Sozialgericht Hildesheim
Urt. v. 14.09.2017, Az.: S 46 AS 74/14
Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen eines Hilfebedürftigen bei Angemessenheit
Bibliographie
- Gericht
- SG Hildesheim
- Datum
- 14.09.2017
- Aktenzeichen
- S 46 AS 74/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 50298
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 22 Abs. 1 S. 1, 3 SGB II a.F.
Tenor:
Unter Abänderung des Bewilligungsbescheids vom 10.06.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11.09.2013, 18.11.2013 und 25.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19.12.2013 wird der Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat Dezember 2013 in Höhe von 7,69 Euro zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin zu 1) deren notwendige außergerichtliche Kosten zur Hälfte zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) für den Monat Dezember 2013.
Die am 02.05.1964 geborene Klägerin zu 1) stand mit ihrer am 08.04.1994 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2), im Jahr 2013 bei dem Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II. Die Klägerinnen bewohnen eine gemeinsame Wohnung im A-Straße, A-Stadt, für welche sie ab September 2013 an ihre Vermieterin pro Monat eine Nettokaltmiete von 286,86 Euro, einen Betriebskostenabschlag von 118,71 Euro, einen Heizkostenabschlag inkl. den Kosten für die Warmwasseraufbereitung von 127,42 Euro sowie einen Zuschlag für Modernisierung von 3,77 Euro, also insgesamt 536,76 Euro, zahlten. Die Wohnung wird von einer zentralen Gasheizung versorgt, die mehrere Wohnhäuser mit einer Gesamtwohnfläche von 1.879,63 m³ beheizt. Über diese Heizungsanlage erfolgt auch die Bereitstellung von Warmwasser.
Mit Schreiben vom 03.05.2013 teilte der Beklagte den Klägerinnen mit, dass die damaligen Heizkosten nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II seien und die Klägerinnen daher bis zum 30.11.2013 Gelegenheit hätten, ihr Verbrauchsverhalten in den kommenden sechs Monaten zu ändern. Der Beklagte ging zu damaligen Zeitpunkt im Falle der Klägerinnen von angemessenen Heizkosten in Höhe von monatlich 44,56 Euro, die er auf Grundlage des bis zum 24.06.2018 gültigen Energieausweises (Bl. 402-404 d. Verwaltungsakte) berechnete.
Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerinnen vom 20.05.2013 gewährte der Beklagte den Klägerinnen mit Bescheid vom 10.06.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Juli bis Dezember 2013, wobei der Beklagte bis einschließlich November 2013 die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten übernahm. Für Dezember 2013 erkannte der Beklagte die Heizkosten nur noch in Höhe von 44,56 Euro an. Wie mitgeteilt, würden die Heizkosten ab Dezember 2013 nur noch in angemessener Höhe anerkannt.
Hiergegen legten die Klägerinnen durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 04.07.2013, eingegangen beim Beklagten am 10.07.2013, Widerspruch ein. Die Berechnung von angemessenen Heizkosten in Höhe von 5,77 Euro pro Quadratmeter sei nicht nachvollziehbar. Die sich aus dem Energieausweis ergebenden Werte seien nicht zutreffend. Außerdem habe der Beklagte die Umstände des Einzelfalls, nämlich dass die Wohnung der Klägerinnen sich im Erdgeschoss befinde, nicht berücksichtigt.
Nachdem der Beklagte für den streitigen Monat weitere Änderungsbescheide unter dem 11.09.2013, 18.11.2013 und 25.11.2013 erlassen hatte, half er dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2013 teilweise insoweit ab, als er für den Monat Dezember 2013 Heizkosten in Höhe von 75,33 Euro anerkannte. Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. Für einen Zweipersonenhaushalt könnten ausgehend von einer angemessenen Wohnraumgröße von 60 Quadratmetern jährlich 714,00 Euro als angemessene Heizkosten anerkannt werden. Das ergebe sich aus dem kommunalen Heizspiegel des Landkreises A-Stadt 2012, wonach bei einer mit Erdgas betriebenen Heizung bei einer Gebäudefläche von mehr als 1.000 Quadratmetern von einem Richtwert von 11,90 Euro pro Jahr und Quadratmeter auszugehen sei. Dies entspreche monatlich 59,50 Euro. Hinzu kämen noch Pauschalen für die Warmwasserbereitung in Höhe von 8,79 Euro für die Klägerin zu 1) und 7,04 Euro für die Klägerin zu 2), woraus sich der anerkannte Betrag von 75,33 Euro ergäbe. Weil die Klägerinnen mit Schreiben vom 03.05.2013 auf die Unangemessenheit ihrer bisherigen Heizkosten hingewiesen worden seien, stünde ihnen kein Anspruch auf Übernahme der unangemessenen Heizkosten zu.
Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 19.12.2013 erkannte der Beklagte für den Monat Dezember 2013 angemessene Heizkosten in Höhe von 75,33 Euro an.
Die Klägerinnen haben mit Schreiben vom 10.01.2014, eingegangen am 13.01.2014, beim Sozialgericht A-Stadt Klage erhoben.
Sie sind der Auffassung, dass der Beklagte nicht hätte auf den kommunalen Heizspiegel 2012, basierend auf den Verbrauchswerten von 2011, zurückgreifen dürfen. Zum einen seien die Verbrauchswerte im Jahr 2013 nicht mehr aktuell, sondern seitdem gestiegen. Zum anderen sei der kommunale Heizspiegel 2013 bereits veröffentlicht gewesen. Auf die Veröffentlichung durch den Landkreis A-Stadt im Rahmen der jährlichen Geschäftsanweisung käme es nicht an. Vor Veröffentlichung des kommunalen Heizspiegels hätte der Beklagte zudem auf den bundesweiten Heizspiegel zurückgreifen müssen. Zumindest habe der Beklagte die sich aus dem Heizspiegel ergebenden Verbrauchswerte mit den aktuellen Energiepreisen zu multiplizieren gehabt. Die Werte aus dem kommunalen Heizspiegel bezögen sich außerdem nur auf die Raumwärme, nicht jedoch auf den Anteil, der auf die Warmwassererhitzung entfalle. Schließlich seien die tatsächlichen Heizkosten der Klägerinnen aufgrund der Lage der Wohnung im Erdgeschoss angemessen.
Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerinnen die Klage der Klägerin zu 2) im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, beantragt nur noch die Klägerin zu 1),
den Beklagten unter Abänderung des Bewilligungsbescheids vom 10.06.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11.09.2013, 18.11.2013 und 25.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19.12.2013 zu verurteilen, der Klägerin zu 1) weitere Kosten für Unterkunft und Heizung, ausgehend von den tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 127,42 EUR, zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des Widerspruchsbescheids. Zudem ist er der Auffassung, dass die Lage der Wohnung dadurch Berücksichtigung gefunden habe, dass der Wert im kommunalen Heizspiegel für "zu hohe" Heizkosten als angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angesehen werde. Zu Recht sei der kommunale Heizspiegel 2012 herangezogen worden, weil der Heizspiegel 2013 zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung noch nicht veröffentlich gewesen sei. Der Heizspiegel 2013 sei erst zum 01.01.2014 veröffentlicht worden.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Sitzungsprotokolls sowie der die Klägerinnen betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, welche der Kammer von Blatt 295 bis 564 im Zeitpunkt der Entscheidung vorlag und die zum Gegenstand der Beratung gemacht wurde.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage der Klägerin zu 1) ist teilweise in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Ihr steht ein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 zu. Insoweit sind die streitigen Bescheide rechtswidrig.
Streitgegenstand des Verfahrens sind die Ansprüche der Klägerin zu 1) zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19, 20 SGB II und deren Ansprüche auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II für die Zeit vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 sowie die diese Ansprüche regelnden Bescheide des Beklagten vom 10.06.2013, 11.09.2013, 18.11.2013 und 25.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19.12.2013. Eine ausdrückliche Beschränkung allein auf die Kosten für Unterkunft und Heizung erfolgte durch die Klägerin nicht (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R, Rn. 10, juris).
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Klägerin zu 1) hatte im Dezember 2013 das 49. Lebensjahr vollendet, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) an ihrem Wohnort in A-Stadt und damit in der Bundesrepublik Deutschland und war im Sinne des § 8 SGB II erwerbsfähig.
Ebenfalls war die Klägerin zu 1) hilfebedürftig. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Als Vermögen sind gemäß § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Die Klägerin verfügte im Dezember 2013 nicht über Einkommen oder Vermögen. Die Berechnung der Leistungen ist bis auf die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung von dem Beklagten zutreffend vorgenommen worden, sie steht insoweit zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Der Klägerin zu 1) steht jedoch im streitigen Zeitraum ein höherer Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung zu. Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Dabei sind die gesamten Bedarfe für Kosten für Unterkunft und Heizung hierfür unabhängig von Alter oder Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn mehrere Haushaltsmitglieder gemeinsam eine Unterkunft nutzen (s. Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 22 Rn. 70 mwN). Dementsprechend hat der Beklagte bei der Klägerin zu 1) 143,43 Euro Nettokaltmiete (286,86 Euro / 2 Haushaltsmitglieder), 59,35 Euro Nebenkostenabschlag (118,71 Euro / 2 Haushaltsmitglieder) sowie 1,88 Euro Modernisierungszuschlag (3,77 Euro / 2 Haushaltsmitglieder) berücksichtigt.
Zu Unrecht hat der Beklagte bei der Klägerin jedoch Heizkosten nur in Höhe von 37,66 Euro (75,33 Euro / 2 Haushaltsmitglieder) anerkannt. Der Klägerin zu 1) steht vielmehr ein Anspruch auf Anerkennung von Heizkosten in Höhe von 45,35 Euro zu. Dieser Betrag setzt sich aus den angemessenen Kosten für die Raumwärme in Höhe von 29,75 Euro sowie den angemessenen Kosten für die Warmwasseraufbereitung von 15,60 Euro zusammen.
Heizkosten sind im Rahmen der Wirtschaftlichkeit im vollen Umfang abhängig von der für den Haushalt abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl zu erstatten (BSG, Urteil v. 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R, Rn. 21 ff., juris). Zur Bestimmung der angemessenen Heizkosten sind die tatsächlich anfallenden Kosten mit einem Grenzwert abzugleichen, der kostspieliges und unwirtschaftliches Heizen indiziert. Soweit die tatsächlich anfallenden Heizkosten diesen Grenzwert nicht überschreiten, sind sie als angemessen anzusehen und vom Sozialleistungsträger zu übernehmen.
Im vorliegenden Fall fielen tatsächliche Heizkosten inklusive Kosten für die Warmwasseraufbereitung von monatlich 127,42 Euro an. Anhaltspunkte dafür, dass die Heizkosten unangemessen hoch seien, können sich insbesondere daraus ergeben, dass die tatsächlich anfallenden Kosten die durchschnittlich aufgewandten Kosten aller Verbraucher für eine Wohnung der den abstrakten Angemessenheitskriterien entsprechenden Größe signifikant überschreiten. Zur Bestimmung eines solchen Grenzwertes ist es für den Regelfall einer mit Öl, Erdgas oder Fernwärme beheizten Wohnung möglich, die von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegel", hilfsweise den "Bundesweiten Heizspiegel" heranzuziehen (BSG, Urteile vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R - Rn. 21, 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - Rn. 31, 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R - Rn. 29, 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R - Rn. 26, 16.04.2013 - B 14 AS 28/12 R - Rn. 43, 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R - Rn. 22, alle zitiert nach juris). Für den Landkreis A-Stadt wird seit dem 01.02.2012 jährlich ein kommunaler Heizspiegel erstellt, der hinsichtlich des Heizenergieverbrauchs zwischen "niedrig", "mittel", "erhöht" und "zu hoch" unterscheidet. Den Grenzwert der Angemessenheit bildet das Produkt aus der für den Haushalt der Leistungsberechtigten abstrakt angemessenen Wohnfläche und dem Wert, ab dem bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage "zu hohe" Heizkosten anfallen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1) ist dabei stets der Heizspiegel maßgeblich, der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bereits veröffentlicht war. Den Werten des Heizkostenspiegels aus späteren Jahren kommt hingegen keine Bedeutung zu (so BSG, Urteil v. 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R, Rn. 25; LSG G-Stadt-Brandenburg, Urteil v. 13.01.2016 - L 10 AS 480/12, Rn. 39; Urteil v. 09.04.2009 - L 34 AS 1050/13; Urteil v. 26.11.2009 - L 26 AS 407/07, Rn. 39; Thüring. LSG, Urteil v. 08.07.2015 - L 4 AS 718/14, Rn. 84; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.05.2015 - L 7 AS 980/12; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 20.12.2012 - L 6 AS 2272/11; Urteil v. 14.05.2012 - L 19 AS 2007/11), weil eine Absenkung auch bei Überschreiten des Grenzwertes nur aufgrund einer Angemessenheitsprüfung im Einzelfall erfolgen kann und sich die in Folge dieser Einzelfallprüfung zu zahlenden Heizkosten ohnehin nicht aus dem Heizspiegel ergeben (so BSG, Urteil v. 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R, Rn. 25). Zudem ist es aus Gründen der Rechtssicherheit geboten, nur auf den zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung veröffentlichten Heizspiegel abzustellen, weil Leistungsberechtigte ansonsten gehalten wären, gegen jeden Bewilligungsbescheid vorzugehen, um für den Fall günstigerer Werte in zukünftigen Heizspiegeln den Eintritt der Bestandskraft hinauszuzögern. Im Übrigen findet - wie der Beklagte zu Recht einwendet - in der Regel mit der Geltendmachung der Endabrechnung für eine abgelaufene Heizperiode ein Abgleich mit den dann veröffentlichten aktuelleren Vergleichswerten für den abgelaufenen Zeitraum statt.
Maßgeblich ist damit hier der am 01.01.2013 veröffentlichte kommunale Heizspiegel für den Landkreis A-Stadt 2012 mit den Vergleichswerten aus dem Jahr 2011. Keine Anwendung findet der am 01.01.2014 veröffentliche kommunale Heizspiegel 2013, da die letzte Behördenentscheidung im Dezember 2013 erfolgte. Vorliegend wird die Wohnung mit Erdgas beheizt. Die Heizungsanlage beheizt eine Gebäudefläche von mehr als 1.000 m². Der nach dem kommunalen Heizspiegel des Landkreises A-Stadt 2012 maßgebliche Faktor zu hohe Heizkosten beträgt somit 11,90 Euro je qm und Jahr. Multipliziert mit der höchstens angemessenen Wohnungsgröße für 2 Personen von höchstens 60 qm ergibt sich ein Grenzwert für angemessene Heizkosten von 714,00 Euro pro Jahr, also 59,50 Euro je Monat. Nach Kopfteilen entfallen hiervon 29,75 Euro auf die Klägerin zu 1).
Zwar kommt dem Grenzwert nicht die Funktion einer Quadratmeterhöchstgrenze mit der Folge zu, dass bei unangemessen hohen Heizkosten die Aufwendungen für die Heizung bis zu dieser Höhe, aber nur dieser Höhe übernommen werden müssten. Vielmehr stellt das Überschreiten des Grenzwertes nur ein Indiz für die fehlende Angemessenheit dar. Allerdings führt das Überschreiten des Grenzwertes zu einem Anscheinsbeweis zu Lasten des Leistungsberechtigten dahin, dass von unangemessen hohen Kosten auszugehen ist. Lässt sich nicht feststellen, dass im Einzelfall höhere Aufwendungen gleichwohl angemessen sind, treffen ihn die Folgen im Sinne der materiellen Beweislast (so BSG, Urteil v. 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R, Rn. 23, juris). Vorliegend trägt die Klägerin zu 1) vor, dass ihre tatsächlichen Heizkosten im Hinblick auf die Lage ihrer Wohnung im Erdgeschoss angemessen seien. Allein dieses Vorbringen stellt keinen Grund dafür dar, dass die für die Heizung anfallenden und über dem Grenzwert liegenden Aufwendungen im Einzelfall noch als angemessen anzusehen sein könnten. Mit dem Raumwärmeverlust ihrer Wohnung aufgrund der Lage der Wohnung im Erdgeschoss macht die Klägerin zu 1) letztlich einen ungünstigen energetischen Standard der Wohnung geltend. Ob ein solcher tatsächlich vorliegt, kann aus Sicht der Kammer bereits aufgrund des Energieausweises für das Wohngebäude (Bl. 402 ff d. Verw.Akte) bezweifelt werden. Denn aus diesem ergibt sich gerade ein eher günstiger End- und Primärenergiebedarf. Im Übrigen stellt eine fehlende energetische Sanierung gerade kein Indiz für angemessene Heizkosten dar (BSG, Urteil v. 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R, Rn. 27; Piepenstock in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22, Rn. 148).
Zu den angemessenen Heizkosten für die Raumwärme sind bei zentraler Warmwasserversorgung zudem die angemessenen Kosten für die Warmwasserbereitung als Teil der Heizkosten zu berücksichtigen. Sie sind in den monatlichen Abschlägen der Klägerin zu 1) an ihre Vermieterin enthalten. Der kommunale Heizspiegel für den Landkreis A-Stadt berücksichtigt den Aufwand, der für die Warmwasserbereitung anfällt, im Gegensatz zum bundesweiten Heizspiegel jedoch nicht. In den Fällen der zentralen Warmwasserversorgung ist die Berücksichtigung nur des angemessenen Warmwasserbedarfs in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nicht ausdrücklich geregelt. Für eine Begrenzung spricht aber, dass in § 21 Abs. 7 S. 2 SGB II auf den "angemessenen Warmwasserbedarf" bei zentraler Versorgung verwiesen wird und dass die parallele Neuregelung des § 35 Abs. 4 S. 1 SGB XII eine solche Begrenzung vorsieht (so Thüringer LSG, Urteil v. 08.07.2015 - L 4 AS 718/14, Rn. 86, juris). Zur Bestimmung der Angemessenheit sind daher die Warmwasserkosten - wie die Heizkosten - mit einem Grenzwert abzugleichen, der kostspieliges oder unwirtschaftliches Verhalten indiziert.
Der Beklagte zieht hierzu die Werte des § 21 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 - 4 SGB II zur Festlegung angemessener Kosten für die Warmwasseraufbereitung heran. Diese Werte sind zur Bestimmung einer Angemessenheitsgrenze jedoch ungeeignet, weil sie aus Sicht der Kammer keinen Grenzwert wiedergeben, bei deren Überschreiten von einer Kostenunangemessenheit auszugehen ist. Der Beklagte verkennt, dass für die Bestimmung von Angemessenheitsgrenzen nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II ein konkret-individueller Maßstab gilt und eine Pauschalierung unzulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R, Rn. 18 ff.). Die in § 21 Abs. 7 S. 2 SGB II festgelegten Pauschalen können daher nicht als gesetzlich normierte Angemessenheitsgrenze verstanden werden (so Sächs. LSG, Beschluss v. 11.09.2013 - L 7 AS 1574/12 NZB, Rn.18; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 28.05.2013 - L 9 AS 541/13 B, Rn. 14; SG A-Stadt, Urteil v. 04.04.2014 - S 15 AS 531/12, Rn. 23; SG G-Stadt, Urteil v. 27.05.2016 - S 37 AS 1974/16; Behrend in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 21, Rn. 141).
Zur Ermittlung des Grenzwertes für die Angemessenheit der Kosten der Warmwasserbereitung sind statt dessen zwei Ansätze denkbar. So wird zum einen vorgeschlagen, das Produkt aus dem doppelten Durchschnittswert der Kosten der Warmwasserbereitung nach der lokalen bzw. bundesweiten Betriebskostenübersicht und der abstrakt angemessenen Wohnfläche anzuwenden (s. Brehm/Schifferdecker, Der neue Warmwasserbedarf im SGB II, SGb 09/2011, 505, 508). Zum anderen könnte der im kommunalen Heizspiegel 2012 ausgewiesene Wert für die Warmwasserbereitung in Höhe von 2,27 Euro je m² und Jahr zugrunde gelegt werden (vgl. Thür. LSG, Urteil v. 08.07.2015 - L 4 AS 718/14, Rn. 86).
Nach Auffassung der Kammer ist die Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen für die Warmwasserbereitung anhand der Werte des kommunalen Heizspiegels ungeeignet. Denn der Wert aus dem kommunalen Heizspiegel stellt allein das statistischen Mittel der auf Gebäudegrößen bezogenen Warmwasseraufbereitungskosten im Landkreis A-Stadt dar. Es handelt sich lediglich um einen Richtwert zur ersten energetischen Beurteilung von Gebäuden unter Bereinigung von Warmwasserkosten (vgl. hierzu Eckhardt, Zur Frage der Angemessenheit der Energiekosten zur Bereitung von Warmwasser im SGB II, info also 2012, 200, 202). Dieser Wert ist damit für die Frage der Grenze von angemessenen Kosten für die Warmwasserbereitung ungeeignet (so auch SG G-Stadt, Urteil v. 27.05.2016 - S 37 AS 1974/16, Rn. 82-83, juris). Vorzugswürdig ist aus Sicht der Kammer vielmehr die Heranziehung der Werte aus dem Betriebskostenspiegel. Da die Warmwasserbedarfe mit einer erheblichen Spannbreite anfallen, wird mit dieser Berechnungsmethode sichergestellt, dass der Grenzwert nicht zu niedrig bemessen wird. Der anhand des doppelten Durchschnitts ermittelte Grenzwert trägt zum einen der Schwankungsbreite der Warmwasserkosten Rechnung und gewährleistet, dass unterkunftsbedingte erhöhte Bedarfe noch als angemessen gelten, und bietet zum anderen eine praktikable Angemessenheitsprüfung (so Brehm/Schifferdecker, Der neue Warmwasserbedarf im SGB II, SGb 09/2011, 505, 508). Nach dem Betriebskostenspiegel für die Bundesländer West mit den Daten 2011 (Datenerfassung 2012/2013) fallen für Warmwasser durchschnittlich 0,26 Euro pro m² und Monat an. Das Produkt aus diesem doppelten Durchschnittswert und der abstrakt angemessenen Wohnfläche eines Zweipersonenhaushaltes von 60 m² ergibt einen Grenzwert von 31,20 Euro pro Monat (= 2 x 0,26 Euro x 60 m²). Nach Kopfteilen entfallen auf die Klägerin zu 1) hiervon 15,60 Euro für den Monat Dezember 2013. Zusammen mit den angemessenen Heizkosten für die Raumwärme in Höhe von 29,75 Euro (s.o.) ergibt dies für die Klägerin zu 1) angemessenen Heizkosten von 45,35 Euro. Die Differenz von 7,69 Euro zwischen diesen Kosten und den vom Beklagten berücksichtigten Betrag von 37,66 Euro war der Klägerin zu 1) noch zuzusprechen.
Der Klägerin zu 1 steht ein Anspruch auf Übernahme der hierüber hinausgehenden unangemessenen Heizkosten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht zu. Hiernach sind die Aufwendungen, soweit sie den im Einzelfall angemessenen Umfang übersteigen, so lange als Bedarf anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate.
Vorliegend ist die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 03.05.2013 auf die Unangemessenheit ihrer Heizkosten hingewiesen worden. Ab Dezember 2013 erfolgte die angekündigte Absenkung. Die Klägerin wusste damit im streitgegenständlichen Zeitraum, dass sie die Heizkosten senken musste und sie nicht in voller Höhe erhalten würde. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Klägerin die Senkung ihrer Heizkosten, insbesondere durch einen Umzug oder die Veränderung ihres Heizverhaltens oder ihres Warmwasserverbrauchs, unzumutbar oder unmöglich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Zulassung der Berufung auf § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.