Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 18.08.2009, Az.: 6 A 211/08
Abgabe; Anlieger; Duldung; Entrichtung; Ermessen; Erschließungsbeitrag; Klagebefugnis; Nutzung; Straße; Straßenausbaubeitrag; Straßenverkehr; Verfügung; Verkehrsgefahr; Widmung; Widmungsverfügung; Öffentlichkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 18.08.2009
- Aktenzeichen
- 6 A 211/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 50658
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 6 StrG ND
- § 114 VwGO
- § 42 Abs 2 VwGO
- § 40 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Auch Straßenanlieger können durch die Widmung der Straße in eigenen Rechten verletzt und daher zur Klage gegen die Widmungsverfügung befugt sein.
2. Die Behörde übt ihr Ermessen in der Regel fehlerfrei aus, wenn sie eine in ihrem Eigentum stehende Straße, die mit Duldung der Behörde bereits über einen längeren Zeitraum tatsächlich zum öffentlichen Straßenverkehr genutzt wird, auch förmlich widmet.
3. Die sich aus der Widmung für die Straßenanlieger (möglicherweise) ergebende Pflicht zur Entrichtung von Erschließungs- oder Straßenausbaubeiträgen darf die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung über die Widmung nicht berücksichtigen.
4. Die Behörde darf in der Widmung keine Beschränkungen mit spezifisch verkehrsrechtlichem Inhalt regeln und die Widmung auch nicht wegen der mit dem öffentlichen Verkehr (möglicherweise) verbundenen Gefahren ablehnen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Widmung eines teilweise an seinem Grundstück vorbeiführenden Straßenstücks.
Das betroffene Straßenstück liegt auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden Flurstück D. der E. in der Gemarkung F.. Es besteht aus einem Verbindungsweg zwischen der G. Straße - einer Gemeindestraße - und der H. (L I.) sowie einem östlich von dem Verbindungsweg abzweigenden Stichweg. Das Grundstück des Klägers, der Ratsherr der Beklagten ist, grenzt südlich an den hinteren Teil des Stichweges. Der Kläger unterhält auf seinem Grundstück einen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Stichweg ermöglicht ihm die Zufahrt zu den an der Südseite seines Grundstücks gelegenen, für den landwirtschaftlichen Betrieb genutzten Gebäuden. Das Wohnhaus des Klägers liegt auf der Nordseite seines Grundstücks; die Zufahrt zu diesem Grundstücksteil ist über die G. Straße möglich. An den Stichweg grenzen drei weitere Grundstücke. Auf einem der Grundstücke befinden sich ein Parkplatz, eine Gaststätte mit Kiosk und ein Reihenhaus mit vier Wohneinheiten, dessen Eingangstüren an dem Stichweg liegen. Auf einem weiteren Grundstück liegen eine Apotheke und eine Garage; die Zufahrt zur Garage ist nur über den Stichweg möglich. Auf dem westlich an das Grundstück des Klägers und östlich an den Verbindungsweg grenzenden Flurstück befindet sich ein Mehrfamilienhaus, dessen Zufahrt an der G. Straße liegt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Örtlichkeiten wird auf die vorliegende Lageskizze verwiesen (Bl. 69 der Gerichtsakte).
Das betroffene Straßenstück, das nicht befestigt ist, war bisher nicht behördlich für den öffentlichen Straßenverkehr gewidmet. Es wurde aber bislang schon mit Duldung der Beklagten von der Öffentlichkeit genutzt. Der Kläger nutzt das Straßenstück als Zufahrt zu seinem Grundstück mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen.
Am 9. Juli 2008 beschloss der Rat der Beklagten, das Straßenstück, bestehend aus dem Verbindungs- und dem Stichweg, als Ortsstraße zu widmen. Dafür hatte sich zuvor bereits der Verwaltungsausschuss ausgesprochen. Die Widmungsverfügung wurde durch Aushang vom 14. Juli bis zum 12. August 2008 bekannt gemacht.
Gegen die Verfügung hat der Kläger am 12. August 2008 Klage erhoben. Er hält die Widmung des betroffenen Straßenstücks für rechtswidrig und führt hierzu im Wesentlichen Folgendes aus: Die Widmung sei willkürlich erfolgt. Sie sei nicht aus Gründen des öffentlichen Wohls notwendig, weil Autofahrer 300 Meter westlich des Verbindungsstückes von der H. auf die G. Straße wechseln könnten. Zwischen ihm und dem Bürgermeister der Beklagten gebe es eine Reihe von Meinungsverschiedenheiten; die Widmung stelle vermutlich nur einen weiteren Versuch dar, ihn in irgendeiner Form zu belasten. Als Anlieger der Straße werde die Beklagte ihn zu den durch einen Straßenausbau entstehenden Kosten heranziehen. Außerdem werde der Verkehr auf dem Straßenstück mit der Widmung zunehmen. Dies werde zu erhöhten Verkehrsgefahren und zu unerträglichen Lärm- und Geruchsimmissionen führen. Außerdem könnten für ihn Rechtsnachteile aus den Anbaubestimmungen oder dem Sondernutzungsrecht entstehen (§§ 24 und 18 des Nds. Straßengesetzes). Als Landwirt werde er in seiner Berufsausübung beeinträchtigt. Er sei darauf angewiesen, den Weg beim Befahren mit seinen landwirtschaftlichen Maschinen in der gesamten Breite zu nutzen, und werde daran durch den zu erwartenden Mehrverkehr gehindert. Auch ein problemloses Abbiegen mit diesen Fahrzeugen sei nur möglich, wenn kein Gegenverkehr vorhanden sei. Schließlich habe die Beklagte die Widmung auch nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht.
Der Kläger beantragt,
die Widmung des in der Gemeinde F. gelegenen Verbindungsweges H. /G. Straße östlich des „J. Platzes“, einschließlich des östlichen abzweigenden Weges E. (Flurstück D.) als Ortsstraße aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht im Wesentlichen Folgendes geltend: Ein exklusives Nutzungsrecht stehe dem Kläger nicht zu. Sein Anliegerrecht werde erst durch die Widmung begründet. Eine Zunahme des Verkehrsflusses allein durch die Widmung sei nicht zu erwarten, weil der Weg bereits in der Zeit vor der Widmung in erheblichem Maße von Verkehrsteilnehmern und Anliegern benutzt worden sei. Deshalb sei auch eine Einschränkung der Benutzbarkeit des Weges durch den Kläger oder eine Steigerung der Geruchs- und Geräuschbelästigung nicht zu befürchten. Die Widmung sei Grundlage für einen verkehrssicheren Ausbau des Weges, vollziehe lediglich die tatsächliche Entwicklung nach und diene der Erschließung mehrerer angrenzender Grundstücke. Bislang habe der Kläger keinen Rechtsanspruch auf die Benutzung des betroffenen Straßenstücks.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 1. Alternative VwGO) zulässig. Die gesetzliche Voraussetzung, dass der Kläger geltend macht, durch den angegriffenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein, ist erfüllt (sog. Klagebefugnis, vgl. § 42 Abs. 2 VwGO). Die Klagebefugnis liegt schon dann vor, wenn nach dem Vortrag des Klägers die Möglichkeit besteht, dass er durch den angegriffenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 42 Rn. 66 m.w.N.). Dies ist hier der Fall.
Auch der Anlieger einer Straße kann nach den Umständen des jeweiligen Falles durch die Widmung der Straße in eigenen Rechten verletzt und daher zur Klage gegen die Widmungsverfügung befugt sein (ebenso BVerwG, U. v. 26.08.1993 - 4 C 24/91 -, NVwZ 1994, 275, 278; OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 28.11.1986 - 1 B 73/86 -, NJW 1987, 1284, 1285 m.w.N. zum Streitstand; VG Braunschweig, U. v. 20.03.2009 - 6 A 378/05 -; s. a. Sauthoff, Straße und Anlieger, Rn. 231). Denn nach den straßenrechtlichen Regelungen sind mit der Widmung einer Straße für den Anlieger im Allgemeinen eine Reihe von Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten verbunden, wie insbesondere die Reinigungs- und die Streupflicht (vgl. z.B. § 52 Abs. 4, § 20 Abs. 4, § 14 Abs. 1 und die §§ 31 f. NStrG). Voraussetzung für diese Pflichten ist die Öffentlichkeit der Straße, die (im straßenrechtlichen Sinne) erst durch die Widmung entsteht. Um dem Straßenanlieger effektiven Rechtsschutz zu gewähren, muss es ihm daher grundsätzlich möglich sein, den Widmungsakt gerichtlich überprüfen zu lassen, wenn ihm im konkreten Fall durch die gesetzlich geregelten Pflichten Rechtsnachteile entstehen können. An der Klagebefugnis fehlt es nur dann, wenn eine Verletzung in eigenen Rechten wegen der besonderen Umstände des Falles offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise unmöglich ist. Solche besonderen, einer Klagebefugnis entgegenstehende Umstände sind hier nicht ersichtlich. Ob die Widmung den Kläger tatsächlich in eigenen Rechten verletzt, hat das Gericht erst im Rahmen der Begründetheit der Klage - bei der rechtlichen Überprüfung des angegriffenen Bescheides - zu klären.
Bei dieser Sachlage ist für die Zulässigkeit der Klage unerheblich, wenn sich aus einzelnen der zur Klagebegründung angeführten Argumente des Klägers für ihn nicht die Möglichkeit ergeben kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Klage ist insgesamt zulässig, weil eine Verletzung eigener Rechte aus den dargelegten Gründen möglich ist. Die Regelung über die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) berechtigt das Gericht nicht dazu, eine wegen möglicher Rechtsverletzung zulässige Klage im Hinblick auf einzelne weitere Begründungselemente als teilweise unzulässig abzuweisen und die sachliche Überprüfung der Klage damit auf die nicht ausgeschiedenen Klagegründe zu beschränken (vgl. BVerwG, U. v. 20.05.1998 - 11 C 3/97 -, juris Rn. 38 = NVwZ 1999, 67; VG Braunschweig, a.a.O., m.w.N.).
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das Gericht hat die Widmung nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nicht der Fall.
Die Widmung einer Straße für den öffentlichen Verkehr ist nur dann rechtmäßig, wenn sie von dem zuständigen Träger der Straßenbaulast ausgesprochen wird und dieser die Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Straße besitzt, weil er Eigentümer des der Straße dienenden Grundstücks ist, der Eigentümer und ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt haben oder der Träger der Straßenbaulast den Besitz durch Vertrag oder in einem gesetzlich geregelten Verfahren erlangt hat (§ 6 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 NStrG). Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, steht die Widmung im Ermessen des Straßenbaulastträgers. Dieses Ermessen ist entsprechend dem Zweck des § 6 NStrG und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen auszuüben (vgl. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i. V. m. § 40 VwVfG). Das Gericht hat die Ermessensentscheidung der Behörde nur darauf zu überprüfen, ob sie diesen rechtlichen Rahmen eingehalten hat (§ 114 Satz 1 VwGO). Nach diesen Maßstäben kann der Kläger nicht verlangen, dass das Gericht die Widmung aufhebt.
Die Beklagte, die Eigentümerin der gewidmeten Fläche ist und dies auch schon in dem für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Widmungsverfügung war, ist die zuständige Trägerin der Straßenbaulast (vgl. § 48 NStrG). Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Verfügung. Das Verfahren vor dem Rat und dem Verwaltungsausschuss entsprach jedenfalls den gesetzlichen Vorgaben. Seine hiergegen zunächst erhobenen Einwände hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nicht aufrecht erhalten. Die Beklagte hat die Widmung auch ordnungsgemäß durch Aushang der Verfügung und damit ortsüblich öffentlich bekannt gemacht (vgl. § 6 Abs. 3 NStrG, § 41 Abs. 4 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG und § 8 Abs. 3 der Hauptsatzung der Beklagten). Es war rechtlich nicht erforderlich, neben der Verfügung eine (erläuternde) Karte zur Lage der gewidmeten Fläche bekannt zu machen. Die gesetzlichen Regelungen sehen nur die öffentliche Bekanntgabe des verfügenden Teils des Verwaltungsaktes vor (§ 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG; s. a. § 39 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG); die Beklagte hat den Verwaltungsakt darüber hinausgehend sogar insgesamt - mit Rechtsbehelfsbelehrung - öffentlich bekannt gemacht. Weiter gehende Anforderungen ergeben sich auch nicht aus der Hauptsatzung der Beklagten. Die Regelung in § 8 Abs. 4 der Hauptsatzung, auf die der Kläger sich beruft, gilt nur für Karten, Pläne oder Zeichnungen, die Bestandteil einer Satzung, einer Verordnung oder einer sonstigen Bekanntmachung sind. Bestandteil der Bekanntmachung vom 14. Juli 2009 war jedoch nur die Widmungsverfügung. In dieser wird die gewidmete Fläche hinreichend konkret unter Angabe des betroffenen Flurstücks und der angrenzenden Straßen bezeichnet, sodass die Verfahrensweise der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit und Bestimmtheit nicht zu beanstanden ist. Da formale Fehler nicht zu erkennen sind, kann die Kammer offenlassen, inwieweit sich derartige Mängel überhaupt auf die Rechtmäßigkeit der Widmung und die weitere gerichtliche Überprüfung einer Widmungsanfechtung auswirken könnten.
Die Beklagte hat auch das ihr eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die verfügte Widmung entspricht dem Zweck des Gesetzes und überschreitet nicht die gesetzlichen Grenzen, die sich insbesondere aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben.
Mit den Vorschriften über die Widmung von Straßen regelt das Gesetz das Verfahren, in dem eine Straße zur „öffentlichen“ Straße bestimmt wird. Die Widmung ist dementsprechend der Rechtsakt, durch den der Status als öffentliche Straße und die damit verbundenen Rechte und Pflichten entstehen, also insbesondere die Pflicht des Straßenbaulastträgers zu Bau, Unterhaltung und Erneuerung der Straße sowie das Recht der Straßennutzer, die Straße im Rahmen der widmungsmäßigen Beschränkungen und der Verkehrsvorschriften zum Verkehr zu gebrauchen. Sie ist die gesetzlich vorgesehene Maßnahme, mit der die zuständige Behörde ihre Entscheidung dokumentiert, ein Grundstück dem öffentlichen Straßenverkehr zur Verfügung zu stellen.
Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Zweckbestimmung übt die zuständige Behörde ihr Ermessen in der Regel fehlerfrei aus, wenn sie eine in ihrem Eigentum stehende Straße, die mit Duldung der Behörde bereits über einen längeren Zeitraum tatsächlich zum öffentlichen Straßenverkehr genutzt wird, auch förmlich widmet. Mit der Widmung beendet die Gemeinde in diesen Fällen einen vom Straßengesetz nicht vorgesehenen Zustand. Zwar gelten auch für tatsächlich öffentliche Straßen die Regelungen der Straßenverkehrsordnung (s. nur BayVGH, B. v. 11.01.2005 - 8 CS 04.3275 -, juris Rn. 11; VG Braunschweig, U. v. 18.02.2004 - 6 A 586/02 -, juris Rn. 33). Nur durch die Widmung entstehen jedoch in vollem Umfang die Rechte und Pflichten, die das Straßengesetz für öffentliche Straßen vorsieht. Damit entspricht die Widmung in diesen Konstellationen nicht nur dem Zweck der zugrunde liegenden gesetzlichen Regelung. Sie dient in diesem Fall außerdem einem besonders gewichtigen öffentlichen Interesse, das in der Regel mögliche entgegenstehende Interessen überwiegt und damit bewirkt, dass die Widmung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (s. auch Sauthoff, a.a.O., Rn. 118; Herber in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 7 Rn. 18.21). So verhält es sich auch hier.
Die Beklagte hat eine Fläche gewidmet, die unstreitig bereits geraume Zeit von der Öffentlichkeit zum Straßenverkehr genutzt wird, und diesen Zustand damit nach den Vorgaben des Straßengesetzes legalisiert. Ein solches Vorgehen ist nur dann rechtlich zu beanstanden, wenn ihm unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles ausnahmsweise überwiegende, von der Behörde bei ihrer Entscheidung zu beachtende Interessen entgegenstehen, die Behörde in dem konkreten Fall gegen besondere Ermessensbindungen (z.B. gegen bindende Erwägungen einer vorangegangenen Planungsentscheidung, vgl. VG Braunschweig, U. v. 20.03.2009 - 6 A 378/05 -) verstoßen hat oder sonstige Besonderheiten vorliegen, derentwegen die Widmung ausnahmsweise als ermessensfehlerhaft anzusehen ist. Dies ist hier nicht der Fall.
Interessen des Klägers, die bei der Ermessensentscheidung über die Widmung zu berücksichtigen sind und das dargestellte öffentliche Interesse an einer Widmung überwiegen, liegen nicht vor.
Der Kläger kann gegen die Widmung nicht erfolgreich geltend machen, ihm drohten dadurch abgabenrechtliche Belastungen. Die sich aus der Widmung (möglicherweise) ergebenden abgabenrechtlichen Folgen wie die Pflicht zur Entrichtung von Erschließungs- oder Straßenausbaubeiträgen darf die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung über die Widmung nicht berücksichtigen (ebenso Sauthoff, a.a.O., Rn. 118, 231; s. auch OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O. - insoweit nicht abgedr. in NJW 1987, 1284 f. [OVG Rheinland-Pfalz 28.11.1986 - 1 B 73/86] -). Die Berücksichtigung solcher Gesichtspunkte wäre mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar (vgl. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i. V. m. § 40 VwVfG). Die Widmung ist der gesetzlich vorgesehene Rechtsakt, durch den die zuständige Behörde die Straße formal dem öffentlichen Straßenverkehr zur Verfügung stellt und diese Entscheidung dokumentiert. Nach dieser gesetzlichen Zweckbestimmung kommt es für die Widmung darauf an, ob ein an der Funktion öffentlicher Straßen gemessenes Interesse daran besteht, die Fläche formal den Bürgerinnen und Bürgern zur Nutzung zu überlassen. Bei der Ermessensentscheidung können also nur straßenbezogene, d. h. die Verkehrsfunktion der Straße betreffende Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Dazu gehört die Erhebung von Erschließungs- oder Straßenausbaubeiträgen nicht. Es handelt sich dabei um Abgaben, die lediglich an die Widmung anknüpfen und auf der Grundlage besonderer gesetzlicher Regelungen nach speziellen (abgabenrechtlichen) Kriterien erhoben werden. Sofern solche Abgaben später von ihm erhoben werden, kann der Kläger diese auch im Hinblick auf die Erhebungsvoraussetzungen gesondert gerichtlich überprüfen lassen, sodass der Rechtsschutz für ihn umfassend gewährleistet ist (s. auch Sauthoff, a.a.O., Rn. 231).
Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass die Beklagte wegen der von ihm befürchteten erhöhten Verkehrsgefahren von der Widmung absieht oder diese beschränkt. Nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung in § 6 NStrG sowie den unterschiedlichen Regelungsbereichen und Kompetenzordnungen des Straßen- und des Straßenverkehrsrechts dürfen die Straßenbehörden ihre Entscheidung über die Widmung nicht von (möglichen) Verkehrsgefahren abhängig machen: Sie dürfen in der Widmung keine Beschränkungen mit spezifisch verkehrsrechtlichem Inhalt regeln und die Widmung auch nicht wegen der mit dem öffentlichen Verkehr verbundenen Gefahren ablehnen (vgl. BVerwG, U. v. 28.07.1989 - 7 C 65/88 -, juris Rn. 6 = BVerwGE 82, 266; VG Braunschweig, U. v. 20.03.2009 - 6 A 378/05 -; Wendrich, Nds. Straßengesetz, § 6 Rn. 3; Sauthoff, a.a.O., Rn. 124 f.; Krämer in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 3 Rn. 6.2; s. auch BVerfG, B. v. 09.10.1984 - 2 BvL 10/82 -, juris Rn. 67 f. = BVerfGE 67, 299). Ob Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs bestehen und Maßnahmen dagegen zu treffen sind, hat die zuständige Straßenverkehrsbehörde in dem dafür vorgesehenen Verfahren zu entscheiden. Insbesondere obliegt es allein der Straßenverkehrsbehörde, zur Abwendung von Gefahren Verkehrszeichen anzuordnen (vgl. § 45 StVO). Ob die vom Kläger befürchteten erhöhten Verkehrsrisiken tatsächlich bestehen, muss daher im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden. Dies ist Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde. Sofern der Kläger einen Rechtsanspruch auf die Aufstellung bestimmter Verkehrszeichen hat, kann er diesen erforderlichenfalls in einem gesonderten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geltend machen.
Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist auch nicht deswegen fehlerhaft, weil die Widmung einer Straße gesetzliche Folgen wie Anbauverbote und -beschränkungen (§ 24 NStrG) sowie Benutzungsregeln (vgl. § 18 NStrG) auslöst. Anlieger können der Widmung diese gesetzlichen Folgen grundsätzlich nicht entgegenhalten. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn ihnen durch die genannten Folgen Nachteile drohen, die das für die Widmung der Straße sprechende Interesse überwiegen (s. auch Herber in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, Kap. 7 Rn. 18.42). Solche Nachteile sind hier nicht ersichtlich. Die Beklagte kann sich für die Widmung auf ein gewichtiges öffentliches Interesse berufen (s. oben). Dass dem Kläger im Falle der Widmung durch die Anbaubestimmungen oder die Regelungen über die Sondernutzung von Straßen konkrete Nachteile entstehen, hat er nicht dargelegt und ist für die Kammer auch aus den übrigen Unterlagen nicht ersichtlich. Die Anbaubestimmungen gelten grundsätzlich nur für Landes- und Kreisstraßen. Im Übrigen hat der Kläger nicht dargetan, dass er konkret beabsichtigt, Anlagen zu errichten, die unter die Vorschriften fallen. Dass die Widmung ihn im Vergleich zur bisherigen Rechtslage in der Nutzung der Straße einschränkt, ist nicht ersichtlich. Der Kläger erlangt erst durch die Widmung den gesetzlich garantierten Anspruch, die betroffene Straße im Rahmen des Gemeingebrauchs zu nutzen (§ 14 NStrG). Dritten kann die zuständige Behörde Sondernutzungsrechte nur in den gesetzlichen Grenzen (s. § 18 NStrG) einräumen. Diese gesetzliche Befugnis allein begründet für den Kläger keine Nachteile, die er im Rahmen einer Anfechtungsklage erfolgreich gegen die Widmung geltend machen kann.
Durch den zu erwartenden Verkehr drohen auch keine unzulässigen Lärm- und Abgasbeeinträchtigungen, die der Kläger gegen die Widmung geltend machen könnte. Derartige Einwände von Anliegern gegen die Widmung einer Straße sind jedenfalls dann nur noch eingeschränkt möglich, wenn der Widmung eine (förmliche) Planungsentscheidung vorausgegangen ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 15.09.1994 - 23 A 2673/92 -, S. 11; OVG Saarland, U. v. 28.11.1995 - 2 R 13/94 -, S. 14; VGH Baden-Württemberg, U. v. 07.07.1995 - 5 S 679/94 -, NVwZ 1995, 185, 186; Hess. VGH, U. v. 19.10.1993 - 2 UE 1976/90 -, juris Rn. 38; Nds. OVG, U. v. 02.06.1993 - 12 L 6/90 -, juris Rn. 8 ff.; VG Gelsenkirchen, U. v. 04.12.2007 - 14 K 589/03 -, juris Rn. 51 ff.; Sauthoff, a.a.O., Rn. 232). Inwieweit dies auch gilt, wenn die Widmungsverfügung - wie hier - nicht auf einer förmlichen Planung beruht, braucht die Kammer für das vorliegende Verfahren nicht zu entscheiden (allgemein gegen die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte z.B. VGH Baden-Württemberg, U. v. 07.07.1995 - 5 S 679/94 -, NVwZ 1995, 185, 186). Denn gegenwärtig ist jedenfalls in keiner Weise ersichtlich, dass von der betroffenen Straße nach der Widmung unzumutbare Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen ausgehen werden. Da das Grundstück des Klägers an einer Gemeindestraße liegt, in der Nähe eine Landesstraße verläuft und auch auf dem nunmehr gewidmeten Straßenstück bereits öffentlicher Verkehr mit Kraftfahrzeugen stattfindet, liegen Vorbelastungen vor, die sich für den Kläger schutzmindernd auswirken. Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch zusätzliche Belastungen kann in solchen Fällen grundsätzlich nur dann eintreten, wenn diese zusätzlichen Belastungen den Grad der Beeinträchtigung in beachtlicher Weise erhöhen und die Erhöhung die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet (vgl. Nds. OVG, a.a.O., Rn. 13). Für derartige Beeinträchtigungen gibt es gegenwärtig keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Verbindungsstraße wurde schon bislang als Abkürzung genutzt. Derzeit ist nicht ersichtlich, dass die Widmung zu einem nennenswert erhöhten Verkehrsaufkommen führen wird. Das Gleiche gilt für die bereits jetzt von den Anwohnern genutzte Stichstraße. Berücksichtigt man die Lage des Klägergrundstücks, so ist nicht ersichtlich, dass der zugelassene Verkehr als solcher in einem unüberbrückbaren Widerspruch zu schutzwürdigen Anliegerbelangen steht (vgl. dazu Hess. VGH, a.a.O.). Konkrete Anhaltspunkte, die eine deutliche Erhöhung der Belastungen erwarten lassen, hat auch der Kläger nicht dargelegt. Wenn sich die Dinge anders entwickeln sollten, ist er durch die Widmung nicht schutzlos gestellt: Das Eigentum unzulässigerweise einschränkende Verkehrsimmissionen kann er durch einen Folgenbeseitigungsanspruch abwehren, dem selbst eine bestandskräftige Widmungsverfügung nicht entgegensteht (vgl. BVerwG, U. v. 26.08.1993 - 4 C 24/91 -, NVwZ 1994, 275, 278 f.; VGH Baden-Württemberg, a.a.O.; Sauthoff, a.a.O., Rn. 232); unzumutbare Beeinträchtigungen können unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Anspruch gegen die Straßenverkehrsbehörde auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen begründen (vgl. § 45 StVO und Sauthoff, a.a.O., Rn. 125, 959 ff.).
Die Widmung greift auch nicht in das Grundrecht des Klägers auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ein. Durch die Widmung wird er nicht daran gehindert, das betroffene Straßenstück mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen zu befahren. Er erhält im Gegenteil erst durch diese Maßnahme ein gesichertes Recht zur Straßennutzung. Wenn nach der Widmung aufgrund eines gesteigerten Verkehrsaufkommens die Berufsausübung über das im öffentlichen Straßenverkehr im Allgemeinen hinzunehmende Maß beeinträchtigt sein sollte, kann der Kläger dies in den dafür vorgesehenen Verfahren - z. B. durch einen Antrag bei der Straßenverkehrsbehörde auf Maßnahmen nach § 45 StVO - geltend machen. Ein exklusives Recht zur Straßennutzung kann der Kläger aber auch aus seinen Grundrechten nicht herleiten.
Auch der Einwand des Klägers, die Widmung sei nicht notwendig, weil etwa 300 Meter westlich eine Verbindung zwischen K. - und G. Straße bereits hergestellt sei, steht der Widmung nicht entgegen. Insbesondere verstößt die Widmung damit nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Widmung wäre nur dann nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig, wenn sich der mit ihr verfolgte Zweck ebenso wirksam durch eine weniger einschneidende Maßnahme erreichen ließe. Dies ist nicht der Fall. Die Widmung liegt im öffentlichen Interesse, weil Verbindungs- und Stichweg bereits geraume Zeit von der Öffentlichkeit zum Straßenverkehr genutzt werden. Der mit der Widmung von der Beklagten verfolgte Zweck, diesen Zustand zu legalisieren, lässt sich durch eine andere Maßnahme oder durch das Absehen von dieser Maßnahme nicht erreichen.
Für die Annahme des Klägers, bei der Widmung handele es sich um eine willkürliche Maßnahme, gibt es objektiv keinen Anlass. Die Widmung liegt aus den dargelegten Gründen im öffentlichen Interesse. Darüber hinaus stärkt sie die Rechte des Klägers, der ohne die Widmung weiterhin auf die Gestattung der Straßennutzung durch die Beklagte als Eigentümerin des betroffenen Straßenstücks angewiesen wäre, ohne auf die Beibehaltung dieses Zustands einen gesetzlich garantierten Anspruch zu haben. Da keine entgegenstehenden Interessen von vergleichbarem Gewicht vorliegen, hätte die Beklagte vielmehr ermessensfehlerhaft gehandelt, wenn sie trotz der bereits andauernden Nutzung der Straße durch die Öffentlichkeit von der Widmung abgesehen hätte (vgl. VG Braunschweig, U. v. 20.03.2009 - 6 A 378/05 -; Sauthoff, a.a.O., Rn. 118).