Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 01.02.2018, Az.: 5 B 494/18

düngerechtliche Anordnung; Eutrophierung; Meldepflichten; Nitratbelastung; Überdüngung; Wirtschaftsdünger

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
01.02.2018
Aktenzeichen
5 B 494/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74411
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Für düngerechtliche Anordnungen, mit denen dem Adressaten auferlegt wird, nicht mit dem Zusatz "ohne Nachweis" für den Vertrieb von Gülle und Mist zu werben und sich an düngerechtliche Meldepflichten zu halten, kann die sofortige Vollziehung angeordnet werden. Umweltschutzgesichtspunkte wie der Schutz der Böden und des Trinkwassers überwiegen in der Regel das Aussetzungsinteresse des Betroffenen.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seinem Aussetzungsantrag wendet sich der Antragsteller gegen die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erlassene düngerechtliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2017.

Der Antragsteller ist Inhaber der Firma .... Unter der Firma handelt und transportiert er u.a. Gülle, Mist und Gärreste. Zu diesem Zweck holt er die o.a. Substanzen bei landwirtschaftlichen und gewerblichen Tierhaltungsbetrieben sowie Biogasanlagen ab und vermittelt bzw. transportiert sie zu anderen Betrieben. Auf der firmeneigenen Homepage … wird das Unternehmen wie folgt beschrieben:

Die ... ist ein Unternehmen aus …, das Gülle handelt, vermittelt, oder auch verarbeitet. Es wird nicht nur Gülle gehandelt, sondern auch Mist, Kompost, Jauche, Trockenkot und alles was in den Bereich Wirtschaftsdünger und auch Abfall fällt. Wir stellen Landwirten, die Stallanlagen für Tiere bauen wollen und nicht über ausreichend Flächen verfügen, Dungnachweise und Abnahmeverträge zur Verfügung. (Diese Verträge werden nicht von allen Behörden anerkannt. Insbesondere nicht von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.) Es werden alle Arten von Wirtschaftsdünger und Abfall durch die ... vermittelt. Wenn sie mal zu viel Gülle haben, holen wir sie ab und verwerten sie. Biogasanlagen stellen wir Nachweise und Abnahmeverträge zur Verfügung. (Diese Verträge werden nicht von allen Behörden anerkannt. Insbesondere nicht von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.)

Im Zusammenhang mit seinem Betrieb schaltete der Antragsteller in der wöchentlichen Fachzeitschrift „Wochenblatt für Landwirtschaft & Landleben“ aus Münster, Ausgabe vom …, auf Seite … eine Anzeige mit dem Text „Liefere Gülle u. Mist ohne Nachweis“ unter Angabe der Telefonnummer der ..., die der Antragsteller als Einzelkaufmann betreibt. Vergleichbare Annoncen erschienen auch in Niedersachsen, mit einer Telefonnummer, die unter derselben Adresse registriert ist wie die ..., jedoch unter dem Namen ....

Am 18. Dezember 2017 stellte die Antragsgegnerin außerdem fest, dass der Antragsteller den Verbleib bzw. die Abgabe von rund 3.700 m³ Mastschweinegülle und von rund 3.500 m³ Flüssiggärresten, die er nach seinen Meldungen im niedersächsischen Meldeprogramm für Wirtschaftsdünger bisher im Jahr 2017 von anderen Betrieben aufgenommen hatte, nicht gemeldet hatte.

Mit dem Bescheid vom 19. Dezember 2017 wurde dem Antragsteller in Verfügungspunkt 1. (ab sofort) untersagt, rechtswidrig die Lieferung von „Gülle und Mist ohne Nachweis“ anzubieten, z.B. über die Aufgabe von Zeitungsannoncen mit den genannten oder ähnlichen Wortlauten und insbesondere mit dem Zusatz „ohne Nachweis“ oder gleichbedeutenden Zusätzen. Unter Verfügungspunkt 2. forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zudem auf, bis zum 31. Januar 2018 alle Abgabemeldungen und Aufnahmemeldungen für das Kalenderjahr 2017 im Meldeprogramm für Wirtschaftsdünger nachzuholen, die bis zum 19. Dezember 2017 bereits vorliegen müssten und noch fehlen und die weiteren Abgaben im Jahr 2017 noch fristgerecht zu melden. Davon sollen nach Unterpunkt 2a. Abgabemeldungen über den Verbleib der von der ... des Antragstellers im Jahr 2017 laut seinen aktuellen Meldungen aufgenommen Mengen sowie nach Unterpunkt 2b. Abgabemeldungen über den Verbleib und Aufnahmemeldungen über ggf. seitens des Antragstellers noch nicht gemeldete Aufnahmen, insbesondere über die von ihm über das Anbieten der Lieferungen von „Gülle und Mist ohne Nachweis“ in den Verkehr gebrachten Mengen erfasst sein. Für beide Verfügungspunkte ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung an und drohte bei Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro an. Schließlich setzte sie Verwaltungskosten in Höhe von 300,00 Euro gegen den Antragsteller fest.

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die Verfügungen beruhten auf § 13 des Düngegesetzes i.V.m. verschiedenen düngerechtlichen Vorschriften, namentlich § 6 der Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln, § 3 Abs. 1 und 3, § 4 und § 5 der Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftsdünger, § 1 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung über Meldepflichten und die Aufbewahrung von Aufzeichnungen in Bezug auf Wirtschaftsdünger und § 8 sowie § 10 der Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen. Um zukünftige Verstöße zu vermeiden sei die Anordnung in Verbindung mit der Zwangsgeldandrohung notwendig. Bei der überbetrieblichen Verbringung von Wirtschaftsdüngern und Stoffen, die als Ausgangsstoff Wirtschaftsdünger enthielten, dienten die o.g. Vorschriften dem überprüfbaren Nachweis über den Verbleib der in Verkehr gebrachten Stoffe bis hin zum Nachweis der ordnungsgemäßen Verwertung der übernommenen Stoffe im Sinne einer guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft. Die Übernahme und Anwendung von Gülle und Mist „ohne Nachweis“ stelle einen Verstoß gegen die sich aus den düngerechtlichen Vorschriften ergebenden Dokumentationspflichten dar und verhindere die Möglichkeit zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Verwertung der so in Verkehr gebrachten Gülle- und Mistlieferungen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei aus Natur- und Umweltschutzgesichtspunkten, insbesondere aufgrund des Gewässerschutzes erforderlich gewesen. Die Verletzung der Meldepflichten entziehe die Ausbringung der Lieferungen vorsätzlich einer düngerechtlichen Überprüfung. Dem stünden erhebliche Gewässerbelastungen unter anderem durch Nitrat aus der Landwirtschaft infolge nicht ordnungsgemäßer Ausbringung gegenüber. Die Überdüngung landwirtschaftlicher Flächen sei in Niedersachsen ein großes Problem. Um einem drohenden Anstieg der Nitratbelastung entgegenzuwirken, komme der landesweiten Verteilung der Wirtschaftsdünger aus der Überschussregion und der ordnungsgemäßen Verwertung bei den Aufnehmern eine zentrale Bedeutung zu. Ein besonderes Augenmerk liege daher auf der Überwachung der überbetrieblichen Verwertung von Wirtschaftsdüngern. Die ... bewege Wirtschaftsdünger in großen Mengen. Es könne nicht geduldet werden, dass der Antragsteller rechtswidrig Gülle und Mist ohne Nachweis anbiete und damit die in Verkehr gebrachten Wirtschaftsdünger vorsätzlich einer Überprüfung der ordnungsgemäßen Verwertung aus düngerechtlicher Sicht entziehe. Die Androhung des Zwangsgeldes sei aufgrund des jahrelangen Vorverhaltens des Antragstellers notwendig. Die Kostenentscheidung folge aus ihrer Gebührenordnung.

Der Antragsteller hat am 22. Januar 2018 Klage (- 5 A 480/18 -) erhoben und am selben Tag um Gewährung vorläufigen Rechtschutzes nachgesucht. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Das Düngegesetz finde keine Anwendung, da es sich bei den in Rede stehenden Stoffen um Abfall und nicht um Wirtschaftsdünger handele. Eine Verfassungsbeschwerde, die unter anderem diese Rechtsfrage betreffe, sei zwischenzeitlich vom BVerfG zur Entscheidung angenommen worden. In bestimmten Fällen seien Gärreste als Abfall einzustufen, was auch vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz so vertreten, von der Antragsgegnerin allerdings ignoriert werde. Gülle, die zur Verwendung in Biogasanlagen bestimmt sei, unterliege dem Anwendungsbereich des Abfallrechts. Ihm fehlten außerdem die Betriebsnummern der betroffenen Betriebe, sodass er die begehrten Meldungen nicht vornehmen könne. Er habe bei der Antragsgegnerin auf unterschiedlichen Wegen versucht, zu erfragen, wie er diesbezüglich verfahren solle. Auf ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten habe die Antragsgegnerin nicht reagiert, einer Mitarbeiterin von ihm sei am Telefon mitgeteilt worden, man könne ihr nicht behilflich sein. Der Erfolg der Klage sei wahrscheinlicher als ihr Misserfolg. Dementsprechend sei dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stattzugeben.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die behördliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2017 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der zulässige Aussetzungsantrag ist unbegründet.

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, weil die Klage gegen die düngerechtliche Anordnung infolge der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Da sich der Antrag des Antragstellers lediglich darauf bezieht, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die behördliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2017 wiederherzustellen, erfasst er nicht die Androhung des Zwangsgeldes und die Festsetzung der Verwaltungsgebühren. Die Klage gegen die letztgenannten Verfügungspunkte entfaltet bereits von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 4 Nds. SOG), sodass insofern ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hätte gestellt werden müssen. Ferner richtet sich auch die Klage nur gegen die „behördliche Anordnung“, womit die Verfügungspunkte 1. und 2. gemeint sein dürften.

Die Begründung des Sofortvollzuges hinsichtlich der düngerechtlichen Anordnung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Ein besonderes öffentliches Interesse an düngerechtlicher Überwachung und unverzüglicher Aufklärung hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar und plausibel damit begründet, dass drohenden Gefahren für die Böden und das oberflächennahe Grundwasser durch steigende Nitratgehalte infolge von Überdüngung begegnet werden müsse. Hier überzeugt zudem die Einschätzung, dass der Antragsteller durch sein Verhalten und seine undurchsichtige Betriebsweise dazu beiträgt, dass die aufgrund der seit Jahren erhöhten Belastung der Böden insbesondere mit den Pflanzennährstoffen Stickstoff und Phosphat notwendige Überprüfung der Einhaltung der guten fachlichen Praxis durch die Anwender der Wirtschaftsdünger erschwert bzw. teilweise unmöglich gemacht wird. Auch die Erwägung, der beabsichtigte Schutz der Umwelt wiege schwerer als die (wirtschaftlichen) Interessen des Antragstellers, ist hinreichend belastbar. Mit dieser Begründung dokumentiert die Antragsgegnerin, dass ihr der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst war, und sie versetzt den Antragsteller in die Lage, seine Rechte wirksam zu verfolgen.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs (hier der am 22. Januar 2018 erhobenen Klage des Antragstellers) gegen die düngerechtliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2017 wiederherstellen, wenn das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Aufschub der Vollziehbarkeit eines ihn belastenden Verwaltungsakts gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts überwiegt. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers ist indessen zu verneinen, wenn die im Eilrechtschutzverfahren allein gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass der eingelegte Rechtsbehelf aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. In diesem Fall steht dem Antragsteller kein Schutz für sein Interesse daran zu, die Vollziehung eines rechtmäßigen Bescheides bis zur Hauptsacheentscheidung über seinen unbegründeten Rechtsbehelf zu verzögern. Ergibt die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage hingegen, dass die Er-folgsaussichten des Rechtsbehelfs offen sind, ist die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung gleichwohl gerechtfertigt, wenn aus der Abwägung der widerstreitenden Interessen folgt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts das Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung überwiegt. Nach den genannten Grundsätzen bleibt der Aussetzungsantrag erfolglos.

Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Anordnungen ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung § 13 Satz 1 des Düngegesetzes - DüngG - vom 9. Januar 2009 (BGBl. I S. 54), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2017 (BGBl. I S. 1068). Danach kann die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Vermeidung künftiger Verstöße – gegen u.a. dieses Gesetz und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen – notwendigen Anordnungen treffen. Auf die genannte Generalklausel war abzustellen, da die in § 13 Satz 2 DüngG aufgezählten Regelbeispiele die getroffene Anordnung nicht erfassen. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für Anordnungen nach § 13 DüngG (i.V.m. weiteren Vorschriften) ergibt sich aus § 12 Abs. 1 und 2 DüngG sowie § 1 Nr. 4 der Verordnung zur Übertragung von staatlichen Aufgaben auf die Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 20. Dezember 2004 (LwKAufgÜtrV ND).

Die darlegungspflichtige Antragsgegnerin hat ausreichend glaubhaft gemacht, dass aufgrund hinreichend belastbarer Tatsachen – der jahrelangen Weigerungshaltung des Antragstellers hinsichtlich der sich aus den düngerechtlichen Verordnungen ergebenden Pflichten – der Verdacht künftiger Verstöße besteht und der Antragsteller zu den in den Verfügungspunkten 1. und 2. genannten Pflichten herangezogen werden konnte, ohne dass eine Unverhältnismäßigkeit oder Ermessensfehler gegeben sind.

Der Antragsgegnerin ist darin zuzustimmen, dass der Antragsteller durch das Angebot von „Gülle und Mist ohne Nachweis“ seine Vertragspartner dazu veranlasst, sich ihrerseits nicht an die nach den düngerechtlichen Verordnungen (Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln, zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 26. Mai 2017 (BGBl. I S. 1305) (Düngemittelverordnung - DüMV), Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftsdünger vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 1062), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 26. Mai 2017 (BGBl. I S. 1305) (WDüngV), Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen, Düngeverordnung vom 26. Mai 2017 (BGBl. I S. 1305) (DüV), Niedersächsische Verordnung über Meldepflichten und die Aufbewahrung von Aufzeichnungen in Bezug auf Wirtschaftsdünger, zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Juni 2017 (Nds. GVBl. S. 194) (WDüngMeldPflV ND)) vorgeschriebenen Kennzeichnungs-, Aufzeichnungs- und Meldepflichten zu halten, die sich aus den in der Antragserwiderung tabellarisch aufgelisteten Vorschriften ergeben. Ebenso zeigt er durch die Schaltung einer solchen Annonce erneut, dass er selbst nicht gewillt ist, derartige Verpflichtungen zu erfüllen. Dagegen ist die Transparenz der Abgabe und Aufnahme von Wirtschaftsdüngern durch verschiedene Akteure entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Antragsgegnerin ihren Überprüfungspflichten nachkommen und infolgedessen ein Ausbringen und Verwerten von Wirtschaftsdüngern entgegen der guten fachlichen Praxis verhindern kann. Nur durch die Einhaltung auch der vorangehenden Meldepflichten durch alle beteiligten Abgeber, Empfänger und Anwender wird sie in die Lage versetzt, einer Überdüngung effektiv entgegenwirken zu können, die vor allem erhebliche Gewässer- und Bodenbelastungen zur Folge hat.

Zudem verpflichtet insbesondere der von der Antragsgegnerin genannte § 1 Abs. 1 WDüngMeldPflV ND den Abgeber i.S.d. § 2 Nr. 1 WDüngV unabhängig von der Art der Verwertung bei der Abgabe und Übernahme von Wirtschaftsdüngern sowie von Stoffen, die als Ausgangsstoff oder Bestandteil Wirtschaftsdünger enthalten (sog. sonstige Stoffe), bestimmte – im Folgenden benannte – Informationen elektronisch in der Datenbank zu melden. Die Meldepflicht umfasst Name, Anschrift, Registrier- oder Betriebsnummer und Betriebsart des Abgebers (Nr. 1), Datum der Abgabe oder der Übernahme (Nr. 2), Art des Wirtschaftsdüngers oder des sonstigen Stoffes (Nr. 3), Menge des abgegebenen oder des übernommenen Wirtschaftsdüngers oder sonstigen Stoffs in Tonnen Frischmasse (Nr. 4), Name und Anschrift des Beförderers (Nr. 5) und Name, Anschrift, Registrier- oder Betriebsnummer und Betriebsart des Empfängers (Nr. 6). Die Einhaltung dieser Pflichten ist durch die Antragsgegnerin sicherzustellen.

Dass der Antragsteller angibt, Meldungen deshalb nicht durchführen zu können, weil ihm die entsprechenden Betriebsnummern nicht bekannt seien, überzeugt nicht. Es ist auch nicht Aufgabe der Antragsgegnerin, die Betriebsnummern der Vertragspartner des Antragstellers für ihn herauszusuchen. Diese kann er bei dem jeweiligen Empfänger oder Abgeber erfragen. Warum hier eine Unterstützung durch die Antragsgegnerin notwendig sein sollte, erschließt sich nicht.

Schließlich hat die Kammer schon in vorangegangenen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beteiligten umfangreich dargelegt, warum sie der Argumentation des Antragstellers gegen die Verfassungsmäßigkeit der streitgegenständlichen Normen nicht folgt und auch die Anwendbarkeit der Normen auf die von dem Antragsteller in Verkehr gebrachten Stoffe für gegeben erachtet (Nds. OVG, Beschluss vom 1. Februar 2017 - 7 LA 35/16 -; dem vorausgehend: VG Oldenburg, Urteil vom 3. Februar 2016 - 5 A 7/14 -). Dasselbe ist mehrfach Streitgegenstand in Bußgeldverfahren vor den ordentlichen Gerichten gewesen, die zulasten des Antragstellers entschieden wurden. Zuletzt hat das Oberlandesgericht Oldenburg in seinem Beschluss vom 5. Mai 2017 (- 2 Ss(OWi) 90/17 -) herausgestellt, dass es sich bei Gülle gemäß § 2 Nr. 4 DüngG ausdrücklich um Wirtschaftsdünger handelt. Dasselbe gilt im Übrigen gemäß § 2 Nr. 3 und 5 DüngG für Festmist und Jauche. Die Verfassungsbeschwerde des Antragstellers (Az. 1 BvR 1407/17) wurde bisher nicht i.S.v. § 93a Abs. 1 BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Ihre Erfolgsaussichten erscheinen in Anbetracht der Verfahrenshistorie gering.

Die im Kern monetären Interessen des Antragstellers, nämlich für den Vertrieb von Gülle und Mist mit dem Zusatz „ohne Nachweis“ um zusätzliche Kunden zu werben sowie Abgaben und Aufnahmen von Wirtschaftsdünger nicht im Rahmen des „Meldeprogrammes Wirtschaftsdünger Niedersachsen“ anzuzeigen, müssen vor dem Hintergrund der oben zusammengefasst dargestellten Rechtslage gegenüber dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter wie Boden und Grundwasser zurückstehen, zumal eine Schädigung aufgrund mangelnder Überwachung und Kontrolle der Düngung durch die Antragsgegnerin irreversibel wäre.

Im Vierten Bodenschutzbericht vom 29. September 2017 (BT-Drucks. 18/13666) wies kürzlich die Bundesregierung noch einmal darauf hin, dass der Schutz des Bodens vor schädlichen Veränderungen aufgrund der Vielfalt der Einflussfaktoren eine komplexe umweltpolitische Herausforderung darstelle. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung – bis 2050 auf voraussichtlich über neun Milliarden Menschen – erhöhe sich der Druck auf die Ressource Boden. Der Schutz des Bodens werde immer wichtiger. Ein übergeordnetes Ziel sei es daher, auf langer Zeitskala insbesondere vorsorgenden Bodenschutz zu betreiben und somit der hohen gesellschaftlichen Relevanz dieses Schutzguts gerecht zu werden. Das Düngerecht sei mit Blick auf den Schutz der Böden ein wesentlicher Baustein. Das Düngegesetz und die darauf aufbauenden Verordnungen hätten demnach nicht ausschließlich den Zweck, die Ernährung von Nutzpflanzen sicher zu stellen, sondern auch die Fruchtbarkeit des Bodens, vor allem den standort- oder nutzungstypischen Humusgehalt, zu erhalten oder nachhaltig zu verbessern. Gefahren für die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie für den Naturhaushalt – und somit auch die Böden –, die durch das Herstellen, Inverkehrbringen oder die Anwendung von Stoffen, die diesem Regelungsbereich unterlägen, entstehen könnten, solle vorgebeugt beziehungsweise diese sollten abgewendet werden (BT-Drucks. 18/13666, S. 19).

Dabei ist nicht die Verwendung von Stickstoff in Form von mineralischen Düngemitteln und organischen Düngemittel (z. B. Wirtschaftsdünger) an sich problematisch, sondern der übermäßige Eintrag von Stickstoff, der den Bedarf der Pflanzen übersteigt. Bei einer nicht bedarfsgerechten Düngung bzw. einer Düngung, die nicht nach guter fachlicher Praxis erfolgt, kann Stickstoff, der nicht von den Pflanzen aufgenommen oder in den Böden gespeichert wird, zu umweltbelastenden Stickstoffüberschüssen führen und problematische Ausmaße annehmen. Die Nitratwerte im deutschen Grundwasser gehören zu den höchsten in der gesamten EU. Der in den Düngemitteln enthaltene Stickstoff kann in Form von Ammoniak sogar in die Luft entweichen. Dort trägt er zur Feinstaubbildung bei (http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/nitrat-im-grundwasser-durch-ueberduengung-und-guelle-a-1027279.html). Belastetes Grundwasser kann nicht ohne weitere Maßnahmen als Trinkwasser genutzt werden; es muss verdünnt oder biologisch bzw. chemisch aufbereitet werden. Die Aufbereitung ist notwendig, da eine vermehrte Aufnahme von Nitrat über das Trinkwasser die menschliche Gesundheit beeinträchtigen kann: Nitrat kann im Verdauungstrakt zur Bildung von krebserregenden Verbindungen („Nitrosamine“) und der dadurch bedingten Entstehung von Tumoren führen und bei Säuglingen zur akuten Säuglingsblausucht (Methämoglobinämie). Auch land- und forstwirtschaftliche Erträge können durch stickstoffbedingte Reaktionen, wie die Bildung bodennahen Ozons, gemindert werden. Laut einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes sind bei der Hälfte aller Pflanzenarten, die auf der "Roten Liste" stehen, hohe Nährstoffeinträge für deren Gefährdung verantwortlich (http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/nitrat-im-grundwasser-durch-ueberduengung-und-guelle-a-1027279.html).

In oberirdischen Binnengewässern sowie der Nord- und Ostsee können durch eine Stickstoffüberversorgung (oft toxische) Algenblüten und in den küstennahen Zonen sogenannte sauerstofffreie Zonen entstehen. Die Biodiversität in diesen Zonen kann durch solche Umweltveränderungen auf lange Zeit erheblich beeinträchtigt sein (BT-Drucks. 18/12690, S. 6). Der Europäische Rechnungshof schreibt in einem Sonderbericht, dass gerade die Ostsee eines der am stärksten verschmutzten Meere der Welt sei. Die Bekämpfung der Eutrophierung stelle eine bedeutende Herausforderung dar (Sonderbericht Nr. 03/2016: Bekämpfung der Eutrophierung der Ostsee: Es sind noch weitere und wirksamere Maßnahmen notwendig, abrufbar unter https://www.eca.europa.eu/de/Pages/DocItem.aspx?did=35757).

In den letzten Jahren war keine spürbare Reduzierung der Nitratbelastung im Grundwasser und der Eutrophierung der Küstengewässer festzustellen (Bericht der Bundesregierung zum Stickstoffeintrag in die Biosphäre, BT-Drucks. 18/12690, S. 5f.). Insbesondere in Niedersachsen wird der Grenzwert von 50 mg Nitrat/l fast landesübergreifend nicht eingehalten (BT-Drucks. 18/12690, S. 5, Abb. 1). Ein (weiterer) Bericht der Bundesregierung vom 4. August 2016 zur Gewässerqualität in Niedersachsen kommt sogar zu dem Ergebnis, dass 47 % aller Grundwasserkörper bezogen auf Nitrat in einem schlechten chemischen Zustand sind (BT-Drucks. 18/9330 unter Hinweis auf den „Niedersächsischen Beitrag zu den Bewirtschaftungsplänen 2015 bis 2021 der Flussgebiete Elbe, Weser, Ems und Rhein“ abrufbar unter http://www.nlwkn.niedersachsen.de/wasserwirtschaft/egwasserrahmenrichtlinie/umsetzung_egwrrl/bewirtschaftungsplaene/aktualisierte-wrrl-bewirtschaftungsplaene-und-manahmenprogramme-fuer-denzeitraum-2015-bis-2021-128758.html).

Erhöhte Stickstoffbelastungen wirken sich negativ in den Bereichen Wasserwirtschaft, Trinkwasserversorgung, Naturschutz sowie nicht zuletzt über die Belastung des Bodens und des Trinkwassers im Bereich der Gesundheitsvorsorge aus. Um die vorgegeben Ziele des novellierten Düngerechts – Schutz des Grundwassers und der Böden vor übermäßigen Nitrateinträgen und die Reduzierung der Ammoniakemissionen – zu erreichen, ist die Einhaltung der guten fachlichen Praxis bei der Düngung unerlässlich. Demgegenüber ist der Eingriff in den Rechtsbereich des Antragstellers gering. Er ist durch die streitgegenständliche Verfügung nicht etwa gehindert, seine ... weiter zu betreiben. Die Anordnungen schränken ihn nur in Randbereichen seiner Unternehmensführung ein und sind beispielsweise nicht im Ansatz mit einer – ebenfalls zu erwägenden – Gewerbeuntersagung zu vergleichen.

Nach alldem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.