Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 15.11.2004, Az.: L 4 B 23/04 KR
Voraussetzungen für eine Beschlussergänzung in entsprechender Anwendung des § 140 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 15.11.2004
- Aktenzeichen
- L 4 B 23/04 KR
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 37576
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2004:1115.L4B23.04KR.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - 10.06.2004 - AZ: S 16 KR 21/04 ER
Rechtsgrundlagen
- § 140 Abs. 1 S. 1 SGG
- § 140 Abs. 2 S. 1,2 SGG
- § 142 Abs. 1 SGG
Tenor:
Der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 10. Juni 2004 wird aufgehoben.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat sich die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (im folgenden: Ast) gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin (im folgenden: Ag) gewandt.
Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat dem Antrag der Ast auf Aussetzung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch rechtskräftig gewordenen Beschluss vom 3. Mai 2004 (an die Ast mit Einschreiben abgesandt am 4. Mai 2004, an die Ag zugestellt am 6. Mai 2004) ohne Sicherheitsleistung stattgegeben, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Ag beständen. Es hat der Ag die Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Ast auferlegt.
Mit weiteren Beschlüssen vom 10. Juni 2004 hat das SG ferner den Streitwert auf 3.114,10 EUR festgesetzt und der Ag die Gerichtskosten auferlegt. Gegen den ihr am 30. Juni 2004 zugestellten Beschluss über die Tragung der Gerichtskosten hat die Ag am 5. Juli 2004 Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass die aktuellen Beitragsrückstände nichts mit den Forderungen aus dem Jahre 2001 zu tun hätten. Mit einer zusätzlichen Kostenübernahme für die von der Ast betriebenen Gerichtsverfahren sei sie ausdrücklich nicht einverstanden. Die Ast hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Das SG hat der Beschwerde mit Datum vom 5. Juli 2004 nicht abgeholfen und den Vorgang dem LSG Niedersachsen-Bremen zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
Das SG hat mit Beschluss vom 3. Mai 2004 entschieden, dass die von der Ag betriebenen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Ast vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einzustellen sind. Das SG hat in seinem Beschluss zwar über die außergerichtlichen Kosten entschieden, nicht aber über die Gerichtskosten. Die Entscheidung über die Gerichtskosten, die vorliegend gemäß § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderlich ist, hat das SG mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Beschluss vom 10. Juni 2004 getroffen und insoweit seinen Beschluss vom 3. Mai 2004 ergänzt.
Nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGG wird ein Urteil auf Antrag nachträglich ergänzt, wenn es einen von einem Beteiligten erhobenen Anspruch oder den Kostenpunkt ganz oder teilweise übergangen hat. Der Antrag ist nach Satz 2 der Vorschrift binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils zu stellen. § 140 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG bestimmt, dass über einen derartigen Antrag in einem besonderen Verfahren entschieden wird und eine Entscheidung durch Beschluss erfolgt, soweit es sich -wie hier- nur um den Kostenpunkt handelt.
§§ 140 und 144 Abs. 4 SGG sind vorliegend nicht direkt anwendbar, weil das einstweilige Rechtsschutzverfahren nicht mit Urteil, sondern durch Beschluss entschieden wird. Sie gehören auch nicht zu den Vorschriften, die in § 142 Abs. 1 SGG genannt sind und danach direkt auf Beschlüsse angewendet werden können. § 142 Abs. 1 SGG gibt indessen ebenso wie die entsprechenden Vorschriften in den anderen Verfahrensordnungen keine vollständige Aufzählung der auf Beschlüsse anwendbaren Vorschriften (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 142 Rdnr. 3). Je nach Art der Beschlüsse kommen unterschiedliche Vorschriften in Betracht. Für Beschlüsse, die in ihrer Bedeutung den Urteilen nahe kommen, wie zum Beispiel Beschlüsse über Anträge in einstweiligen Rechtsschutzverfahren, hält es der erkennende Senat für sachgerecht, auch die Vorschriften über die Urteilsergänzung in§ 140 SGG entsprechend anzuwenden (wie hier Meyer-Ladewig, a.a.O., § 142 Rdnr. 3 und 3a mit weiteren Nachweisen).
Die Voraussetzungen für eine Beschlussergänzung in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 1 SGG sind vorliegend jedoch nicht gegeben, weil ein Ergänzungsurteil nicht von Amts wegen ergeht und es an dem erforderlichen Antrag eines der Verfahrensbeteiligten fehlt (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 140 Rdnr. 3). Der in diesem Verfahren angefochtene Beschluss des SG vom 10. Juni 2004 ist damit verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.
In einer solchen Fallgestaltung hält es der erkennende Senat für geboten, von dem sonst üblichen verfahrensrechtlichen Grundsatz abzuweichen, wonach eine Entscheidung über die Kosten nur zusammen mit der Hauptsache angefochten werden kann (vgl. § 140 Abs. 2 Satz 2 und § 144 Abs. 4 SGG). Auf die Beschwerde der Ag war der verfahrensfehlerhaft zustande gekommene Beschluss des SG über die Tragung der Gerichtskosten daher ersatzlos aufzuheben (vgl. wie hier Meyer-Ladewig, a.a.O., § 140 Rdnr. 3b, m.w.N.).
Diese Entscheidung ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.