Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 08.03.2000, Az.: 2 U 2/00

Anspruch gegen einen Landwirt in einem Deckungsprozess aus einer durch ihn unterhaltenen Haftpflichtversicherung wegen eines Schadens auf Grund einer Viehlieferung; Vereinbarkeit eines Ausschlusses der Inanspruchnahme einer Versicherung bei einem durch Krankheit von Tieren entstandenen Schaden mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
08.03.2000
Aktenzeichen
2 U 2/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 33471
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2000:0308.2U2.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 23.11.1999 - AZ: 7 O 537/97

Fundstellen

  • NJW-RR 2000, 985-986 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVersZ 2000, 535-536
  • OLGReport Gerichtsort 2000, 142
  • VersR 2001, 91-92 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2000
durch
die Richter ... ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23. November 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 5.352,91 DM nebst 4% Zinsen seit dem 16. März 1998 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug beträgt bis zu 45.000,- DM.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 60.000,- DM.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten im Deckungsschutzprozess aus einer bei ihm unterhaltenen Haftpflichtversicherung wegen eines Schadens auf Grund einer Viehlieferung vom 28.09.1995 in Anspruch.

2

Sie hat dem Landwirt V... L... in O... 20 tragende Sauen geliefert, die mit der Aujeszkyschen Krankheit (im Folgenden: AK) infiziert waren und den gesamten Bestand L...s verseucht haben. Im Haftpflichtprozess ist sie durch Urteil des OLG Naumburg vom 12.08.1997 (9 U 974/97) verurteilt worden, an L... Schadensersatz in Höhe von 29.762,39 DM nebst Zinsen zu zahlen. Sie macht diesen Betrag abzüglich des Kaufpreises für die gelieferten Tiere gegenüber dem Beklagten geltend; ferner begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr die Kosten des Haftpflichtprozesses zu erstatten. Der Beklagte hat Widerklage erhoben und begehrt Rückzahlung der teilweise von ihm im Wege des Vorschusses gezahlten Kosten des Haftpflichtprozesses.

3

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf das am 23.11.1999 verkündete Urteil wird Bezug genommen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung.

4

Er beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen sowie auf seine Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an ihn 5.352,91 DM nebst 4% Zinsen seit dem 19.1.1998 zu zahlen.

5

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

6

Wegen des Vorbringens im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

7

Die Berufung hat im Wesentlichen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Widerklage ist dagegen überwiegend begründet.

8

I.

Klage

9

Der geltend gemachte Anspruch besteht nicht, denn die Leistungspflicht des Beklagten ist gemäß § 4 II Ziff. 4 AHB ausgeschlossen. Nach dieser Vertragsbedingung sind vom Versicherungsschutz u.a. nicht umfasst Sachschäden, die durch Krankheit der dem Versicherungsnehmer gehörenden, von ihm gehaltenen oder veräußerten Tiere entstanden sind, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.

10

1.

Die Bedingung ist wirksam. Es liegt kein Verstoß gegen das AGBG vor.

11

a)

Gegen den in der Klausel zunächst geregelten Ausschluss für durch Tierkrankheiten entstandene Sachschäden bestehen keine Bedenken. Ein Widerspruch gegen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung (§ 9 Abs. 2 Ziff. 1 AGBG) kommt nicht in Betracht. Auch liegt kein Verstoß gegen das aus § 9 AGBG folgende Transparenzgebot vor, wonach der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach Treu und Glauben gehalten ist, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (BGH VersR 1994, 1049, 1050; BGH VersR 1997, 1517, 1519[BGH 08.10.1997 - IV ZR 220/96]; BGH VersR 1999, 710, 711[BGH 24.03.1999 - IV ZR 90/98]). Die Klausel ist eindeutig. Für den Versicherungsnehmer ist der damit verbundene Nachteil, nämlich der generelle Ausschluss für durch Tierkrankheiten verursachte Sachschäden, zweifelsfrei erkennbar.

12

b)

Nach der genannten Bedingung gilt der Ausschluss allerdings dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. Gegen die Wirksamkeit auch dieses Teil der Klausel bestehen nach überwiegender und zutreffender Auffassung keine Bedenken (vgl. BGH NJW 1970, 1097; Späte, AHB, § 4 Rdn. 250; zweifelnd Prölss/Martin - Voit, VVG, 26. Aufl., § 4 AHB Rdn. 97).

13

§ 11 Nr. 15 AGBG greift vorliegend nicht ein, denn durch die Vertragsbedingung wird keine gesetzlich vorgesehene Beweislastverteilung verändert. Die in den §§ 61, 152 VVG getroffenen Regelungen, wonach nur bei einem vom Versicherer zu beweisenden vorsätzlichen bzw. grob fahrlässigen Handeln des Versicherungsnehmers der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist, sind nicht einschlägig. Denn die genannten gesetzlichen Bestimmungen betreffen nur den ansonsten eingetretenen Versicherungsfall. Die Klausel des § 4 II Nr. 4 AHB enthält jedoch einen Risikoausschluss, der lediglich zu Gunsten des Versicherungsnehmers eingeschränkt wird, falls dieser beweisen kann, dass er den Versicherungsfall nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

14

Angesichts der Eindeutigkeit der Regelung, welche zudem mit dem deutlichen Eingangssatz "Ausgeschlossen von der Versicherung bleiben:" überschrieben ist, vermag der Senat auch insoweit keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot festzustellen; ebenso wenig stellt die Bedingung eine überraschende Klausel im Sinn von § 3 AGBG dar.

15

2.

Der Anwendung des § 4 II Nr. 4 AGB steht auch nicht das Schreiben des Beklagten vom 20.12.1995 an die Rechtsvorgängerin der Klägerin entgegen. Darin heißt es, es werde im Rahmen der dem Vertrag zu Grunde liegenden AHB Versicherungsschutz auch für Schäden gewährt, die durch die Übertragung von Krankheiten veräußerter Tiere entstünden, der Versicherungsschutz bestehe jedoch nur dann, wenn weder eine vorsätzliche noch eine grob fahrlässige Handlung vorgelegen habe. Damit hat der Beklagte indes, zumal ausdrücklich auf ein beigefügtes Exemplar der AHB Bezug genommen worden ist, erkennbar keine über den Wortlaut der AHB hinausgehende Verpflichtung eingehen wollen, sondern insbesondere mit dem Zusatz, wonach Versicherungsschutz "nur dann" bestehe, wenn die Versicherungsnehmerin nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe, hinreichend deutlich gemacht, dass eine Leistungsverpflichtung eben nur bedingungsgemäß in dem genannten Ausnahmefall bestehe.

16

3.

Der danach entgegen der Ansicht des Landgerichts der Klägerin obliegende Beweis mangelnden vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens der Klägerin bei der Herbeiführung des Versicherungsfalls ist nicht geführt.

17

Allerdings haben sich auf Grund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für das Gegenteil ergeben, nämlich dafür, dass der Geschäftsführer der Klägerin bei Lieferung der Tiere den Verdacht haben musste oder sogar hatte, dass diese mit AK infiziert seien. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zu Gunsten der Klägerin insbesondere, dass bei einer tierärztlichen Untersuchung am 28.09.1995 im Bestand in Jerchel keine Erkrankungen festgestellt worden sind.

18

Gleichwohl ist der Verdacht eines vorsätzlichen Handelns des Geschäftsführers der Klägerin nicht von der Hand zu weisen. Denn im Haftpflichtprozess haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestritten, dass die gelieferten Tiere im Zeitpunkt der Übergabe mit AK infiziert gewesen seien (vgl. z.B. Seite 3 der Klageerwiderung dort). Ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils des OLG Naumburg vom 12.08.1997 hat der Geschäftsführer der Klägerin jedoch im Termin vom 29.07.1997 die Behauptung, dass die Tiere schon im Zeitpunkt der Lieferung infiziert gewesen seien, ausdrücklich unstreitig gestellt. Die insoweit denkbare Möglichkeit eines kollusiven Zusammenwirkens der Parteien des Haftpflichtprozesses zu Lasten des jetzigen Beklagten muss hier außer Betracht bleiben, da im Berufungsverfahren dergleichen vom Beklagten nicht mehr geltend gemacht wird. Jedoch ist danach der Verdacht, dass der Geschäftsführer der Klägerin von einer Infizierung der gelieferten Tiere im Zeitpunkt der Übergabe - aus welchen Gründen auch immer - gewusst hat, nicht ausgeräumt; denn nur, wenn er von einer Erkrankung im Zeitpunkt der Lieferung Kenntnis hatte, hatte er vernünftigerweise einen Anlass, die entscheidungserhebliche streitige Tatsache der Erkrankung vor Lieferung vor dem OLG Naumburg einzuräumen.

19

II.

Widerklage

20

Die Widerklage hat im Wesentlichen Erfolg. Lediglich hinsichtlich des Zinszeitpunkts ist sie in geringem Umfang unbegründet.

21

Die geltend gemachten Prozesskosten von 5.352,91 DM hat die Klägerin als Vorschuss vom Beklagten rechtsgrundlos (§ 812 Abs. 1 BGB) erhalten, da sie - wie oben dargelegt - keinen Anspruch auf Versicherungsschutz hatte. Der Zinsanspruch besteht gemäߧ§ 288, 291 BGB ab Rechtshängigkeit der Widerklage, welche ausweislich des bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses jedoch erst am 16.03.1998 eingetreten ist.

22

III.

Nebenentscheidungen

23

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 1 und 2 ZPO.