Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 13.02.2008, Az.: 2 A 116/07

Abstand zum Nachbargrundstück; Abwehranspruch des Nachbarn; Antennenstützpunkt; Außenbereich; Baugestaltung; bauordnungsrechtliches Verunstaltungsverbot; baurechtliche Nachbarklage; Bauvorhaben im Außenbereich; Belange des Nachbarn; Deutsches Mobilfunk Forschungsprogramm; drittschützende Vorschriften; drittschützende Wirkung; Einhaltung der Grenzwerte; Elektromagnetisches Feld; Gebot der Rücksichtnahme; gesundheitliche Gefährdung; Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkanlage; Gesundheitsgefährdung; Grenzwerte; Mobilfunkanlage; Nachbarklage; Nachbarklage; Nachbarrechtsstreit; Nachbarschutz; Orts- und Landschaftsbild; privilegiertes Vorhaben; Reichweite des Nachbarschutzes; Rücksichtnahmegebot; schädliche Umwelteinwirkungen; Sendeanlage; Sendemast; Sicherheitsabstand; Standort im Außenbereich; Standortbescheinigung; Standortbezug; Verletzung drittschützender Normen; Verunstaltung; Wertminderung des Nachbargrundstücks; Wertverlust; Zumutbarkeit; öffentliche Belange

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
13.02.2008
Aktenzeichen
2 A 116/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 54960
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte oder die Beigeladenen Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich als Nachbarin gegen eine der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung für eine Mobilfunkanlage.

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Sie ist Eigentümerin des Grundstücks F. in G., einem Ortsteil von Hohenhameln. In einer Entfernung von 250 bis 300 m Luftlinie plant die Beigeladene zu 1. die Errichtung einer Mobilfunkanlage (Schleuderbetonmast mit Plattform und Technikcontainer, 30 m Höhe, 2 Sendeeinheiten für jeweils GSM und UMTS). Als Standort ist der schon im Außenbereich gelegene rückwärtige Teil des Grundstücks H. vorgesehen (Flurstück I., Flur J., Gemarkung G.). Dieses Grundstück wird landwirtschaftlich genutzt. Nördlich, zur öffentlichen Straße hin befindet sich die Hofstelle, welche nach Süden durch ein Stallgebäude begrenzt wird. Auf einer sich anschließenden Weide soll die Sendeanlage mit einem Abstand von ca. 15 m zum Stallgebäude errichtet werden.

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Dafür stellte die Beigeladene zu 1. am 04.10.2005 bei dem Beklagten einen Bauantrag zum "Aufbau eines Antennenstützpunktes", dem sie u. a. eine Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vom 28.09.2005 beifügte. Darin wird die Unbedenklichkeit des Standorts nach den Regelungen der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) bescheinigt.

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Die Beigeladene zu 2. erteilte unter dem 07.12.2005 das gemeindliche Einvernehmen.

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Am 26.09.2005 erteilte der Beklagte die beantragte Baugenehmigung, von der die Beigeladene zu 1. derzeit keinen Gebrauch macht. Sie sucht ein Mobilfunkunternehmen, welches die Sendeanlage nutzen möchte.

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Die Klägerin erhob Widerspruch, mit dem sie im wesentlichen geltend machte, sie befürchte aufgrund der Strahlenbelastung gesundheitliche Beeinträchtigungen für sich und ihre Familie. Außerdem werde das Ortsbild verschandelt. Die Bürgerinitiative "Mobilfunkturm ja, aber nicht innerhalb der Ortschaft G. " habe unter den nur 1.100 Einwohnern schon 583 Unterschriften gesammelt.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2007 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er führt aus, das Gebot der Rücksichtnahme auf nachbarliche Interessen werde nicht verletzt. Die Anlage rufe keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG hervor. Denn die Anforderungen der 26. BImSchV, der Verordnung über elektromagnetische Felder, würden beachtet. Durch die Anlage werde ferner das Orts- und Landschaftsbild nicht verunstaltet.

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Die Klägerin hat am 19.03.2007 den Rechtsweg beschritten. Sie beruft sich auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren, das sie u. a. um die Auffassung ergänzt, die Privilegierung als Außenbereichsvorhaben fehle mangels Ortsgebundenheit bzw. spezifischem Standortbezug des Vorhabens. Dafür sei erforderlich, dass der Standort für den Aufbau der Netzstruktur und damit für die Sicherstellung der Versorgung vernünftigerweise geboten sei. Vorliegend sei der ortsnahe Standort für etwaige Betreiber nicht erforderlich, weshalb die Beigeladene zu 1) auch keinen Nutzer finde. Es gebe Alternativstandorte, etwa an Windkraftanlagen in der Nähe. Nach den jüngsten Feststellungen des Bundesamtes für Strahlenschutz, der Strahlenschutzkommission und des wissenschaftlichen Ausschusses SCENIHR gebe es zudem wissenschaftliche Hinweise auf Gesundheitsgefahren deutlich unterhalb der aktuellen Grenzwerte, was umso wichtiger sei, da die 26. BImSchV keine Vorsorgeregelung enthalte. Dieses sei bei der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme, das auf den allgemein gefassten Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" in § 35 Abs.- 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zurückgehe, zu berücksichtigen. Die Prüfung sei nicht auf die 26. BImSchV zu beschränken. Ferner müssten insoweit eine psychische Belastung der Anwohner ("das Besorgnispotential") und - wiederum - die Mobilfunk-Versorgungslage einfließen. In das Dorfgebiet werde darüber hinaus eine gebietsunverträgliche Unruhe getragen. Der merkantile Minderwert ihres Grundstücks sei mit 10 - 25 % zu beziffern und angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht hinzunehmen. So sei der Mast von dem Grundstück vollständig zu sehen. Die Umgebung sei auch nicht vorbelastet. Windräder und eine Hochspannungsleitung befänden sich weit von der Ortlage entfernt; der Mobilfunkmast sei hingegen unmittelbar am Ortsrand geplant. Die Statik der Anlage genüge nicht einer extremen Windeinwirkung. Die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung nach §§ 86, 10 NBauO sei rechtswidrig.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 26.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2007 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er nimmt Bezug auf den Widerspruchsbescheid und führt ergänzend an, die von der Klägerin geforderte Intensität des Standortbezuges werde von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht gefordert. Der Außenbereich werde hier "größtmöglich" geschont. Die Bauaufsichtsbehörde habe im Übrigen nicht die Aufgabe, Standortalternativen zu prüfen.

14

Die Beigeladene zu 1. beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie macht geltend, die Baugenehmigung verstoße nicht gegen nachbarschützende Vorschriften, so dass die Privilegierung einschließlich einer Standortbezogenheit unerheblich sei. Da der UMTS-Standard kleinere Funkzellen erfordere, sei ein Standort abseits der Ortslage nicht ausreichend, um - wie mit der streitbefangenen Anlage geplant - die Ortschaft G. und die Bundesstraße zu versorgen. Die Errichtung der Mobilfunkanlage erweise sich gegenüber dem 300 Meter entfernten Grundstück der Klägerin nicht als rücksichtslos. Eine eventuelle Wertminderung des Grundstücks führe nicht zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Der in § 35 BauGB verankerte Schutz des Orts- und Landschaftsbildes sei nicht drittschützend. Statische Probleme würden, selbst wenn sie vorlägen, keine Auswirkungen auf das Grundstück der Klägerin haben.

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Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, sie sei bei der Erteilung des Einvernehmens an die vorgefundene Rechtslage gebunden. Gleichwohl gebe es hier Bedenken im Hinblick auf die Wahl des Standortes.

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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung vom 26.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2007 zur Errichtung eines Antennenstützpunktes auf den Grundstück H. in Hohenhameln-G. ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

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Die Klägerin kann sich im Rahmen der baurechtlichen Nachbarklage erfolgreich nur auf eine Verletzung drittschützender Vorschriften berufen. Danach steht ihr hier kein Abwehranspruch gegen die Mobilfunkanlage der Beigeladenen zu 1. zu.

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§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, wonach Vorhaben, die der öffentlichen Versorgung mit u. a. Telekommunikationsdienstleistungen dienen, im Außenbereich unter bestimmten Voraussetzungen privilegiert sind, dient allein dem öffentlichen Interesse an einer geregelten baulichen Nutzung des Außenbereichs. Interessen privater Dritter, auch benachbarter Grundstückseigentümer, schützt diese Norm nicht. Dasselbe gilt für eine von der Klägerin aufgeworfene - allerdings nicht einschlägige - Zulassung nach § 35 Abs. 2 BauGB.

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Abgesehen davon trifft es zwar zu, dass ein Bauvorhaben im Außenbereich einen Standortbezug aufweisen muss, der bei einer Mobilfunkanlagen erfordert, dass diese wegen der Einbindung in ein flächendeckendes Netz zur Versorgung der Bevölkerung auf den konkreten Standort angewiesen ist (BVerwG, Urt. v. 16.06.1994 - 4 C 20.93 - juris). Ein beliebiger Standort darf im Außenbereich daher trotz der Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB nicht gewählt werden. Die Baugenehmigungsbehörde hat bei der Entscheidung über den Bauantrag die Frage, ob die Versorgung eines Gebietes - einer Funkzelle - den Standort erfordert sowie ggf. auch das Landschaftsbild zu berücksichtigen. Soweit ein Nachbar Einwendungen erhebt, beschränkt sich die Prüfung jedoch auf eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme (BVerwG, Beschl. v. 26.06.1997 - 4 B 97.97 - juris, zum Innenbereich, OVG Münster, Beschl. v. 05.11.2007 - 7 B 1182/07 - juris, zum Außenbereich).

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Die Verpflichtung des Bauherrn, auf die Belange benachbarter Grundstücke Rücksicht zu nehmen, ist aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB herzuleiten, wonach eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vorliegt, wenn das Vorhaben "schädliche Umwelteinwirkungen" hervorrufen kann (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG sowie § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG).

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Die nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erlassene Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV v. 16.12.1996, BGBl. I S. 1966) konkretisiert die Reichweite des Nachbarschutzes. Hochfrequenzanlagen sind nach deren § 2 Nr. 1 zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen so zu errichten und zu betreiben, dass in ihrem Einwirkungsbereich in Gebäuden oder auf Grundstücken, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung und unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere ortsfeste Sendefunkanlagen die im Anhang 1 bestimmten Grenzwerte der elektrischen und magnetischen Feldstärke für den jeweiligen Frequenzbereich nicht überschritten werden.

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Die der Beigeladenen zu 1. erteilte Standortbescheinigung legt im Interesse des Schutzes vor elektromagnetischen Feldern Sicherheitsabstände für den konkreten hier ausgewählten Standort H. fest. Danach ist in der Hauptstrahlrichtung ein Abstand von 10,25 m einzuhalten. Bei Wahrung der Sicherheitsabstände nach der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV v. 20.08.2002, BGBl. I S. 3366, zul. geänd. d. G. v. 07.07.2005, BGBl. I S. 1970) werden die Vorgaben der 26. BImSchV beachtet.

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Da die Sicherheitsabstände durch den Standort des geplanten Sendemasts der Beigeladene zu 1. beachtet werden, liegt keine das Gebot der Rücksichtnahme verletzende Gesundheitsgefährdung vor.

28

Hinsichtlich der gefestigten Rechtsprechung zu den Möglichkeiten, bei Vorliegen einer Standortbescheinigung, im Nachbarrechtsstreit eine Verletzung drittschützender Normen mit Erfolg geltend zu machen, wird auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 08.02.2007 (§ 117 Abs. 5 VwGO) Bezug genommen. In diesem Sinne haben nicht nur das Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht und andere Obergerichte (s. nachfolgend), sondern auch die erkennende Kammer in den Entscheidungen vom 27.01.2003 (2 B 361/02), 16.06.2004 (2 A 314/03) und 01.11.2005 (2 A 141/05) einen weiter reichenden Nachbarschutz gegenüber Mobilfunkanlagen abgelehnt.

29

Zusammenfassend ist auch hier festzustellen, dass bei Einhaltung der in der 26. BImSchV angeführten Grenzwerte regelmäßig die Annahme gerechtfertigt ist, dass von gesundheitlichen Gefährdungen durch hochfrequente elektromagnetische Felder nicht auszugehen ist (Nds.OVG, Beschl. v. 04.02.2005 - 9 LA 360/04 - Rechtsprechungsdatenbank des OVG, mit zahlreichen Hinweisen zur obergerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere auch des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichtes, insbes. Beschl. v. 24.01.2007- 2 BvR 282/05 - juris, Beschl. v. 28.02.2002, 1 BvR 1676/01 - BRS 65 Nr. 178, vgl. auch Nds.OVG, Beschl. v. 16.03.2007 - 1 ME 224/06 - nicht veröffentlicht). Bei Vorlage einer Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur besteht bei Einhaltung der darin festgelegten Sicherheitsabstände kein Abwehranspruch des Nachbarn. Gesicherte Befunde von anerkannter wissenschaftlicher Seite, die belegen, dass der Gesetzgeber seinem Schutzauftrag aus Art. 2 Abs. 2 GG (Schutz des Lebens und der Gesundheit) durch die Regelungen der 26. BImSchV nur unzureichend genügt, liegen nicht vor (NdsOVG, Beschl. v. 16.03.2007, a.a.O.). Die Klägerin weist lediglich pauschal auf "jüngste Feststellungen" zu "Hinweisen" auf Gesundheitsgefahren hin, die zudem - wie in der mündlichen Verhandlung erwähnt - teilweise (noch) unveröffentlicht seien. Sie hat keine Berichte oder andere Unterlagen vorgelegt. Erforderlich sind aus Sicht der Klägerin jedoch "Nachweise", die dem Gericht nicht bekannt sind. Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angesprochene Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm (DMF) befindet sich noch in der Abschlussphase (s. www.emf-forschungsprogramm.de). Die Forschungsprojekte der DMF und andere Untersuchungen haben bislang keinen "Nachweis" von Gesundheitsschädigungen durch elektromagnetische Strahlung von Mobilfunkanlagen bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV erbracht, obwohl es einzelne wissenschaftliche "Hinweise" auf möglich Risiken gibt, welche weitere Forschungsvorhaben erfordern (s. erneut www.emf-forschungsprogramm.de sowie Wahlfels, Bundesamt für Strahlenschutz, Mobilfunk in allen Instanzen, Vortrag in der Deutschen Richterakademie am 17.01.2008, nicht veröffentlicht; entsprechend äußerte sich das Bundesamt schon zu ersten Ergebnissen in der Anhörung des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz des Bayerischen Landtages am 07.12.2006 zum Thema "Einfluss des Mobilfunks auf die menschliche Befindlichkeit", Antworten zu Fragen 4. u. 6., www.bfs.de).

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Die Kammer sieht sich daher zu weiteren Ermittlungen oder einer Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst (vgl. zu Schutzpflichten von Gerichten und Verordnungsgeber bei ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu komplexen Gefährdungslagen BVerfG, Beschl. v. 28.02.2002 u. 24.01.2007, a.a.O.).

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin mit dem Schriftsatz vom 11.02.2008 zitierten Urteilen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 14.07.2005 (1 BV 05.2105, juris) und 02.08.2007 (1 BV 06.464, juris). Denn in den Entscheidungsgründen dieser Urteile wird im Anschluss an die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 28.02.2002 (a.a.O.) und 24.01.2007 (a.a.O.) lediglich festgestellt, es gebe zwar keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass die den Grenzwerten in §§ 2 und 3 der 26. BImSchV zugrunde liegende Risikoeinschätzung überholt sein könnte. Den Staat treffe deshalb keine weitergehende Pflicht zur Vorsorge. Das hindere die Gemeinden aber nicht, im Rahmen ihrer Planungsbefugnisse durch Standortkonzepte einen über die Anforderungen der 26. BImSchV hinausgehenden Schutz vor schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder zu erreichen. Dem könne nicht entgegen gehalten werden, es gebe keine realistischen Anhaltspunkte für eine im Rahmen der Abwägung bei Aufstellung eines Bebauungsplans zu berücksichtigende Gesundheitsgefährdung, sondern nur "Immissionsbefürchtungen" unterhalb der Schwelle des "vorsorgerelevanten Risikoniveaus". Gesundheitsschädliche Wirkungen unterhalb der geltenden Grenzwerte könnten (nach den Feststellungen auch des BVerfG, a.a.O.) nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Von "einzelnen Hinweisen" auf biologische Wirkungen unterhalb der geltenden Grenzwerte geht - wie ausgeführt - auch das Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm (DMF) aus. Daraus kann die Klägerin jedoch rechtlich nichts für ihr Klagebegehren herleiten. Die genannten Hinweise, die nicht mit einem wissenschaftlichen Nachweis einer Gesundheitsschädigung durch elektromagnetische Felder (Strahlung) gleichzusetzen sind, begründen keinen Anspruch auf staatlichen Schutz zur Gewährleistung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG). Sie wirken sich im Rahmen der Abwägung zur Anwendung des Rücksichtnahmegebots ebenso wenig zugunsten der Klägerin aus wie ein etwaiges Besorgnispotential der Klägerin und anderer Bewohner von G. oder die allgemeine Mobilfunk-Versorgungssituation (s. o. Tatbestand).

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Auf dieser Grundlage ist nach Überzeugung der Kammer nicht von einer Gefährdung von Nutzern eines - wie hier - 250 bis 300 Meter entfernt liegenden Grundstücks durch eine Sendeanlage mit einem nach der Standortbescheinigung notwendigen Sicherheitsabstand von 10,25 m auszugehen.

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Eine von der Klägerin behauptete Wertminderung ihres Grundstücks hat bzw. hätte sie hinzunehmen. Insofern ist geklärt, dass einem Nachbarantrag gegen eine Baugenehmigung nicht schon dann entsprochen werden darf, wenn ein Grundstück durch eine "unpassende" Nutzung in der Nachbarschaft eine Wertminderung erfahren haben könnte (BVerwG, Beschl. v. 13.11.1997 - 4 B 195.97 - BRS 59 Nr. 177). Dementsprechend bilden mögliche Wertminderungen als Folge der Ausnutzung einer einem Dritten erteilten Baugenehmigung für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen nach dem Rücksichtnahmegebot zumutbar sind oder nicht (BVerwG, Beschl. v. 13.11.1997, a.a.O.). Wertminderungen sind vielmehr - umgekehrt - der finanzielle Ausdruck von in diesem Sinne zumutbaren Beeinträchtigungen, da der Fortbestand einer bestimmten Grundstückssituation eine als solche rechtlich nicht geschützte Chance darstellt (BVerwG, Beschl. v. 28.10.1993, NVwZ 1994, 354, NdsOVG, Beschl. v. 16.03.2007, a.a.O., BayVGH, Beschl. v. 11.10.2006, 1 ZB 06.2006, juris, vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 24.01.2007, a.a.O.: Schutzbereich des Eigentumsrechts aus Art. 14 GG in der Regel nicht berührt). Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots vermag die Kammer - wie ausgeführt - nicht feststellen. Im Übrigen steht keineswegs fest, dass das Grundstück der Klägerin durch einen 250 bis 300 Meter entfernten Sendemast überhaupt einem Wertverlust unterliegen würde.

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Die Klägerin kann auch nicht mit dem Verweis auf den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes als öffentlichen Belang in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB gehört werden. Dieser Belang sichert nur öffentliche Interessen und nicht den auf individuellen ästhetischen Vorstellungen beruhenden Wunsch eines Anwohners oder Besuchers auf Erhalt einer bestimmten Orts- oder Landschaftsgestaltung.

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Das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot des § 53 NBauO vermittelt der Klägerin ebenfalls keinen Abwehranspruch. Danach darf eine bauliche Anlage u.a. nicht das Orts- und Landschaftsbild verunstalten. Auch diese Vorschrift ist jedoch nach der Rechtssprechung grundsätzlich nicht nachbarschützend. Die Vorschriften über die Baugestaltung in §§ 53 - 56 NBauO dienen dem öffentlichen Interesse an einer einwandfreien Einfügung eines Bauwerks in die Umgebung und nicht dem Schutz benachbarter Grundstückseigentümer vor Verunstaltung (NdsOVG, Urt. v. 05.09.1985 - 6 A 104/83 - BRS 44 Nr. 118). Nur ausnahmsweise kann eine Gestaltungsvorschrift drittschützende Wirkung entfalten, etwa, wenn das Gesamtbild der näheren Umgebung grob entstellt wird (vgl. OVG Saarland, Urt. v. 26.06.1985 - 2 W 1331/85 - BRS 44 Nr. 162; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, Komm., 8. Aufl., § 53 Rn. 17, § 72 Rn. 91), was hier nicht der Fall ist.

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Abschließend ist darauf zu verweisen, dass das Vorbringen zu statischen Mängeln zu unsubstantiiert ist, um berücksichtigt werden zu können; das ca. 250 m entfernt liegende Grundstück der Klägerin ist davon auch nicht betroffen. Auf die Vorschrift des § 10 NBauO, von der hier eine Befreiung hinsichtlich des nicht eingehalten Abstandes zwischen von Mast/Technikcontainer und Stall erteilt worden ist, darf sich die Klägerin als Dritte nicht berufen. Der planungsrechtliche Maßstab des Hineintragens von Unruhe in ein unbeplantes Wohn- oder Dorfgebiet ist hier nicht anzulegen, da das Bauvorhaben außerhalb des Dorfgebiets im Außenbereich verwirklicht werden soll (vgl. dazu Schrödter-Rieger, BauGB, Komm., 7. Aufl., § 34 Rn. 42).