Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.04.2022, Az.: 4 U 89/21
Widerruf eines Darlehensvertrages; Verfristeter Widerruf; Unentgeltlicher Verbraucherdarlehensvertrag; Beginn der vierzehntägigen Widerrufsfrist
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 06.04.2022
- Aktenzeichen
- 4 U 89/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 19735
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2022:0406.4U89.21.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 30.06.2020
Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB
- § 355 Abs. 2 S. 1 BGB
- § 356d S. 1-2 BGB
- § 357 Abs. 7 BGB
- § 358 BGB
- § 491 BGB
- § 495 BGB
- § 514 Abs. 2 BGB
- Art. 246 Abs. 3 Anl. 9 BGBEG
- Art. 247 § 6 BGBEG
- Art. 247 § 7 BGBEG
- Art. 247 § 8 BGBEG
- Art. 247 § 9 BGBEG
- Art. 247 § 10 BGBEG
- Art. 247 § 11 BGBEG
- Art. 247 § 12 BGBEG
- Art. 247 § 13 BGBEG
- Art. 10 Abs. 2 Buchst. p) RL 2008/48/EG
- Art. 2 Abs. 2 Buchst. f) RL 2008/48/EG
- § 522 Abs. 2 ZPO
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Bei unentgeltlichen, ab dem 21. März 2016 geschlossenen Verbraucherdarlehensverträgen wird das Widerrufsrecht nach § 514 Abs. 2 BGB durch die reguläre Widerrufsfrist gem. §§ 355 Abs. 2 Satz 1, 356 d Satz 1 BGB und die Widerrufshöchstfrist gem. § 356 d Satz 2 BGB begrenzt.
- 2.
Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt gemäß § 356 d Satz 1 BGB nicht bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des § 514 Abs. 2 Satz 3 BGB über dessen Widerrufsrecht unterrichtet hat. Der Belehrungspflicht kann der Unternehmer nachkommen, indem er dem Verbraucher das in der Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß ausgefüllt in Textform übermittelt. Die in Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB vorgeschriebenen (Pflicht-)Angaben muss der unentgeltliche Darlehensvertrag nicht enthalten.
- 3.
Einer Anwendung dieser Gesetzlichkeitsfiktion hinsichtlich der Widerrufsbelehrung steht das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2020 (Aktenzeichen: C-66/19) nicht entgegen. Die Verbraucherkreditrichtlinie findet nach ihrem Art. 2 Abs. 2 lit. f) auf einen zinslosen Verbraucherdarlehensvertrag keine Anwendung.
- 4.
Einer Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion steht nicht entgegen, dass der Darlehensgeber in die Widerrufsinformation eine Belehrung zu den Konsequenzen eines Widerrufs für die Anmeldung zum Kreditschutzbrief aufnimmt und dabei zwei Varianten des Kreditschutzbriefes - getrennt durch einen Schrägstrich - nennt, ohne sich insoweit auf die von dem Verbraucher gewählte Variante zu beschränken. Die beiden Varianten der Restschuldversicherungen stehen dergestalt zueinander, dass die weitergehende Variante denknotwendig den Grundvertrag einschließt.
- 5.
Wertete man die Nennung beider Varianten des Kreditschutzbriefes gleichwohl als unzulässige Ergänzung der Musterwiderrufsinformation, könnte sich der Verbraucher auf das Fehlen des Musterschutzes nur berufen, wenn dieses Verhalten nicht rechtsmissbräuchlich gem. § 242 BGB ist. Insoweit zu berücksichtigen sind u.a. die nur geringfügige Abweichung der Belehrung vom Muster, die Kenntnis des Verbrauchers von der fehlenden Relevanz dieser Abweichung für ihn sowie sein Verhalten gegenüber dem Darlehensgeber betreffend das Zugestehen eines Wertersatzes für den Gebrauch des mit dem Darlehensvertrag finanzierten Fahrzeuges. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. September 2021 (Aktenzeichen: C-33/20, C-155/20 und C-187/20) steht der Annahme des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen, weil es sich allein mit der Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie befasst, die auf zinslose Darlehensverträge jedoch keine Anwendung findet.
Tenor:
In dem Rechtsstreit
...
weist der Senat darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 30. Juni 2020 gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
[Gründe]
I.
Die gemäß § 511 ZPO statthafte und gemäß §§ 517, 520 ZPO zulässig eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das landgerichtliche Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 7.045,20 Euro nach Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs gem. §§ 514 Abs. 2, 355, 356 d, 358, 357 ff. BGB in der gemäß Art. 229 §§ 32 Abs. 1, 38 Abs. 1, 40 Abs. 1 EGBGB anzuwendenden, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen und zugleich aktuellen Fassung bzw. gem. §§ 812 Abs. 1 Satz 1 (1. Alt.), 818 BGB.
Der Kläger hat den streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht fristgerecht widerrufen.
a)
Das Widerrufsrecht des Klägers ergibt sich nicht aus § 495 BGB, sondern allein aus § 514 Abs. 2 BGB.
aa)
Nach § 495 Abs. 1 BGB steht das Widerrufsrecht grundsätzlich jedem Verbraucher zu, der Partei eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrages nach § 491 Abs. 1 BGB ist. Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind gemäß § 491 Abs. 2 BGB ausschließlich entgeltliche Darlehensverträge, weshalb sich das Widerrufsrecht des Verbrauchers gemäß § 495 BGB nicht auf unentgeltliche Verträge erstreckt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Oktober 2020 - 24 U 42/20 -, juris, Rn. 4; OLG Stuttgart, Urteil vom 01. Oktober 2019 - 6 U 332/18 -, juris, Rn. 19; vgl. auch zum Einwendungsdurchgriff gemäß §§ 358, 359 BGB a.F.: BGH, Urteil vom 30. September 2014 - XI ZR 168/13 -, Rn. 10, juris).
Unter Entgelt ist dabei jede Art von Gegenleistung des Verbrauchers für das eingeräumte Kapitalnutzungsrecht zu verstehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2014 - XI ZR 168/13 -, Rn. 17, juris; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 132/06 -, Rn. 17, juris). Darunter fallen zunächst Zinsen und andere laufzeitabhängige Kosten (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2014 - XI ZR 168/13 -, Rn. 17, juris). Auch ein Disagio oder Damnum stellt im Zweifel ein Entgelt für die Kapitalnutzung dar (Kessal-Wulf in: Staudinger, BGB (2012), § 491, Rn. 49).
Gemessen hieran ist der am 9. November 2017 beantragte Darlehensvertrag kein entgeltlicher Darlehensvertrag, denn die Parteien haben in dem Vertrag keine Zinsen oder Gebühren vereinbart. Vielmehr ist ausdrücklich ein Zinssatz von 0,00% vereinbart worden. Auch sonstige Gegenleistungen des Klägers für die Darlehensgewährung waren zwischen den Parteien nicht vereinbart. Der Kläger schuldete der Beklagten damit gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschließlich die Rückzahlung des tatsächlich zur Verfügung gestellten Darlehens.
bb)
Veranlassung, § 495 BGB im Wege der Analogie auch auf unentgeltliche Darlehensverträge anzuwenden, besteht nicht. Insoweit fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, weil § 514 Abs. 2 BGB (hier in der Fassung vom 20. Juni 2017) das Widerrufsrecht für unentgeltliche Darlehensverträge regelt. Eine Analogie ist - neben weiteren Voraussetzungen - aber nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige oder ungewollte Regelungslücke enthält, die sich aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrundeliegenden Regelungsplan ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2015 - X ZB 5/14 -, Rn. 19, juris, m. zahlr. w. N.; BGH, Urteil vom 13. November 2001 - X ZR 134/00 -, Rn. 35, juris).
cc)
Das Widerrufsrecht des Klägers ergibt sich aus § 514 Abs. 2 BGB, erstmals in Kraft getreten am 21. März 2016 aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11. März 2016 (BGBl. I, 2016, 396).
Danach seht dem Verbraucher bei unentgeltlichen Darlehensverträgen ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, soweit nicht bereits ein Widerrufsrecht nach § 312 g Abs. 1 BGB besteht oder ein Vertrag im Sinne des § 495 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegt. Für beides fehlen vorliegend Anhaltspunkte.
b)
Der Kläger hat sein Widerrufsrecht aus § 514 Abs. 2 BGB nicht fristgerecht geltend gemacht.
aa)
Die Widerrufshöchstfrist gem. § 356 d Satz 2 BGB - d.h. die Frist, binnen derer überhaupt ein Widerruf geltend gemacht werden kann - war vorliegend noch nicht verstrichen, als der Kläger im September 2018 den Widerruf erklärt hat. Zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrags und dessen Widerruf lagen weniger als 11 Monate.
Bei unentgeltlichen Darlehensverträgen wird das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht nur durch die Widerrufsfrist selbst begrenzt, sondern gemäß § 356 d Satz 2 BGB zusätzlich durch eine Widerrufshöchstfrist. Danach erlischt das Widerrufsrecht spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss (1.Alt.) oder nach dem in § 356 d Satz 1 BGB genannten Zeitpunkt - der ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht -, wenn dieser nach dem Vertragsschluss liegt (2.Alt.). Dahinstehen kann, ob sich vorliegend die Widerrufshöchstfrist nach der ersten oder zweiten Alternative der Vorschrift richtet und wie - bei Bejahung der Anwendbarkeit der zweiten Alternative - diese Regelung zu verstehen ist (zum Streitstand vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 10. Dezember 2021 - 4 U 307/21 -, Rn. 47 ff., juris).
bb)
Der Kläger hat den Widerruf indes nicht binnen der 14-tägigen Widerrufsfrist erklärt.
Gemäß § 355 Abs. 2 (2. Halbsatz) BGB beginnt die Widerrufsfrist im Falle eines unentgeltlichen Darlehensvertrages abweichend von § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht bevor der Unternehmer gemäß § 356 d Satz 1 BGB den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des § 514 Abs. 2 Satz 3 BGB über dessen Widerrufsrecht unterrichtet hat. Danach hat der Unternehmer den Verbraucher rechtzeitig vor der Abgabe von dessen Willenserklärung gemäß Art. 246 Abs. 3 EGBGB über sein Widerrufsrecht zu unterrichten. Die in Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB vorgeschriebenen (Pflicht)Angaben muss der unentgeltliche Darlehensvertrag nicht enthalten (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21. April 2021 - 4 U 154/20 -, Rn. 40, juris).
Die Beklagte hat den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt. Es greift zugunsten der Beklagten bzgl. der von ihr auf Seite 5 des Darlehensantrages verwendeten Widerrufsbelehrung die Gesetzlichkeitsfiktion gem. § 514 Abs. 2 Satz 4 BGB i.V.m. der Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB ein.
Der Belehrungspflicht kann der Unternehmer nachkommen, indem er dem Verbraucher das in der Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß ausgefüllt in Textform übermittelt. Diese Gesetzlichkeitsfiktion tritt nur ein, wenn der Darlehensgeber das Muster richtig ausfüllt und wie für den betreffenden Vertrag vorgegeben verwendet (vgl. BT-Drucksachen 17/1394, S. 22). Durch die Gestaltungshinweise nicht geforderte Weglassungen oder Ergänzungen führen zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion (vgl. BT-Drucksachen 17/1394, a. a. O.).
(1)
Der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion steht entgegen der Ansicht des Klägers das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2020 (vgl. EuGH, Urteil vom 26. März 2020 - C-66/19 -, juris) nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2020 - XI ZR 198/19 -, Rn. 10, juris). Soweit der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass Art. 10 Abs. 2 lit p) der Richtlinie 2008/48/EG dahingehend auszulegen ist, dass er einer Verweisung in einem Darlehensvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift entgegenstehe, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates verweist, ist diese Entscheidung im vorliegenden Fall nicht einschlägig.
Mit dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag wurde ein zinsloses Darlehen vereinbart und damit kein Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag gemäß § 491 Abs. 2 BGB. Auf zinslose Darlehen findet die Verbraucherkreditrichtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 2 lit. f) keine Anwendung. Wie nationale Vorschriften auszulegen sind, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, oder ob ihre Auslegung durch das vorlegende Gericht richtig ist, fällt so in die ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte (vgl. EuGH, Urteil vom 26. März 2020 - C-66/19 -, Rn. 31, juris; EuGH, Urteil vom 27. Oktober 2016 - C-114/15 -, Rn. 65, juris).
Vor diesem Hintergrund greift auch der Einwand des Klägers nicht durch, der Gesetzgeber hätte nicht an dem Mustertext festgehalten, wenn er erkannt hätte, dass er mit diesem gegen die Verbraucherkreditrichtlinie verstößt.
(2)
Die auf Seite 5 des Darlehensantrages befindliche Widerrufsinformation ist in hervorgehobener und deutlicher Form gestaltet.
Gemäß Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB muss die in Textform gehaltene Widerrufsbelehrung "deutlich gestaltet sein".
Die Widerrufsinformation ist durch einen fett gedruckten schwarzen Rahmen sowie die Überschrift "Widerrufsinformation" und weiter in Fettdruck gehaltene Zwischenüberschriften hervorgehoben und deutlich gestaltet (vgl. insoweit auch BGH, Beschluss vom 31. März 2020 - XI ZR 198/19 -, juris Rn. 7). Sie nimmt fast 2/3 der Seite 5 des Darlehensantrages ein und fällt durch ihre Position über den Unterschriftsfeldern dem Betrachter sofort ins Auge. Insbesondere wegen des Rahmens fügt sie sich auch nicht lediglich in den Fließtext ein. Eine nicht mehr zulässige Abweichung vom Format der Muster-Widerrufsinformation ist nicht feststellbar.
(3)
Inhaltlich entspricht die Widerrufsinformation dem - bereits seinerzeit - gültigen Muster gemäß Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB.
(3.1)
Die Gesetzlichkeitsfiktion entfällt entgegen der Ansicht des Klägers nicht deshalb, weil die Beklagte in der Widerrufsinformation einen bei Widerruf zu zahlenden Tageszins fehlerhaft beziffert hätte, obwohl keine Zinszahlungspflicht bestehe.
Mithin gehen die dagegen gerichteten Angriffe des Klägers ins Leere.
Entgegen den Ausführungen des Klägers hat die Beklagte in der Widerrufsbelehrung keine Pflicht zur Entrichtung eines vereinbarten Sollzinses niedergelegt. Diesen in dem Muster der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB enthaltenen Hinweis sieht das für die unentgeltlichen Darlehensverträge maßgebliche Muster gemäß Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB schon nicht vor und wurde von der Beklagten auch nicht aufgenommen.
(3.2)
Die Passage zur Rückzahlungspflicht des Darlehens genießt den Schutz der Gesetzlichkeitsfiktion.
Der Gesetzgeber hat in der von ihm entworfenen Muster-Widerrufsinformation Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB auch bei verbundenen Verträgen zunächst unter der Überschrift "Widerrufsfolgen" den allgemeinen Hinweis auf die Pflicht des Darlehensnehmers zur Rückzahlung des Darlehens vorgesehen, um sodann unter der weiteren Überschrift "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" unter Ziffer 4 e) der Gestaltungshinweise der Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB bei einem verbundenen Vertrag nach § 358 BGB, der - wie vorliegend - nicht den Erwerb von Finanzinstrumenten zum Gegenstand hat, den - spezielleren - Hinweis wie folgt einzufügen: "Wenn der Darlehensnehmer infolge des Widerrufs des Darlehensvertrags nicht mehr an den weiteren Vertrag gebunden ist oder infolge des Widerrufs des weiteren Vertrags nicht mehr an den Darlehensvertrag gebunden ist, gilt ergänzend Folgendes: Ist das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs dem Vertragspartner des Darlehensnehmers aus [einsetzen***: dem verbundenen Vertrag] bereits zugeflossen, tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zum Darlehensnehmer hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners aus dem weiteren Vertrag ein."
Der Darlehensnehmer kann anhand der genannten Überschriften erkennen, dass der Darlehensgeber zunächst die allgemeine Rechtslage beschreibt, um sodann auf besondere Vertragskonstellationen einzugehen. Dadurch wird die Widerrufsbelehrung nicht undeutlich (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 8. Juli 2020 - 11 U 101/19 -, Rn. 136, juris zur Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und 12 Abs. 1 EGBGB a.F.). Der von der Beklagten hier gewählte Aufbau der Widerrufsinformation ebenso wie der Text entsprechen dem Muster gemäß Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB.
Bei sorgfältigem Durchlesen war für den Kläger unschwer feststellbar, dass die allgemeine Rückzahlungspflicht für ihn nicht galt, weil die Beklagte in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners aus dem Kaufvertrag eingetreten war (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. Juni 2019 - 17 U 158/18 -, Rn. 51, juris, zur Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der Fassung bis zum 12.06.2014; OLG Braunschweig, Urteil vom 8. Juli 2020 - 11 U 101/19 -, Rn. 137, juris).
Schließlich kann es der Beklagten bei dem hier zu bejahenden Eingreifen der Gesetzlichkeitsfiktion auch nicht zum Nachteil gereichen, dass sie unter der Überschrift "Widerrufsfolgen" zunächst darüber belehrt, dass der Darlehensnehmer das Darlehen "spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen" habe.
(3.3)
Auch die Belehrung in der Widerrufsinformation über die Pflicht zur Zahlung von Wertersatz ist ordnungsgemäß.
Die Beklagte hat auch hier den Gestaltungshinweis Nr. 4b der Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB wörtlich übernommen, der wie folgt lautet:
"Der Unterabsatz kann wie folgt ergänzt werden: Wenn der Darlehensnehmer die auf Grund [einsetzen***: des verbundenen Vertrags oder des zusammenhängenden Vertrags] überlassene Sache nicht oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren kann, hat er insoweit Wertersatz zu leisten. Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war."
Der Wertersatzpflicht liegt die Regelung aus § 357 Abs. 7 BGB in Verbindung mit §§ 514 Abs. 2, 355 Abs. 3, 358 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 BGB zugrunde.
Danach hat der Darlehensnehmer im Rahmen der Rückabwicklung des mit dem Verbraucherdarlehen verbundenen Vertrages - hier des finanzierten Fahrzeugkaufvertrages - Wertersatz für den Wertverlust der Ware - hier des Pkw - zu leisten. Die lediglich entsprechende Anwendung des § 357 Abs. 7 BGB führt im Fall eines - wie hier - im stationären Handel geschlossenen Kaufvertrages nicht dazu, dass eine Wertersatzpflicht nur dann besteht, wenn der Darlehensgeber den Darlehensnehmer auch gemäß § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB nach Artikel 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat. Die in Artikel 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB angeführten Informationspflichten beziehen sich in historischer Auslegung wie auch nach ihrem Sinn und Zweck auf einen nach § 312g Abs. 1 BGB widerruflichen Vertrag und passen deshalb nicht für einen im stationären Handel geschlossenen Kaufvertrag, bei dem ein solches Widerrufsrecht nicht besteht (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 -, Rn. 31 ff., juris; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 525/19 -, Rn. 31 ff., juris). Insoweit genügt es, wenn der Darlehensgeber - wie geschehen - den Darlehensnehmer über eine mögliche Wertersatzpflicht belehrt (BGH, a.a.O; Rosenkranz, in: BeckOGK BGB, Stand 1. Juli 2020, § 358 Rn. 113.4; Herresthal, ZIP 2019, 49 [51]).
Soweit sich der Kläger an der Wertersatzregelung in Ziffer 6 lit. a der Darlehensbedingungen stößt und darin einen Widerspruch zu der Wertersatzregelung in der Widerrufsinformation erblickt, verhilft auch dieser Hinweis seiner Berufung nicht zum Erfolg.
Denn eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsbelehrung wird nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer Stelle einen - eventuell - inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2019 - XI ZR 511/18 -, juris; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16 -, Rn. 25, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21. April 2021 - 4 U 95/20 -, Rn. 64, juris).
Darüber hinaus wird der "normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher", auf den abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2019 - XI ZR 650/18 -, Rn. 21 m.w.N., juris; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - XI ZR 648/18 -, Rn. 13, juris), im Lichte der Widerrufsinformation die Wendung "bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme" als einen solchen Umgang mit der Ware verstehen müssen, der "zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig" war, wie es den gesetzlichen Vorgaben entspricht (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 26. November 2019 - 6 U 50/19 -, Rn. 59, juris). Bei dem als Beispiel für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme des Fahrzeugs entstandene Wertminderung aufgeführten Wertverlust aufgrund der Zulassung des Fahrzeugs handelt es sich gerade um einen Umgang, der über das zur Prüfung der Sache erforderliche Maß hinausgeht und daher nicht mehr von dem Prüfungsprivileg des § 357 Abs. 7 BGB, das in der Widerrufsinformation angesprochen ist, erfasst wird (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 21. Dezember 2020 - 11 U 201/19 -, Rn. 113, juris, unter Hinweis auf Staudinger/Herresthal, BGB, Stand: 2016, § 358 Rn. 207.2).
(3.4)
Die Beklagte ist der Gesetzlichkeitsfiktion auch nicht dadurch verlustig gegangen, dass sie in die Widerrufsinformation auch eine Belehrung zu Konsequenzen eines Widerrufs für die Anmeldung zum "KSB/KSB Plus" aufgenommen hat.
Die Beklagte hat in der streitgegenständlichen Widerrufsinformation die Anmeldung zum KSB/KSB Plus als verbundenen Vertrag im Sinne des § 358 BGB behandelt und diesbezüglich die Gestaltungshinweise Nrn. 2, 2a, 4, 4a, 4b, 4e und 4f der Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB umgesetzt.
Bei dem KSB/KSB Plus handelt es sich um einen verbundenen Vertrag im Sinne des § 358 BGB.
Ausweislich des als Anlage K1 vorgelegten Darlehensvertrages, dort Seite 1, rechte Spalte oben, hat der Kläger vorliegend den Beitrag zum "KSB für AU und Tod" ebenfalls mit dem Darlehen finanziert.
Die Anmeldung zum KSB/KSB Plus ist rechtstechnisch ein Beitritt zu einer Gruppenversicherung. Der Darlehensnehmer wird nicht selbst Partei des Versicherungsvertrages, sondern "lediglich" "versicherte Person". Der verbundene Vertrag im Sinne des § 358 BGB ist demnach nicht in dem zwischen der Beklagten und dem Versicherer abgeschlossenen (Gruppen-) Versicherungsvertrag, sondern in der auf Antrag des Klägers an die Beklagte mit dieser geschlossenen Vereinbarung zu erblicken, in den bestehenden Versicherungsvertrag der Beklagten als versicherte Person aufgenommen zu werden (ebenso: OLG Stuttgart, Urteil vom 16. Juni 2020 - 6 U 98/19 -, Rn. 23, juris).
Der Bundesgerichtshof hatte bereits im Jahre 2009 entschieden, dass eine Restschuldversicherung grundsätzlich als verbundener Vertrag im Sinne des § 358 BGB qualifiziert werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2009 - XI ZR 45/09 -, Rn. 17, juris). Dies wird ausdrücklich auch für den Beitritt zu einer Gruppenversicherung bejaht, sofern auch die weiteren Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2020 - XI ZR 491/19 -, Rn. 11 m.w.N., juris; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 31. März 2020 - XI ZR 198/19 -, Rn. 8, juris).
Im Falle verbundener Verträge im Sinne des § 358 BGB liegt zwar typischerweise ein Drei-Personen-Verhältnis vor. Diese Konstellation wird jedoch von § 358 BGB nicht zwingend vorausgesetzt, wie die Formulierung in § 358 Abs. 3 Satz 2 1. Var. BGB offenbart. Dort heißt es: "Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert [...]". Damit stellt es kein Hindernis für die Anwendung des § 358 Abs. 3 BGB dar, wenn - wie hier - der Unternehmer des finanzierten Geschäfts und der Darlehensgeber ein und dieselbe Person sind (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 358 Rn. 2; OLG Stuttgart, Urteil vom 16. Juni 2020 - 6 U 98/19 -, Rn. 24, juris; vgl. auch OLG Braunschweig, Urteil vom 21. Dezember 2020 - 11 U 201/19 -, Rn. 75, juris).
Die Beklagte ist der Gesetzlichkeitsfiktion auch nicht deshalb verlustig gegangen, weil sie - nicht spezifisch abgestimmt auf den von dem Kläger erklärten Beitritt zum KSB - in der Widerrufsinformation gemeinsam "KSB/KSBPlus" aufführt.
Zwar ist zutreffend, dass eine Information über verbundene Verträge nur bei deren Vorliegen zulässig ist (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15 -, Rn. 52, juris), und dass die Gestaltungshinweise stets an den jeweiligen Einzelfall angepasst werden müssen, soll die Gesetzlichkeitsfiktion erhalten bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 -, Rn. 19, juris; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 525/19 -, Rn. 19, juris).
Die gemeinsame Nennung von "KSB/KSBPlus" stellt sich jedoch nicht als über den vorliegenden Einzelfall hinausgehend dar.
Die Restschuldversicherungen KSB und KSB Plus stehen in einem Verhältnis konzentrischer Kreise zueinander dergestalt, dass die Variante "KSB Plus" denknotwendig den Grundvertrag KSB einschließt. Denn bei der Absicherung "KSB Plus" handelt es sich lediglich um die um ein Risiko erweiterte Vertragsgestaltung der Basis-Variante KSB. Wenn auch der Darlehensnehmer zur Absicherung seiner Restschuldverpflichtung zwischen der Basisvariante und dem KSB Plus wählen kann (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. Februar 2021 - 17 U 703/20 -, Rn. 26, juris), ändert dies nichts daran, dass diese Verträge wie beschrieben eng zusammenhängen (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. Juni 2021 - 5 U 26/21 -, Rn. 93, juris).
Das unterscheidet den vorliegenden Fall von demjenigen, in dem der Darlehensgeber mehrere verschiedene Restschuldversicherungen nennt, die nicht miteinander vergleichbar und voneinander unabhängig sind, und die es deshalb erfordern, die Widerrufsbelehrung auf den jeweiligen verbundenen Vertrag abgestimmt vorzunehmen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Mai 2021 - XI ZR 36/20 -, Rn. 12 f., juris). Ebenso liegt kein Fall vor, in dem die Beklagte in ihrer Widerrufsinformation Ankreuz-Optionen vorsieht, die erst durch deutliches Auswählen zum Vertragsbestandteil erhoben würden (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2016 - XI ZR 101/15 -, BGHZ 209, 86-104, Rn. 42, juris).
Eine wesentliche Abweichung von dem Muster ist nach alledem nicht gegeben. Es liegt insbesondere kein Fall vor, in dem der Darlehensnehmer in der Widerrufsinformation zu Unrecht über die Konsequenzen eines Widerrufs für einen verbundenen Vertrag belehrt wird, obwohl er einen solchen Vertrag gar nicht abgeschlossen hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 -, Rn. 17 f., juris; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 525/19 -, Rn. 17 f., juris). Denn für den Verbraucher ist klar erkennbar, dass nur die Basis-Variante "KSB" auf ihn zutrifft.
cc)
Selbst wenn man im Übrigen die Formulierung "Anmeldung zum KSB/KSB Plus" im Hinblick auf den Zusatz "KSB Plus" als unzulässige Ergänzung der Musterwiderrufsinformation wertete, könnte sich der Kläger im vorliegenden Fall deshalb nicht auf das Fehlen des Musterschutzes berufen, weil dieses Verhalten als rechtsmissbräuchlich gem. § 242 BGB anzusehen wäre.
(1)
Bei der Einordnung des klägerischen Verhaltens als rechtsmissbräuchlich kommt es nicht auf die Frage an, ob die Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates unter der Ägide der Vollharmonisierung oder etwa im Lichte des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes die Anwendung der Grundsätze zur Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 242 BGB von vornherein ausschließt.
Der streitgegenständliche Darlehensvertrag fällt - wie ausgeführt - nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie.
Damit ist auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. September 2021 für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil es sich allein mit der Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie befasst (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2021 - XI ZR 81/21 -, juris; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2021 - XI ZR 622/20 -, juris). Die tatrichterliche Bewertung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben richtet sich deshalb allein nach nationalem Recht (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2021 - XI ZR 81/21 -, juris; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2021 - XI ZR 622/20 -, juris).
(2)
Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten - und damit auch dem Widerrufsrecht eines Verbrauchers - immanente Inhaltsbegrenzung (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 69/18 -, juris Rn. 18; Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 -, juris Rn. 18). Die Ausübung des Widerspruchsrechts ist rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB, wenn hiermit eine bloß formal bestehende Rechtsposition ohne schutzwürdiges Eigeninteresse des Verbrauchers ausgenutzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 - IV ZR 32/20 -, Rn. 17, juris; BGH, Urteile vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 und XI ZR 525/19-, juris Rn. 27). So kann die Berufung auf eine bestimmte ("formale") Rechtsposition unredlich sein, wenn dies dem übereinstimmend Gewollten bzw. dem nach der Verkehrssitte oder dem Gesetz zugrunde zu legenden Zweck des Rechtsverhältnisses widerspricht (vgl. Pfeiffer, in: Herberger/Martinek/Weth/Würdinger, juris-PK-BGB, 9. A., § 242, Rn. 64). Auch ein Mangel der durch Gesetz vorgeschriebenen Form kann unter besonderen Umständen wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich sein. Ein solcher Ausnahmefall liegt regelmäßig vor, wenn eine Partei sich unter Berufung auf den Formmangel ihrer vertraglichen Verpflichtung entziehen will, obwohl sie längere Zeit aus dem nichtigen Vertrag geldwerte Vorteile im beträchtlichen Umfang gezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2005 - XI ZR 34/05 -, juris Rn. 28). Die Ausübung des Widerrufsrechts ist dabei nicht allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie nicht durch den Schutzzweck des Widerrufsrechts motiviert ist (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 -, Rn. 23, juris). Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne von § 242 BGB kann indes angenommen werden, wenn mit der Ausübung des Widerrufsrechts eine bloß formal bestehende Rechtsposition ohne schutzwürdiges Eigeninteresse des Verbrauchers ausgenutzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 - IV ZR 32/20 -, Rn. 17, juris). Denn die Gewährung eines Widerrufsrechts ist kein Selbstzweck (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 - IV ZR 32/20 -, Rn. 17, juris). Vielmehr soll der Verbraucher vor einer übereilten Bindung an seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung geschützt werden. Ihm soll bei Entscheidungen mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und Tragweite - wie dem Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags - Gelegenheit gegeben werden, den Vertragsabschluss zu überdenken. Um diesem Ziel gerecht zu werden, müssen die Widerrufsangaben umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll durch sie nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2016 - XI ZR 101/15 -, Rn. 32, juris). Ob sich ein Verbraucher indes missbräuchlich auf eine Rechtsposition beruft, ist unter Berücksichtigung dieses Schutzzweckes, der Prüfung der sich daraus ergebenden schutzwürdigen Eigeninteressen des Verbrauchers und mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15 -, juris Rn. 43). Bei der Prüfung des schutzwürdigen Eigeninteresses jedoch kann auch das Motiv des Verbrauchers für den Widerruf des Darlehensvertrages beleuchtet werden (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 und XI ZR 525/19-, juris Rn. 27; OLG Stuttgart, Urteil vom 22. Dezember 2020 - 6 U 276/19 -, Rn. 41, juris). Insoweit kann z. B. aus dem Umstand, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht dazu einsetzt, um günstigere Vertragskonditionen zu erwirken, auf die Rechtsmissbräuchlichkeit seines Tuns geschlossen werden (vgl. BGH, Urteil vom 07. November 2017 - XI ZR 369/16 -, Rn. 16 - 17, juris). Für die rechtsmissbräuchliche Berufung auf das Fehlen der Gesetzlichkeitsfiktion bei Widerruf eines zur Kfz-Finanzierung geschlossenen Darlehensvertrags kann sprechen, dass für den Verbraucher klar erkennbar war, dass die Erstreckung von Gestaltungshinweisen auf bestimmte Verträge im konkreten Fall überflüssig war, der Verbraucher die überflüssigen Angaben spät bzw. gar nicht beanstandet hat und der Verbraucher das Widerrufsrecht ausübt, um das Fahrzeug nach längerer bestimmungsgemäßer Nutzung zurückgeben zu können, ohne dem Unternehmer einen Wertersatzanspruch hierfür zuzugestehen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 2020, a. a. O., Rn. 28 zum Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag gem. § 491 Abs. 2 BGB).
Im vorliegenden Fall ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass das Gesetz ihm ein nur durch die Widerrufshöchstfrist begrenztes Widerrufsrecht gewährt, dessen Ausübung keine Angabe von Gründen voraussetzt, soweit ihm keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt wird. Gleichzeitig ist jedoch der nationale Gesetzgeber davon ausgegangen, dass dem Verbraucher eine klare und verständliche Information über sein Widerrufsrecht durch Verwendung des gesetzlichen Musters erteilt wird, von dem die Widerrufsinformation der Beklagten - wollte man dies annehmen - lediglich geringfügig abweicht, ohne dass diese Abweichung eine Irreführung des Klägers zur Folge hätte.
Hier war für den Kläger anhand der Erläuterung auf Seite 1 des Darlehensantrages eindeutig erkennbar, für welche Variante der Gruppenversicherung er sich entschieden hatte und dass der Hinweis auf den "KSB Plus" daher optionalen Charakter hatte und ihn nicht betraf. Insoweit hat er diese überflüssige Belehrung auch nicht gerügt und damit die für ihn fehlende Relevanz zum Ausdruck gebracht.
Ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Klägers am Widerruf des Darlehensvertrages aufgrund einer - hier unterstellten - fehlerhaften Widerrufsbelehrung kann insoweit nicht erkannt werden. Eine mögliche Irreführung des Klägers aufgrund der von ihm erkannten Überflüssigkeit der Belehrung kann ebenfalls ausgeschlossen werden.
Die Schutzbedürftigkeit des Klägers ist dabei auch am Grad der Abweichung - von geringfügig bis massiv - zu messen. Der Kläger würde unter der Berufung auf eine geringfügige, für ihn auch irrelevante und - nach hiesiger Ansicht - auch nicht fehlerhaften Abweichung der streitgegenständlichen Widerrufsinformation vom Muster seine Gegenleistung zurückverlangen, während er seinerseits keinen Wertersatz leisten will. Dieses nach außen tretende Verhalten des Klägers würde dafür sprechen, dass er es zumindest hinnimmt, aufgrund eines für ihn unbedeutenden Fehlers in der Widerrufsbelehrung nach seiner Vorstellung das Fahrzeug viele Jahre auf Kosten der Beklagten gefahren und dessen Wert gemindert zu haben. Auch vor diesem Hintergrund fehlt es an einem schutzwürdigen Eigeninteresse des Klägers am Widerruf.
Zwar entspringt die Aufnahme beider Varianten der Gruppenversicherung in die Belehrung der Sphäre der Beklagten. Allein dies führt indes nicht dazu, dass die Schutzbedürftigkeit des Klägers reflexartig nicht mehr in Zweifel gezogen werden kann.
Der deutsche Gesetzgeber hat sich aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für die Einführung eines Musters entschieden und in Anlage 9 zu Art. 246 Abs. 3 EGBGB niedergelegt. Er wollte den Unternehmer, der das Muster richtig ausfüllt und verwendet, gerade von den Unsicherheiten entlasten, ob seine Widerrufsinformation den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Vorliegend hat die Beklagte das Muster übernommen, weshalb die allenfalls geringfügige und weder für die Verständlichkeit noch - nach hiesiger Ansicht für die Wirksamkeit - relevante Abweichung der streitgegenständlichen Widerrufsinformation nur bedingt zu Gunsten des Klägers in die Bewertung der Gesamtumstände eingestellt werden kann.
Die Zusammenschau dieser Gesichtspunkte - die nur geringfügige und für die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung nach hiesiger Ansicht auch irrelevante Abweichung der Belehrung der Beklagten, die Kenntnis des Klägers von der fehlenden Relevanz dieser Abweichung für ihn sowie ein dennoch ggf. erfolgtes Berufen darauf ohne indes der Beklagten für den jahrelangen Gebrauch des Fahrzeuges einen Wertersatz zugestehen zu wollen - würde in der vorzunehmenden Gesamtabwägung dazu führen, dass sich diese Berufung des Klägers auf den Verlust des Musterschutzes - sollte er den angenommen werden - als rechtsmissbräuchlich darstellen würde. Ausgehend vom Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts wäre die Einnahme dieser formalen Rechtsposition durch den Kläger nicht von einem schützenswerten Eigeninteresse geleitet.
c)
Dem Kläger steht auch kein vertraglich vereinbartes Widerrufsrecht zu.
Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger - neben dem gesetzlichen Widerrufsrecht - zusätzlich ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt werden sollte.
Das von der Beklagten verwendete Muster der Widerrufsbelehrung zeigt klar auf, dass sich die Beklagte ausschließlich an die gesetzlichen Vorgaben halten wollte und darüber hinaus keinen weiteren Maßstab für die Voraussetzungen eines - neben dem gesetzlichen Widerrufsrecht stehenden - vertraglichen Widerrufsrechts setzen wollte.
Selbst eine Widerrufsbelehrung, die um eine vermeintliche gesetzliche Pflicht zu erfüllen oder rein vorsorglich erteilt wird, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, wäre aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2019 - XI ZR 372/18 -, Rn. 17, juris; Urteil vom 23. Januar 2018 - XI ZR 359/16 -, Rn. 20, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Oktober 2020 - 24 U 42/20 -, Rn. 5, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 01. Oktober 2019 - 6 U 332/18 -, Rn. 23, juris).
2.
Mangels Hauptforderung kann der Kläger weder Prozesszinsen auf diese Forderung noch die Feststellungen verlangen, dass der Kläger ab der Widerrufserklärung weder "Zins- und Tilgungsleistungen" schuldet und die Beklagte im Annahmeverzug ist.
II.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Die beabsichtigte Zurückweisung beruht auf den Umständen des Einzelfalls in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtslage. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass trotz Aussichtslosigkeit der Berufung eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
III.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf eine Wertstufe bis 13.000,00 Euro festzusetzen, §§ 47, 48 GKG i.V.m. §§ 3, 4, ZPO.
Im Berufungsverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Für den Wert des Streitgegenstandes einer Leistungsklage ist der formulierte Antrag wertbestimmend und deshalb maximal der Betrag maßgeblich, dessen Zahlung der Kläger verlangt hat (§ 3 ZPO i. V. m. § 48 Abs. 1 GKG). Dabei sind Zinsen und Nutzungen, die neben der Hauptforderung geltend gemacht werden, als Nebenforderungen gem. § 43 Abs. 1 GKG nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 07. April 2015 - XI ZR 121/14 -, juris). Beantragt die klagende Partei - wie vorliegend der Kläger - wirtschaftlich betrachtet so gestellt zu werden, als hätte sie das Geschäft nicht getätigt, bemisst sich der Gesamtstreitwert nach der Höhe des Nettodarlehensbetrages zuzüglich einer Anzahlung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2015 - XI ZR 121/14 - juris Rn. 4; Beschluss vom 29. Mai 2015 - XI ZR 335/13 - juris Rn. 3). Hier mithin 11.034,19 Euro.
Dem ebenfalls verfolgten Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs kommt kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu (vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.2016 - XI ZR 539/15 -, juris Rn. 4).
IV.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, binnen einer Frist von 3 Wochen zu den Hinweisen Stellung zu nehmen. Der Kläger möge erwägen, die Berufung im Kosteninteresse zurückzunehmen.