Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 02.12.2005, Az.: 3 B 547/05
Abweichung; Angabe; Aufsteller; Automat; Automatenaufsteller; Bezugsgröße; Datenmenge; Durchschnitt; Einspielergebnis; Erkenntnis; Feststellung; freiwillig; Grundlage; Prüfungsumfang; Satzungsgebiet; Schwankung; Spielautomat; Stückzahlmaßstab; summarische Prüfung; tauglich; Veranlagungsjahr; Vergnügungsaufwand; Vergnügungssteuer; Zeitraum
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 02.12.2005
- Aktenzeichen
- 3 B 547/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50850
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 KAG ND
- § 3 KAG ND
- § 80 Abs 5 VwGO
- § 154 VwGO
Gründe
Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin vom 09. November 2005, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (3 A 513/05) gegen den Vergnügungssteuerbescheid der Antragsgegnerin vom 29. September 2005 anzuordnen, soweit darin für 8 Spielhallengeräte mit Gewinnmöglichkeit für das 2. Halbjahr 2005 Vergnügungssteuer in Höhe von 5.760,00 Euro festgesetzt und angefordert ist, hat keinen Erfolg.
Der zulässige Antrag, dem insbesondere die Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch Schreiben der Antragsgegnerin vom 21. Oktober 2005 vorausgegangen ist, ist unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 und Abs. 4 Satz 3 VwGO kann das Gericht der Hauptsache bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn die Zahlung der Antragstellerin einen nicht wieder gut zu machenden Schaden zufügen würde, der auch durch eine etwaige spätere Rückzahlung nicht ausgeglichen werden könnte (VG Göttingen, Beschlüsse vom 15.04.1997 - 3 B 3135/96 -, vom 03.06.1998 - 3 B 3047/98 - und vom 07.07.2000 - 3 B 3279/00 -; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000, § 80 Rn 37). Tatsachen, aus denen Anhaltspunkte für eine unbillige Härte entnommen werden könnten, hat die Antragstellerin nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts; ein Erfolg des Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren erscheint nicht mindestens ebenso wahrscheinlich wie der Misserfolg. Schwerpunkt des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist die Prüfung des konkret streitbefangenen Abgabenbescheides. Daher kommt in der Regel weder eine abschließende Beantwortung grundsätzlicher oder schwieriger Rechtsfragen noch eine aufwändige Klärung von Tatsachen in Betracht, die einem eventuellen späteren Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Mithin scheidet im Rahmen der summarischen Prüfung eine vollständige Überprüfung des der Abgabenerhebung zugrunde liegenden Satzungsrechts grundsätzlich aus; um ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides zu erwecken, müssten Satzungsmängel, die insbesondere mit §§ 2 Abs. 1, 3 NKAG nicht in Einklang zu bringen sind, offen zu Tage treten. Sie müssten so offensichtlich und eindeutig sein, dass im späteren Hauptsacheverfahren eine andere rechtliche Bewertung nicht zu erwarten ist (vgl. auch OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 20.11.1998, - 3 M 67/98 - ; OVG NW, Beschl. v. 17.03.1994 - 15 B 3022/93 -, NVwZ-RR 1994, 617; ThürOVG, Beschl. v. 15.07.1999, - 4 ZEO 978/98 -, DÖV 1999, 1004-1006 [OVG Thüringen 15.07.1999 - 4 ZEO 978/98]; VG Leipzig, Beschl. v. 05.05.2000 - 6 K 325/00 -).
Gemessen an diesen Grundsätzen erfüllt die Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin vom 26. Juni 2001 in der Fassung des ersten Nachtrages vom 19. Dezember 2003 (VStS) bei summarischer Prüfung die sich aus den §§ 2 Abs. 1, 3 Nds. Kommunalabgabengesetz (NKAG) ergebenden Anforderungen. Sie bestimmt den Kreis der Abgabeschuldner (§ 3 VStS), den die Abgabe begründenden Tatbestand (§ 1 Nr. 5 VStS), den Maßstab und den Satz der Abgabe (§ 9 Nr. 2 VStS) sowie die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabenschuld (§ 10 Abs. 1, 2 VStS).
Es bestehen bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage gegenwärtig auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vergnügungssteuerbescheides vom 29. September 2005.
Die Antragstellerin begründet ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Vergnügungssteuern damit, dass der der Steuerveranlagung zugrundeliegende Stückzahlmaßstab nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. April 2005 (- 10 C 5.04 -, DVBl. 2005, 1208-1214=KStZ 2005, 171-176=NST-N 2005, 207-211) nur noch unter bestimmten Umständen eine taugliche Rechtsgrundlage für die Erhebung der Vergnügungssteuern ist, denn dieser Erhebungsmaßstab weist nicht den durch Art. 105 Abs. 2a Grundgesetz (GG) gebotenen zumindest lockeren Bezug zum Vergnügungsaufwand der Spieler auf, wenn Einspielergebnisse von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit mehr als 50% von dem Durchschnitt der Einspielergebnisse dieser Automaten im Satzungsgebiet abweichen. Auch wenn man dieser Entscheidung folgt, kann dem Antrag nicht entsprochen werden, weil bislang weder dargelegt noch in diesem summarischen Verfahren erkennbar ist, dass im vorliegenden Fall die vom Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung geforderten Voraussetzungen für die Feststellung der Nichtigkeit der maßgeblichen Satzungsvorschrift über die Erhebung der Vergnügungssteuer nach Maßgabe des Stückzahlmaßstabes vorliegen. Zu den damit aufgeworfenen Fragen, welche Schwankungsbreite hinnehmbar ist und wie deren Einhaltung zu ermitteln ist, lassen sich dem Urteil folgende Aussagen entnehmen (vgl. Nolte, jurisPR-BVerwG 19/2005 Anm. 3):
Die zulässige Schwankungsbreite liegt bei 50% vom Durchschnitt der Einspielergebnisse der Gewinnspielautomaten im jeweiligen Satzungsgebiet. Dieser Gesamtdurchschnitt darf durch die Einspielergebnisse der einzelnen Geräte also um nicht mehr als 25% über- oder unterschritten werden.
Bezugsgröße für die Ermittlung der zulässigen Schwankungsbreite muss der Durchschnitt der aussagekräftigen Einspielergebnisse aller erhobenen Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit sein.
Welche Mindestanforderungen an die Datenerhebung zu stellen sind, um hinreichend aussagekräftige Erkenntnisse zur Ermittlung des maßgeblichen Durchschnitts der Einspielergebnisse zu gewinnen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls im jeweiligen Satzungsgebiet ab (z.B. Zahl der Gewinnspielautomaten und ihre Verteilung im Gemeindegebiet, Zahl und Größe der Automatenaufsteller) und ist im Streitfall in erster Linie eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht. Einer Bindung an bestimmte mathematisch-statistische Regeln zur Erlangung eines repräsentativen Durchschnitts unterliegt das Gericht hierbei nicht; vielmehr kann auch eine nicht statistisch abgesicherte Erhebung eine aussagekräftige Grundlage für die Durchschnittsbildung liefern. Da sowohl die Gemeinde als auch ein einzelner Aufsteller auf freiwillige Angaben der anderen Aufsteller angewiesen sind, dürfen keine überzogenen Anforderungen an Art und Umfang der notwendigen Datenmenge gestellt werden. Um die durchschnittlichen Einspielergebnisse der einzelnen Geräte zu erfassen, sollten die Angaben dazu einen Zeitraum von i.d.R. acht bis zwölf Monaten umfassen.
Ausreißer, die völlig aus dem Rahmen der anderen im unteren oder oberen Bereich liegenden Einspielergebnisse fallen, haben bei der Vergleichsrechnung außer Betracht zu bleiben.
Unter Zugrundelegung dieser Anforderungen vermag die Kammer (wie das VG Lüneburg in seinem Beschluss vom 25.07.2005 - 5 B 29/05 -, NST-N 2005, 214 f. zu einem vergleichbaren Sachverhalt) bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu erkennen, dass die geforderten Voraussetzungen für die Feststellung der Nichtigkeit des der Heranziehung zugrundeliegenden Stückzahlenmaßstabes vorliegen, so dass davon auszugehen ist, dass eine rechtswirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung der streitigen Vergnügungssteuern besteht.
Der Kammer liegen weder aussagekräftige Erkenntnisse über die Einspielergebnisse der Gewinnspielautomaten, die im Satzungsgebiet der Antragsgegnerin betrieben werden, noch Feststellungen über den Durchschnitt von deren Einspielergebnissen vor. Weder die Antragstellerin noch die Antragsgegnerin haben dargelegt, wie viel Automatenaufsteller es im Satzungsgebiet gibt, wie viel Gewinnspielspielgeräte von den einzelnen Automatenaufstellern aufgestellt sind, wie hoch die Einspielergebnisse über einen Zeitraum von mindestens 8-12 Monaten im Veranlagungszeitraum sind oder voraussichtlich sein werden. Es besteht damit auch kein Anhaltspunkt dafür, wie hoch das durchschnittliche Einspielergebnis der Automaten mit Gewinnmöglichkeit im Satzungsgebiet der Antragsgegnerin im maßgeblichen Zeitraum ist.
Weiter haben die Beteiligten keine Angaben dazu gemacht, ob die über einen längeren Zeitraum ermittelten Einspielergebnisse von einzelnen Gewinnautomaten um mehr als 25 % den Durchschnitt der Einspielergebnisse der vergleichbaren Automaten im Satzungsgebiet über- oder unterschreiten.
Damit fehlt es schon an den maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen für die Frage, ob der von der Antragsgegnerin der Veranlagung der Antragstellerin zugrundegelegte Stückzahlmaßstab noch eine taugliche Rechtsgrundlage für die streitbefangenen Festsetzung der Vergnügungssteuern für das Veranlagungsjahr 2005 ist. Die Kammer ist, erst recht nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, nicht verpflichtet, von Amts wegen diese Feststellungen selbst zu treffen und eigene Ermittlungen über die entsprechenden Verhältnisse im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin durchzuführen. Vielmehr obliegt es dem jeweils betroffenen und ggf. beweispflichtigen Verfahrensbeteiligten darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass der grundsätzlich auch weiterhin zulässige Stückzahlmaßstab wegen der erheblichen Abweichungen der Einspielergebnisse einzelner vergleichbarer Automaten über einen längeren Zeitraum nach Maßgabe der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen in dem maßgeblichen Satzungsgebiet keine taugliche Rechtsgrundlage mehr ist.
Die im vorliegendem Fall erforderlichen Feststellungen ergeben sich nicht aus dem Vorbringen der Antragstellerin in diesem Verfahren oder im Klageverfahren. Die Antragstellerin hat keine Zahlen vorgelegt, aus denen sich der geforderte aussagekräftige Durchschnitt der Einspielergebnisse aller Gewinnautomaten im Satzungsgebiet und die maßgebliche Unter- oder Überschreitung ableiten ließen. Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht (aaO.) darauf hingewiesen, dass für die Ermittlung des geforderten Durchschnitts der Einspielergebnisse allein die Einspielergebnisse der Geräte eines von mehreren Aufstellern nicht herangezogen werden können.
Danach vermag die Kammer im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu erkennen, dass für die Festsetzung der Vergnügungssteuer gegen die Antragstellerin für das 2. Halbjahr 2005 keine taugliche Rechtsgrundlage vorhanden und damit die streitbefangene Erhebung rechtswidrig ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Wert des Streitgegenstandes bemisst sich gemäß §§ 52 Abs. 1, 3, und 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG, wobei die Kammer in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig von einem Viertel des angeforderten Betrages ausgeht.