Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.09.2008, Az.: 1 Ws 477/08
Rechtsberatende Tätigkeiten unter Strafgefangenen als Störung der Ordnung in einer Vollzugsanstalt auch nach Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.09.2008
- Aktenzeichen
- 1 Ws 477/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 23529
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0926.1WS477.08.0A
Rechtsgrundlage
- § 6 RDG
Fundstellen
- NStZ 2009, 218 (Volltext mit amtl. LS)
- NStZ 2010, 436
Verfahrensgegenstand
Disziplinarmaßnahme
Amtlicher Leitsatz
Rechtsberatende Tätigkeiten unter Strafgefangenen sind geeignet, die Ordnung der Vollzugsanstalt zu stören. Hieran hat sich nach Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes nichts geändert.
In der Strafvollzugssache
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht
am 26. September 2008
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 50. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts G. vom 28. August 2008 wird als unzulässig verworfen, weil die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 116 Abs. 1 StVollzG).
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen (§ 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG).
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 100, EUR festgesetzt (§§ 1 Nr. 1j, 63 Abs. 3, 65 GKG).
Ergänzend bemerkt der Senat:
Zwar ist der angefochtene Beschluss insoweit nicht frei von Bedenken, als die Strafvollstreckungskammer die Maßnahme der Antragsgegnerin aufgehoben und die Sache zurückverwiesen hat mit der Begründung, der Sachverhalt sei nicht hinreichend aufgeklärt. Denn im Verfahren nach § 109 ff StVollzG gilt der Grundsatz der Amtsermittlung. Das Gericht hat daher den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (vgl. nur Callies/MüllerDietz, Strafvollzugsgesetz, 10. Aufl., § 115 Rn. 3 m.w.N.) und den von ihm ermittelten Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Das belastet den Antragsteller aber nicht. Denn durch das Aufheben der gegen ihn erkannten Disziplinarmaßnahme ist er nicht beschwert. insofern fehlt ihm ein Rechtsschutzbedürfnis für die angestrengte Rechtsbeschwerde. Eine vom Antragsteller beantragte Aufspaltung von Aufhebung der Disziplinarmaßnahme und zugleich Absehen von der Zurückverweisung kam nicht in Betracht, da beides untrennbar miteinander verbunden ist.
In der Sache weist der Senat darauf hin, dass nach gefestigter Rechtsprechung rechtsberatende Tätigkeiten unter Strafgefangenen der Ordnung der Anstalt regelmäßig abträglich sind (OLG Nürnberg, NStZ 2002, 55. OLG Saarbrücken, NStZ 1983, 47) und das Verhängen einer hierauf gestützten Disziplinarmaßnahme daher nicht zu beanstanden ist (OLG Koblenz, NStZ 1997, 428. BVerfG NStZ 1998, 103). Zwar ist diese Rechtsprechung auf der Grundlage des Rechtsberatungsgesetzes ergangen. Der Senat neigt aber zu der Auffassung, dass sich hieran durch Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes nichts geändert haben dürfte. Denn die unfreiwillige Zwangsgemeinschaft innerhalb einer Vollzugsanstalt ist mit sonstigen engeren Sozialkontakten im Sinne von § 6 Abs. 2 RDG nicht zu vergleichen. Insoweit geht der Vortrag des Antragstellers an der Sache vorbei.
Eine eigene und das Verfahren abschließende Entscheidung durch den Senat nach Maßgabe von § 119 Abs. 4 kam indessen nicht in Betracht. Zwar ist der Sachverhalt hinreichend geklärt und ist Spruchreife insofern anzunehmen. Einer derartigen Entscheidung stünde indessen das Verbot der reformatio in peius entgegen, nachdem allein der Antragsteller Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer eingelegt hatte. Das Verschlechterungsverbot gilt indessen nicht, soweit die Strafvollstreckungskammer die angefochtene Maßnahme der Antragsgegnerin aufgehoben hat. Hierüber wird die Antragsgegnerin vielmehr erneut zu befinden haben.