Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.09.2008, Az.: 32 Ss 147/08
Verfassungsmäßigkeit der Bestrafung des Handeltreibens mit Hanfsamen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 23.09.2008
- Aktenzeichen
- 32 Ss 147/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 24277
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0923.32SS147.08.0A
Rechtsgrundlagen
- §§ 29 ff. BtMG
- Art. 2 Abs. 1 GG
- Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG
- Art. 3 Abs. 1 GG
Verfahrensgegenstand
Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz
Amtlicher Leitsatz
Zur Verfassungsmäßigkeit der Bestrafung des Handeltreibens mit Hanfsamen.
In der Strafsache
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######,
den Richter am Oberlandesgericht ####### und
den Richter am Oberlandesgericht #######
am 23. September 2008
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts L. vom 02. Juli 2008 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Im Hinblick auf den Inhalt der Revisionsbegründung merkt der Senat an:
Die Auffassung der Revision, die §§ 29 ff. BtMG seien hinsichtlich der Aufnahme von Hanfprodukten (Hanfsamen) in die Anlage I zu § 1 BtMG verfassungswidrig, geht in jeder Hinsicht fehl. Das Bundesverfassungsgericht hat anhand des Maßstabs der Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG sowie in Bezug auf die angedrohte Strafe am Maßstab des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG die Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften über den unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten geprüft und die zum Entscheidungszeitpunkt im Jahr 1994 vorhandenen Erkenntnisse über die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen des Gebrauchs von Cannabisprodukten ausführlich gewürdigt (BVerfGE 90, 145 ff.). Dabei ist das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, dass das allgemeine gesetzgeberische Konzept, den Umgang mit Cannabisprodukten - bis auf enge Ausnahmen - zu verbieten, nicht gegen das Übermaßverbot verstößt. Vielmehr wird dieses Konzept durch den erstrebten Zweck, die Bevölkerung vor den von der Droge ausgehenden Gefahren zu schützen, als verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen (BVerfGE 90, 145, 184). Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung werden die tatsächlichen Grundlagen, auf die sich das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung gestützt hat, nicht durch neuere naturwissenschaftliche Erkenntnisse in Frage gestellt. Auch in jüngsten Veröffentlichungen über den aktuellen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand wird auf das Fortbestehen von potentiellen Risiken des Gebrauchs von Cannabisprodukten hingewiesen (vgl. nur zusammenfassend Krumdiek NStZ 2008, 437, 443, die sich wesentlich auf die Forschungsergebnisse von Kleiber [etwa Kleiber/Kovar, Auswirkungen des Cannabiskonsums, 1998] stützt). Soweit angenommen wird, die mit dem Gebrauch von Cannabis einhergehenden Risiken seien auch im Vergleich zu anderen legalen und illegalen Drogen, "gesellschaftlich und politisch tragbar" (Krumdiek NStZ 2008, 437, 443), ist dies eine Wertung, die mit dem aktuellen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht mehr unmittelbar zu tun hat und die nicht durch den Rechtsanwender vorzunehmen ist. Ob an dem derzeitigen gesetzgeberischen Konzept festgehalten werden soll, hat der Gesetzgeber zu beurteilen, dessen Einschätzungsprärogative durch die neueren naturwissenschaftlichen Erkenntnisse angesichts der allgemein konsentierten fortbestehenden potentiellen Risiken des Cannabisgebrauchs nicht eingeschränkt ist.