Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 08.06.2021, Az.: 1 Ss 26/21

Keine doppelte Berücksichtigung von Umständen in Regelbeispiel und Strafzumessung; Zulässigkeit der Berücksichtigung besonders hoher Schäden auch bei Strafzumessung

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
08.06.2021
Aktenzeichen
1 Ss 26/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 26025
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2021:0608.1SS26.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 18.01.2021 - AZ: 7 Ns 407 Js 22337/19 (239/20

Fundstellen

  • ZAP EN-Nr. 436/2021
  • ZAP 2021, 747

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Umstände, die die Verwirklichung eines Regelbeispiels begründet und auf diese Weise den Strafrahmen festgelegt haben, dürfen im Rahmen der konkreten Strafzumessung nicht noch einmal straferhöhend berücksichtigt werden.

  2. 2.

    Das hindert den Tatrichter nicht, den Eintritt eines besonders hohen, die Grenze des großen Ausmaßes um ein Vielfaches überschreitenden Nachteils oder Schadens innerhalb des Strafrahmens für besonders schwere Fälle straferschwerend zu berücksichtigen.

  3. 3.

    Ein Nachteil in Höhe von knapp dem Doppelten der Grenze des großen Ausmaßes darf nicht als bestimmender Strafschärfungsgrund berücksichtigt werden.

  4. 4.

    Auch in den Fällen, in denen die Nachteils- oder Schadenshöhe keinen bestimmenden Strafschärfungsgrund darstellt, ist der Tatrichter berechtigt und verpflichtet, die Höhe des Nachteils oder Schadens im Rahmen der konkreten Strafzumessung in den Blick zu nehmen.

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 18. Januar 2021 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Durch das angefochtene Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 18. Januar 2021 hat die Kammer die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 4. August 2020 verworfen. Durch diese Entscheidung war der Angeklagte wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten mit Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte, der als Beamter für den Bereich Haushalt der Stiftung B zuständig gewesen war, im September 2014 einen Betrag von 97.300,00 € von einem Konto der Stiftung abgehoben und entgegen seinen Pflichten für sich behalten hatte.

Der Angeklagte wendet sich mit seiner Sachrüge gegen die Strafzumessung der Kammer.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten ist offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Der Erörterung bedarf insoweit lediglich Folgendes:

Die Strafkammer hat der verhängten Strafe den Strafrahmen des § 266 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB zugrunde gelegt und ihre Strafrahmenwahl (auch) mit der Verwirklichung des Regelbeispiels des § 266 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Var. 1 StGB (Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes) begründet. Sie hat ferner ausgeführt, dass die durch die Tat verursachte "Schadenshöhe von immerhin 97.300,- € auch bei der konkreten Strafzumessung nicht außer Acht gelassen" worden sei. Der Angeklagte macht insoweit einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot in entsprechender Anwendung von § 46 Abs. 3 StGB geltend.

Sein Vorbringen greift nicht durch. Umstände, die - wie hier die Herbeiführung des Vermögensverlustes großen Ausmaßes - die Verwirklichung eines Regelbeispiels begründet und auf diese Weise den Strafrahmen festgelegt haben, dürfen zwar im Rahmen der konkreten Strafzumessung nicht noch einmal straferhöhend berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 6. August 2019, 1 StR 305/19, juris, Rn. 3). Das hindert den Tatrichter indes nicht, den Eintritt eines besonders hohen, die Grenze des großen Ausmaßes um ein Vielfaches überschreitenden Nachteils oder Schadens innerhalb des Strafrahmens für besonders schwere Fälle straferschwerend zu berücksichtigen. Dass es sich entgegen den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 11. Mai 2021 um einen solchen Fall vorliegend nicht handelt, da der Nachteil lediglich knapp das Doppelte der Grenze des großen Ausmaßes (50.000,00 €) betrug (vgl. die entsprechenden Erwägungen in Bezug auf die Überschreitung des für die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG maßgeblichen Grenzwerts um das Dreifache in BGH, Beschluss vom 31. März 2016, 2 StR 36/16, juris, Rn. 3), schadet hier nicht.

Denn auch in den Fällen, in denen hiernach kein bestimmender Strafschärfungsgrund anzunehmen ist, ist der Tatrichter regelmäßig berechtigt und verpflichtet, die Höhe des Nachteils oder Schadens im Rahmen der konkreten Strafzumessung in den Blick zu nehmen. Dies folgt bereit daraus, dass der Unrechtsgehalt von Vermögensdelikten wesentlich durch die Höhe des verursachten Schadens geprägt wird (BGH, Urteil vom 14. März 2018, 2 StR 416/16, juris, Rn. 29).

Das Landgericht hat vorliegend Letzteres getan und die Schadenshöhe nicht als bestimmenden Strafschärfungsgrund angesehen. Es hat bestimmte Aspekte ausdrücklich "strafmildernd" berücksichtigt (UA S. 8 u.), die durch die Tat verursachte Schadenshöhe hingegen (lediglich) "nicht außer Acht gelassen" (und nicht etwa "strafschärfend berücksichtigt" o. ä.). Dies war nach dem oben Ausgeführten aber zulässig und geboten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.