Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 21.01.2021, Az.: L 7 AS 5/21 B ER

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II; Verwertbares Vermögen; Vereinfachtes Überprüfungsverfahren im Zuge der Covid-19-Pandemie

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.01.2021
Aktenzeichen
L 7 AS 5/21 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 11231
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 18.12.2020 - AZ: S 43 AS 486/20 ER

Fundstellen

  • KomVerw/B 2022, 70-71
  • KomVerw/LSA 2022, 68
  • KomVerw/S 2022, 66
  • KomVerw/T 2022, 64
  • NWB 2021, 537
  • ZfSH/SGB 2021, 208-211
  • info also 2021, 238

Redaktioneller Leitsatz

Das vereinfachte Überprüfungsverfahren im Zuge der Covid-19-Pandemie führt nicht dazu, dass allgemeine Grundsätze des Grundsicherungsrechts krisenbedingt - im Sinne eines Sonderrechts der Pandemie - außer Kraft gesetzt werden und Jobcenter und Gerichte zu Unrecht SGB II-Leistungen bewilligen bzw. zusprechen müssten.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 18. Dezember 2020 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten sind Leistungen der Antragstellerin zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.

Die am B ... November 1981 geborene Antragstellerin ist Juristin, war bis Ende 2018 bei der Deutschen Bundespost beschäftigt und erhielt ab dem 1. Januar 2019 Arbeitslosengeld in Höhe von 64,86 EUR täglich. Vom 21. November 2019 bis zum 24. April 2020 nahm sie auf Kosten der Bundesagentur für Arbeit an einer Weiterbildungsmaßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teil. Daran schloss sich der einmonatige Anspruch auf Anschluss - Arbeitslosengeld bis zum 24. Mai 2020 an. Die Antragstellerin wohnt noch bei ihren Eltern, die beide Grundsicherungsleistungen beziehen, in einer Dreizimmerwohnung bei einer Gesamtmiete von 718 EUR monatlich.

Am 5. Mai 2020 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Bewilligung von SGB II - Leistungen. In dem am 22. Mai 2020 abgegebenen, vereinfachten Antrag verneinte die Antragstellerin die Frage, ob sie über ein erhebliches Vermögen verfüge. Da die Antragstellerin gleichzeitig die Anlage VM zur Feststellung der Vermögensverhältnisse, die zu Pandemiezeiten nur bei erheblichem Vermögen benötigt wird, mit unklaren Angaben abgegeben hatte, verlangte der Antragsgegner weitere Auskünfte sowie die Vorlage von Kontoauszügen. Daraus ergab sich, dass auf dem Girokonto der Antragstellerin bei der Sparkasse C. am 1. Mai 2020 ein Guthaben von 63.401,83 EUR und am 9. Juni 2020 ein Guthaben in Höhe von 60.074,50 EUR vorhanden war. Der Antragsgegner forderte die Antragstellerin auf, Belege über die Verwendung der Bargeldabhebungen in Höhe von jeweils 2.000 EUR am 4. Mai und am 18. Mai 2020 vorzulegen. Nachdem die Antragstellerin dieser Aufforderung nicht nachkam, lehnte der Antragsgegner mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. Juni 2020 den Antrag ab, weil das verwertbare Vermögen der Antragstellerin den Vermögensfreibetrag in Höhe von 60.000 EUR übersteige.

In Folge der pandemiebedingten Sonderregelung in § 421d Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) wurde der Anspruch der Antragstellerin auf Arbeitslosengeld um 3 Monate bis zum 25. August 2020 verlängert. Am 18. August 2020 stellte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen neuen Antrag auf Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab dem 26. August 2020. Aus den vom Antragsgegner angeforderten Kontoauszügen ergab sich zum 1. August 2020 ein Guthaben von 59.035,37 EUR. Auf die Anfrage des Antragsgegners, die Verwendung der Bargeldabhebungen von jeweils 2.000 EUR am 13. Juli, 27. Juli und 27. August 2020 nachzuweisen, teilte die Antragstellerin mit, dass diverse Gegenstände für ihren Beruf als Rechtsanwältin und für die Wohnung angeschafft worden seien, wobei keine Belege mehr vorhanden wären, weil diese entweder nicht aufgehoben oder die Gegenstände privat und ohne Rechnung gekauft worden seien, weil auch keine Verpflichtung bestehe, Quittungen aufzubewahren. Ferner habe sie für eine MRT-Untersuchung der Mutter 1.300 EUR gezahlt, weil die Krankenkasse diese Kosten nicht übernommen habe; aus Gründen des Datenschutzes könne sie aber keine Belege übersenden, weil diese Angelegenheit eine dritte Person betreffe.

Mit Bescheid vom 12. November 2020 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, dass Vermögen in Höhe von 65.915,56 EUR vorhanden sei. Zwar habe am 31. August 2020 das Guthaben auf dem Girokonto nur 59.915,56 EUR betragen. Es sei aber insgesamt von einem höheren Vermögen auszugehen, da Nachweise über die Bargeldabhebungen von insgesamt 6.000 EUR nicht erbracht worden seien. Hiergegen legte die Antragstellerin am 16. November 2020 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist.

Am 7. Dezember 2020 stellte die Antragstellerin beim Sozialgericht Hannover einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung, dass das Vermögen nicht erheblich sei. Sie benötigte dringend ärztliche Behandlung und sei nicht mehr krankenversichert.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2020 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es fehle an der Eilbedürftigkeit. Die Antragstellerin verfüge aktuell über ein ausreichendes Vermögen in Höhe ca. 57.000 EUR, mit dem sie ihre Existenz sichern könne, so wie sie dies seit Auslaufen des Arbeitslosengeldes ab August 2020 über mehrere Monate auch getan habe. Da die Antragstellerin über ausreichende Mittel verfüge, könne sie sich bei ihrer Krankenkasse freiwillig versichern.

Die Antragstellerin hat gegen diesen Beschluss am 4. Januar 2021 Beschwerde eingelegt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts müsse eine Person nicht jeden selbstverdienten Groschen aufbrauchen, bevor sie Anspruch auf staatliche Hilfe bekomme. Denn es gehe um Anerkennung der über Jahre erbrachten Leistungen. Keinesfalls müsse sie ihr Schonvermögen von 57.000 EUR aufbrauchen. Sie verfüge lediglich über einen Mietanteil, welcher nach der Entrichtung der Miete verbleibe. Der Mietanteil betrage 478,70 EUR. Von dieser Summe müssten der Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 202,88 EUR monatlich sowie der Beitrag zum Rechtsanwaltsversorgungswerk Niedersachsen in Höhe von 104,30 EUR monatlich entrichtet werden. Der Restbetrag reiche nicht aus, um die Existenz zu sichern. Der Antragsgegner verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, weil eine Eilbedürftigkeit nicht ersichtlich sei. Im Übrigen werde Vermögen nach interner Weisungslage als erheblich angesehen, wenn in Anlehnung an das Wohngeldgesetz eine Inanspruchnahme des Wohngeldes bei vorhandenem erheblichem Vermögen missbräuchlich wäre. Diese Höchstgrenze betrage 60.000 EUR für das erste zu berücksichtigende Haushaltsmitglied. Wegen des umfassenden Vorbringens der Beteiligten und des vollständigen Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig aber unbegründet. Zurecht hat das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Antragstellerin kann keine SGB II - Leistungen im Eilverfahren verlangen.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Erforderlich sind dabei die Darlegung und Glaubhaftmachung eines materiell rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Eilbedürftigkeit für die begehrte Regelungsverfügung, weil ansonsten schwere und sonst nicht mehr im Hauptsacheverfahren auszugleichende Nachteile drohen würden (Anordnungsgrund). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Es kann nicht prognostiziert werden, dass der Antragstellerin ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II zustehen könnte. Dieser setzt unter anderem Hilfebedürftigkeit voraus (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II), die nicht gegeben ist, wenn die Hilfebedürftige ihren Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Vom Vermögen abzuziehen sind ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 EUR je vollendetem Lebensjahr (§ 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB II) sowie ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 EUR (§ 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB II), im Falle der 39jährigen Antragstellerin also 6.600 EUR. Dieser Freibetrag wird durch das jederzeit verfügbare Guthaben auf dem Girokonto in Höhe von ca. 57.000 EUR enorm überschritten.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem im Zuge der Covid-19-Pandemie mit Wirkung vom 28. März 2020 in Kraft getretenen Gesetz für den erleichterten Zugang zur sozialen Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) vom 27. März 2020, BGB I Seite 575. In diesem Zusammenhang regelt § 67 Abs. 2 SGB II, dass abweichend von §§ 9, 12 und 19 Abs. 3 SGB II Vermögen für die Dauer von 6 Monaten nicht berücksichtigt wird (Satz 1). Dies gilt aber nicht, wenn das Vermögen erheblich ist; es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt (Satz 2).

Mit diesem vereinfachten Antrag- und Bewilligungsverfahren wollte der Gesetzgeber die insbesondere bei Erstanträgen sehr aufwendige Prüfung über verwertbares Vermögen unbürokratisch gestalten, damit den von der Pandemie besonders betroffenen Personenkreisen, insbesondere Kleinunternehmern und sogenannte Solo-Selbstständigen, die keine Ansprüche auf vorrangige Leistungen wie Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld oder Insolvenzgeld haben, schnellstens geholfen werden kann (BT-Drucks. 19/18107 Seite 25). Einkommenseinbußen dieses Personenkreises sollen nicht dadurch abgefangen werden, dass zunächst aufgebautes Vermögen versilbert werden muss. Aus diesem Grund beschränkt sich das vereinfachte Verfahren auf die Eigenerklärung der Antragsteller, nicht über erhebliche Vermögenswerte zu verfügen. Das vereinfachte Überprüfungsverfahren bedeutet andererseits nicht, dass allgemeine Grundsätze des Grundsicherungsrechts krisenbedingt - im Sinne eines Sonderrechts der Pandemie - außer Kraft gesetzt werden sowie Jobcenter und Gerichte "sehenden Auges" zu Unrecht SGB II-Leistungen bewilligen bzw. zusprechen müssten, die später gemäß § 67 Abs. 5 Satz 5 SGB II aufzuheben und zu erstatten wären (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. September 2020 - L 11 AS 415/20 B ER; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. November 2020 - L 6 AS 153/20 B ER).

Es bestehen bereits Zweifel, ob die Regelung des § 67 Abs. 2 SGB II den Leistungsantrag der Antragstellerin vom 18. August 2020 erfasst. Denn das vereinfachte Verfahren sollte nach dem Willen des Gesetzgebers Antragsteller begünstigen, die erstmalig infolge der pandemiebedingten Einkommenseinbußen SGB II - Leistungen begehren (Köhler in: Hauck / Noftz, SGB II, Stand Juli 2020, § 67 Rz. 17; Groth in: jurisPK- SGB II, Stand September 2020, § 67 Rz. 18). Dagegen sollten durch diese Regelung abgeschlossene Antragsverfahren nicht wiederaufleben, in denen in der Vergangenheit die Leistungsgewährung bereits wegen Überschreitens der Vermögensfreibeträge abgelehnt worden war. So verhält es sich im Fall der Antragstellerin vor dem Hintergrund des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom 25. Juni 2020. Diese Zweifel werden dadurch bestärkt, dass Regelungsziel des Sozialpakets nicht die Lebenssituation der Antragstellerin war, die nicht infolge der Coronapandemie ohne Arbeit und Einkommen ist. Bei objektiver Betrachtung müssen für die ab Januar 2019 durchgehend bestehende Arbeitslosigkeit andere Hindernisse eingewirkt haben, die mit der besonderen Situation von Einkommenseinbußen bei Kleinunternehmen und Solo-Selbstständigen ab März 2020 nicht vergleichbar sind.

Die vom Antragsgegner vertretene und auf den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit beruhende Auffassung von einem Vermögensfreibetrag von 60.000 EUR für das erste zu berücksichtigende Haushaltsmitglied findet weder im Gesetzwortlaut noch in dessen Begründung eine Stütze. Der Hinweis, dies sei in Anlehnung an das Wohngeldgesetz (WoGG) erfolgt, wonach eine Inanspruchnahme von Wohngeld bei vorhandenem erheblichem Vermögen missbräuchlich wäre (§ 21 Nr. 3 WoGG) und dabei nach den Verwaltungsvorschriften zu § 21 WoGG ein Freibetrag von 60.000 EUR maßgebend sei (Ziffer 21.37 Abs. 4), ist nicht überzeugend. Denn die Bundesagentur für Arbeit will in ihren dienstlichen Weisungen nur Barmittel und sonstige sofort verwertbare liquide Mittel berücksichtigen, während die Verwaltungsvorschrift zu § 21 Nr. 3 WoGG sämtliche Vermögensgegenstände wie z.B. Immobilien umfasst. Diese Auffassung verkennt vor allem, dass die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu § 21 Nr. 3 WoGG andere Maßstäbe ansetzt und die Bestimmung des Mißbrauchsfalls anhand einer pauschalen und starren Vermögensgrenze ablehnt. Erforderlich ist stattdessen eine eingehende Prüfung nach den individuellen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Ziels der Wohngeldgewährung, durch Subventionierung der Wohnkosten angemessenes familiengerechtes Wohnen wirtschaftlich zu sichern, durchzuführen (Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 18. April 2013 - 5 C 21/12 - juris Rz. 13 und 14). Die Übertragung der Höchstgrenze aus den Verwaltungsvorschriften zu § 21 WoGG auf das Grundsicherungsrecht ist ferner befremdlich, weil diese ursprünglich aus dem nicht mehr gültigen § 6 Abs. 1 Vermögenssteuergesetz abgeleitet wurde, der ein Vermögen bis zu 120.000 Deutsche Mark als vermögenssteuerfrei vorsah, wie im Urteil des BVerwG ausführlich dargelegt. Die Ausrichtung an früheren Freibetragsgrenzen der seit Jahren abgeschafften Vermögenssteuer ist nach Auffassung des Senats nicht der geeignete Maßstab, um erhebliches Vermögen im Sinne des § 67 Abs. 2 SGB II zu bestimmen. Vielmehr kann in Anlehnung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ein Vermögen erst dann als erheblich angesehen werden, wenn es so deutlich oberhalb der Vermögensfreigrenzen des SGB II liegt, dass für jedermann offenkundig ist, dass die Gewährung existenzsichernder Leistungen nicht gerechtfertigt ist (Knickrehm in: Gagel SGB II, Stand September 2020, § 67 Rz. 21; Harich in: BeckOK Sozialrecht, Stand September 2020, § 67 SGB II Rz. 3; Groth in: jurisPK-SGB II, Stand Dezember 2020, § 67 Rz. 22). Dies kann bedeuten, dass im Einzelfall auch ein höheres Vermögen als 60.000 EUR als unerheblich angesehen werden kann (z.B. Betriebsvermögen), während in der konkreten Situation der Antragstellerin keine Erhöhung der in § 12 Abs. 2 SGB II vorgesehenen Vermögensfreibeträge als geboten erscheint.

Schließlich ist eine besondere Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Regelung vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht ersichtlich. Einem Anordnungsanspruch steht grundsätzlich entgegen, wenn der Antragsteller jedenfalls gegenwärtig auf eigene Mittel oder zumutbare Hilfe Dritter zurückgreifen kann. So können nach ständiger Rechtsprechung des Senats bei der Frage des Anordnungsgrundes auch finanzielle Mittel Berücksichtigung finden, die bei der materiellen Frage der Hilfebedürftigkeit außen vor bleiben, wie z.B. die Absetzbeträge beim Einkommen gemäß § 11b SGB II. Bei dem Schonvermögen nach § 12 Abs. 2 SGB II war der Senat bislang zurückhaltend, obwohl verfassungsrechtlich gegen dessen Berücksichtigung im Eilverfahren keine Bedenken bestehen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. Mai 2020 - 1 BvR 2289/19). Diese Zurückhaltung kann bei der vorliegenden Fallgestaltung aufgegeben werden, in der das vorhandene und jederzeit verwertbare Vermögen von 57.000 EUR in eklatanter Weise die gesetzlich vorgesehene, individuelle Grenze des Schonvermögens in Höhe von 6.600 EUR übersteigt. Die Antragstellerin hat weder erläutert und glaubhaft gemacht, wie dieses erhebliche Guthaben auf dem Girokonto zustande gekommen ist, noch dass sie eine sonstige unmittelbare, sachdienliche Verwendung dieses Betrages beabsichtigt. Zurecht hat das Sozialgericht deshalb darauf hingewiesen, dass es der Antragstellerin zumutbar ist, einen Teil dieses Vermögens zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes und zur sonstigen Vorsorge einzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.