Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 22.09.2020, Az.: L 11 AS 415/20 B ER

Übernahme der für eine Unterkunft zu zahlenden Mietkaufraten im Rahmen einer Leistungsgewährung nach dem SGB II; Immobilienerwerb nach Eintritt in den Leistungsbezug nach dem SGB II

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.09.2020
Aktenzeichen
L 11 AS 415/20 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 43318
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 17.07.2020 - AZ: S 21 AS 90/20 ER

Fundstellen

  • KomVerw/B 2022, 72-73
  • KomVerw/LSA 2022, 70
  • KomVerw/MV 2022, 66
  • KomVerw/S 2021, 285-287
  • KomVerw/S 2022, 68-69
  • KomVerw/T 2022, 66
  • RdW 2020, 744-745
  • WuM 2020, 735-738
  • ZfSH/SGB 2020, 677 (Pressemitteilung)
  • ZfSH/SGB 2021, 46-49
  • info also 2021, 94

Redaktioneller Leitsatz

Eine Übernahme von Mietkaufraten als KdU kommt nicht in Betracht, wenn ein Antragsteller eine Immobilie nicht schon vor Eintritt in den SGB II-Leistungsbezug, sondern erst danach erworben hat.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 17. Juli 2020 insoweit aufgehoben, als der Antragsgegner vorläufig verpflichtet worden ist, für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021 auch die sog Mietkaufraten in Höhe von 247,50 Euro pro Monat (in den bisherigen Leistungsbewilligungen als "Grundmiete" ausgewiesen) zu übernehmen.

Der Antragsgegner erstattet dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.

Gründe

I. Die Beschwerde des Antragsgegners richtet sich gegen die einstweilige Anordnung des Sozialgerichts (SG) Lüneburg vom 17. Juli 2020, soweit der Antragsgegner für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021 auch zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) hinsichtlich der vom Antragsteller für seine Unterkunft zu zahlenden (hälftigen) Mietkaufraten verpflichtet worden ist.

Der 1966 geborene Antragsteller bezieht seit Januar 2013 vom Antragsgegner durchgängig SGB II-Leistungen. Er lebt mit seiner 1970 geborenen Ehefrau zusammen, die keine Grundsicherungsleistungen, sondern eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (651,11 Euro pro Monat) sowie Pflegegeld (Pflegegrad 4 - 728,00 Euro pro Monat) erhält. Die Antragsteller bewohnen seit 2012 ein Einfamilienhaus mit 140 m² Wohnfläche auf einem 1.700 m² großen Grundstück.

Am 24. Mai 2013 schlossen der Antragsteller, seine Ehefrau sowie der Eigentümer des Hauses einen notariellen "Grundstücksmietkaufvertrag nebst Auflassung". Aus Teil A dieses Vertrags ergibt sich, dass die Grundschulden damals noch mit einem Gesamtbetrag von ca. 42.000,00 Euro valutierten. In Teil B ("Mietvertrag") war eine monatliche Miete von 550,00 Euro vorgesehen, wobei sich der Eigentümer verpflichtete, diese Miete bis zur Löschungsreife der Grundschulden zur Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeiten zu verwenden. Betriebs- und Nebenkosten (mit Ausnahme der Grundsteuer) sowie Kosten für Klein- und Schönheitsreparaturen sind vom Antragsteller und seiner Ehefrau zu tragen. In Teil C ("Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages") unterbreitete der Eigentümer dem Antragsteller und seiner Ehefrau ein zunächst bis zum 31. Dezember 2021 befristetes unwiderrufliches Kaufangebot für die Immobilie (vgl zur Widerrufsmöglichkeit bei außerordentlicher Kündigung des Mietverhältnisses: § 1 Abs 3 Teil C des Vertrags). Gleichzeitig bewilligte der Eigentümer eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Antragstellers und seiner Ehefrau. Teil E des Vertrags enthält einen Kaufvertrag, in dem der Kaufpreis für die Immobilie auf 55.000,00 Euro festgesetzt wurde. Sämtliche Mietzinszahlungen sowie die Mietkaution (1.000,00 Euro) sind in voller Höhe auf den Kaufpreis anzurechnen. § 1 Abs 1 Satz 3 des Kaufvertrags lautet wie folgt: "Der Käufer nimmt den Kauf an und verpflichtet sich zur Abnahme des Kaufobjekts".

Auch nachdem der Antragsteller diesen Vertrag im August 2017 beim Antragsgegner vorgelegt hatte, berücksichtigte der Antragsgegner bei ihm weiterhin kopfanteilig 247,50 pro Monat als KdU (in der Bedarfsberechnung als "Grundmiete" bezeichnet; vgl zuletzt für die Monate Januar bis Juli 2020: Bewilligungsbescheid vom 7. Januar 2020).

In der Zeit ab Januar 2020 forderte der Antragsgegner den Antragsteller mehrfach auf, ergänzende Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Ehefrau sowie zu den anfallenden Unterkunftskosten zu machen. Sodann nahm der Antragsgegner die Gewährung von SGB II-Leistungen für die Zeit ab 1. März 2020 hinsichtlich der Übernahme von Mietkaufraten als KdU zurück (Herabsetzung des monatlichen Leistungsbetrags von zunächst 645,45 Euro auf 327,42 Euro). Dies begründete der Antragsgegner damit, dass die Mietkaufraten bislang fälschlicherweise übernommenen worden seien und nicht mehr weiter berücksichtigt werden könnten (Änderungsbescheid vom 19. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2020, gegen den der Antragsteller vor dem SG das Klageverfahren S 21 AS 220/20 führt). Gegenstand dieses Klageverfahrens ist auch der später erlassene Aufhebungsbescheid vom 24. März 2020, mit dem der Antragsgegner die laufende Leistungsbewilligung mit Wirkung ab 1. April 2020 wegen "nicht ausreichend nachgewiesener" Hilfebedürftigkeit vollständig zurückgenommen hat.

In einem vorangegangenen Eilverfahren ordnete das SG die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Rücknahmebescheide mit der Begründung an, dass der Antragsgegner nicht das nach § 45 SGB X erforderliche Ermessen ausgeübt habe. Der Mietkaufvertrag sei dem Antragsgegner bereits seit August 2017 bekannt gewesen. Bislang sei auch nachgewiesen, dass keine Hilfebedürftigkeit mehr vorliege (Beschluss vom 23. April 2020 - S 21 AS 52/20 ER -). In Ausführung dieses Beschlusses zahlte der Antragsgegner dem Antragsteller die mit Bewilligungs- bzw Änderungsbescheiden vom 7. Januar und 11. Juni 2020 gewährten SGB II-Leistungen auch für die Monate April bis Juni 2020 in voller Höhe, dh iHv von 645,45 Euro aus.

Für den sich anschließenden und im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Folgezeitraum (1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021) erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller zunächst die Auskunft, dass aufgrund der Corona-Pandemie kein Weiterbewilligungsantrag erforderlich sei und die Weiterbewilligung von Amts wegen erfolge. Nachdem der Antragsteller jedoch bis Ende Juni 2020 weder einen Weiterbewilligungsbescheid noch Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab Juli 2020 erhalten hatte, stellte er am 30. Juni 2020 einen Weiterbewilligungsantrag. Der Antragsgegner forderte daraufhin sowohl den Antragsteller als auch seine Ehefrau zur Vorlage diverser Unterlagen auf.

Am 2. Juli 2020 hat der Antragsteller beim SG um einstweiligen Rechtsschutz für die Zeit ab 1. Juli 2020 nachgesucht.

Das SG hat den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021 vorläufig SGB II-Leistungen in bisheriger Höhe zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die SGB II-Leistungen gemäß § 67 SGB II (als Teil des aufgrund der Corona-Pandemie in Kraft getretenen Sozialschutz-Pakets) unter Annahme unveränderter Verhältnisse für 12 Monate weiter zu bewilligen seien. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner im vorangegangenen Bewilligungszeitraum Rücknahmebescheide erlassen habe. Das SG habe die aufschiebende Wirkung des diesbezüglichen Widerspruchs angeordnet. Die Leistungsgewährung aus dem vorangegangenen Bewilligungszeitraum sei in der Zeit ab 1. Juli 2020 unverändert fortzuführen. Nach § 67 Abs 5 Satz 3 SGB II bedürfe es keiner Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen im Einzelfall. Vielmehr sei zunächst zu bewilligen und ggf später zu überprüfen (Beschluss vom 17. Juli 2020).

Gegen diesen dem Antragsgegner am 17. Juli 2020 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 3. August 2020 eingegangene Beschwerde. Er wendet sich ausschließlich gegen die Verpflichtung zur vorläufigen Übernahme der sog Mietkaufraten als KdU-Leistungen, nicht jedoch gegen die Verpflichtung zur vorläufigen Leistungsgewährung im Übrigen (vgl Schriftsatz vom 13. August 2020 sowie Ausführungsbescheid vom 27. Juli 2020 - Bewilligung von SGB II-Leistungen iHv 327,42 Euro für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021). Für eine Berücksichtigung der Mietkaufraten als KdU fehle "schlicht eine Rechtsgrundlage". Mietkaufraten dienten dem Erwerb von Wohneigentum und damit dem Vermögensaufbau. Dass der Antragsgegner diese Mietkaufraten in der Vergangenheit "fälschlicherweise und entgegen seiner Rechtsauffassung" als Teil der KdU berücksichtigt habe, dürfe nicht dazu führen, auch weiterhin Leistungen zu Unrecht erbringen zu müssen.

Der Antragsteller hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Laut Mietvertrag habe er monatlich Miete an seinen Vermieter zu zahlen. Die Berücksichtigungsfähigkeit dieser Mietzahlungen könne erst entfallen, wenn das Eigentum an der Immobilie auf den Antragsteller übergehe. Es sei dem Verhandlungsgeschick des Antragstellers und seiner Ehefrau zu verdanken, dass die Mietzinszahlungen als Ratenzahlung zum Erwerb des Mietobjekts eingesetzt würden. Dies wirke sich auch positiv für die öffentliche Hand aus, da die Leistungspflicht des Antragstellers nicht auf Ewigkeit festgeschrieben werde.

Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsteller zunächst vorgetragen, dass seine Frau und er das Kaufangebot noch nicht angenommen hätten. Es sei allerdings nach wie vor beabsichtigt, die Immobilie zu erwerben. Dies solle erfolgen, sobald die gesamte Kaufsumme gezahlt sei (Schriftsatz vom 1. September 2020). Später ist dagegen vorgetragen worden, dass das Kaufangebot bereits angenommen worden sei und nur noch die Eigentumsübertragung ausstehe (Schriftsatz vom 7. September 2020). Der Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags ergebe sich aus § 1 des Kaufvertrags. Es sei zwar "offensichtlich so gewesen, dass die Beteiligten zunächst eine Angebots- und Annahmeregelung im Vertrag aufgenommen sehen wollten". Im Verlaufe der Verhandlungen hätten dann aber die Käufer (dh der Antragsteller und seine Ehefrau) das schuldrechtliche Angebot des Verkäufers sofort angenommen (Schriftsatz vom 17. September 2020). Vom ursprünglichen Kaufpreis iHv 55.000,00 Euro sei noch ein Teilbetrag von 6.150,00 Euro offen, nachdem seit Juni 2013 insgesamt 48.850,00 Euro für Miete und Mietsicherheit an den Vermieter gezahlt worden seien.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Es besteht kein Anordnungsanspruch für eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der (hälftigen) sog Mietkaufraten iHv 247,50 Euro (in den bisherigen Bewilligungsbescheiden als "Grundmiete" bezeichnet). Der angefochtene Beschluss ist insoweit aufzuheben.

Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von monatlich 247,50 Euro als KdU-Leistung (sog Mietkaufraten, vgl Schriftsatz des Antragsgegners vom 13. August 2020; vgl zu den KdU-Leistungen als eigenständiger und abtrennbarer Streitgegenstand: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 - B 14 AS 40/15 R -, SozR 4-1500 § 75 Nr 24, Rn 16 mwN).

Hinsichtlich dieses Streitgegenstands fehlt es an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderlichen Anordnungsanspruch, also an einem nach materiellem Recht bestehenden Anspruch auf die begehrte Leistung.

Nach § 22 Abs 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Aufwendungen, die der Vermögensbildung oder der Schuldentilgung dienen, können jedoch grundsätzlich nicht als KdU iSd § 22 Abs 1 SGB II anerkannt werden, weil die Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt sind (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl etwa: Urteil vom 12. Dezember 2019 - B 14 AS 26/18 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 106, Rn. 18). Entscheidend für den streitbefangenen Anspruch auf Übernahme der sog Mietkaufraten ist somit, ob es sich in der Sache um Mietzins oder aber um der Vermögensbildung bzw Schuldentilgung dienende Kaufpreisraten handelt.

Beim Mietkauf handelt es sich um einen sog Mischvertrag. Es existiert kein einheitlicher Typus des Mietkaufs, so dass die rechtliche Einordnung letztlich von den Umständen des Einzelfalles abhängig ist. Es kann sich um einen reinen Mietvertrag, Kaufvertrag oder auch Leasingvertrag handeln. Abzugrenzen ist nach dem Gesamtcharakter des Vertrages, ob der Vertragszweck der Parteien letztlich vorwiegend auf die Eigentumsübertragung oder aber auf die vorübergehende Gebrauchsüberlassung gerichtet ist (vgl hierzu insgesamt: Patzina in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 29a Rn 12). Den Regelfall eines Mietkaufs bildet der mit einer Kaufoption versehene Mietvertrag, bei dem der Vermieter dem Mieter das Recht einräumt, die Mietsache während der laufenden Mietzeit unter bestimmten Voraussetzungen zu kaufen, wobei die bis dahin gezahlte Miete ganz oder zum Teil auf den Kaufpreis angerechnet wird (vgl BGH, Urteil vom 15. März 1990 - I ZR 120/88 -, Rn 22). Solange der Mieter die Option zum Erwerb der Sache noch nicht ausgeübt hat, gilt ausschließlich Mietrecht. Nach Ausübung der Option gilt dagegen Kaufrecht (vgl H. Schmidt in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann (Hrsg), beck-online.Großkommentar zum Zivilrecht, Stand: Juli 2020, § 535 BGB Rn 81 mwN).

Der Antragsteller und seine Ehefrau haben die Kaufoption bereits ausgeübt und damit den Kaufvertrag über das von ihnen bewohnte Haus bereits geschlossen (so: Schriftsätze vom 7. und 17. September 2020). Soweit sie zuvor vorgetragen hatten, das Kaufangebot noch nicht angenommen zu haben, sondern erst bei vollständiger Zahlung des Kaufpreises annehmen zu wollen (Schriftsatz vom 1. September 2020), halten sie hieran auch nach mehrfacher Nachfrage des Senats nicht mehr fest. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, der selbst den Vertrag vom 24. Mai 2013 notariell beurkundet hat, im Einzelnen dargelegt, dass der Antragsteller und seine Ehefrau das Kaufangebot bereits beim damaligen Vertragsabschluss angenommen haben. Es stehe nur noch die Eigentumsübertragung aus (Schriftsatz vom 17. September 2020).

Nach den og zivilrechtlichen Grundsätzen gilt für den Grundstücksmietkaufvertrag vom 24. Mai 2013 somit seit Annahme des Kaufangebots (also bereits seit Vertragsschluss) Kaufrecht. Die monatlichen Zahlungen des Antragstellers und seiner Ehefrau stellen sich in der Sache als Kaufpreisraten dar, die der Vermögensbildung dienen, nämlich der Abzahlung der bereits mittels Kaufvertrag rechtswirksam gekauften Immobilie. Eine Anerkennung als KdU scheidet dementsprechend aus (so auch: LSG Bayern, Urteil vom 23. Februar 2017 - L 7 BK 6/15 -; LSG Schleswig-Holstein vom 14. Mai 2020 - L 6 AS 159/17 -), wobei es aufgrund der bei vollständiger Zahlung praktisch automatisch erfolgenden Eigentumsübertragung nicht darauf ankommt, dass der Antragsteller und seine Ehefrau bislang noch nicht Eigentümer der Immobilie sind (vgl hierzu nochmals: LSG Bayern, aaO, Rn 34; LSG Schleswig-Holstein, aaO, Rn 29 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom BSG, Urteil vom 04. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 78 - zu einem Leibrentenvertrag mit Rücktrittsvorbehalt bei Zahlungsverzug der Käufer). Lediglich für die Zeit vor Annahme des Kaufvertrags, in der Mietrecht Anwendung findet (s.o.), könnten die monatlichen "Mietkaufraten" des Antragstellers als Mietzins und damit als KdU iSd § 22 SGB II anerkannt werden (vgl hierzu etwa: Brehm, NZS 2020, 683).

Eine Übernahme der Mietkaufraten als KdU kommt auch nicht ausnahmsweise, nämlich im Hinblick auf die Restlaufzeit der Immobilienfinanzierung in Betracht (vgl hierzu: BSG, Urteil vom 16. Februar 2012 - B 4 AS 14/11 R -, Rn 23 mwN), weil der Antragsteller die Immobilie nicht schon vor Eintritt in den SGB II-Leistungsbezug (1. Januar 2013), sondern erst danach erworben hat (BSG, Urteil vom 16. Februar 2012, aaO, Rn 25 mwN).

Nach alledem erweist sich die Rechtsauffassung des Antragsgegners, wonach die laut Vertrag vom 24. Mai 2013 geschuldeten sog Mietkaufraten nicht als KdU iSd § 22 SGB II zu übernehmen sind, als materiell-rechtlich zutreffend.

Entgegen der Auffassung des SG ergibt sich ein Anordnungsanspruch auch nicht aus § 67 Abs 5 SGB II. Nach dieser Norm ist für die Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen, deren Bewilligungszeitraum in der Zeit vom 31. März 2020 bis vor dem 31. August 2020 endet, abweichend von § 37 SGB II kein erneuter Antrag erforderlich. Der zuletzt gestellte Antrag gilt insoweit einmalig für einen weiteren Bewilligungszeitraum fort. Die Leistungen werden unter der Annahme unveränderter Verhältnisse für zwölf Monate weiterbewilligt, wobei allerdings § 60 SGB I sowie die §§ 45, 48 und 50 SGB X unberührt bleiben.

Im Ausgangspunkt stimmt der Senat dem SG zu, wonach § 67 Abs 5 SGB II im vorliegenden Fall einschlägig ist. Schließlich endete der (vorangegangene) Bewilligungszeitraum des Antragstellers am 30. Juni 2020 und damit innerhalb des in § 67 Abs 5 Satz 1 SGB II genannten Zeitraums. Auch erfolgte im vorangegangenen Bewilligungszeitraum eine Übernahme der sog Mietkaufraten als KdU-Leistungen (iHv 247,50 Euro). Zwar hatte der Antragsgegner die Leistungsbewilligung insoweit mit Wirkung ab 1. März 2020 gemäß § 45 SGB X zurückgenommen (Bescheid vom 19. Februar 2020). Allerdings hatte das SG die aufschiebende Wirkung des hiergegen eingelegten Widerspruchs angeordnet (Beschluss vom 23. April 2020 - S 21 AS 52/20 ER -). Damit lag eine (tatsächliche) Leistungsbewilligung vor, die nach § 67 Abs 5 Satz 3 SGB II im nächsten Bewilligungsabschnitt fortgeführt werden konnte (vgl zur Bedeutung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines gegen einen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X eingelegten Widerspruchs für den Anspruch nach § 67 Abs 5 Satz 3 SGB II: LSG Bayern, Beschluss vom 20. April 2020 - L 16 AS 170/20 B ER -, Rn 24; Karl in: JurisPR-SozR 13/2020 Anmerkung 1 unter Abschnitt D. [letzter Absatz]).

Allerdings darf die Sondervorschrift nach § 67 Abs 5 Satz 3 SGB II nach allgemeiner Meinung nicht dazu führen, dass ein Jobcenter Grundsicherungsleistungen sehenden Auges zu Unrecht weitergewährt (vgl etwa: Groth in: jurisPR-SozR 7/2020 Anm 1; derselbe in: jurisPK-SGB II, 5. Auflage, Stand: 2020, § 67 Rn 43.1; Bittner, NZS 2020, 332, 334; Kellner, COVID-19 und Recht - COVuR - 2020, 172; Meßling in: Schlegel/Meßling/Bockholdt, COVID-19 - Corona-Gesetzgebung - Gesundheit und Soziales, 1. Auflage 2020, Rn 58; ähnlich auch: Harich in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht - BeckOK Sozialrecht -, 57. Edition 2020, § 67 SGB II, Rn 7; noch weitergehend: Köhler in Hauck/Noftz, SGB II, K § 67 Rn 36, wonach § 67 Abs 5 Satz 3 SGB II nicht zu einem "Wegfall" der Amtsermittlungspflicht führen soll). Dementsprechend können auch unter Berücksichtigung von § 67 Abs 5 SGB II Mietkaufraten, die der Vermögensbildung dienen, in einem neu beginnenden Bewilligungszeitraum nicht weiterhin als KdU-Leistungen übernommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Für einen vollen Kostenerstattungsanspruch des Antragstellers sprechen sein Teilerfolg (vgl Ausführungsbescheid vom 27. Juli 2020) sowie der Umstand, dass der Antragsgegner Anlass zur Beantragung von einstweiligem Rechtsschutz gegeben hat. Schließlich hatte er dem Antragsteller zunächst angekündigt, auch ohne Weiterbewilligungsantrag die SGB II-Leistungen fort zu bewilligen. Gleichwohl waren dem nach derzeitigem Sach- und Streitstand hilfebedürftigen Antragsteller zum Zeitpunkt der Beantragung von einstweiligem Rechtsschutz beim SG (2. Juli 2020) keine Grundsicherungsleistungen bewilligt oder ausgezahlt worden. Ein weiteres Zuwarten war dem Antragsteller nicht zuzumuten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).