Arbeitsgericht Oldenburg
Urt. v. 02.09.2008, Az.: 4 Ga 5/08
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Oldenburg
- Datum
- 02.09.2008
- Aktenzeichen
- 4 Ga 5/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 46909
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2008:0902.4GA5.08.0A
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
...
hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 2. September 2008 durch
den Direktor des Arbeitsgerichts Graefe als Vorsitzenden,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Möhlenbrock,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Wesemann als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft zu unterlassen, Mitarbeitern der Verfügungsklägerin im ... an der Arbeitsaufnahme oder Arbeitsdurchführung durch psychische Gewalt zu behindern, insbesondere diese nicht in ihrer Willens- und Bewegungsfreiheit zu beeinträchtigen.
- 2.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
- 3.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte, die außergerichtlichen Kosten trägt jede Partei selbst.
- 4.
Der Streitwert wird auf 4 000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren über einen von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch.
Die Verfügungsklägerin ist ein Unternehmen im Bereich des Gebäudeservice. Sie hat mit dem Betreiber des ... einen Werkvertrag abgeschlossen, wonach sie die Reinigung in diesem Ferienpark übernommen hat. Der Ferienpark besteht aus einem Hotel sowie aus einer Vielzahl von Ferienhäusern verschiedenster Kategorien.
Am 22.08.2008 führte die örtliche Untergliederung der Verfügungsbeklagten auf dem Gelände des ... eine Kundgebung durch. Zweck dieser Kundgabe war nach Darstellung der Verfügungsbeklagten, die am Ort tätigen Mitarbeiter der Verfügungsklägerin über ihre tariflichen und gesetzlichen Rechte im Zusammenhang mit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub und Urlaubsgeld zu informieren. An der Kundgebung nahmen ca. 25 Mitglieder der örtlichen Untergliederung der Verfügungsbeklagten teil.
Streitig zwischen den Parteien ist, ob und in welcher Weise es anlässlich dieser Kundgebung zu Störungen gekommen ist.
Die Verfügungsklägerin behauptet:
Gegen ca. 09: 00 Uhr habe die Gewerkschaftsgruppe - ausgerüstet mit Megaphonen und Transparenten - das Gelände des erreicht. Dabei habe es sich um eine nicht angemeldete Versammlung gehandelt.
Die erste Aktion habe darin bestanden, dass ein Bus mit ca. 8 Mitarbeitern der Verfügungsklägerin eingetroffen sei. Ihr Personalleiter der - der Zeuge ... - habe sich auf diese Mitarbeiter zu bewegt, um sie aufzufordern, die Arbeiten gemäß Dienstplan zu verrichten Dabei sei er von Personen der Gewerkschaftsgruppe zurückgedrängt, umzingelt und eingekesselt worden. Eine Person der Gruppe sei auf den weiteren Mitarbeiter ... zugegangen und habe ihn mit den Worten bedroht: "Ich mache Sie fertig, an Ort und Stelle". Dazu habe er einen Stock erhoben. Die Gruppe habe sich dann Richtung Park bewegt. Im Ferienhaus Nr. 375 hätten Personen der Gewerkschaftsgruppe einer Mitarbeiterin einen Generalschlüssel aus der Hand geschlagen und an sich genommen. Sie hätten daraufhin die Tür zum Ferienhaus Nr. 411 geöffnet, wo sich insgesamt 6 Mitarbeiter der Verfügungsklägerin aus Angst eingeschlossen hätten. Nachdem die Gewerkschaftsmitglieder in das Haus eingedrungen seien, hätten sich diese Mitarbeiter in das oben gelegene Schlafzimmer geflüchtet und aus Angst die Tür blockiert. Die vor der Tür stehenden Demonstranten hätten versucht die Tür gewaltsam zu öffnen.
Der sich ebenfalls in dem Haus Nr. 411 befindliche Direktor des ... sei von einer Person aus der Gewerkschaftsgruppe attackiert und zu Boden gerissen worden. Dieser habe ihn zu Boden gedrückt, sich auf ihn gesetzt und ihn in die "Nierenschere" genommen. Er sei dann durch ihren Mitarbeiter ... befreit worden. Im Anschluss daran sei die Polizei verständigt worden, während die Demonstrationsgruppe weitergezogen sei. Die 6 Mitarbeiter, die sich verbariekadiert hätten, hätten äußerst verängstigt, teilweise weinend im Zimmer gesessen.
Gegen 10: 40 Uhr habe sich die Gewerkschaftsgruppe in der Hotellobby versammelt und mit Hilfe eines Megaphons die Mitarbeiter der Verfügungsklägerin aufgefordert, ihre Arbeit niederzulegen. Auf die Aufforderung, das Hotel zu verlassen, sei erklärt worden, dass man das Hotel erst verlassen werde, wenn die Geschäftsführung des ... den Werkvertrag mit der Verfügungsklägerin gekündigt habe.
Die Demonstranten hätten sich teilweise auf den Etagen des Hotel verteilt, ihre Mitarbeiter bedroht, teilweise auch tätlich durch Schubsen und Drängeln etc. angegriffen. Wiederum seien Mitarbeiter aufgefordert worden, ihre Arbeit niederzulegen und sich der Demonstrationsgruppe anzuschließen. Insgesamt 3 Mitarbeiter seien - hiervon eingeschüchtert - dieser Aufforderung auch nachgekommen.
Die zwischenzeitlich eingetroffene Polizei, habe die Versammlung gegen ca. 13:30 Uhr aufgelöst. Auf dem Weg zum Parkplatz des ... hätten Demonstrationsteilnehmer per Megaphon erklärt: "Wir kommen wieder, schon bald". Tatsächlich sei schon für den 29.08.2008 eine Wiederholung der Aktion angekündigt und dafür eine Besprechung im Vorfeld für den 26.08.2008 einberufen worden.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, Mitarbeiter der Verfügungsklägerin an der Arbeitsaufnahme oder Arbeitsausführung durch physische oder psychische Gewalt zu behindern, insbesondere diese nicht in ihrer körperlichen Unversehrtheit und/oder in ihrer Willens- und Bewegungsfreiheit zu beeinträchtigen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie behauptet:
Die Verfügungsklägerin unterlasse es gesetzwidrig, Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall und Urlaub zu gewähren. Zudem seien die Reinigungszeiten pro Zimmer lediglich mit 10 Minuten vorgegeben, was überhaupt nicht schaffen sei. Um auf diese Missstände hinzuweisen, habe man am 22.08.2008 die Aktion mit ca. 25 Mitgliedern durchgeführt.
Teilweise hätten sich Mitarbeiter der Verfügungsklägerin spontan der Aktion angeschlossen, obwohl der Personalleiter seine Angestellten massiv aufgefordert habe, die Arbeit zu verrichten Unzutreffend sei, dass der Personalleiter Herr ... eingekesselt oder umzingelt worden sei. Auch sei der Mitarbeiter ... weder verbal noch in sonstiger Weise bedroht worden.
Nachdem bekannt worden sei, dass einige Mitarbeiterinnen eingeschlossen worden seien, um sie von der Verfügungsbeklagten fernzuhalten, habe eine Mitarbeiterin erklärt, dass sie einen Schlüssel habe, mit dem man in das Haus gelangen könne. Keinesfalls seien Mitarbeiter vor den Demonstranten geflüchtet, ebenso wenig sei es zu gewaltsamen Übergriffen gekommen.
Die Auseinandersetzung zwischen dem Gewerkschaftssekretär, dem Zeugen ... und dem - wie sich später herausgestellt habe - Leiter des ... sei darauf zurück zu führen, dass der Zeuge darauf hingewiesen habe, dass er nicht angefasst werden wolle. Nachdem dieser die Arme ausgebreitet habe und immer wieder gerufen habe: "Raus hier, raus hier", habe der Zeuge ... ihn unter den ausgestreckten Armen an den Achselhöhlen gepackt und ihn beiseite gestellt, mit dem Hinweis: "Du fasst mich nicht nochmal an".
Im Zuge der weiteren Auseinandersetzung seien die beiden Personen über Müllsäcke gestolpert und zu Boden gegangen. Der Zeuge ... habe unten gelegen, Herr ... über ihn. Daraufhin habe der Zeuge ... seine Beine um den Unterkörper von Herrn ... geschlungen und ihn umgedreht. Dann habe er von ihm abgelassen. Einer irgendwie gearteten "Befreiungsaktion" habe es nicht bedurft.
Auch im Hotel sei es zu keinerlei tätlichen Übergriffen gekommen. Tatsächlich habe man nur versucht, mit dem Reinigungspersonal ins Gespräch zu kommen.
Natürlich habe die Veranstaltung durch den Einsatz von Megaphonen und Transparenten eine gewisse Öffentlichkeitswirkung gehabt, was auch beabsichtigt gewesen sei, allerdings habe sie keinerlei bedrohlichen Charakter gehabt. So seien im Verlauf der Aktion durchaus auch Anwohner auf Mitarbeiter der Verfügungsklägerin und der Gewerkschaftsgruppe zugekommen, um zu versichern, dass die Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin ja ganz schön schlecht behandelt würden.
Richtig sei, dass die Polizei die Versammlung ca. um 13:30 Uhr aufgelöst habe, es könne auch sein, dass über Megaphon Rufe ausgerufen worden sind, wie "wir kommen wieder, schon bald", eine konkrete Aktion sei jedoch nicht angekündigt worden, insbesondere nicht für den 29.08.2008. Insofern sei auch eine Wiederholungsgefahr nicht ersichtlich.
Die ganze Aktion habe sich im Rahmen der Koalitionsfreiheit der Verfügungsbeklagten bewegt. Mit dem gestellten Antrag wolle die Verfügungsklägerin offenbar sie - die Verfügungsbeklagte - daran hindern, auf Missstände hinzuweisen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, desgleichen auf die diversen vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen. Weiter wird Bezug genommen auf die Vernehmung der zum Kammertermin am 02.09.2008 sistierten Zeugen ....
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig.
1)
Das angerufene Arbeitsgericht ist für die Entscheidung zuständig. Für das Verfahren ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich u.a. um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechtes der Vereinigungen handelt.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier erfüllt. Das Verfahren betrifft eine Rechtsstreitigkeit zwischen tariffähigen Parteien. Das Verfahren stellt auch eine bürgerlich-rechtlichen Streit aus einer unerlaubten Handlung dar. Der Begriff der unerlaubten Handlung ist weit auszulegen. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG will alle Rechtsstreitigkeiten über die Betätigung der Koalition im Arbeitsleben erfassen. Darunter fallen insbesondere auch behauptete Grenzüberschreitungen im Zusammenhang mit dem Betätigungsrecht der Gewerkschaft (vgl. dazu nur BAG v. 29.02.2001 - 5 AZB 44/00 -NZA 2002, S. 166 f. mit weiteren Nachweisen).
2)
Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Anträge mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt werden, müssen die zu unterlassenden Handlungen so genau bezeichnen, dass der in Anspruch genommene im Falle einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Diese Prüfung darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber wie diese aussieht. Gleichwohl sind gerade bei Unterlassungsanträgen generalisierende Formulierungen unvermeidbar. Andernfalls würde die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, durch prozessuale Anforderungen unzumutbar erschwert, wenn nicht gar beseitigt (vgl. BAG v. 28.02.2006 - 1 AZR 460/04 - NZA, S. 798 ff. [799]).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien genügt der zuletzt von der Verfügungsklägerin formulierte Antrag den an die Bestimmtheit zu stellenden Anforderungen, wenn verlangt wird, dass bei zukünftigen gleichartigen gewerkschaftlichen Betätigungen Mitarbeiter der Verfügungsklägerin nicht durch physische oder psychische Gewaltausübung an der Arbeitsaufnahme- oder durchführung gehindert werden dürfen. Eine weitere Präzisierung ist angesichts der Vielzahl denkbarer Spielarten physischer oder psychischer Gewaltausübung kaum möglich.
II. Die Klage ist auch aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet und daher abzuweisen.
1)
Soweit der Antrag auf Unterlassung psychischer Gewaltanwendung im Zusammenhang
mit der Arbeitsaufnahme- und ausführung von Mitarbeitern der Verfügungsklägerin im Center Parc Tossens gerichtet ist, hat die Verfügungsklägerin einen entsprechenden Unterlassungsanspruch auf der Grundlage von §§ 1004, 823, Abs. 1 BGB darlegt und glaubhaft gemacht bzw. durch die von ihr sistierten Zeugen bewiesen. Die Verfügungsbeklagte hat die durch die von ihrer Untergliederung initiierten Aktion vom 22.08.2008 im Center Parc Tossens in unzulässiger Weise in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin eingegriffen und darüber hinaus die durch Artikel 2 Abs. 2 GG geschützten Rechte der Mitarbeiter, die Arbeit ungehindert aufzunehmen und durchzuführen, verletzt.
Die Art und Weise der am 22.08.2008 durchgeführten Kundgebung ist durch die in Artikel 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit nicht gedeckt. Diese Grundgesetznorm schützt u.a. die Freiheit der Gewerkschaften zu Betätigungen, die darauf gerichtet sind, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern. Dabei fällt nach Aufgabe der Kernbereichslehre durch das Bundesverfassungsgericht (Entscheidung vom 14.11.1995, NZA 1996, S. 381) in den Schutzbereich der Koalitionsfreiheit nicht etwa nur das für die koalitionsmäßige Betätigung Unerlässliche, ist also nicht auf einen Kernbereich beschränkt (vgl. BAG v. 25.01.2005 - 1 AZR 657/03 -NZA 2005, S. 592 ff. [S. 593]). Vielmehr umfasst die Betätigungsfreiheit das Recht zur Interessenwahrnehmung im weiteren Sinne. Dazu gehört namentlich das Recht zur Mitgliederwerbung und zur Information in den Betrieben, auch über etwaige tarif- oder gesetzeswidrige Zustände. Dies gilt nach zutreffender Auffassung auch für das Zugangsrecht außerbetrieblicher Gewerkschaftsbeauftragter (zum Meinungsstand vgl. nur ErfK-Eisemann, 8. Auflage, § 2 BetrVG, Rdnr. 8).
Solange betriebliche Abläufe und der Betriebsfrieden von betriebsfremden Gewerkschaftsbeauftragten nicht gestört werden, sind grundrechtlich geschützte Positionen des Arbeitgebers, die der koalitionsspezifischen Betätigung der Gewerkschaftsbeauftragten entgegen stehen, nicht ersichtlich (so zutreffend etwa Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 22. Auflage, § 2 Rdnr. 86). Zu der grundgesetzlich geschützten Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften gehört die Befugnis, selbst zu bestimmen, wen sie mit der Werbung und/oder Information über tarifliche oder gesetzliche Rechte in einem Betrieb betrauen will.
Das Betätigungsrecht findet indes dort seine Grenzen, wo grundgesetzlich geschützte Positionen anderer beeinträchtigt werden. Dies gilt namentlich für den Arbeitgeber im Hinblick auf sein Recht auf störungsfreien Betriebsablauf und für das Recht arbeitswilliger Arbeitnehmer, den Betrieb unbehindert zu betreten und ihre Arbeit ungehindert durchzuführen. Das Bundesarbeitsgericht hat in der o.g. Entscheidung vom 25.01.2005 - 1 AZR 657/03 - deutlich heraus gestellt, dass Rechtsgüter wie der Betriebsfrieden oder der ungestörte Arbeitsgang geeignet sind, der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit Schranken zu setzen. Insoweit wird die frühere Rechtssprechung fortgeführt, dass die Information- und Werbetätigkeit der Gewerkschaften den Arbeitsablauf und die betriebliche Ordnung nicht beeinträchtigen darf (BAG v. 14.02.1978, AP Nr. 26 zu Artikel 9 GG). Entscheidend sind dabei die Umstände des Einzelfalls. Von Bedeutung sind dafür das Ausmaß und die Intensität des beanspruchten Zugangsrechtes, wie der zeitliche Umfang, die Art und Weise des Auftretens und das Verhältnis der Anzahl betriebsexterner Gewerkschaftsbeauftragter zur Belegschaftsgröße (vgl. auch ErfK-Eisemann a.a.O. § 2 BetrVG, Rdnr. 8).
Bei dieser Ausgangslage kann dahinstehen, ob nicht schon die gewählte Form einer Protestkundgebung mit ca. 25 Teilnehmern das Betätigungsrecht außerbetrieblicher Gewerkschaftsbeauftragter zur Information für Angehörige eines Betriebes, die auf dem Gelände eines fremden Unternehmens tätig sind, eine Grenzüberschreitung darstellt. Jedenfalls im konkreten Fall hatte die durchgeführte Kundgebung Züge einer Blockadeaktion, die dazu geführt hat, dass die Verfügungsklägerin am 22.08.2008 ihren Reinigungsauftrag jedenfalls partiell nicht mehr durchführen konnte. Das schon zahlenmäßig massive Auftreten der Kundgebungsteilnehmer hat unabhängig davon, ob es zu Nötigungen im strafrechtlichen Sinne gekommen ist, die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung der dort für die Verfügungsklägerin tätigen Arbeitnehmer einerseits und den Betriebsablauf andererseits empfindlich beeinträchtigt. Das hat die Verfügungsklägerin durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht. In den maßgeblichen - wenn auch nicht in allen Punkten - sind diese Grenzüberschreitungen durch die Beweisaufnahme bestätigt worden.
Die Demonstrationsteilnehmer haben sich - ungeachtet des Hausrechtes des - in die Bungalows und später auch in das Hotel begeben und die für die Verfügungsklägerin tätigen Mitarbeiter aufgefordert, an der Kundgebung teilzunehmen und ihre Arbeit niederzulegen. Damit haben die Kundgebungsteilnehmer zum Einen offen zur Arbeitsniederlegung aufgerufen, zum Anderen zumindestens bei einigen der mit dieser Art von Protesten, eher unerfahrenen und demgemäß verunsicherten Mitarbeiter einen psychischer Druck hervorgerufen, wie sie sich in dieser Situation verhalten sollen. Dies hat die Zeugin ... anschaulich und eindringlich geschildert. Es mag durchaus sein, dass sie auf Grund ihres Temperaments und möglicherweise auch beeinflusst durch ihre hervorgehobene Stellung als Vorarbeiterin dazu geneigt hat, die Situation zu überzeichnen. Gleichwohl ist die Kammer davon überzeugt, dass sich jedenfalls im Kern das Geschehen so abgespielt hat wie es die Zeugin geschildert hat, nämlich dass Demonstrationsteilnehmer versucht haben, Mitarbeiterinnen massiv zum Mitmachen aufzufordern, obwohl diese sich verängstigt in einem Zimmer verschanzt hatten.
Die für Außenstehende durchaus bedrohlich erscheinende Situation wird untermauert, durch die Auseinandersetzung, die zwischen dem Zeugen ... und dem Leiter des ..., stattgefunden hat, unabhängig davon, wer diese körperliche Auseinandersetzung letztlich veranlasst hat. Allein die Tatsache, dass es im Zuge einer Kundgebung eine solche Auseinadersetzung gegeben hat, hat zu einer Eskalation der gesamten Situation beigetragen und damit verständlicher Weise die bereits bestehende Verunsicherung verstärkt und den Druck erhöht.
Bei dieser Sachlage kann unentschieden bleiben, ob Mitglieder der Kundgebung einer Mitarbeiterin den Generalschlüssel entwendet haben, desgleichen ob eine Hoteltür von einem Demonstrationsmitglied blockiert worden ist. Diese Details sind im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme unklar geblieben, die Aussagen der dazu vernommenen Zeugen ... waren eher diffus, teilweise auch widersprüchlich.
Maßgeblich für die Entscheidung der Kammer ist, dass durch die Art und Weise des Auftretens, des Eindringens auf das - Gelände und die Räumlichkeiten sowie das massive Einwirken auf die Mitarbeiter, der Betriebsablauf nicht nur gestört, sondern jedenfalls partiell faktisch lahm gelegt worden ist, weil die Mitarbeiter teils an der Arbeitsaufnahme, teils an der Arbeitsdurchführung behindert worden sind. Diese Vorgehensweise ist im Rahmen des Betätigungsrechtes nach Artikel 9 Abs. 3 GG nicht hinnehmbar, so dass dem Unterlassungsanspruch - soweit im Tenor ausgewiesen - zu bejahen war. Die Beklagte muss sich die Grenzüberschreitungen der von ihrer örtlichen Untergliederung initiierten Kundgebung zurechnen lassen. Insoweit trifft sie eine Garantiepflicht für eine rechtmäßige Ausübung des gewerkschaftlichen Betätigungsrechtes. Insbesondere liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um eine von der Antragsgegnerin nicht gebilligte Aktion von Gewerkschaftsmitgliedern gehandelt hat. Nur in einem solchen Fall würde eine Unterlassungsverfügung gegen die Beklagte als Adressatin ausscheiden (vgl. BAG NZA 1989, S. 473 ff.).
Schließlich besteht auch ein Verfügungsgrund. Zwar ist die von der Verfügungsklägerin befürchtete weitere Kundgebung am 29.08.2008 nicht realisiert worden. Die Verfügungsbeklagte hat indes selbst eingeräumt, dass zum Ende der Demonstration von einer Wiederholung die Rede war. Die Verfügungsbeklagte hat auch in der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2008 nicht zu erkennen gegeben, dass sie zukünftig von derartigen Aktionen abzusehen gedenkt, so dass eine Wiederholungsgefahr jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Damit liegen nach Auffassung der Kammer auch die Voraussetzungen für eine Eilbedürftigkeit der Unterlassungsverfügung vor.
2)
Unbegründet ist die Klage, soweit Antrag auf Unterlassung von physischer Gewaltausübung auf Mitarbeiter der Verfügungsklägerin begehrt wird.
Die durchgeführte Beweisaufnahme hat lediglich ergeben, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen ... und dem Leiter des ... gekommen ist. Nicht bestätigt worden ist indes, dass es zu irgendwelchen körperlichen Übergriffen auf Mitarbeiter der Verfügungsklägerin durch Demonstrationsteilnehmer gekommen ist. Insoweit besteht mithin auch kein Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte.
III.
1) Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
2) Die Entscheidung über die Wertfestsetzung erfolgt aus § 61 Abs. 1 GKG i.V.m. § 23 Abs. 3 RVG.