Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 14.08.2008, Az.: 1 B 1273/08

Bloße Verfügung der rechtfertigenden Gründe ausreichend für das Formerfordernis aus § 80 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Bereich der präventiven Gefahrenabwehr; Unterlassene Anhörung gemäß § 28 Verwaltungsverfahrensordnung (VwVfG) als im Eilverfahren relevanter Formfehler; Blutalkoholgehalt eines Fahrradfahrers im öffentlichen Straßenverkehrs von 2,6 Promille als Indiz für die Annahme einer Ungeeignetheit zur Führung von Kraftfahrzeugen

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
14.08.2008
Aktenzeichen
1 B 1273/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 20682
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2008:0814.1B1273.08.0A

Verfahrensgegenstand

Fahrerlaubnis nach der Wattwagenverordnung;
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
am 14. August 2008
beschlossen:

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der gegen den Widerruf der Erlaubnis als Beifahrer vom 8. Mai 1995 und der Erlaubnis als Selbstfahrer vom 14. April 2003 gerichteten Klage (1 A 786/08) wird wiederhergestellt, soweit der Widerruf der Erlaubnis als Beifahrer vom 8. Mai 1995 nach der Wattwagenverordnung der Antragsgegnerin betroffen ist.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Parteien tragen die Kosten je zur Hälfte.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren und für das Verfahren 1 A 786/08 unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewillig.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der 1946 geborene Antragsteller bezieht Leistungen nach dem SGB II, er ist Nebenerwerbslandwirt und während der Saison als Wattwagenfahrer auf der Strecke von Cuxhaven nach Neuwerk tätig. Er wehrt sich mit seiner am 4. Juni 2008 erhobenen Klage (1 A 786/08) gegen den Widerruf der ihm erteilten Fahrerlaubnisse nach der Wattwagenverordnung der Antragsgegnerin.

2

Am 8. Mai 1995 war dem Antragsteller auf Antrag des Wattwagenunternehmers D. für die Strecke Cuxhaven nach Neuwerk ein Ausweis als Beifahrer nach der Wattwagenverordnung - gültig bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres - nach der seinerzeit noch geltenden Wattenfahrerverordnung vom 18. November 1975 (Amtsblatt der Regierung Stade, S. 215) erteilt worden. Auf den Antrag des Wattwagenunternehmers E. vom 11. März 2003 wurde dem Antragsteller am 14. April 2003 ein Wattenfahrerschein für Selbstfahrer auf Grund der Wattwagen-Verordnung der Stadt Cuxhaven vom 26. März 1998 erteilt. Seitdem fährt der Antragsteller ununterbrochen während der Saison als Selbstfahrer. Am 7. April 2008 beantragte der Wattwagenunternehmer E. bei der Antragsgegnerin die Erteilung eines Hauptfahrerausweises für den Antragsteller. Im Rahmen der in diesem Zusammenhang erforderlichen Überprüfung der Zuverlässigkeit teilte die Polizeiinspektion Verden/Wesermarsch am 11. April 2008 mit, dass dort Erkenntnisse über den Antragsteller vorlägen, die einen Fall von Trunkenheit im Verkehr aus dem Jahre 2005 betreffen. Auf Anforderung übersandte die Staatsanwaltschaft Stade daraufhin die Akte 2510 Js 19137/05, aus der sich ergibt, dass der Antragsteller am 24. Juli 2005 um 19.15 Uhr mit dem Fahrrad in der Parkstraße in Cuxhaven gefahren war. Da er in leichten Schlangenlinien gefahren war, wurde ein Alkoholtest durchgeführt. Dieser ergab einen Atemalkoholwert von 2,5 g ?. Sodann wurde um 19.50 Uhr eine Blutprobe entnommen, deren Auswertung durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Göttingen einen Blutalkoholgehalt von 2,6 g ? ergab. Der das Blut entnehmende Arzt hatte in dem ärztlichen Untersuchungsbericht vom 24. Juli 2005 erklärt, der Kläger sei bei klarem Bewusstsein gewesen, der Denkablauf sei geordnet, sein Verhalten redselig und seine Stimmung unauffällig gewesen.

3

Ohne den Antragsteller anzuhören, erließ die Antragsgegnerin den mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 5. Mai 2008. Die Beifahrererlaubnis vom 8. Mai 1995 sowie die Selbstfahrererlaubnis vom 14. April 2003 wurden danach widerrufen. Diese Verfügung wurde für sofort vollziehbar erklärt. In der Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass der Verwaltungsakt widerrufen werden darf, wenn nachträglich eingetretene Tatsachen die Versagung der Erlaubnis gerechtfertigt hätten und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Eine Fahrererlaubnis werde gemäß § 8 Abs. 3 Wattwagen-Verordnung nur erteilt, wenn der Fahrer geistig und körperlich geeignet und zuverlässig sei. Der Antragsteller habe am Straßenverkehr teilgenommen, obwohl er unter Alkoholeinfluss stand. Deshalb sei er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt worden. Daraus ergäbe sich seine Unzuverlässigkeit. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass bei einer Teilnahme am Straßenverkehr - auch bei Ersttätern und auch mit Fahrrädern - bei einer Blutalkoholkonzentration ab 2 g ? ohne das Vorliegen weiterer Umstände regelmäßig eine medizinisch-psychologische Untersuchung in Betracht komme, weil nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon auszugehen sei, dass Personen mit derartigen Blutalkoholkonzentrationen deutlich von der Norm abweichende Trinkgewohnheiten hätten und zur Risikogruppe überdurchschnittlich alkoholgewöhnter Kraftfahrer gehörten. Diese fielen im Straßenverkehr doppelt so häufig auf wie andere Personen. Personen, die Blutalkoholwerte von 1,6 g ? und mehr erreichen, litten häufig an einer dauerhaften ausgeprägten Alkoholproblematik, so dass die Straßenverkehrsbehörden in diesen Fällen mit den erforderlichen und angemessenen Mitteln Aufklärung betreiben müssten. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse seien auch auf Wattwagenfahrer anzuwenden, weil hier verschärfend hinzutrete, dass der Kutscher in der Lage sein muss, ohne in Anspruchnahme einer Hilfe Dritter Notsituationen, wie plötzliches eigenes und Unwohlsein von Fahrgästen, schlechte Wetterlage, Eigenwilligkeiten des Pferdes, Naturgewalten und von technischen Defekten, im Wattenmeer Herr zu werden. Die hohe Blutalkoholkonzentration bei dem Antragsteller habe deutlich gemacht, dass er zu der Gruppe gehört, die besonders alkoholgefährdet sei. Daher sei auch das öffentliche Interesse gefährdet, wenn die Fahrerlaubnisse nicht widerrufen würden. Ein Wattwagenfahrer übe Tätigkeiten aus, die den des Personenbeförderungsrechts entsprechen, so dass hinsichtlich der Frage, ob ein Widerruf erfolgen soll, kaum noch ein Ermessensspielraum bleibe. Im Falle des herkömmlichen Fahrerlaubnisrechts sei zwar im Falle einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 g ? ein MPU-Gutachten anzuordnen, dafür gäbe es aber im Bereich der Wattwagen-Verordnung keine Ermächtigungsgrundlage. Auch komme eine Auflage, den Wattwagen stets ohne Alkoholeinfluss zu fahren, nicht in Betracht, weil der Antragsteller bereits durch seine Fahrt mit dem Fahrrad deutlich gemacht habe, dass er sich nicht davon abhalten lasse, in alkoholisiertem Zustand am Straßenverkehr teilzunehmen. Zur Begründung der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung führt die Antragsgegnerin aus, dass sich aus der bereits dargelegten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ergäbe, dass hier dem öffentlichen Interesse der Vorzug zu geben sei.

4

Mit Bescheid vom gleichen Tage wurde der Antrag des Wattwagenunternehmers, E., auf Erteilung der Fahrerlaubnis des Antragstellers als Hauptfahrer abgelehnt. Diese Verfügung ist Gegenstand des Verfahrens 1 A 787/08.

5

Der Antragsteller hat gegen die Verfügung vom 5. Mai 2008 am 4. Juni 2008 Klage erhoben und am 31. Juli 2008 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Der Antragsteller hält die Verfügung für rechtswidrig. Er beruft sich auf das Gutachten der Ärztin für Innere Medizin, Dr. F., die auch Laborberichte zusammengestellt hat, denen zu entnehmen ist, dass bei dem Antragsteller keine mit Alkoholmissbrauch einhergehenden Leberwerte vorhanden sind. Es sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Vorfall, der im Zusammenhang mit dem G. Schützenfest stand, bereits drei Jahre zurückliege. Seitdem sei es trotz weiterer Wattfahrten zu keiner Gefährdung anderer Personen gekommen. Angesichts dieses Zeitablaufes könne die formelhafte Begründung des Sofortvollzuges diesen kaum rechtfertigen. Auch der Strafrichter habe seinerzeit keine Maßnahmen hinsichtlich der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr getroffen. Der Antragsteller sei auch nicht verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Es stünden eine ganze Reihe von Wattwagenfahrer als Zeugen für die Umsichtigkeit und für das beanstandungsfreie Fahren des Antragstellers zur Verfügung.

6

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage (1 A 786/08) wiederherzustellen.

7

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

8

Sie verteidigt den ergangenen Bescheid. Die Stellungnahme der Hausärztin könne an der Entscheidung der Antragsgegnerin nichts ändern, weil diese ebenso wenig wie die unauffälligen Leberwerte oder etwaige Zeugenaussagen den Schluss zuließen, dass eine Alkoholproblematik nicht bestehe.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

10

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat teilweise Erfolg.

11

Zwar ist dem Antrag nicht bereits deshalb aus formellen Gründen stattzugeben, weil die Antragsgegnerin ihrer Begründungspflicht hinsichtlich des sofortigen Vollzuges gemäß § 80 Abs. 3 VwGO nicht nachgekommen ist. Die Kammer ist in Übereinstimmung mit dem Nds. Oberverwaltungsgericht der Auffassung, dass im Bereich der präventiven Gefahrenabwehr regelmäßig bereits die die Verfügung rechtfertigenden Gründe ausreichend sind, um auch deren Sofortvollzug zu begründen, weil eine effektive Gefahrenabwehr meistens sofortiges Handeln erforderlich macht. Im vorliegenden Fall geht es letztlich darum, die von einem möglicherweise unzuverlässigen Fahrer ausgehenden Gefahren im Interesse der Allgemeinheit und der ihm anvertrauten Fahrgäste vorausschauend abzuwenden. In diesem Falle darf an die formellen Anforderungen der Begründung nicht derselbe Anspruch erhoben werden, wie bei einer Verfügung außerhalb des Bereichs der Gefahrenabwehr. Diese Aussage kann aber nur insoweit uneingeschränkt gelten, als tatsächlich ein Gefahreneintritt ohne das Handeln der Behörde unmittelbar zu befürchten ist. Je fern liegender die Gefahr ist, um so höhere Ansprüche müssen auch an das formelle Erfordernis der Begründung gestellt werden. Insoweit ist zwischen den beiden mit gleichen Gründen widerrufenen Erlaubnissen zu unterscheiden. Hinsichtlich der Selbstfahrererlaubnis, die nach der Wattwagen-Verordnung der Stadt Cuxhaven vom 26. März 1998 (§ 9 Abs. 1 Satz 2) dazu berechtigt, bei der Personenbeförderung ohne Hauptfahrer durch das Watt zu fahren, ist der Eintritt der durch einen unzuverlässigen Fahrer möglichen Gefahr offenkundig wesentlich höher einzuschätzen als für den Fall der durch den angefochtenen Bescheid ebenfalls widerrufenen Beifahrererlaubnis, weil diese nicht dazu berechtigt, allein mit einem Wattwagen durch das Watt zu fahren. Vielmehr berechtigt die Beifahrererlaubnis lediglich dazu, hinter dem Gespann eines Hauptfahrers oder einer Hauptfahrerin durch das Watt zu fahren. So erscheint es bereits fraglich, ob die formelhafte Wiederholung der die Verfügung als solche tragenden Gründe zur Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung auch bezüglich der Beifahrererlaubnis ausreichend sein kann. Hinsichtlich der Selbstfahrererlaubnis bestehen insoweit allerdings nach Ansicht der Kammer keine Zweifel.

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Auch hinsichtlich der materiellen Bewertung der Verfügungen ist zwischen dem Widerruf der Selbstfahrer- und der Beifahrererlaubnis zu unterscheiden.

13

Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese entfällt gemäß § 80 Abs. 2 VwGO nur unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen. Im vorliegenden Fall kommt der erhobenen Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu. Das Gericht kann jedoch auf Antrag die aufschiebende Wirkung wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz VwGO), wenn eine Abwägung der widerstreitenden Interessen dies erfordert. Demnach ist zu prüfen, ob das Interesse des Antragstellers, bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache von dem Widerruf der Erlaubnis verschont zu bleiben, höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung. Hierbei ist maßgeblich auf die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsmittels abzustellen, welche allerdings in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur einer summarischen Begutachtung unterzogen werden kann. Das private Aussetzungsinteresse überwiegt immer dann, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren aller Wahrscheinlichkeit nach als rechtswidrig erweisen wird, weil an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes niemals ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen kann. Andererseits ist ein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse regelmäßig anzunehmen, wenn sich der betreffende Verwaltungsakt aller Voraussicht nach als rechtmäßig darstellen wird. Gemessen daran ist im vorliegenden Fall zwischen den beiden widerrufenen Genehmigungen zu unterscheiden.

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Die Widerrufsentscheidungen erweisen sich allerdings nicht deshalb beide als rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin es entgegen § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) unterlassen hat, den Antragsteller vor Erlass der Verfügung anzuhören. Zwar ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Von der Anhörung kann § 28 Abs. 2 VwVfG abgesehen werden, wenn die Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht zuzumuten ist, insbesondere, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr in Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Auch insoweit ist nach Auffassung der Kammer zwischen den beiden Erlaubnissen zu unterscheiden, weil die von dem Bestand der Erlaubnisse ausgehenden Gefahren unterschiedlich bewertet werden können. Dies braucht jedoch nicht abschließend entschieden zu werden, weil diese Fehler gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden können. Zwar wird insoweit die Auffassung vertreten, dass es mit den Verfahrensgarantien des Europarechts nicht vereinbar ist, die Heilung eines Verfahrensfehlers noch nach Erhebung der gerichtlichen Klage zuzulassen, auch diese Frage braucht hier jedoch nicht abschließend entschieden zu werden, weil der Antragsteller sich nach Erhalt der Verfügung unmittelbar an die Antragsgegnerin gewandt hat, die sodann die Angelegenheit mit ihm ausführlich besprochen hat. Damit kann dieser Verfahrensfehler als geheilt angesehen werden.

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Hinsichtlich der Verfügung, die die Beifahrererlaubnis vom 8. Mai 1995 betrifft, hat die Kammer erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Wie die Antragsgegnerin in ihrer Verfügung zutreffend ausgeführt hat, muss der Anspruch, der an die Zuverlässigkeit gestellt wird, in Bezug auf die Tätigkeit gesehen werden, für die die Erlaubnis begehrt wird. Darüber hinaus ist der Antragsgegnerin hinsichtlich der Entscheidung, ob eine bestehende Erlaubnis widerrufen wird, gemäß § 49 VwVfG ein Ermessen eingeräumt, das ordnungsgemäß nur ausgeübt werden kann, wenn es sich konkret auf den Inhalt der jeweils zu widerrufenden Verfügung dieser Erlaubnis bezieht und das erst ausgeübt werden kann, wenn alle erforderlichen Sachverhaltsaufklärungen erfolgt sind.

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Hinsichtlich der Beifahrererlaubnis können die für das Straßenverkehrsrecht entwickelten Grundsätze, die im Wesentlichen in § 13 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) Niederschlag gefunden haben, nicht ohne Weiteres vollständig auf die Erlaubnis nach der Wattwagen-Verordnung übertragen werden. Die besonderen Gefahren im Straßenverkehr, denen die Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung begegnen sollen, beruhen gerade auch darauf, dass jederzeit die Gefahr der Benutzung eines Fahrzeuges durch jemanden besteht, der alkoholisiert ist und gerade aufgrund des Alkoholgenusses nicht mehr die Entscheidung treffen kann, sein Fahrzeug besser stehen zu lassen. Bei der Wattwagen-Verordnung ist diese Gefahr nicht in der gleichen Weise gegeben, weil zum einen zwangsläufig eine Kontrolle durch den Unternehmer stattfinden muss, zum anderen eine Fahrt ohnehin nur zu bestimmten Zeiten und nicht in der gleichen Weise spontan wie im Falle eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr stattfinden kann. Die dem Unternehmen gehörenden Pferde müssen angespannt werden und eine Fahrt kann letztlich nur angekündigt, nach Fahrplan stattfinden. Die Gefahr wird noch weiter gemindert, wenn es lediglich um eine Beifahrererlaubnis nach der Wattwagen-Verordnung geht, weil in diesem Fall der Wattwagen immer nur einem durch einen Hauptfahrer geführten Wattwagen folgen darf. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Regeln ist nicht der Inhaber der Fahrererlaubnis allein, sondern vor allem der Wattwagenunternehmer.

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Die unterschiedlichen Zweckrichtungen der Fahrerlaubnisverordnung und der Wattwagen-Verordnung machen deutlich, dass es jedenfalls nicht vertretbar erscheint, bei der Wattwagen-Verordnung noch strengere Maßstäbe anzulegen als bei der Fahrerlaubnis im Straßenverkehr. Insoweit erscheint die Auffassung der Antragsgegnerin kaum vertretbar, dass die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens deshalb nicht in Betracht kommt, weil es dafür im Bereich der Wattwagen-Verordnung keine Ermächtigungsgrundlage gibt. Vielmehr ist die Antragsgegnerin im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens, ob eine Erlaubnis widerrufen werden soll oder nicht, verpflichtet, den Sachverhalt in vollem Umfang aufzuklären. Dazu gehört es auch, im Falle von berechtigten Zweifeln an der Eignung eines Fahrzeugführers diese Zweifel vollständig aufzuklären. Zu dieser Aufklärung kann auch die Verpflichtung des Betroffenen gehören, ein medizinisches Gutachten vorzulegen, das die berechtigten Zweifel an der Eignung auszuräumen vermag. Im Falle der Fahrerlaubnis spricht nach einer Teilnahme am Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 g ? oder mehr gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2c FeV eine Vermutung dafür, dass Zweifel an der Eignung bestehen, die nur durch das Einholen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens beseitigt werden können. Im Falle des Antragstellers, bei dem nach Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad immerhin 2,6 g ? Blutalkoholgehalt festgestellt wurden, liegt die Vermutung daher ebenfalls nahe, dass er ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Grundsätzlich kann daher auch davon ausgegangen werden, dass er ungeeignet zum selbstständigen Fahren eines Wattwagens ist. Ob dies allerdings auch der Fall hinsichtlich der Beifahrererlaubnis ist, erscheint zweifelhaft, weil insoweit die Möglichkeiten zur selbständigen Herbeiführung einer Gefahr erheblich geringer sind als bei der unabhängigen Teilnahme am Straßenverkehr. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin insoweit - möglicherweise als Auswirkung der fehlenden Anhörung - keinerlei Feststellungen darüber getroffen, ob es sich eventuell bei dem Vorfall vor drei Jahren um ein einmaliges Ereignis im Zusammenhang mit dem Schützenfest gehandelt hat. Auch die Frage, ob der Antragsteller derartige Mengen Alkohol nur vollkommen getrennt von den Wattfahrten gelegentlich zu sich nimmt, wäre aufzuklären gewesen. Die Antragsgegnerin hat allein, gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Fahrerlaubnisrecht, angenommen, dass der Antragsteller auf jeden Fall eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Dem kann ohne weitere Aufklärung jedenfalls für die Beifahrererlaubnis nicht gefolgt werden.

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Anders ist dies allerdings hinsichtlich der Selbstfahrererlaubnis zu bewerten, weil insoweit ein mit dem Fahrerlaubnisrecht eher vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. In diesem Fall kann es durchaus gerechtfertigt sein, allein den hohen Blutalkoholgehalt in Verbindung mit dem nach dem ärztlichen Bericht relativ normalen Verhalten des Antragstellers den Schluss zu ziehen, dass dieser in einer Weise an den Alkoholgenuss gewöhnt ist, dass er jedenfalls zum selbstständigen Führen eines Fahrzeuges im Bereich der Personenbeförderung von vornherein nicht geeignet ist, so dass insoweit auf weitere konkrete Feststellungen verzichtet werden kann, wenn zur Überzeugung der Antragsgegnerin feststeht, dass der Antragsteller ein erhebliches Alkoholproblem hat.

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Danach ist es gerechtfertigt, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Widerruf der Selbstfahrererlaubnis gerichteten Klage abzulehnen, weil insoweit keine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolges der Klage besteht, während die aufschiebende Wirkung hinsichtlich des die Beifahrererlaubnis betreffenden Bescheides wiederhergestellt werden muss.

20

Die Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe rechtfertigt sich aus den vorgenannten Gründen, weil die Klage jedenfalls nicht als mutwillig im Sinne des § 114 ZPO angesehen werden kann.

21

Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus §§ 52, 53 GKG.

22

Gegen den Beschluss (Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung) ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft.

Schmidt
Schulz
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