließt, nicht, da es sich bei der Vollziehbarkeitsanordnung nicht um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. LSG Niedrsachsen-Bremen , Beschluss vom 30.09.2002, Az.: L 4 KR 122/02 ER; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 86a, Rn. 17a).
bb)
Zudem genügt die im Bescheid vom 12.12.2007 angeführte Begründung den Erfordernisses des § 86a Abs. 1 Nr. 5 SGG. An diese Begründung sind wegen der Transparenz und Rechtsklarheit für den Betroffenen, aber auch zur Selbstkontrolle der Behörde hohe Anforderungen zu stellen (vgl. LSG Niedrsachsen-Bremen , Beschluss vom 30.09.2002, Az.: L 4 KR 122/02 ER; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 86a, Rn. 21b). Es müssen alle Gesichtspunkte, die bei der Entscheidung berücksichtigt wurden, genannt werden. Die Begründung darf nicht lediglich formelhaft sein, sie muss sich auf den Einzelfall beziehen und eine Abwägung der Interessen erkennen lassen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 86a, Rn. 21b).
Hier wurde im Bescheid vom 12.12.2007 darauf abgestellt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung darin bestehe, dass der sparsame Verbrauch von Steuermitteln im Interesse der Allgemeinheit liege. Außerdem sei das der Änderung des § 2 AsylbLG zu Grunde liegende Gesetz der Europäischen Union zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien bereits am 28.08.2007 in Kraft getreten. Folge der Richtlinie sei außerdem nicht nur die Verschlechterung des Gesamtumfangs der Leistungen, sondern auch ein verbesserter Zugang zum Arbeitsmarkt, sowie eine verbesserte Bleiberechtsregelung. Aus diesen beiden Gründen, also des sparsamen Verbrauchs der Steuermittel in Verbindung mit den überprüfbaren Optionen, liege ein besonderes öffentliches Interesse vor. Damit liegt eine nicht lediglich formelhafte Begründung vor, die auch eine Abwägung der Interessen erkennen lässt. Es wurde auch auf den Einzelfall eingegangen. Zwar wird diese Vollziehbarkeitsanordnung in vergleichbaren Fälle der Rückstufung gleich formuliert worden sein, eine derartige Standardisierung bei gleich gelagerten Fällen ist jedoch möglich (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 86a, Rn. 21b). Inwieweit die genannten (und anderen) Gründe tatsächlich die Entscheidung tragen, stellt eine Frage der materiellen Rechtsmäßigkeit der Vollziehbarkeitsanordnung dar.
b)
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist materiell rechtmäßig.
Die Rückstufung ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig (dazu unter aa). Ein besonderes Vollzugsinteresse liegt vor (dazu unter bb).
aa)
Die Rückstufung auf die Leistungen nach § 3 AsylbLG zum 01.10.2008 stellt sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig dar. Ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG besteht nach überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht.
Gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG ist das SGB XII abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Diese Anspruchsvoraussetzungen liegen bezogen auf die Antragstellerin nicht vor.
Dabei sind Zeiten aus dem ersten Aufenthalt nicht zu berücksichtigen (dazu unter 1), wobei ohnehin wohl in dieser Zeit kein Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG vorlag. § 2 AsylbLG ist zudem nicht dahingehend auszulegen, dass auch der Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG zur Erfüllung dieser Frist herangezogen werden kann (dazu unter 2). Zudem liegt kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor (dazu unter 3).
(1)
Die Frist des § 2 AsylbLG kann grundsätzlich bei einer beachtlichen Unterbrechung neu beginnen (dazu unter a); eine solche Beachtlichkeit liegt hier vor (dazu unter b).
(a)
Anhand des Wortlauts des § 2 AsylbLG ("insgesamt 48 Monate") ergibt sich zwar, dass eine Unterbrechung des Leistungsbezugs grundsätzlich unschädlich ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.03.2001, Az.: 12 MA 1012/01; so auch: Hohm in: GK-AsylbLG, § 2 Rn. 41). Unterbrechungen des 48-Monatszeitraums des § 2 Abs. 1 AsylbLG führen aber zum erneuten Anlauf der Frist, wenn die Unterbrechung im Hinblick auf die der Vorschrift innewohnende Integrationskomponente beachtlich ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2007, L 7 AY 5480/06; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.03.2001, Az.: 12 MA 1012/01, VG Braunschweig, Urteil vom 23.01.2003, Az.: 3 A 60/02; VG Hannover, Beschluss vom 15.06.2004, Az.: 7 B 2809/04; so auch bereits der Beschluss der erkennenden Kammer vom 27.12.2007, Az.: 16 AY 24/07 ER; Beschluss vom 21.04.2008, Az.: S 16 AY 15/08 ER). Dementsprechend folgt die Kammer nicht der Ansicht, dass jegliche Unterbrechung des Fristlaufs unbeachtlich ist, da ein Neubeginn der Frist im Gesetz keine Stütze finde (vgl. SG Aachen vom 12.10.2007 Az.: 20 AY 12/07 ER). Zwar findet sich eine Regelung zu einem Neubeginn der Frist tatsächlich nicht explizit im Wortlaut des § 2 AsylbLG, dies ergibt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Der Anwendungsbereich des § 2 AsylbLG ist insoweit teleologisch zu reduzieren (vgl. dazu bereits: SG Osnabrück , Beschluss vom 04.06.2008, Az.: S 16 AY 24/08 ER). Grund für die leistungsrechtliche Privilegierung nach einer Zeit von 48 Monaten ist (zumindest auch), dass es sich bei einem Aufenthalt von über vier Jahren nicht mehr um einen rein vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland handelt. Nach dieser zeitlichen Verfestigung - und dem Bezug von abgesenkten Leistungen - sieht der Gesetzgeber einen Integrationsbedarf, der mit den erhöhten Leistungen ermöglicht werden soll. Zwar hat das BSG in seiner Entscheidung vom 17.06.2008 ausgeführt, dass sich die zunächst in dem Gesetzesentwurf zur Gesetzesänderung im Jahr 1997 zeigende Integrationskomponente in der endgültigen Version dieses Gesetzes nicht mehr gezeigt habe (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b AY 1/07 R), dies führt jedoch nicht zu der Annahme, dass diese Integrationskompomente nach dem gesetzgeberischen Willen in § 2 AsylbLG nunmehr gar keine Rolle spielt. Dies zeigt die Gesetzesänderung aus dem Jahr 2007. Zwar ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 28.08.2007 (Art. 6 Abs. 2 Nr. 2, BGBl I 1970 (2007)), dass ein Integrationsbedarf für Hilfeempfänger zwar nach dem AsylbLG grundsätzlich nicht gesehen werde, jedoch macht der Gesetzgeber gerade eine Ausnahme für den Fall der zeitlichen Verfestigung, die nach der Neufassung nun nach vier Jahren gesehen wird (vgl. BT-Drucks. 16/5065, S 232, so auch das BSG: Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b AY 1/07 R). Die zeitliche Verfestigung und der damit zusammenhängende Integrationsbedarf kann aber nicht völlig unabhängig von derartigen Unterbrechungen gesehen werden. Bei einer beachtlichen Unterbrechung des Integrationsprozesses in die deutsche Gesellschaft, kann nach einem Ende dieser Unterbrechung nicht wieder an den vorherigen Zustand der bereits eingetretenen Integration angeknüpft werden. Es bedarf also erneut einer zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts.
(b)
Eine solche beachtliche Unterbrechung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ist hier gegeben. Eine Beachtlichkeit wird angenommen, wenn die Unterbrechung dazu führt, dass "die Vorbereitung der Integration in die deutsche Gesellschaft abgebrochen ist" (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 23.01.2003; Az.: 3 A 60/02; VG Ansbach, Beschluss vom 11.11.2003, Az.: AN 13 E 03.01779; VG Hannover, Beschluss vom 15.06.2004, Az.: 7 B 2809/04; SG Hildesheim , Urteil vom 21.08.2007, Az.: S 40 AY 41/05). Dies mit der Ausreise ins Heimatland hier der Fall.
(2)
§ 2 AsylbLG ist nach der Rechtsprechung des BSG bezüglich der Vorbezugszeit der erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Zunächst ist der Wortlaut der Vorschrift zwingend (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b 1/07 R). Zudem stehen Sinn und Zweck des § 2 AsylbLG einer erweiternden Auslegung entgegen. Außerdem ergibt sich dies aus einer historischen Auslegung. Des weiteren ist auch keine analoge Anwendung geboten.
Aus der historischen Auslegung ergibt sich zunächst, dass der Gesetzgeber nach der Einführung der Vorbezugszeit im Jahr 1997 das Zurücklegen einer Vorbezugszeit als grundsätzliche Voraussetzung für alle Fälle des AsylbLG ansieht. § 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber vom 30.06.1993 (BGBl I 1074) sah für geduldete Ausländer überhaupt keine Vorbezugszeit und für Asylbewerber eine reine Wartefrist von zwölf Monaten nach Asylantragstellung vor. Auch der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 24.10.1995 sah zunächst ebenfalls keinen Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG vor, sondern eine reine Wartefrist von 24 Monaten nach dem Erteilen einer Duldung, und verzichtete auf die Wartefrist bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, deren Abschiebung wegen des Krieges in ihrem Heimatland ausgesetzt war, sogar gänzlich (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b 1/07 R unter Bezugnahme auf: BT-Drucks 13/2746, S 5). Bei längerer Aufenthaltsdauer und einer damit verbundenen Verfestigung des Aufenthaltsstatus sollte dem Ausländer durch die Gewährung von Analog-Leistungen eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch öffentliche Mittel ermöglicht werden (vgl. BT-Drucks 13/2746, S 15). In der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26.05.1997 (BGBl I 1130) stellte das Gesetz erstmal auf den Bezug ("erhalten haben") von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab und verlangte dies für eine Dauer von 36 Monaten ab 01.06.1997. Dadurch trat hier der der Gedanke der Kosteneinsparung in den Vordergrund (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b 1/07 R und Bezugnahme auf den Ausschussbericht vom 07.02.1996, BT-Drucks 13/3728, S 3). Durch die starre Frist (ab 01.06.1997) hat der Gesetzgeber beabsichtigt, die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG daran zu koppeln, dass das Existenzminimum für einen festen Zeitraum von drei Jahren nur auf einem niedrigeren Niveau sichergestellt werden solle (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b 1/07 R).
Eine erweiternde Auslegung würde zudem gegen den Sinn und Zweck der Neuregung im Jahr 2005 verstoßen. Mit der ab dem 01.01.2005 geltenden Neuregelung sollten abweichend vom bis zum 31.12.2004 geltenden Recht Leistungsberechtigte von Analog-Leistungen ausgeschlossen werden, denen rechtsmissbräuchliches Verhalten, bezogen auf die Dauer des Aufenthalts, vorgeworfen werden kann. Neben der beabsichtigten Sanktion sollte durch den Bezug von Grundleistungen für die Dauer von drei Jahren aber auch der Anreiz für die Einreise von Ausländern und ihren weiteren Verbleib im Bundesgebiet genommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b 1/07 R unter Bezugnahme auf: Hohm, AsylbLG, § 2, Rn. 86). Dieses Ziel würde verfehlt, wenn andere Sozialleistungen die erforderlichen Zeiten des Vorbezugs erfüllten (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b 1/07 R).
Die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 2 AsylbLG mit Wirkung ab 28.08.2007 führen diesbezüglich ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn hierbei bezogen auf die leistungsrechtliche Privilegierung vor allem an die zeitliche Verfestigung angeknüpft wurde und dementsprechend die Integrationskomponente erneut wieder an Wichtigkeit gewinnt (vgl. BT-Drucks 16/5065, S 232 siehe dazu bereits oben), hat der Gesetzgeber aber dennoch die Erforderlichkeit des Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG beibehalten; es bestehen deshalb keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber die mit der Regelung des § 2 Abs 1 AsylbLG (neben der Integrationskomponente) verbundene Intention, den Bezug von Analog-Leistungen an eine bestimmte Dauer des Vorbezugs von Grundleistungen zu koppeln, aufgeben wollte (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b 1/07).
§ 2 AsylbLG ist zudem auf den vorliegenden Fall auch nicht analog anwendbar. Es fehlt diesbezüglich an der hierfür notwendigen vergleichbaren Interessenlage. Mit der Verlängerung der Vorbezugszeit sollten nach der Gesetzesbegründung Leistungsberechtigte des AsylbLG (auch) ermutigt werden, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern (vgl. BT-Drucks 16/5065, S 155). Niedrige Leistungen sollen also dazu dienen, Anreize für die Aufnahme einer Beschäftigung zu geben (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b 1/07 R). Dieser Zweck wird auch durch eine Rückstufung gewahrt. Es kann also auch in dem vorliegenden Änderungsgesetz nicht von einem einheitlichen Zweck ausgegangen werden, die privilegierten Leistungen lediglich an die zeitliche Verfestigung zu knüpfen. Bei derart unterschiedlichen Zwecken des Gesetzgebers kann nicht auf eine vergleichbare Interessenslage für den Fall der bereits gewährten Leistungen nach § 2 AsylbLG geschlossen werden. Die Kammer hat damit die bisher hierzu vertretene Rechtsprechung (vgl. dazu: SG Osnabrück , Beschluss vom 18.01.2008, Az.: S 16 AY 30/07 ER) aufgegeben (vgl. dazu bereits: SG Osnabrück , Beschluss vom 25.09.2008, Az.: S 16 AY 51/08 ER).
(3)
Zudem liegt kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor.
Dabei ist zunächst in Betracht zu ziehen, dass der Bestandsschutz im Grundgesetz nicht absolut verankert ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann Bürger nicht grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine für ihn günstige gesetzliche Regelung in aller Zukunft bestehen bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.06.1978, Az.: 2 BvR 71/76). Der verfassungsrechtlich verbürgte Vertrauensschutz gebietet nicht, den von einer bestimmten Rechtslage Begünstigten vor jeder Enttäuschung seiner Erwartung in deren Fortbestand zu bewahren. Anderenfalls würde der eines Ausgleichs bedürftige Widerstreit zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Blick auf den Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung gelöst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.08.2006, Az.: 2 BvR 226/06). Grundsätzlich muss jedes Rechtsgebiet im Rahmen der verfassungsrechtlichen Gegebenheiten zur Disposition des Gesetzgebers stehen. Im Rahmen der Prüfung, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes betroffen ist, ist zwischen einer sog. echten und einer sog. unechten Rückwirkung zu unterscheiden.
(a)
Die getroffene Regelung bewirkt keine sog. "echte" Rückwirkung, da eine solche nur gegeben sein kann, wenn in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wird, die Rechtsfolge also schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitraum eintreten soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.08.2006, Az.: 2 BvR 226/06). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da nicht in den Leistungsbezug vor der Gesetzesänderung eingegriffen wird (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b AY 1/07 R; so auch bereits: SG Osnabrück , Beschluss vom 08.01.2008, Az.: S 16 AY 24/07 ER; ebenso zur AsylbLG-Novelle 1997: Sächsisches OVG, Beschluss vom 18.08.1997, Az.: 2 S 361/97).
(b)
#Auch von einer zu beanstandenden unechten Rückwirkung kann nicht ausgegangen werden: Die Zulässigkeit einer tatbestandlichen Rückanknüpfung (sog. "unechte" Rückwirkung), bei der die Rechtsfolge an einen vor der Verkündung der Norm liegenden Sachverhalt anknüpft, ist von der Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des mit der Rückanknüpfung verfolgten gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl abhängig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.08.2006, Az.: 2 BvR 226/06). Ist nach dieser Abwägung das Vertrauen in den Bestand der begünstigenden Regelung nicht generell schutzwürdiger als das öffentliche Interesse an einer Änderung, so ist die Regelung mit der Verfassung vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.05.1985, Az.: 2 BvL 24/82). Dabei könnte bereits fraglich sein, ob eine solche tatbestandliche Rückanknüpfung überhaupt vorliegt, da für die "Rückstufung" nicht auf spezielle Zustände in der Vergangenheit zurückgegriffen wird, sondern allgemein an den bisherigen Bezug angeknüpft wird. Auf der anderen Seite wirkt § 2 AsylbLG n. F. in der vorliegenden Auslegung auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft ein und entwertet damit wohl zugleich die betroffenen Rechtspositionen (vgl. zu dieser Definition beispielsweise: BVerfG, Beschluss vom 26.06.1979, Az.: 1 BvL 10/78). Wird dabei die Rückanknüpfung allgemein als gegeben angesehen, wenn eine Norm den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig macht (so beispielsweise: BVerfG, Beschluss vom 14.05.1986, Az.: 2 BvL 2/83), so ist diese auch im vorliegenden Fall gegeben (vgl. dazu bereits: SG Osnabrück , Beschluss vom 08.01.2008, Az.: S 16 AY 24/07 ER). Dies konnte die Kammer aber dahinstehen lassen, da - auch bei Vorliegen einer unechten Rückwirkung - diese zumindest, nach den oben genannten Definitionen, verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre (vgl.: BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b AY 1/07 R). Gegen einen Vorrang der Interessen der Leistungsempfänger spricht dabei, dass die Leistungsempfänger nach der Konzeption des Gesetzes gerade keinen gefestigten Aufenthalt im Bundesgebiet haben (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az.: B 8/9b AY 1/07 R; Sächsisches OVG, Beschluss vom 18. August 1997, Az.: 2 S 361/97). Dabei ist eine abstrakte Prüfung vorzunehmen. Das BSG hat bezüglich der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der möglicherweise vorliegenden unechten Rückwirkung zwar an den konkreten Fall der Duldung angeknüpft, jedoch im Weiteren allgemein auf Ausländer mit ungesicherten Aufenthaltsstatus (im Sinne des AsylbLG) abgestellt. Das AsylbLG bezieht sich insgesamt - unabhängig vom konkreten Titel - auf den vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl. dazu bereits: BT-Drucks, 12/4451, S. 5 und BT-Drucks. 13/2746, S. 11). Der Gesetzgeber sieht (nunmehr) auch den Aufenthalt mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG als vorübergehend an (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG). Diese Einordnung stellt eine gesetzgeberische Entscheidung dar, an der die Kammer keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken hat.
bb)
Ein besonders Vollzugsinteresse liegt vor.
Im Wesentlichen ist dabei auf die fiskalischen Interessen abzustellen. Die Option auf ein besseres Bleiberecht und der bessere Zugang zum Arbeitsmarkt dürfte wohl kein besonderes Vollzugsinteresse begründen. Eine Anordnung der sofortigen Vollziehung ist aber auch bei fiskalischen Interessen möglich, wenn andernfalls die Realisierung der Forderung ernsthaft in Frage steht (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 05.03.2003, Az.: L 3 AL 979/02 ER; LSG, Baden-Württemberg , Beschluss vom 25.08.2003, Az.: L 13 AL 2374/03; Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, § 86a, Rn. 20). Dies gilt ebenfalls für den Fall einer Rückforderung. Eine solche Rückforderung würde im Fall des Unterliegens im Verfahren 16 AY 56/08 entstehen. Von den dann zunächst zu erbringenden Leistungen nach § 3 AsylbLG können nur in sehr geringen Umfang Leistungen einbehalten werden, was den Antragsgegner auch dazu veranlasst hat, das Darlehen bezüglich der Stromschulden (Bescheid vom 10.06.2008) zunächst nicht zurückzufordern, da noch der Vorschuss i.H.v. 100,00 EUR (wegen der Urkunde - Krankenpflegerschule) zurückgefordert wird. Eine realistische Möglichkeit der Rückzahlung läge wohl nur darin bei einer erneuten Umstellung auf Leistungen nach § 2 AsybLG dann einen größen Teil einzubehalten. Dabei ist jedoch zu Bedenken, dass im Fall des Unterliegens im Klageverfahren auch bereits eine Rückforderung für die Monate 01/08 bis 09/08 enstanden wäre. Nach alledem sieht die Kammer die - nach der oben erfolgten Wertung der Sach- und rechtslage - überwiegende wahrscheinliche Rückforderung als gefährdet an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da aus den oben genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestand, § 73a SGG i.V.m. § 114 ff. ZPO.