Arbeitsgericht Oldenburg
Beschl. v. 06.01.2011, Az.: 7 BV 8/10

Arbeitsverhalten; Beisitzer; Einigungsstelle; Einsetzung; Mitbestimmungsrecht; offensichtlich unzuständig; Ordnungsverhalten; Personalfragebogen; zuständig

Bibliographie

Gericht
ArbG Oldenburg
Datum
06.01.2011
Aktenzeichen
7 BV 8/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 45163
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
LArbG - AZ: 1 TaBV 18/11

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Einzelfallentscheidung zur Frage, ob eine Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist, sowie zur Zahl der Beisitzer

Tenor:

Der … wird zum Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Umgang mit Differenzen und Routineverstößen an der Kasse“ bestellt.

Die Zahl der von jeder Seite zu bestellenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der antragstellende Betriebsrat begehrt die Einsetzung einer Einigungsstelle zu dem Regelungsgegenstand „Umgang mit Differenzen und Routineverstößen an der Kasse“.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2. betreibt ein Einzelhandelsunternehmen und verkauft primär Bekleidung. Sie unterhält bundesweit Filialen. Der Antragsteller ist der in der Filiale A.Straße in O. gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin beschäftigt größtenteils Verkäufer mit Kassiertätigkeiten. Dabei wird der Kassenbestand am jeweiligen Beginn des Arbeitstages eingezählt und von der letzten Person, die an der Kasse arbeitet, am Ende des Tages wieder ausgezählt. Im Verlaufe des Tages lösen sich die Arbeitnehmer mit der Kassiertätigkeit ab, d.h. an einer Kasse sind im Wechsel mehrere Kassierer an einem Tag tätig. Bei der Übergabe der Kasse von einem an einen anderen Arbeitnehmer wird der Kassenbestand in der Regel nicht nachgezählt.

Bis zum 11.10.2010 hatte die Arbeitgeberin unternehmensweit alle an der Kasse beschäftigten Mitarbeiter angewiesen, eine sogenannte Kassendifferenzerklärung abzugeben, in der die Mitarbeiter mögliche Ursachen dieses Mankos darstellen sollten, wenn der Kassenbestand am Ende eines Arbeitstages ein Manko aufwies. Auf den entsprechenden Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht Oldenburg mit Beschluss vom 19.05.2010 (Az.: 2 BV 1/10) eine Einigungsstelle zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über „Kassendifferenzerklärungen“ ein. Gegen diesen Beschluss legte die Arbeitgeberin Beschwerde ein. In dem Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (1 TaBV 43/10) erklärte die Arbeitgeberin schließlich, zukünftig keine Differenzerklärungen von Verkaufs- und Kassenmitarbeitern mehr zu verlangen.

Sodann erteilte die Arbeitgerberin unternehmensweit den sogenannten Store-Controllern eine schriftliche, mit der Überschrift „Routine für den Umgang mit Differenzen und Routineverstößen an der Kasse“ überschriebene Arbeitsanweisung (Bl. 13 f. d.A.). Der Store-Controller ist u.a. für den reibungslosen Ablauf und die Kontrolle der Kassenabrechnungen zuständig. Die Arbeitsanweisung gilt ab dem 11.10.2010. Danach sind die Store-Controller verpflichtet, im Falle eines Kassenmankos ab 5,- € für jeden Mitarbeiter, der an diesem Tag an der betreffenden Kasse tätig war, das Formblatt „Kassendifferenzen (Bargeld)“ (Bl. 15 d.A.) auszufüllen. Dort sind neben dem Namen des Mitarbeiters, des Datums, der Kassennummer und des Differenzbetrags auch die Anzahl der übrigen, an diesem Tag an der betreffenden Kasse beschäftigten Mitarbeiter anzugeben. Darüber hinaus ist die Antwort des Mitarbeiters auf die Fragen „Lässt sich diese Kassendifferenz in Zukunft vermeiden? Wenn ja, wodurch? Korrektur durchgeführt?“ einzutragen. In der Arbeitsanweisung heißt es hierzu u.a.:

„Sollte es so sein, dass Kassendifferenzen immer bei mehreren Mitarbeitern auftreten, die gemeinsam an der Kasse tätig waren, wird sich dies durch einen Vergleich der Formulare zeigen.“

Für Mitarbeiter, die einen sogenannten Routineverstoß beim Kassieren begangen haben, ist darüber hinaus das Formblatt „Routineverstöße beim Kassiervorgang“ (Bl. 16 d.A.) auszufüllen. Schließlich ist eine Meldung an die Sicherheitsabteilung ab einer Kassendifferenz von mindestens 25,- € durchzuführen (Formblatt s. Bl. 17 d.A.).

Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 27.10.2010 (Bl. 18 f. d.A.) auf das seiner Auffassung nach bestehende Mitbestimmungsrecht in dieser Angelegenheit hingewiesen hatte, teilte der Storemanager der Filiale in der A.Straße in O. am 04.11.2010 dem Betriebsrat mit, dass die vorgenannten Formulare und Vorgaben nunmehr verbindlich in der Filiale in O. eingeführt werden. Der Antrag des Betriebsrats auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verwendung dieser Formulare ist von der 2. Kammer des Arbeitsgerichts Oldenburg mit Beschluss vom 14.11.2010 (Az.: 2 BVGa 1/10, Bl. 60 ff. d.A.) zurückgewiesen worden.

Daraufhin beschloss der Betriebsrat das Scheitern der Verhandlungen und die Einberufung der Einigungsstelle. Die mit Schreiben vom 22.11.2010 (Bl. 20 f. d.A.) der Arbeitgeberin gesetzte Frist zur Stellungnahme bzgl. einer vorgeschlagenen Konstellation der Einigungsstelle ließ diese verstreichen.

Der Betriebsrat meint, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG zu, da die Verwendung der Formulare nicht nur eine Konkretisierung der Arbeitspflicht darstellten, sondern die Ordnung des Betriebes beträfen. Zudem ergebe sich ein Mitbestimmungsrecht aus § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG, da es sich bei den Formularen um Personalfragebögen handele, auch wenn diese nunmehr nicht mehr durch die einzelnen Arbeitnehmer, sondern die Sore-Controller ausgefüllt würden. Insoweit habe bereits das Arbeitsgericht Wiesbaden mit Beschluss vom 15.04.2010 (4 BV 6/2010) entschieden, dass ein Mitbestimmungsrecht jedenfalls nicht offensichtlich auszuschließen sei.

Die Antragstellerin beantragt,

1. Herrn ... zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über den Umgang mit Differenzen und Routineverstößen an der kasse zu bestellen;

2. die Zahlen der Beisitzer der Einigungsstelle auf je 3 pro Seite festzusetzen.

Die Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen,

sowie hilfsweise,

eine Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand „Kassendifferenzerklärungen“ unter dem Vorsitz des ... einzustellen und die Zahl der Beisitzer auf zwei pro Seite festzusetzen.

Die Arbeitgeberin meint, vorliegend sei allein das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer betroffen. Es gehöre schließlich zu deren Kernaufgaben, ordnungsgemäß zu kassieren, sodass keine Differenzen auftreten. Die Überwachung dieser Aufgaben beträfe nicht die Ordnung des Betriebes. Wenn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts noch nicht einmal die Observation des Verhaltens von Mitarbeitern durch externe Privatdetektive mitbestimmungspflichtig sei, müsse dies erst recht gelten, wenn Mitarbeiter lediglich zu ihren arbeitsvertraglichen Pflichten befragt würden. § 94 BetrVG erfasse darüber hinaus keine Daten über Verhalten und Leistung des Mitarbeiters. Allenfalls könne eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand der Verwendung der Formulare zu Kassendifferenzerklärungen eingesetzt werden.

Ferner hätten bislang alle damit befassten Gerichte Anträge von Betriebsräten auf Erlass von einstweiligen Verfügungen zurückgewiesen, mit der der Arbeitgeberin aufgegeben werden sollte, es zu unterlassen, die neuen Kassendifferenzerklärungen weiter zu verwenden. Dies gelte für das Landesarbeitsgericht Hamburg (Beschl. v. 08.12.2010, 5 TaBVGa 4/10, Bl. 69 ff. d.A.) ebenso wie das Arbeitsgericht Freiburg (Beschl. v. 10.11.2010, 1 BVGa 1/10, Bl. 77 ff. d.A.), das Arbeitsgericht Oldenburg (Beschl. v. 17.11.2010, 2 BVGa 1/10, Bl. 60 ff. d.A.) sowie für das Arbeitsgericht Wilhelmshaven (1 BVGa 1/10). Insbesondere der Beschluss des LAG Hamburg sei rechtskräftig. Der Vorsitzende habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ein Mitbestimmungsrecht offensichtlich nicht bestehe. Der Antrag sei daher bereits zurückzuweisen, da in einem Parallelverfahren rechtskräftig hierüber entschieden worden sei.

II.

Der zulässige Antrag ist überwiegend begründet.

Nach § 76 Abs. 2 S. 2 BetrVG war der … (hierzu unter 3.) als Vorsitzender der Einigungsstelle nach § 98 Abs. 1 ArbGG zu bestellen (1.). Regelungsgegenstand ist der „Umgang mit Differenzen und Routineverstößen an der Kasse“ (2.). Die Zahl der Beisitzer war indes auf lediglich zwei je Seite festzusetzen und der Antrag daher im Übrigen zurückzuweisen (4.).

1. Gem. § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Davon ist auszugehen, wenn sofort erkennbar ist, dass ihre Zuständigkeit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt. Das Bestellungsverfahren soll weder durch die Klärung komplizierter Rechtsfragen noch durch die Aufklärung streitiger Tatsachen belastet werden; diese Aufgaben sind gegebenenfalls der Einigungsstelle vorzubehalten (BAG, Beschl. v. 06.12.1983, 1 ABR 43/81, AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung = NJW 1984, 1476, 1477; LAG Niedersachsen, Beschl. v. 03.11.2009, 1 TaBV 63/09, NZA-RR 2010, 142, 143; ErfK-Koch, 11. Aufl. 2011, § 98 ArbGG Rn. 3).

Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle deshalb z.B., wenn das in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht offensichtlich nicht besteht (BAG, Beschl. v. 06.12.1983, 1 ABR 43/81, AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung = NJW 1984, 1476, 1477), wenn durch rechtskräftige Entscheidung zwischen den Betriebsparteien geklärt ist, dass dem Betriebsrat in dieser Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht (LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 04.10.1984, 11 Ta BV 4/84, NZA 1985, 163 f.) oder wenn das ohne Zweifel unzuständige betriebsverfassungsrechtliche Organ ein Mitbestimmungsrecht für sich in Anspruch nimmt (LAG Hessen, Beschl. v. 15.06.1984, 14/5 TaBV 8/84, NZA 1985, 33; LAG Hamburg, Beschl. v. 10. 04.1991, 5 TaBV 3/92, DB 1991, 2195; zum Ganzen ErfK-Koch, 11. Aufl. 2011, § 98 ArbGG Rn. 3).

Es lässt sich vorliegend nicht von vornherein ausschließen, dass der antragstellende Betriebsrat für eine evtl. Mitbestimmung bei dem Umgang mit Differenzen und Routineverstößen an der Kasse zuständig ist (a.) und dass ihm ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG zusteht (b.). Auch ein Mitbestimmungsrecht aus § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG kann nicht offensichtlich ausgeschlossen werden (c.). Schließlich ist die Einigungsstelle auch nicht deshalb offensichtlich unzuständig, weil bereits rechtskräftig in einem Parallelverfahren entschieden worden wäre (d.).

a. Der Umgang mit Kassendifferenzen und die Maßnahmen bei Routineverstößen betreffen vorliegend das gesamte Unternehmen und damit mehrere Betriebe der Arbeitgeberin. Eine Unzuständigkeit des antragstellenden Betriebsrates und eine Zuständigkeit des bei der Arbeitgeberin bestehenden Gesamtbetriebsrats ergäbe sich nach § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG allerdings nur dann, wenn die in Rede stehende Angelegenheit nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden könnte. Ob eine unternehmensweite Regelung zweckmäßig wäre, ist dabei nicht maßgebend. Ein Koordinierungsinteresse der Arbeitgeberin oder der Wunsch nach einer unternehmenseinheitlichen Regelung genügt hierfür nämlich nicht (Richardi-Annuß, BetrVG, 10. Aufl. 2006, § 50 BetrVG Rn. 13 mwN). Auch insoweit gilt nach § 98 Abs. 1 S. 2 ArbG, dass der Antrag nur zurückgewiesen werden kann, wenn die Zuständigkeit des antragstellenden Betriebsrates unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt (LAG Frankfurt, Beschl. v. 15.06.1984, 14/5 TABV 8/84, NZA 1985, 33; so offenbar auch LAG Düsseldorf, Beschl. v. 21.08.1987, 9 TaBV 132/86, NZA 1988, 211, 213 und LAG Hamburg, Beschl. v. 10.04.1991, 5 TaBV 3/92, DB 1991, 2195). Insoweit hat auch die Arbeitgeberin im vorliegenden Verfahren keine Einwände erhoben.

b. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG ist nicht von vornherein ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses fordert ein aufeinander abgestimmtes Verhalten. Dazu dienen verbindliche Verhaltensregeln sowie unterschiedliche Maßnahmen, die geeignet sind, das Verhalten der Arbeitnehmer zu beeinflussen und zu koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, den Arbeitnehmern eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens zu gewähren. Von dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten ist das reine Arbeitsverhalten zu unterscheiden. Dieses betreffen alle Regeln und Weisungen, die bei der unmittelbaren Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind. Das Arbeitsverhalten wird berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten in welcher Weise auszuführen sind. Nicht mitbestimmungspflichtig sind danach Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird (BAG, Beschl. v. 24.03.1981, 1 ABR 32/78, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit = NJW 1982, 404; BAG, Beschl. v. 08.11.1994, 1 ABR 22/94, AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebs = NZA 1995, 857 f. mwN).

Zwar ist der Arbeitgeberin zuzugestehen, dass die Überwachung der Aufgaben der Arbeitnehmer grundsätzlich mitbestimmungsfrei ist. Insoweit ist der Vergleich mit einer Observation der Mitarbeiter durch Privatdetektive richtig. In einem solchen Fall hat das Bundesarbeitsgericht ein Mitbestimmungsrecht abgelehnt (BAG, Beschl. v. 26.03.1991, 1 ABR 26/90, AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung = NZA 1991, 729). Bestünde im Unternehmen der Arbeitgeberin eine an alle Kassierer gerichtete Arbeitsanweisung, jeweils zu Beginn ihrer Tätigkeit die Kasse ein- und zum Schluss der Kassiertätigkeit die Kasse wieder auszuzählen, so beträfen Kassendifferenzerklärungen allein das sogenannte Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer. Insoweit dürfte ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG ausscheiden.

Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Es ist vielmehr so, dass die Kasse lediglich zu Arbeitsbeginn ein- und am Ende des Tages ausgezählt wird. Dies haben die Beteiligten übereinstimmend dargestellt. Dennoch werden alle Mitarbeiter, die an diesem Tag an der betreffenden Kasse kassiert haben, zu einem aufgetretenen Manko befragt. Sie haben sich dabei auch dazu zu äußern, ob und ggf. wie sich Kassendifferenzen in Zukunft vermeiden lassen. Dies setzt voraus, dass sie sich zu den Ursachen einer aufgetretenen Kassendifferenz erklären. Für jeden Mitarbeiter werden Formblätter geführt, auf denen diese Erklärungen und die aufgetretenen Kassendifferenzen festgehalten werden.

Damit lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht von vornherein ausschließen, dass hierdurch nicht nur das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer, sondern vielmehr die Ordnung des Betriebes betroffen ist. Die Befragung der Mitarbeiter und die Speicherung ihrer Erklärungen dürften nämlich nach allgemeiner Lebenserfahrung zu einer gewissen Dynamik in der Mitarbeiterschaft führen. Vorliegend wird der einzelne Arbeitnehmer mit einem Fehler konfrontiert, den nicht zwangsläufig er selbst begangen hat. Dadurch wird nicht nur Druck auf den einzelnen Mitarbeiter ausgeübt, in Zukunft selbst fehlerfrei zu arbeiten, wie dies das Arbeitsgericht Wiesbaden im Beschluss vom 15.04.2010 (4 BV 6/10) und das Arbeitsgericht Oldenburg in seinem Beschluss vom 19.05.2010 (2 BV 1/10) festgestellt haben. Der einzelne Mitarbeiter, der sich keiner Schuld bewusst ist, wird vielmehr darüber hinaus durch diese Erfassung der Kassendifferenzen dazu angehalten, auf seine Kollegen derart einzuwirken, dass auch diese in Zukunft möglichst fehlerfrei kassieren. Nur so kann er verhindern, dass für ihn Listen geführt werden, auf denen Kassenmankos nachgehalten werden. Dies betrifft unmittelbar das Miteinander der Arbeitskollegen und damit die Ordnung des Betriebs.

Besonders deutlich wird dies in der Arbeitsanweisung der Arbeitgeberin für die Zeit ab dem 11.10.2010 an die Store-Controller, in der unter 1.1. darauf hingewiesen wird, dass ein Vergleich der Formulare zeige, wenn Kassendifferenzen immer bei mehreren Mitarbeitern auftreten, die gemeinsam an der Kasse tätig waren. Der einzelne Mitarbeiter gerät gewissermaßen unter Kollektivverdacht. Dadurch kann ein Schutzbedürfnis bestehen, das die Beteiligung des Betriebsrats erfordert.

Dieses Ergebnis fügt sich auch in die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein. Insoweit verweist der Betriebsrat zu Recht auf die Parallele zum Mitbestimmungsrecht bei Krankengesprächen (BAG, Beschl. v. 08.11.1994, 1 ABR 22/94, AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebs = NZA 1995, 857). Dabei hat das Bundesarbeitsgericht maßgebend darauf abgestellt, dass die Führung jener Krankengespräche den Betriebsfrieden beeinflussen. Die erkennende Kammer hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Befragung der Mitarbeiter und die Speicherung ihrer Erklärungen auch im vorliegenden Fall den Betriebsfrieden nachhaltig betreffen können.

Es ist darüber hinaus nicht auszuschließen, dass sich das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG auch auf den Umgang mit Routineverstößen an der Kasse bezieht. Zwar ist die Reaktion des Arbeitgebers auf Pflichtverletzungen der Mitarbeiter grundsätzlich nicht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Im Falle einer Kündigung greifen demgegenüber die §§ 102 f. BetrVG (vgl. BAG, Beschl. v. 17.10.1989, 1 ABR 100/88, NZA 1990, 193, 194 = AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße). Im vorliegenden Fall sollen Routineverstöße an der Kasse aber insbesondere durch die - wie dargestellt wohl mitbestimmungspflichtigen - Befragungen der Store-Controller aufgedeckt werden. Der Umgang mit Routineverstößen lässt sich demnach nicht von dem Umgang mit Kassendifferenzen trennen.

c. Hinsichtlich des Umgangs mit Routineverstößen beim Kassiervorgang ist jedenfalls nicht offensichtlich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG auszuschließen.

Danach bedürfen Personalfragebögen der Zustimmung des Betriebsrates. Unter Personalfragebogen ist die formularmäßige Zusammenfassung von Fragen über die persönlichen Verhältnisse, insbesondere Eignung, Kenntnisse und Fähigkeiten einer Person zu verstehen (BAG, Beschl. v. 21.09.1993, 1 ABR 28/93, AP Nr. 4 zu § 94 BetrVG 1972 = NZA 1994, 375, 376). Dabei fallen unter § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht nur Einstellungsfragebögen, sondern auch Fragebögen für schon im Betrieb tätige Arbeitnehmer. Bei der Verwendung von Personalfragebögen besteht die Gefahr, dass Fragen gestellt werden, deren Beantwortung tief in die verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitssphäre eingreift. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats dient dem Zweck, diese Gefahren zu mindern. Ob der Arbeitnehmer den Bogen selbst ausfüllt oder seine Angaben mündlich mitteilt – wie im vorliegenden Fall der „neuen“, nunmehr verwendeten Formulare – ist dabei nicht maßgebend (BAG, Beschl. v. 21.09.1993, 1 ABR 28/93, AP Nr. 4 zu § 94 BetrVG 1972 = NZA 1994, 375, 376).

Bei der Befragung der Kassenkräfte zum Thema „Kassendifferenzen“ mittels eines standardisierten Formulars ist nicht auszuschließen, dass das Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG berührt ist. Die Fragen betreffen nicht nur Inhalt, Umfang und Bedeutung des Arbeitsplatzes der Kassenkraft bei der Antragsgegnerin, sondern die Fragen sind auch arbeitnehmerbezogen und objektiv geeignet, Rückschlüsse auf Leistung oder Eignung der befragten Kassenkraft zuzulassen. Die Person der Kassenkraft ergibt sich ebenso wie Ergebnisse der Leistung, wobei nicht zwangsläufig die Kassenkraft, die die Erklärung zu Kassendifferenzen unterschreibt, die Differenz verursacht haben muss. Der Arbeitnehmer muss sich zu den bei seiner Arbeit aufgetretenen Kassendifferenzen erklären und soll sich damit zur Art seiner Arbeitsleistung und ggf. zu dabei aufgetretenen Fehlern äußern. Anerkannt ist auch, dass das Verwenden von Fragebögen zur Diebstahlsaufklärung dem Mitbestimmungsrecht des § 94 Abs. 1 S. 1 BetrVG unterliegt. Der Sachverhalt im vorliegenden Fall, bei dem es der Antragsgegnerin um das Aufdecken der Ursachen von Kassendifferenzen geht, ist durchaus damit vergleichbar. Die Kammer schließt sich insoweit den Argumentationen des ArbG Wiesbaden (Beschl. v. 15.04.2010, 4 BV 6/2010) und des ArbG Oldenburg (Beschl. v. 14.11.2010, 2 BVGa 1/10) an. Gleiches gilt auch für den Umgang mit Routineverstößen beim Kassiervorgang.

d. Die Einigungsstelle ist auch nicht offensichtlich unzuständig - wie die Arbeitgeberin meint - weil bereits rechtskräftig in Parallelverfahren zu ihren Gunsten entschieden worden sei. Zwar ist der Antrag zurückzuweisen, wenn durch rechtskräftige Entscheidung zwischen den Betriebsparteien geklärt ist, dass dem Betriebsrat in der betreffenden Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht (LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 04.10.1984, 11 Ta BV 4/84, NZA 1985, 163 f.). Vorliegend ist die rechtskräftige Entscheidung des LAG Hamburg (Beschl. v. 08.12.2010, 5 TaBVGa 4/10) aber weder zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens ergangen, noch war Verfahrensgegenstand die Einsetzung einer Einigungsstelle. Es ging vielmehr um den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Diese unterliegt anderen Prüfungsmaßstäben.

2. Die Einigungsstelle war einzusetzen zu dem von dem Betriebsrat geforderten Regelungsgegenstands. Wenn die Arbeitgeberin hiergegen einwendet, es könne allenfalls um die Verwendung der Formulare zu Kassendifferenzerklärungen gehen, so kann dem nicht gefolgt werden. Ein Mitbestimmungsrecht ist nicht nur hinsichtlich der Verwendung dieser, von der Arbeitgeberin aktuell verwendeten Formulare möglich, sondern auch hinsichtlich des Umgangs mit Routineverstößen. Der Umgang mit Routineverstößen lässt sich darüber hinaus aufgrund der besonderen Umstände dieses Falls nicht von dem Umgang mit Kassendifferenzen trennen (s. 1.b.).

3. Gegen den von dem Betriebsrat vorgeschlagenen Vorsitzenden der Einigungsstelle hat die Arbeitgeberin keine Einwände erhoben. Sie hat ihn vielmehr selbst als Vorsitzenden in ihrem Hilfsantrag vorgeschlagen.

4. Die Zahl der Beisitzer war indes auf zwei je Seite festzusetzen. Es handelt sich vorliegend um einen überschaubaren Regelungsgegenstand ohne besondere Schwierigkeiten. Auch die Notwendigkeit von speziellem, externem Fachwissen ist nicht zu erwarten. Die Festsetzung der Anzahl der Beisitzer mit zwei pro Seite entspricht allgemein einer Einigungsstelle mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad.

Die Entscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG iVm. § 2a Abs. 1 Ziff. 1 ArbG gerichtskostenfrei.