Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.02.1996, Az.: SS 486/95

Pflicht zur Verweisung einer Strafsache bei hinreichendem Tatverdacht eines in die Zuständigkeit des Schwurgerichts fallenden Verbrechens

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
26.02.1996
Aktenzeichen
SS 486/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 21011
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:0226.SS486.95.0A

Fundstelle

  • NStZ-RR 1996, 240-241 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Bei hinreichendem Tatverdacht eines in die Zuständigkeit des Schwurgerichts fallenden Verbrechens ist die Sache durch das Amtsgericht oder das Berufungsgericht dorthin zu verweisen.

Gründe

1

Da die Revision in zulässiger Weise erhoben worden ist, hatte der Senat von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1972, 18; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl., § 338 Rdnr. 32; LR Hanack, StPO, 24. Aufl., § 338 Rdnr. 69), ob die erkennenden Gerichte ihre Zuständigkeit zu Unrecht angenommen haben (§ 338 Nr.4 StPO).

2

Statt des Schöffengerichts bzw. des Landgerichts kleine Strafkammer war hier eine Gericht höherer Ordnung für die Entscheidung zuständig. Aus den Darlegungen des angefochtenen Urteils folgt nämlich, dass bei objektiver Betrachtung hinreichender Tatverdacht einer versuchten Tötung bestand. Das reicht aus, um gemäß § 74 Abs. 2 GVG die ausschließliche Zuständigkeit des Schwurgerichts zu begründen (BGH a.a.O.; Urteil des Senats vom 30. März 1992 Ss 85/93 = GA 1992, 471; vgl. auch BGH GA 1962, 149). Als kleine Strafkammer konnte das Landgericht nicht gemäß § 6 a StPO erstinstanzlich über die Sache entscheiden (vgl. dazu Anmerkung von Meyer in JR 1985, 522).

3

Das Landgericht hätte daher in der Hauptverhandlung die Sache nach § 270 StPO in Verbindung mit § 74 Abs. 2 GVG an das Schwurgericht verweisen müssen. Indem es den konkret in Betracht kommenden Tatbestand der versuchten Tötung selbst erörtert hat, hat es seine Zuständigkeit hierfür zu Unrecht im Sinne des § 338 Nr. 4 StPO angenommen (vgl. Beschluss des Senats a.a.O.). Diese unberechtigte Zuständigkeitsannahme lag, wie dies die genannte Bestimmung voraussetzt, auch noch bei Urteilsfindung vor. Zwar hat die Strafkammer den Angeklagten nicht wegen versuchter Tötung verurteilt, sondern nur wegen vollendeter gefährlicher Körperverletzung. Sie hat jedoch, da eine versuchte Tötung im Sinne der § 212, 22, 23 StGB bereits auf Grund des erwähnten äußeren Erscheinungsbildes infolge des Stichs unterhalb des Brustkorbes auf der Herzseite des Opfers konkret nahe lag, zugleich durch Feststellungen, die die Annahme einer versuchten Tötung nicht ohne weiteres vollständig entkräfteten, inzident in negativer Weise über die versuchte Tötung befunden. Auch diese negative Entscheidung ist ein Teil der Urteilsfällung. Sie ist grundsätzlich dem Schwurgericht vorbehalten und durfte daher nicht von der dafür nicht zuständigen kleinen Strafkammer getroffen werden (a.a.O.). Unabhängig von der Frage, ob ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht im Ergebnis vorlag, ist für diese negative Entscheidung das Schwurgericht zuständig. Denn ein strafbefreiender Rücktritt stand im vorliegenden Fall nicht derart eindeutig fest, dass deswegen ein konkreter Tatverdacht des versuchten Totschlags nicht zu bejahen gewesen wäre.