Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 07.03.2000, Az.: 9 U 95/99
Postbote hat gegen den Hauseigentümer keinen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Streupflicht auf der Zuwegung von der Straße zum Briefkasten auf dem Grundstück; Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Form einer Streupflicht als Hauseigentümer auf der Zuwegung von der Straße zu dem Briefkasten auf dem Grundstück
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 07.03.2000
- Aktenzeichen
- 9 U 95/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 34130
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2000:0307.9U95.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 29.10.1999 - AZ: 4 O 1908/99
Rechtsgrundlage
- § 823 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- VersR 2001, 117-118 (Volltext mit red. LS)
- ZAP EN-Nr. 0/2001
- zfs 2001, 59-60
In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 08. Februar 2000
durch
die Richter
...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 29.10.1999 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 16.500 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000 DM.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz und die Feststellung der Haftung für weitere Schäden unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung.
Der Kläger wollte als Postbeamter am 9.12.1998 gegen 13.00 Uhr auf dem Grundstück der Beklagten in Vxxx xxx Post in den Briefkasten einwerfen. Der Briefkasten befand sich an dem Haus der Beklagten, welches nicht direkt an der Straße liegt. Wegen Glatteises auf dem Zugangsweg stürzte er auf dem Rückweg und verletzte sich dabei.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagten hätten ihre Streupflicht verletzt, und hat deshalb ein Schmerzensgeld für die Zeit bis zum 31.12.1999 sowie von da ab eine Schmerzensgeldrente in Höhe von monatlich 250,- DM begehrt.
Er hat behauptet, an diesem Tage habe es bis um 9.00 Uhr in Vxxx auf dem gefrorenen Boden geregnet. Danach habe der Regen aufgehört. Die Nachbargrundstücke seien abgestreut gewesen. Durch den Sturz habe er eine äußerst starke Prellung und Stauchung der Wirbelsäule erlitten, die zu seiner Dienstunfähigkeit geführt habe. Er habe sich wiederholt für mehrere Wochen in stationäre Krankenhausbehandlung begeben müssen und befinde sich noch in ständiger ambulanter Behandlung. Ihm stehe wegen der ständigen Funktionseinschränkungen und der Schmerzen ein jahrelanger Leidensweg bevor.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
- 1.)
an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum vom 9.12.1998 bis zum 31.8.1999 nebst 4% Zinsen hierauf seit dem 16.3.1999 zu zahlen;
- 2.)
an ihn eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 250,- DM, monatlich im Voraus zum 1. des Monats zu bezahlen,
- 3.)
festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere, soweit sie nach dem 31.8.1998 entstehen - aus dem Unfallereignis vom 9.12.1998 auf dem Hausgrundstück, xxx, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben vorgetragen, die Wetterlage habe ein ständiges Streuen nicht zugelassen. Es habe bis zum Mittag weiter geregnet. Der Kläger habe gewußt, dass sie lediglich am Wochenende das Haus bewohnt hätten. Er hätte deswegen die Zuwegung nicht benutzen dürfen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Kxxx und der Zeugin Sxxx entsprechend der prozeßleitenden Vertilgung vom 19.10.1999 sowie durch Einholung eines Gutachtens des Dipl-Met. Wxxx vom Deutschen Wetterdienst. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.10.1999 und das Gutachten vom 27.10.1999 verwiesen.
Das Landgericht hat sodann die Klage abgewiesen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten habe der Kläger nicht bewiesen. Wegen der extremen Witterungsverhältnisse zum Unfallzeitpunkt habe keine Streupflicht bestanden. Etwa ab 11.00 Uhr am Unfalltage habe die extreme Witterungslage mit sich beständig erneuerndem Glatteis bestanden.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Er behauptet weiterhin, ab 9.00 Uhr habe es an diesem Tage nicht mehr geregnet. Ein Streuen wäre nicht zwecklos gewesen. Die gegenteilige Aussage des Zeugen Kxxx sei unglaubhaft.
Der Kläger beantragt,
- 1.)
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum vom 9.12.1998 bis 31.12.1999 nebst 4% Zinsen hierauf seit dem 16.3.1999 zu zahlen,
- 2.)
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 250,- DM monatlich jeweils im voraus zum 1. des Monats zu bezahlen,
- 3.)
festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere, soweit sie nach, dem 31.12.1999 entstehen - aus dem Unfallereignis vom 9.12.1998 auf dem Hausgrundstück xxx zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Es habe bis zum Mittag hin weiter geregnet. Im übrigen treffe den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden. Er habe auf einem Schneestreifen neben dem Eingangsweg ungefährdet den Briefkasten erreichen können.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Rxxx Kxxx, xxx und xxx Kxxx, xxx und xxx Sxxx. Hinsichtlich des Beweisthemas und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2000 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in Form einer Streupflicht als Hauseigentümer auf ihrer Zuwegung von der Straße zu ihrem Briefkasten auf dem Grundstück.
Eine Streupflicht bestand für die Beklagten als Privatpersonen zum Zeitpunkt des Unfalles des Klägers nach Überzeugung des Senates nicht. Denn sie besteht nur in den Grenzen des Zumutbaren (vgl. für sich ständig erneuerndem Glatteis etwa OLG Brandenburg OLGR 1999, 41.9 und Geigel-Schlegelmilch Haftpflichtprozeß, 22. Aufl. Kapitel 14 Rn. 152).
Es war den Beklagten zu dem Zeitpunkt nicht zu verlangen, schon gestreut zu haben. Dies folgt für den Senat aus der Beweisaufnahme. An dem Unfalltag, dem 9.12.1998, hatte es in Vxxx Eisregen gegeben, der zu einer extremen Glätte geführt hatte, wie alle Zeugen bestätigten. Der Regen hatte am Morgen auf gefrorenem Boden eingesetzt und hatte sich als Nieselregen bis in den Vormittag hinein jedenfalls im Bereich des Unfallortes immer weiter fortgesetzt. Dies haben übereinstimmend die Zeugen xxx Kxxx, xxx und xxx Sxxx ausgesagt. Der Zeuge Kxxx insbesondere hat angegeben, es habe noch etwa eine halbe Stunde vor dem Unfall geregnet. Dem stehen die Aussagen der Zeugen Rxxx und Kxxx nicht entgegen. Rxxx konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob es Eisregen gegeben hatte. Kxxx meinte, es habe nur morgens geregnet, danach aber nicht mehr. Sicher war sich der Zeuge insoweit jedoch nicht. Dies führt nicht dazu, den anschaulichen Schilderungen der Zeugen Kxxx und Sxxx beide Nachbarn der Beklagten, nicht zu folgen. Deren Ausagen decken sich im übrigen auch mit dem Gutachten des Dipl-Met. Wxxx vom Deutschen Wetterdienst. Denn danach war mäßiger Regen auch in der Zeit von 9.30 Uhr bis 11.00 Uhr möglich, während nach 11.00 Uhr zumindest zeitweise leichter Regen oder Sprühregen aufgetreten war.
Zudem haben die Zeugen xxx und xxx Kxxx berichtet, dass es bei ihnen trotz zweimaligen eigenen Streuens zur Unfallzeit, glatt war. Auch der Zeuge Sxxx hat die Auffassung vertreten, dass Streuen nichts genutzt hätte. Auch wenn der Zeuge Rxxx seinerseits berichtet, dass bei ihm nach dem Abstreuen das Gehen zur Zustellung eines Paketes an ihn direkt nach dem Unfall des Klägers möglich war, das Abstreuen bei ihm also erfolgreich war, folgt daraus für den Senat nicht, dass zu der Zeit, als der Kläger stürzte, schon jeder Private seine Einfahrt zum Briefkasten gestreut haben mußte, was im übrigen nach Aussagen des Zeugen Kxxx bei den Privathaushalten eher weniger der Fall war.. Denn in dieser besonderen Wettersituation, gekennzeichnet auch durch Warnhinweise im Radio und im Fernsehen, konnte ein Abstreuen jedenfalls auf dem Privatgrundstück zur Unfallzeit noch nicht verlangt werden.
Im übrigen stände dem Kläger auch bei Annahme kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu. Denn es wäre ein Mitverschulden des Klägers anzunehmen, hinter welchem das Verschulden der Beklagten völlig zurücktreten würde. Denn der Kläger ist mit normalen Schuhwerk nach Aussagen der Zeugin Kxxx echt flott gegangen. Er hatte selber nach eigenen Angaben selbst gesehen, dass es auf der Auffahrt der Beklagten eisglatt war. Hinzu kommt, dass der Kläger auf dem Rückweg vom Briefkasten auf der in dieser Richtung abschüssigen Ausfahrt gestürzt ist. Er hätte, wenn auch mit etwas Umweg, über ein schneebedecktes Rasenstück neben der gepflasterten Auffahrt gehen können und damit die Stelle, an der er gestürzt ist, umgangen und nur ein kleines Stück auf dem Pflaster gehen müssen. Bei einem solchen Verhalten träte eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, falls man sie bejahen würde, hinter dem Mitverschulden des Beklagten zurück.
Die Berufung ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 546 ZPO.