Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.06.2021, Az.: 1 Ws 88/21
Zuständigkeit des Gerichts für Auskehrung des Verwertungserlöses auch gegenüber Strafgefangenen; Berücksichtigung zivilrechtlicher Titel bei Einziehungsanordnung; Bereicherungsrechtliche Ansprüche als Inhalt des Verwertungserlöses; Keine Überprüfung zivilrechtlicher Titel durch das Strafgericht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 22.06.2021
- Aktenzeichen
- 1 Ws 88/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 30207
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2021:0622.1WS88.21.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 10.03.2021 - AZ: 6 KLs 42/17
Rechtsgrundlagen
- § 459h Abs. 1 StPO
- § 459h Abs. 2 StPO
- § 459k Abs. 1 StPO
- § 459k Abs. 2 S. 2 StPO
- § 459k Abs. 5 S. 1 StPO
- § 462 Abs. 2 S. 1 StPO
- § 73 Abs. 1 StGB
- § 299 Abs. 2 StGB
- § 166 Abs. 1 BGB
- § 407 BGB
- § 412 BGB
- § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
- § 814 Alt. 1 BGB
- § 817 S. 2 BGB
- § 818 Abs. 2 BGB
- § 818 Abs. 3 BGB
- § 819 Abs. 2 BGB
- § 704 ZPO
- § 767 Abs. 1 ZPO
- § 86 Abs. 1 S. 1 VVG
- § 473 Abs. 1 StPO
Fundstelle
- NStZ-RR 2021, 348-351
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Das Gericht des ersten Rechtszuges ist für die nach § 459k Abs. 2 Satz 2 StPO erforderliche gerichtliche Entscheidung über die Zulassung der Auskehrung des Verwertungserlöses auch dann zuständig, wenn der Verurteilte sich im Strafvollzug befindet.
- 2.
Ob der Antragsteller "Verletzter" im Sinne der vermögensrechtlichen Regelungen ist, ist allein nach den Regelungen in der Fassung vom 1. Juli 2017 zu entscheiden. Ein Rückwirkungsverbot besteht insoweit nicht.
- 3.
Für die Prüfung, ob dem Verletzten ein Anspruch "aus der Tat" erwachsen ist (§ 459h Abs. 1 und Abs. 2 StPO) sind die Feststellungen der Einziehungsanordnung und - soweit ein solcher vorliegt - ein zivilrechtlicher Titel heranzuziehen.
- 4.
Die Regelung des § 459h StPO umfasst nicht nur Schadensersatzansprüche, sondern auch bereicherungsrechtliche Ansprüche.
- 5.
Legt der Antragsteller im Verfahren bei Auskehrung des Verwertungserlöses einen zivilrechtlichen Titel im Sinne des § 459 k Abs. 5 StPO vor, aus dem sich der Anspruch ergibt, hat das Gericht diesen bei der Entscheidung nach § 459k Abs. 2 Satz 2 StPO zu beachten; für eine eigenständige zivilrechtliche Prüfung des Gerichtes ist dann grundsätzlich kein Raum.
Tenor:
Auf die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft Braunschweig und des Verurteilten S. wird der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 10. März 2021 unter Ziff. 1 wie folgt neu gefasst:
Die Auskehrung des Erlöses aus der Verwertung der aufgrund des Vermögensarrestes oder der Einziehungsanordnung gegen den Verurteilten S. gepfändeten Gegenstände an die Sparkasse H. wird in Höhe von bis zu 258.107,67 € zugelassen.
Die weitergehenden sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft und des Verurteilten S. werden als unbegründet verworfen.
Die Landeskasse und der Verurteilte S. tragen die Kosten ihres jeweiligen Rechtmittels. Sie haben auch die in dem jeweiligen Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Sparkasse zu tragen.
Gründe
Die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft und des Verurteilten richten sich gegen die Zulassung der Auskehrung des Erlöses aus der Verwertung von aufgrund des Vermögensarrestes oder der Einziehungsanordnung gepfändeten Gegenständen an die Sparkasse H. in Höhe von bis zu 258.152,42 €. Die Rechtsmittel bleiben ganz überwiegend ohne Erfolg.
I.
Der Beschwerdeführer S. (nachfolgend auch: der Verurteilte) wurde durch Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. November 2018 wegen Beihilfe zur Untreue in dreizehn Fällen und wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in zwölf Fällen mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten belegt. Daneben wurde gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 350.820,49 € angeordnet.
Nach den Feststellungen der Kammer trafen der Beschwerdeführer S.und der Mitverurteilte H. spätestens im Januar 2010 eine Unrechtsvereinbarung, der zufolge der Mitverurteilte H. seine Stellung als Leiter der Organisationseinheit Forderungsmanagement bei der Sparkasse G. dazu nutzen sollte, den Beschwerdeführer, einen im R. ansässigen Immobilienmakler, mit der Verwertung von Immobiliarsicherheiten zu beauftragen. Als Gegenleistung hierfür sollte der Mitverurteilte H. vom Beschwerdeführer Kick-Back-Zahlungen erhalten, die aus der Stellung überhöhter Provisionsrechnungen an die Sparkasse G. generiert werden sollten.
Entsprechend der getroffenen Abrede beauftragten der Mitverurteilte H. oder ihm unterstehende und von ihm hierzu angewiesene Sachbearbeiter (in 5 Fällen der Sachbearbeiter F. und in einem Fall die Sachbearbeiterin G.) den Beschwerdeführer mit der Suche nach Käufern bzw. - im Falle von Zwangsversteigerungen - Bietern für zu verwertende Sicherheiten der Sparkasse G.. Bei erfolgreicher Vermittlung stellte der Beschwerdeführer nach vorheriger Rücksprache mit dem Mitverurteilten H. der Sparkasse überhöhte Maklerprovisionen, anfangs in Höhe von 4% und ab Ende des Jahres 2011 in Höhe von mindestens 6% des Nettokaufpreises bzw. des Gebotes in der Zwangsversteigerung, in Rechnung, die vom Mitverurteilten H. in deren EDV-System zum Zwecke der Auszahlung erfasst wurden. Teilweise stellte der Beschwerdeführer in Absprache mit dem Mitverurteilten H. der Sparkasse auch eine Rechnung, obwohl die Voraussetzungen für eine Provisionszahlung nicht vorlagen oder der Beschwerdeführer überhaupt nicht tätig geworden war. Im Gegenzug für die Beauftragung erhielt der Mitverurteilte H. - wie zuvor vereinbart - anfangs jeweils eine Zahlung von dem Beschwerdeführer in Höhe von 1% des Kaufpreises bzw. Gebotes, im weiteren Verlauf ab Ende des Jahres 2011 in Höhe von 2% und ab Anfang 2015 in Höhe von mindestens 1,2%.
Für die Taten der Beihilfe zur Untreue (in dreizehn Fällen) hat die Kammer die jeweils von der Sparkasse G. erhaltenen Provisionszahlungen in derjenigen Höhe, die dem der Sparkasse G. durch die jeweilige Tat entstandenen Nachteil entspricht, als Erlangtes im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB angesehen. Den der Sparkasse durch die von dem Mitangeklagten H. begangenen Taten der Untreue entstandenen Nachteile hat die Kammer in Höhe von 115.507,43 € festgestellt. Für die Taten der Bestechung im geschäftlichen Verkehr in zwölf Fällen hat die Kammer die Aufrechterhaltung und Fortsetzung der korruptiven Geschäftsbeziehung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Mitverurteilten H. als Erlangtes im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB angesehen, insbesondere die weiteren Makleraufträge, die ihm im weiteren Verlauf von dem Mitverurteilten H. oder auf dessen Veranlassung hin von anderen Mitarbeitern der Sparkasse G. erteilt wurden. Der Wert dieses Erlangten, der der Summe der Innenprovisionen (der von der Sparkasse an den Verurteilten S. gezahlten Provisionen) und der erhaltenen Außenprovisionen (der von den Käufern an den Verurteilten S. gezahlten Provisionen) entspreche, beläuft sich nach den Feststellungen der Kammer nach Abzug der Aufwendungen (§ 73d Abs. 1 Satz 1 StGB) in Höhe von 12.253,75 € auf 350.820,49 €. Darin ist das zugleich von dem Beschwerdeführer durch die Beihilfe zur Untreue Erlangte vollständig enthalten. Wegen der Einzelheiten der Berechnung des Erlangten wird auf die Seiten 192 bis 208 des Urteils vom 19. November 2018 Bezug genommen (Bl. 197 - 213 Bd. XII d. A.).
Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. November 2018 ist in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 11. Dezember 2019 seit dem 12. Dezember 2019 rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss den Schuldspruch bestätigt, die Einziehungsentscheidung betreffend den Verurteilten S. jedoch aufgehoben, soweit die Anordnung einen Betrag in Höhe von 339.908,19 € übersteigt. Dem lag zugrunde, dass die Kammer in 2 Fällen die selbständige Einziehung des Taterlangten (202,30 € und 10.710,00 €) angeordnet hatte, obwohl bzgl. dieser Fälle Strafverfolgungsverjährung eingetreten war und die Staatsanwaltschaft keinen Antrag nach § 435 Abs. 1 StPO gestellt hatte.
Im Laufe des Verfahrens sind verschiedene Vermögenswerte des Verurteilten S. arrestiert, verwertet und dadurch Erlöse erzielt worden.
Der Verurteilte befindet sich zur Verbüßung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe derzeit in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt B..
Die Sparkasse H. hat als Rechtsnachfolgerin der Sparkasse G. (im Folgenden: die Sparkasse) mit Schreiben vom 3. März 2020 gegenüber der Staatsanwaltschaft Braunschweig die Auskehrung von Verwertungserlösen in Höhe der durch das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. November 2018 in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 11. Dezember 2019 eingezogenen Taterträge beantragt. Als hierbei maßgeblichen Betrag der Einziehungsanordnung in Bezug auf den Verurteilten S.hat sie dabei den Betrag von 339.908,19 € genannt.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass die Sparkasse nur Verletzte der Untreuedelikte, nicht jedoch der Bestechungsdelikte sei, so dass ihr in Bezug auf den Verurteilten S. nur ein Anspruch auf Auskehrung in Höhe von bis zu 103.219,98 € zustehe.
Zur der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung wurden sowohl der Verurteilte S. als auch die Sparkasse angehört. Beide haben über ihre Verfahrensbevollmächtigten vortragen lassen (Bl. 66ff. bzw. Bl. 75ff. Bd. IVX). In dem Zusammenhang hat der Verurteilte u.a. auch Einwendungen gegen Überweisungsanordnungen der Staatsanwaltschaft erhoben.
Die Staatsanwaltschaft hat die Akten mit Verfügung vom 25. Januar 2021 dem Landgericht Braunschweig zur Entscheidung gem. § 459k Abs. 2 Satz 2 StPO vorgelegt.
Zwischenzeitlich hat die Sparkasse einen zivilrechtlichen Titel gegen den Verurteilten erwirkt. Mit Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 10. Juni 2020 wurde der Beschwerdeführer S. verurteilt, an die Sparkasse 281.086,54 € nebst Zinsen zu zahlen. Das zivilrechtliche Urteil umfasst neben weiteren - im Strafurteil nicht enthaltenen - Provisionszahlungen insgesamt achtzehn der im Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. November 2018 festgestellten (Innen-) Provisionszahlungen der Sparkasse an den Verurteilten S. in Höhe von insgesamt 215.621,42 €. Soweit die Klage der Sparkasse abgewiesen wurde, umfasst dies u.a. die im Strafurteil festgestellten Provisionszahlungen für die Abwicklungsfälle "L. Gewerbeimmobilie" (13.566,00 € Innenprovision), "F./Wohnhaus Q." (26.180,00 € Innenprovision), "I. S. S." (2.380,00 € Innenprovision) sowie "H. Einfamilienhaus Bad H." (Provisionen i.H.v. 1.190,00 € und 7.854,00 €). Die Klageabweisung erfolgte, da die jeweiligen Makleraufträge durch den Mitarbeiter F. des Mitangeklagten H. erteilt worden seien und die Klägerin nicht dazu vorgetragen habe, dass Herr H. seinen Mitarbeiter F. in irgendeiner Weise veranlasst habe, gerade den Beklagten (den Verurteilten S.) in den betreffenden Fällen als Makler zu beauftragen. Daneben ergibt sich aus dem vorangehenden Zivilurteil des Landgerichts Braunschweig, dass im Laufe des Zivilverfahrens ein Anspruch auf Rückzahlung von 3.570,00 € (gezahlte Innenprovision für den Abwicklungsfall "Schützengesellschaft A.") von der Klägerin nicht weiterverfolgt wurde.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. März 2021 hat das Landgericht Braunschweig unter Ziff. 1 die Auskehrung des Erlöses aus der Verwertung der aufgrund des Vermögensarrestes oder der Einziehungsanordnung gegen den Verurteilten S. gepfändeten Gegenstände an die Sparkasse in Höhe von bis zu 258.152,42 € zugelassen. Der Anspruch der Sparkasse sei dabei nicht auf den Teil des von dem Verurteilten Erlangten beschränkt, der ihm durch seine Taten der Beihilfe zu den Untreuetaten des Verurteilten H. zugeflossen sei. Vielmehr habe die Sparkasse aus den Taten der Bestechung gem. § 299 StGB einen Anspruch gegen den Verurteilten S. in der Höhe der von der Sparkasse an den Verurteilten S. gezahlten Innenprovisionen, soweit deren Beträge Eingang in die Einziehungsanordnung gefunden hätten, mithin in Höhe von 258.152,42 €.
Darüber hinaus hat das Landgericht unter Ziff. 2 des Beschlusses festgestellt, dass es für die Entscheidung über die Einwendungen des Verurteilten S. gegen Überweisungsanordnungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 5. Mai 2020 gegenüber der N. Versicherungsgruppe S. Dtl GmbH und gegenüber der C. nicht zuständig sei. Insoweit sei nach § 462a Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 462 Abs. 1 StPO die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts B. zuständig.
Dieser Beschluss wurde der Staatsanwaltschaft Braunschweig am 15. März 2021 und dem Verteidiger des Verurteilten S. am 12. März 2021 zugestellt.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat mit Verfügung vom 18. März 2021, eingegangen beim Landgericht Braunschweig am selben Tage, sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit weiterer Verfügung vom 22. März 2021 begründet. Sie ist der Auffassung, dass die Sparkasse hinsichtlich der Taten der Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 StGB nicht als Verletzte im Sinne des § 459h Abs. 2 StPO anzusehen sei. Ihr könne nur ein Entschädigungsanspruch hinsichtlich des Erlangten aus den Taten der Beihilfe zur Untreue in Höhe von 103.219,98 € zustehen.
Der Verurteilte S. hat durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 19. März 2021, eingegangen beim Landgericht Braunschweig am selben Tage, ebenfalls sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 10. März 2021 eingelegt. Er meint, dass das Landgericht Braunschweig wegen der Regelung in § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO zur Entscheidung nach § 459k StPO nicht berufen gewesen sei, weil er zur Strafvollstreckung in der JVA B. inhaftiert und daher die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht B. zuständig sei. Daneben geht auch der Verurteilte S.davon aus, dass der Sparkasse maximal ein Betrag in Höhe von 103.219,98 € zustehen könne. Zudem müsse "davon ausgegangen werden", dass die Sparkasse den von dem Oberlandesgericht Braunschweig am 10. Juni 2020 titulierten Betrag bereits von ihrer Versicherung erhalten habe. Ein Mitglied der Rechtsabteilung der Sparkasse habe vor dem 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2020 erklärt, dass die Sparkasse eine Versicherung habe, die eintrete, wenn ihr eigene Mitarbeiter - auch durch Straftaten - Schaden zufügten. Voraussetzung sei allerdings ein rechtskräftiges Zivilurteil.
Auf telefonische Nachfrage des Vorsitzenden der 6. großen Strafkammer am 10. März 2021 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Sparkasse mitgeteilt, dass die Sparkasse keine Versicherungsleistungen vereinnahmt habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft unterstützt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und beantragt, auf die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft Braunschweig und des Verurteilten S. den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 10. März 2021 unter Ziff. 1 wie folgt neu zu fassen:
"Die Auskehr des Erlöses aus der Verwertung der aufgrund des Vermögensarrestes oder der Einziehungsanordnung gegen den Verurteilten D. S. gepfändeten Gegenstände an die Sparkasse H. wird in Höhe von bis zu 103.219,98 € zugelassen"
und die weitergehende sofortige Beschwerde des Verurteilten S. als unbegründet zu verwerfen.
Die Sparkasse hat über ihren Verfahrensbevollmächtigten den Beschluss des Landgerichts Braunschweig verteidigt.
II.
Die sofortigen Beschwerden sind jeweils gem. § 462 Abs. 1 und Abs. 3 StPO statthaft sowie form- und fristgerecht (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) eingelegt worden. Sie sind jedoch ganz überwiegend unbegründet. Das Landgericht Braunschweig war als erstinstanzliches Gericht zu der verfahrensgegenständlichen Entscheidung berufen (1.) und hat zu Recht die Auskehrung des Erlöses in Höhe der insgesamt erlangten Innenprovisionen zugelassen (2.). Dabei hat die Kammer jedoch - ggf. aufgrund eines Rechenfehlers - einen Betrag von 44,75 € zuviel festgesetzt.
1.
Das Landgericht Braunschweig war als erstinstanzliches Gericht für die angefochtene Entscheidung zuständig.
Das Gericht des ersten Rechtszuges ist gem. § 462a Abs. 2 Satz 1 StPO für die bei Zweifeln an der Anspruchsberechtigung nach § 459k Abs. 2 Satz 2 StPO erforderliche gerichtliche Entscheidung über die Zulassung der Auskehrung des Verwertungserlöses zuständig (OLG Celle, Beschluss vom 18. September 2020, 3 Ws 192/20, Rn. 8, juris; so auch Nestler in: MüKo, StPO, 1. Aufl., § 459k, Rn. 1, § 459j, Rn. 10; Coen in: BeckOK, StPO, 39. Edition, § 459k, Rn. 1, § 459j, Rn. 16). Denn im Zweifelsfall kann nur das Gericht des ersten Rechtszuges aufgrund seiner Sachnähe zum Erkenntnisverfahren hinreichend beurteilen, ob der angemeldete Anspruch berechtigt ist.
Dem steht § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO nicht entgegen.
Zwar befindet sich der Verurteilte derzeit zur Strafvollstreckung in der JVA B. und begründet die Pauschalverweisung in § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO über § 462 Abs. 1 Satz 1 StPO u.a. auf die §§ 458 bis 461 StPO dem Wortlaut nach grundsätzlich auch für die nach § 459k Abs. 2 Satz 2 StPO zu treffende Entscheidung die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer. Jedoch knüpft die Verweisung nach der Systematik des Gesetzes und nach ihrem Sinn und Zweck an die laufende Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gegen einen Verurteilten an. Damit bezieht sie sich (nur) auf Entscheidungen, die die Person betreffen, gegen die die Freiheitsstrafe vollstreckt wird und jedenfalls vorrangig im Zusammenhang mit der Vollstreckung der Freiheitsstrafe gegen ihn stehen. Indes betrifft die nach § 459k Abs. 2 Satz 2 StPO zu treffende Entscheidung nicht vorrangig den Verurteilten, sondern den "Verletzten" im Sinne des § 459h StPO, der nach § 459k StPO seinen Anspruch gegen den Staat anmeldet (OLG Celle, a.a.O., Rn.11). Hinzu kommt, dass von der Entscheidung über die Auskehrung von Verwertungserlösen zugleich auch Mitverurteilte betroffen sein können, wenn - wie vorliegend im Hinblick auf den Mitverurteilten H. der Fall - die Einziehungsentscheidung gegen mehrere Beteiligte als (teilweise) Gesamtschuldner gerichtet ist. Werden gegen mehrere Einziehungsadressaten Freiheitsstrafen in verschiedenen Landgerichtsbezirken vollstreckt, lässt sich bei Annahme einer funktionalen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nicht mehr bestimmen, welches Landgericht im Einzelfall für die Entscheidung nach § 459k Abs. 2 Satz 2 StPO örtlich zuständig ist. Nur die Anwendung von § 462a Abs. 2 Satz 1 StPO führt auch in dieser Fallkonstellation zu einem sachgerechten Ergebnis (OLG Celle, a.a.O., Rn.12).
Darüber, ob das Landgericht auch zu Recht demgegenüber die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts B. für die Entscheidung über die Einwendungen des Verurteilten nach § 459o StPO als zuständig angesehen hat, hatte der Senat nicht zu befinden, da weder die Staatsanwaltschaft noch der Verurteilte dies mit ihrer sofortigen Beschwerde angegriffen haben.
2.
Das Landgericht hat zu Recht die Auskehrung des Erlöses in Höhe von bis zu 258.107,67 € zugelassen, denn insoweit liegen die Voraussetzungen des § 459h StPO vor.
Die Sparkasse hat ihren Anspruch auf Auskehrung innerhalb von 6 Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung bei der Staatsanwaltschaft angemeldet und dabei die von ihr begehrte Höhe bezeichnet (§ 459k Abs. 1 StPO); darüber hinaus hat sie zudem noch ein vollstreckbares Endurteil im Sinne des § 704 ZPO vorgelegt, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch zumindest i. H. v. 215.621,42 € ergibt (§ 459k Abs. 5 StPO).
Vorliegend ergibt sich aus der Zusammenschau der Tatsachengrundlage der Einziehungsanordnung und aus dem zivilrechtlichen Titel die Anspruchsberechtigung der Sparkasse in der genannten Höhe.
a.
Die aus den Bestechungsdelikten erlangten Taterträge umfassen die an den Verurteilten S. gezahlten (Innen-) Provisionszahlungen in voller Höhe. Dies ergibt sich aus den - insoweit allein maßgeblichen - der rechtskräftigen Einziehungsanordnung zugrundeliegenden Feststellungen.
Soweit die Staatsanwaltschaft unter Verweis auf zwei BGH-Entscheidungen (Urteil vom 2. Dezember 2005, 5 StR 119/05, "Kölner Müllskandal" und Urteil vom 29. August 2008, 2 StR 587/07, "Siemens") dahingehend argumentiert, dass der Bundesgerichtshof in jenen Entscheidungen "zum Ausdruck gebracht" habe, im Falle der Bestechung sei nur der Vertrag an sich, nicht jedoch der erhaltene Werklohn aus der Tat erlangt, weshalb in Fällen des § 299 Abs. 2 StGB grundsätzlich Verfallsentscheidungen zu Gunsten der Landeskasse in Betracht kämen, übersieht sie, dass jene Entscheidungen unter Berücksichtigung der alten Rechtslage zur Vermögensabschöpfung getroffen wurden. Jedenfalls seit der Reform des Vermögensabschöpfungsrechts, die u.a. wegen fehlender klarer Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum sog. "Bruttoprinzip" zur Bestimmung des erlangten Etwas erfolgte (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 46f.), erfasst das Erlangte jede Bereicherung, die aufgrund der Straftat eingetreten ist (BGH; Beschluss vom 21. August 2019, 1 StR 225/19, zitiert nach juris, Rn. 21; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 73 Rn 19), wozu auch der vereinbarte Werklohn gehört (Fischer, a.a.O., Rn. 21). Dementsprechend hat (ebenfalls) der 5. Strafsenat des BGH, der das Urteil des Landgerichts auf die Revision des Angeklagten geprüft und sich ausdrücklich auf den zitierten Beschluss des 1. Senats vom 21. August 2019 bezogen hat, die Bestimmung des Erlangten aus den Taten der Bestechung nicht beanstandet, so dass die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts in Rechtskraft erwachsen sind. Würde man - wie von der Staatsanwaltschaft in ihrer Verfügung vom 25. Januar 2021 angeregt - den Rechtsgedanken der (alten) BGH-Rechtsprechung auf das Vollstreckungsverfahren übertragen, wäre das eine Umgehung des neuen Vermögensabschöpfungsrechtes.
b.
Die Sparkasse H. ist nicht nur Rechtsnachfolgerin der Verletzten im Sinne des § 459h StPO in Bezug auf die Untreuedelikte, sondern auch in Bezug auf die Taten der Bestechung.
Auf die Frage, ob § 299 Abs. 2 StGB - unabhängig davon, ob nach neuer oder alter Fassung - (auch) die Vermögensinteressen des Geschäftsherrn schützt, kommt es dabei nicht an.
Die Frage, wer Verletzter im Sinne der vermögensrechtlichen Regelungen ist, ist allein nach den Regelungen in der Fassung vom 1. Juli 2017 zu entscheiden. Ein Rückwirkungsverbot besteht insoweit nicht. Lediglich § 14 EGStPO - dessen Voraussetzungen hier nicht vorliegen - ordnet in bestimmten Fällen die Fortgeltung des alten Rechts an; in allen anderen Verfahren gilt - mangels einer anderen gesetzlichen Bestimmung - der allgemeine Grundsatz des Strafverfahrensrechtes, wonach neues Verfahrensrecht auch für bereits anhängige Verfahren gilt (BGH, Beschluss vom 19. Februar 1969, 4 StR 357/68, Rn. 11, zitiert nach juris). Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Rechtsvorschriften, die das Verfahren des Gerichts regeln, sondern auch für Bestimmungen, die die Stellung von Verfahrensbeteiligten im Prozess und ihre Befugnisse und Pflichten betreffen (BGH, a.a.O.).
Verletzter ist somit derjenige, dem aus der materiellen Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB (hier: Bestechung gem. § 299 Abs. 2 StGB n.F. oder a.F.) ein Anspruch auf Rückgewähr dessen, was der Täter erlangt hat, erwachsen ist (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO,64. Aufl., § 459h, Rn. 1, § 111i, Rn. 2; BT-Drs. 18/9525, S. 50f). Um Schwierigkeiten bei der Definition des "Verletzten" im Recht der Vermögensabschöpfung zu vermeiden, sieht der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung der StPO vom 17. März 2021 (BT-Drs. 19/27654, S. 21), der insoweit am 10. Juni 2021 unverändert vom Bundestag angenommen wurde, sogar vor, den Begriff des Verletzten" in § 459h Abs. 2 StPO durch das Wort "demjenigen" zu ersetzen. Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht beabsichtigt (BT-Drs. 19/27654, S. 113).
c.
Die Sparkasse hat als Rechtsnachfolgerin der Verletzten einen solchen Anspruch auf Rückgewähr gegen den Verurteilten S., wobei dieser Anspruch auch die Kehrseite des Erlangten darstellt.
Die Regelung des § 459h StPO umfasst auch bereicherungsrechtliche Ansprüche und nicht etwa nur Schadensersatzansprüche (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021, 2 BvL 8/19, Rn. 106, juris: "Die Vermögensabschöpfung [...] ist [...] eine Maßnahme eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter." und Coen in: BeckOK, StPO, 38. Ed., § 459h, Rn. 32: "Der Sache nach handelt es sich um Kondiktionsansprüche). Demgegenüber werden etwaig darüber hinausgehende Ansprüche (z.B. Schmerzensgeld, Zinsen oder Rechtsverfolgungskosten) von § 459h Abs. 2 S. 1 StPO nicht erfasst (vgl. Coen in: BeckOK, StPO, 39. Ed., § 459h, Rn. 33; BT-Drucks. 18/9525, S. 95).
aa.
Bzgl. eines Betrages i. H. v. 215.621,42 € ergibt sich der Anspruch der Sparkasse schon aus dem rechtskräftigen zivilrechtlichen Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 10. Juni 2020. Diesen zivilrechtlichen Titel hat das Gericht bei der Entscheidung nach § 459k Abs. 2 Satz 2 StPO zu beachten.
Grundsätzlich ist die Vorlage eines Titels für die Geltendmachung des Anspruchs nicht erforderlich. Vielmehr genügt eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO (§ 459k Abs. 2 Satz 2 StPO). Wenn der Anspruchsteller jedoch einen zivilrechtlichen Titel im Sinne des § 459k Abs. 5 Satz 1 StPO vorlegt, führt dies zum einen dazu, dass er auch unabhängig von dem Verfahren nach Abs. 1 StPO seinen Anspruch anmelden kann. Der Senat ist darüber hinaus der Auffassung, dass das Gericht bei Vorlage eines solchen Titels grundsätzlich nicht mehr gehalten ist, eine eigenständige - ggf. abweichende - zivilrechtliche Prüfung vorzunehmen, wenn sich aus dem Zivilurteil, wie das § 459k Abs. 5 Satz 1 StPO fordert, ergibt, dass der Anspruch aus der Straftat erwachsen ist. Ergibt sich der Anspruch aus dem zivilrechtlichen Titel, ist er zu erfüllen (Nestler in MüKo, StPO, 1. Aufl., § 459j Rn. 9, § 459k, Rn.1). Denn der Gesetzgeber hat in seinem Entwurf des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ausgeführt:
"Darüber hinaus kann er seinen Schadensersatzanspruch gegen den Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten - auch nach Ablauf der sechsmonatigen Anmeldefrist des § 459k Abs. 1 StPO-E - zivilrechtlich titulieren lassen und ihn auf dieser Grundlage bei der Vollstreckungsbehörde oder gegen Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten durchsetzen. [Hervorhebung durch den Senat]" (BT-Drucks. 18/9525, S. 52).
Damit führt der zivilrechtliche Titel nicht nur - wovon das Landgericht ausgegangen ist - dazu, dass die Vorlage eines solchen Titels lediglich von der Einhaltung der Frist des § 459k Abs. 1 StPO befreit. Vielmehr ist der zivilrechtliche Titel auch dazu geeignet, den Nachweis über die Anspruchsberechtigung zu erbringen. Eine eigenständige zivilrechtliche Überprüfung des Anspruchs durch den Rechtspfleger bzw. - im Verfahren nach § 459k Abs. 2 S. 2 StPO - durch das Gericht, erübrigt sich dann regelmäßig. Der Rechtspfleger bzw. das Gericht haben dann (nur) - ggf. in der Zusammenschau mit dem die Einziehung anordnenden Erkenntnis - zu beurteilen, ob dem Verletzten der Anspruch aus der Straftat erwachsen ist (vgl. dazu auch Coen in: BeckOK, StPO, 39. Ed. § 459j, Rn. 25; Nestler, a.a.O.).
Dieses Ergebnis entspricht auch allein dem Sinn und Zweck des (neuen) Vermögensabschöpfungsrechtes. Danach sollen Vermögensverschiebungen aufgrund von Straftaten zugunsten der Geschädigten rückgängig gemacht und ein Kompensationsbeitrag geleistet werden. Ein Vermögensanfall zugunsten des Fiskus kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen es keinen Geschädigten gibt bzw. ein solcher nicht ermittelt werden kann. Anderenfalls würde ein Geschädigter, der - wie hier - ein vollstreckbares Endurteil gegen den Einziehungsadressaten erwirkt hat, u.U. leer ausgehen, weil der Staat mit seinen erweiterten Eingriffsmöglichkeiten im Rahmen der Vermögensabschöpfung bereits im Ermittlungsverfahren Zugriff auf etwaiges Vermögen des Schuldners hatte.
bb.
Aber auch hinsichtlich weiterer 42.486,25 € hat die Sparkasse einen Anspruch gegen den Verurteilten S. auf Rückzahlung der insoweit erhaltenen Provisionen.
Soweit der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig in seinem Urteil vom 10. Juni 2020 die Klage der Sparkasse abgewiesen hat, weil aus seiner Sicht auf der Grundlage der dort vorgetragenen Tatsachen kein Straftatbestand verwirklicht worden sei bzw. die Klage in Bezug auf einen Betrag in Höhe von 3.570,00 € für den Abwicklungsfall "Schützengesellschaft A." schon vor dem Landgericht nicht weiter verfolgt worden ist, ergibt sich aus den Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Landgerichts Braunschweig vom 19. November 2018 (für den Abwicklungsfall "A." aus UA S. 42 - 44; für "L. Gewerbeimmobilie" aus UA S. 48f.; für "F. Wohnhaus Q." aus UA S. 49f.; für "I. S. S.n" aus UA S. 52f.; für "H. EFH Bad H." aus UA S. 53f.) und aus der dortigen rechtlichen Würdigung (UA 169 - 171), dass auch die diesbezüglichen Provisionszahlungen infolge vorangegangener Bestechungstaten des Verurteilten erfolgten.
In Übereinstimmung mit der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig geht auch der Senat davon aus, dass die Sparkasse insoweit zumindest einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB gegen den Verurteilten hat.
Der Verurteilte S. hat durch die Zahlung der Innenprovisionen (auch) in dieser Höhe (13.566,00 € für "L. Gewerbeimmobilie", 26.180,00 € für "F./Wohnhaus Q., 2.380,00 € für "I. S. S., 1.190,00 € für "H.Einfamilienhaus Bad H." und 7.854,00 € für H. Einfamilienhaus Bad H. sowie 3.570,00 € für "Schützengesellschaft A.") von der Sparkasse durch deren Leistung "etwas" im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB erlangt.
Diese Bereicherung erfolgte ohne Rechtsgrund, denn die mit dem Verurteilten S. geschlossenen Maklerverträge waren von Beginn an nichtig, so dass die Sparkasse ihm gegenüber nicht leistungspflichtig war. Die Nichtigkeit der kollusiven Schmiergeldvereinbarung (der Kick-Back-Zahlungen) zwischen dem Verurteilten S. und dem für die Bank tätigen Mitverurteilten H.(§ 134 BGB i.V.m. § 299 StGB und § 138 BGB) wirkt sich auch auf den jeweiligen Maklervertrag als Hauptvertrag aus (BGH, Urteil vom 18. Januar 2018, I ZR 150/15, Rn. 23, 54, zitiert nach juris). Das Vorliegen einer für den Geschäftsherrn nachteiligen Gestaltung ist bei sittenwidrigen Absprachen über besondere Zuwendungen an den Vertreter zu vermuten (BGH, Urteil vom 9. Mai 2014, Rn. 25, zitiert nach juris). Darüber hinaus liegt eine für die Sparkasse nachteilige Vertragsgestaltung zumindest darin, dass mit dem Verurteilten S. ein sowohl mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertrauter als auch seine Niederlassung 400 km vom Einzugsgebiet der Sparkasse entfernt unterhaltender Makler beauftragt worden ist. Dies verschlechtert bei objektiver Betrachtung die Aussichten für eine erfolgreiche Vermittlung eines Immobilienkaufvertrages, weil der Makler für potentielle Interessenten vor Ort nicht persönlich ansprechbar ist und auch weniger schnell auf etwaige Besichtigungswünsche potentieller Kunden reagieren kann. Zudem fehlt dem auswärtigen Makler regelmäßig die für ein überzeugendes Verkaufsgespräch nötige Kenntnis des regionalen Marktes. Ausweislich des zivilrechtlichen Urteils des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 10. Juni 2020 hat der Verurteilte S.das Vorliegen dieses Nachteils nicht widerlegt. Auch aus dem Strafurteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. November 2018 ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Nachteil nicht vorgelegen hat. Aus dem Umstand, dass der Verurteilte S. schon am 14. November 2007 ohne vorherige Schmiergeldabrede einen Maklerauftrag von der Sparkasse erhalten hatte (UA S. 17) folgt nicht, dass es bei den späteren Beauftragungen an einer für die Sparkasse nachteiligen Vertragsgestaltung fehlt. Des Weiteren kommt es nicht darauf an, ob der Sparkasse bei den Vertragsabwicklungen Nachteile entstanden sind oder ob es dem Verurteilten gelungen ist, die ihm erteilten Aufträge (nach den Feststellungen der Strafkammer ohnehin nur teilweise) erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Denn es geht nicht um die Nachteilhaftigkeit der Vertragsabwicklung, sondern des Vertrages selbst (BGH, Urteil vom 6. Mai 1999, VII ZR 132/97, Rn. 13, zitiert nach juris.).
Der Bereicherungsanspruch der Sparkasse gegen den Verurteilten S. gem. § 812 Abs.1 Satz 1, 1. Alt. BGB ist auch weder nach § 814, 1. Alt. BGB noch nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Zwar liegen die Voraussetzungen des § 814 (Kenntnis der Nichtschuld) und des § 817 Satz 2 BGB (vorsätzlich verbots- oder sittenwidriges Verhalten bei Leistungserbringung) bei dem Mitverurteilten H. der Leiter der Abteilung Forderungsmanagement der Sparkasse gewesen ist, vor; jedoch hat hier die in analoger Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB grundsätzlich gebotene Zurechnung der Kenntnis des Mitverurteilten H. nach Treu und Glauben zu unterbleiben, weil der Verurteilten S. als Geschäftsgegner mit dem Mitverurteilten H. als Vertreter der Sparkasse als Vertragspartner bewusst zu deren Nachteil zusammengewirkt hat (BGH, Urteil vom 28. Januar 2000, V ZR 402/98, Rn. 13ff., zitiert nach juris).
Die von dem Verurteilten S. erbrachten Maklerleistungen für die Sparkasse sind nicht auf deren Bereicherungsanspruch anzurechnen.
Die nach der sog. Saldotheorie bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung fehlgeschlagener synallagmatischer Verträge vorzunehmende einheitliche Betrachtung der gegenseitigen bereicherungsrechtlichen Ansprüche mit der Folge, dass bei Gleichartigkeit der zurück zu gewährenden Leistungen eine Saldierung der Ansprüche vorzunehmen ist (vgl. Sprau in: Palandt, BGB, 80. Aufl., § 818, Rn. 46ff.), greift hier nicht. Denn für die Anwendung der Saldotheorie ist kein Raum, wenn § 818 Abs. 3 BGB keine Anwendung findet, sondern der Bereicherungsschuldner nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 818 Abs. 4, 819, 292, 987ff. BGB) haftet (BGH, Urteil vom 19. Januar 2001, V ZR 437/99, Rn. 28, zitiert nach juris).
Hier hat die Sparkasse zwar ohne wirksamen Rechtsgrund Maklerleistungen des Verurteilten S. erlangt. Der Anspruch des Verurteilten S. gegen die Sparkasse auf Zahlung in Höhe des Wertes der Maklerleistungen nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB ist jedoch nach § 819 Abs. 2 BGB ausgeschlossen.
Gem. § 819 Abs. 2 BGB haftet der Leistungsempfänger, hier der die Provisionszahlungen empfangende Verurteilte S., verschärft, wenn er durch die Annahme der Leistung gegen die guten Sitten verstoßen hat. Ein solcher Sittenverstoß liegt in Bezug auf die Annahme der Provisionszahlungen darin, dass sie (auch) dem Zweck dienten, damit die dem Mitverurteilten H. versprochenen und sittenwidrigen Schmiergeldzahlungen zu finanzieren.
cc.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen errechnet der Senat - insoweit abweichend vom Landgericht - einen Betrag i.H.v. 258.107,67 €, der sich wie folgt zusammensetzt:
(wird ausgeführt)
dd.
Soweit der Verurteilte die Behauptung hat aufstellen lassen, die Sparkasse sei zwischenzeitlich durch ihre Versicherung entschädigt worden und ihr Anspruch mithin erloschen, hat der Senat dies bei der zivilrechtlich titulierten Forderung i. H. v. 215.621,42 € schon deshalb nicht zu beachten, weil der Einwand des Gläubigerwechsels (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG) nur im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 Abs.1 ZPO) geltend gemacht werden kann (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. Dezember 1992, 20 W 278/92, zitiert nach juris; Herget in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 767, Rn. 12.15). Eine solche Vollstreckungsabwehrklage, die auch die Möglichkeit von einstweiligen Anordnungen bietet (§ 769 ZPO), ist nicht erhoben worden.
Soweit die Forderung der Antragstellerin i.H.v. 42.486,25 € bisher nicht tituliert ist, genügt der Vortrag des Verurteilten nicht, um die Auskehrung des Erlöses abzulehnen. Zwar hat der Verfahrensbevollmächtigte des Verurteilten im Schriftsatz vom 11. Februar 2021 anwaltlich versichert, dass der Vertreter der Sparkasse im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem 2. Zivilsenat erklärt habe, die Forderung der Sparkasse sei versichert, die Versicherung verlange jedoch vor der Zahlung einen zivilrechtlichen Titel. Dieses Vorbringen genügt indes nicht, um tatsächlich von einer Zahlung der Versicherung und dem damit verbundenen Übergang der Forderung (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG) auszugehen. Der Verurteilte wird gegen die doppelte Inanspruchnahme hinreichend über die Regelung in § 407 BGB, die in Fällen des § 86 Abs.1 Satz 1 VVG über § 412 BGB einschlägig ist (Grüneberg in: Palandt, BGB, 80. Aufl., § 412, Rn. 1), geschützt. § 407 BGB ist entsprechend anwendbar, wenn der Staat im Strafprozess Zahlungen an den (vermeintlich noch) Geschädigten vornimmt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2007, IX ZR 97/04, Leitsatz und Rn. 19, zitiert nach juris).
III.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO. Wegen des nur geringfügigen Teilerfolgs der sofortigen Beschwerden besteht für eine Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO kein Anlass. Die Entscheidungen über die notwendigen Auslagen der Sparkasse folgen aus der entsprechenden Anwendung von § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO bzw. § 473 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO (vgl. zum Erfordernis einer analogen Anwendung: KG Berlin, Beschluss vom 12. Juni 2017, 5 Ws 64/17 - 121 AR 48/17, Rn. 16, zitiert nach juris).