Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.01.2016, Az.: 5 K 162/15

medizinische Fußpflege; Heilbehandlung; Fußpflege; Podologe

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.01.2016
Aktenzeichen
5 K 162/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43392
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der medizinischen Fußpflege (Podologie).

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG).

Die Gesellschafterinnen der Klägerin, Frau X und Frau Y betreiben in H eine Praxis für Podologie in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie behandelten im Streitjahr die Umsätze als steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz. Hinsichtlich der Umsätze aus dem Verkauf von Pflegeprodukten wurde die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG angewandt.

In der Zeit vom 29.02.2012 bis zum 25.10.2012 führte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) mit Unterbrechungen bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Die Prüfung umfasste die Zeiträume 2005 - 2009. Nach Auffassung der Prüferin erzielte die Klägerin im Prüfungszeitraum nicht nur von der Umsatzsteuer befreite, sondern auch steuerpflichtige Umsätze. Unter Anwendung von Abschnitt 4.14.1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vertrat die Prüferin die Rechtsauffassung, dass eine Befreiung von der Umsatzsteuer von podologischen Leistungen nur dann in Betracht kommt, wenn sie auf Grund ärztlicher Verordnung bzw. einer Verordnung eines Heilpraktikers oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht zur Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 31.10.2012 Bezug genommen.

Im Anschluss an die Umsatzsteuer-Sonderprüfung änderte das FA die Umsatzsteuerbescheide für den Prüfungszeitraum entsprechend der Prüfungsfeststellungen. Im Ergebnis wurde vom FA ein steuerpflichtiger Anteil an den Gesamtumsätzen der Klägerin von 25 % angenommen. In der Folge hat die Klägerin gegen den Umsatzsteuerbescheid 2007 Einspruch eingelegt, den das FA mit Einspruchsbescheid vom 08.07.2013 als unbegründet zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Klage. In der Klageschrift vom 02.08.2013 hat die Klägerin zunächst lediglich darauf verwiesen, dass sie ausschließlich umsatzsteuerfreie Einnahmen erziele. In der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2013 haben die Gesellschafterinnen der Klägerin erklärt, sie würden ausschließlich medizinische Behandlungen durchführen. Patienten mit kosmetischen „Problemen“ würden abgewiesen. Die Patienten kämen lediglich dann zur Behandlung, wenn der Fuß nicht leistungsfähig sei, wenn entsprechende Beschwerden vorhanden seien, wie z.B. eine Hyperkeratose. Daneben kämen überwiegend Diabetiker und Patienten, die mit Marcumar oder anderen blutverdünnenden Medikamenten behandelt würden. Es handele sich letztlich dabei also um sogenannte Risikopatienten. Ärztliche Verordnungen fänden überwiegend nicht statt, weil dies von den Ärzten in dieser Form nicht vorgenommen werden könne. Im Ergebnis käme also lediglich ein geringer Teil von Patienten auf Grund einer ärztlichen Verordnung zur Behandlung bei der Klägerin. Im Verlauf des Klageverfahrens hat sich die Klägerin damit einverstanden erklärt, dass 8 % der Umsätze als steuerpflichtig behandelt werden.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 08.07.2013 und des Umsatzsteueränderungsbescheides 2007 vom 15.11.2012, die Umsatzsteuer auf 0 € herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.

Das Gericht hat der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2013 aufgegeben, für einen Zeitraum von insgesamt drei Monaten (Januar - März 2007) dem Gericht eine Aufstellung zukommen zu lassen, welche Patienten mit welchen Diagnosen behandelt worden seien. Daneben sei die Behandlungsart und die Abrechnung darzustellen. Außerdem sei darzustellen, in welchen Fällen eine ärztliche Verordnung vorgelegen habe und in welchen Fällen dies nicht der Fall gewesen sei. Die Klägerin hat diese Unterlagen als Anlage zu einem Schriftsatz vom 26.03.2014 eingereicht.

In der weiteren Folge des Klageverfahrens hat das Gericht mit Beschluss vom 17.04.2014 das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs über die Revision im Verfahren zum Az. XI R 13/14 angeordnet. Nach der Entscheidung des BFH (Urteil vom 01.10.2014 - XI R 13/14) wurde das Verfahren im Juni 2015 wieder aufgenommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zutreffend hat das beklagte FA die Umsätze der Klägerin aus ihrer podologischen Tätigkeit teilweise als umsatzsteuerpflichtig behandelt. Soweit das FA lediglich 25 % als steuerpflichtig behandelt hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a) Satz 1 UStG sind umsatzsteuerfrei Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. Diese Vorschrift setzt Artikel 132 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) in nationales Recht um. Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen oder arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Steuer.

Der Begriff der „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ ist ein autonomer unionsrechtlicher Begriff (EuGH-Urteil vom 20.11.2003 -C-2012-01, BFH/NV Beilage 2004, 111 Rz. 35 - Rechtssache Unterpertinger). Er umfasst Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und - soweit möglich - Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen (BFH-Urteil vom 12.08.2004 - V R 27/02, BFH/NV 2005, 583; BFH-Urteil vom 01.10.2014 - XI R 13/14, BFH/NV 2015, 451). Folge ist, dass Leistungen, die keinem therapeutischen Ziel dienen, keine Heilbehandlungen sind (BFH/Urteil vom 15.07.2004, - V R 27/03, BStBl. II  2004, 862). Bei der Frage nach dem therapeutischen Zweck geht es um die Beurteilung einer medizinischen Frage, die auf medizinischen Feststellungen beruhen muss, die von dem entsprechenden Fachpersonal getroffen worden sind (EuGH-Urteil vom 21.03.2013 - C-91/12, UR 2013, 335, Rz. 34). Außerdem muss der Leistungserbringer über einen beruflichen Befähigungsnachweis verfügen.

Dies ist im vorliegenden Fall unstreitig, denn die Gesellschafterinnen der Klägerin verfügen über eine derartige Qualifikation. Dies ist vom beklagten FA nicht in Abrede gestellt worden.

Demgegenüber ist das Gericht allerdings zu der Rechtsauffassung gelangt, dass nicht die gesamte Tätigkeit der Klägerin als umsatzsteuerfrei im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG angesehen werden kann. Zwar hat der BFH in seiner Entscheidung vom 01.10.2014 (XI R 13/14, BFH/NV 2015, 451) zutreffend darauf verwiesen, dass der erforderliche Nachweis, ob eine fußpflegerische Leistung eine Heilbehandlung ist, auch ohne ärztliche Verordnung in Form eines Kassen- oder Privatrezepts geführt werden kann, wenn andere Unterlagen mit derselben Aussagekraft, wie einer ärztlichen Verordnung, vorgelegt werden, aus denen sich der therapeutische Zweck der Leistung ebenso eindeutig ergibt (Rz. 22 des BFH-Urteils vom 01.10.2014, a.a.O.). Aus der Systematik des Podologengesetzes - insbesondere § 3 des Podologengesetzes - ergibt sich jedoch, dass hinsichtlich der Leistungen der Podologen zu differenzieren ist. Einerseits erbringen sie „selbstindizierte“ Behandlungen, bei denen sich der Patient dafür entscheidet, einen Podologen in Anspruch zu nehmen und außerdem sogenannte „medizinisch indizierte“ Behandlungen, bei denen die Leistung unter ärztlicher Anleitung oder auf eine ärztliche Veranlassung hin erfolgt. Die „medizinisch indizierten“ Leistungen sind Heilbehandlungen, während „selbst indizierte“ Behandlungen keine Heilbehandlungen sind (BFH-Urteil vom 01.10.2014 - XI R 13/14 a.a.O.). Zwar wirken Podologen mit allen von ihnen erbrachten Leistungen, also auch den „selbst indizierten“ Behandlungen, bei der Prävention, Therapie und Rehabilitation von Fußerkrankungen mit. Allerdings handelt es sich sowohl beim Schneiden der Fußnägel als auch beim Entfernen von Hornhaut um Leistungen, die nicht nur therapeutischen, sondern auch anderen Zwecken - wie z.B. der allgemeinen Körperpflege oder kosmetischen Zwecken - dienen können. Zutreffend hat der BFH deshalb in seiner Entscheidung vom 01.10.2014 (XI R 13/14, a.a.O.) gefordert, dass zur zutreffenden Abgrenzung der steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen von Podologen grundsätzlich für jeden einzelnen Leistungsempfänger von dazu befähigtem Fachpersonal medizinische Feststellungen zum Zwecke der Leistung getroffen werden (so auch EuGH-Urteil vom 21.03.2013 - C-91/12 a.a.O.).

Im Streitfall liegen entsprechende Nachweise eines medizinischen Fachpersonals in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle nicht vor. Aus der Aufstellung, die die Gesellschafterinnen der Klägerin vorgelegt haben für den Zeitraum Januar - März 2007, ergibt sich, dass die Gesellschafterin Y insgesamt 653 Fußbehandlungen durchgeführt hat. Von diesen 653 Fußbehandlungen erfolgten 8 Behandlungen auf Grund einer ärztlichen Verordnung. Die Gesellschafterin X hat im gleichen Zeitraum 521 Behandlungen durchgeführt, davon erfolgten 24 mit einem Krankenkassenrezept und eine Behandlung mit einem Privatrezept. Daraus folgt, dass lediglich knapp 3 % der Behandlungen auf Grund einer ärztlichen Verordnung erfolgten. Andere Nachweise über eine medizinische Indikation durch medizinisches Fachpersonal hat die Klägerin nicht vorgelegt.

Daraus folgt, dass der ganz überwiegende Teil der Behandlungen als umsatzsteuerpflichtig hätten angesehen werden müssen. Das FA hat lediglich 25 % als steuerpflichtig behandelt. Damit ist insgesamt die Vorgehensweise des FA nicht zu beanstanden, denn das Gericht ist daran gehindert, eine Verböserung der vorgenommenen Feststellungen durchzuführen.

Gleichzeitig bedeutet dies jedoch, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben kann. Sie war deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.