Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 18.06.2009, Az.: 1 A 666/08

Ausnahme; Bestattungspflicht; Härtefall; Sorgerechtsentzug; Verhältnismäßigkeit; teleologische Reduktion

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
18.06.2009
Aktenzeichen
1 A 666/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 44527
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2009:0618.1A666.08.0A

Amtlicher Leitsatz

Auch nach Inkrafttreten des § 8 Nds. BestattG, welcher selbst keine Ausnahmen von der Bestattungspflicht vorsieht, sind Ausnahmen nach allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, einzuräumen.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zur Tragung von Bestattungskosten für seinen verstorbenen Vater.

2

Der im Jahr 1980 geborene Kläger ist der Sohn des am 17. Februar 2008 verstorbenen F., der noch einen Sohn, G., hinterlässt. Herr H. war trockener Alkoholiker, geschieden und lebte in den vergangenen 25 Jahren in verschiedenen Obdachlosenunterkünften oder in Einrichtungen der Guttempler. Zu seinen Söhnen bestand in den letzten 25 Jahren kein Kontakt; sie sind nach einer Herausnahme durch das Jugendamt in einer Pflegefamilie aufgewachsen. Die elterliche Sorge war den Eltern entzogen und mit Beschluss des Amtsgerichts I. vom 07. März 1985 (Az.: J.) dem Jugendamt als Vormund übertragen worden.

3

Da niemand für die Bestattung des Verstorbenen sorgte, ordnete die Beklagte die Bestattung an und übertrug diese dem Beerdigungsinstitut K. in L.. Die Kosten der Bestattung beliefen sich auf 1 570,66 €.

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Mit Schreiben vom 18. März 2008 wandte sich die Beklagte an den Kläger und teilte ihm mit, dass die Bestattung seines Vaters, H., von ihr gemäß § 11 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) angeordnet und dem Bestattungsinstitut K. in L. übertragen worden sei. Diese Maßnahme sei erforderlich gewesen, da bestattungspflichtige Angehörige zunächst nicht zu ermitteln gewesen seien. Nach § 8 Abs. 3 des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (BestattG) hätten für die Bestattung der verstorbenen Person nach den Ehegatten die Kinder zu sorgen. Aufgrund der Vorschrift des § 8 Abs. 4 BestattG hafteten die zur Bestattung verpflichteten Personen gegenüber der Gemeinde als Gesamtschuldner. Die Kosten der Bestattung würden laut anliegender Rechnung 1 570,66 € betragen, zuzüglich der zu erhebenden Verwaltungsgebühr in Höhe von 250,00 €. Da sie, die Beklagte, sich ggf. gezwungen sehe, ihre Ansprüche auf dem Klagewege durchzusetzen, bat sie um Mitteilung, ob die dargestellte Sachlage zutreffend sei.

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Der Kläger wies mit Schreiben vom 23. März 2008 darauf hin, dass ihm nicht bekannt sei, ob es sich bei der benannten Person, H., um seinen rechtlichen Vater handele. Er sei 1984 im Alter von 3 1/2 Jahren durch das Jugendamt M. bei den Eheleuten N., in Pflegschaft gegeben worden. Grund hierfür sei die fortwährende Misshandlung durch seinen Vater gewesen. Kontakt zum leiblichen Vater habe seit diesem Zeitpunkt naturgemäß nicht mehr bestanden. Selbst wenn es sich bei dem Verstorbenen tatsächlich um seinen Vater handeln sollte, so dürfte bei der vorgenannten Sachlage davon auszugehen sein, dass die Übernahme der Beerdigungskosten durch ihn unzumutbar sei. Nach allgemeinen Billigkeitsgrundsätzen habe ein Bestattungspflichtiger dann nicht für die Kosten der Beerdigung einzustehen, wenn dem Verstorbenen das Sorgerecht entzogen worden sei oder der Bestattungspflichtige vom Verstorbenen misshandelt worden sei. Im vorliegenden Fall träfen beide Voraussetzungen zu. Wie die Pflegschaft beweise, sei seinem gesetzlichen Vater vor dem Hintergrund körperlicher Misshandlungen das Sorgerecht entzogen worden.

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Mit rechtmittelfähigem Bescheid vom 15. April 2008 forderte die Beklagte den Kläger zur Erstattung der Kosten der Bestattung für seinen Vater H. in Höhe von 1 570,66 € zuzüglich einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 250,00 €, d.h. insgesamt 1 820,66 € auf. Er trete als Sohn des Verstorbenen mangels bestattungspflichtiger Angehöriger nach § 8 Abs. 3 Ziffer 1 BestattG (Ehegatten) als nachrangig Verpflichteter an deren Stelle. Die Kosten der Bestattung seien zunächst von ihr, der Beklagten, verauslagt worden.

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Der Kläger hat am 07. Mai 2008 Klage erhoben.

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Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, dass zunächst die Vaterschaft des Verstorbenen mit Nichtwissen bestritten werde. Er sei im Alter von 3 1/2 Jahren wegen fortgesetzter körperlicher Misshandlung durch die leiblichen Eltern vom seinerzeitigen Jugendamt M. in eine Pflegefamilie gegeben worden. Dies könne durch eine eidesstattliche Versicherung des Pflegevaters belegt werden. Zudem hätte das Jugendamt ein 3-jähriges Kind kaum ohne Grund in eine Pflegefamilie gegeben. Aus einem Beschluss des Amtsgerichts I. vom 07. März 1985 ergebe sich, dass der Verstorbene seit 1982 keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn, dem Kläger, gehabt habe und gemäß seiner Persönlichkeitsstruktur auch nicht in der Lage gewesen sei, Bezugsperson zu werden. Die Beklagte gehe rechtsirrig davon aus, dass das niedersächsische Bestattungsrecht eine Billigkeitsentscheidung nicht vorsehe. Sie halte sich zu Unrecht für gebunden und habe den ihr zustehenden Ermessensspielraum nicht ausgeübt. Richtig sei, dass nahe Angehörige grundsätzlich für die Bestattungskosten der Verwandten aufzukommen hätten. Richtig sei auch, dass mit der Kodifizierung des niedersächsischen Bestattungsrechts 2006 der Gesetzgeber keine Härtefallregelungen normiert habe. In solchen Fällen sei jedoch anerkannt, dass Ausnahmen zumindest unter dem Aspekt einer verfassungsrechtlichen Prüfung zugelassen werden könnten und auch zugelassen werden müssten. Andernfalls käme man in Grenzbereichen zu mit dem Grundgesetz nicht mehr vereinbaren Ergebnissen. Um einen solchen Fall handele es sich vorliegend. Es sei unzweifelhaft grob unbillig, ihm, dem misshandelten Kläger, die Beerdigungskosten für seinen Peiniger aufzuerlegen. Das Verwaltungsgericht Stade habe bereits ausgeurteilt, dass selbst nach Inkrafttreten des § 8 BestattG Ausnahmen nach den allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, einzuräumen sein dürften. Bei vergleichbarer Rechtslage im Bundesland Bremen ließen die Verwaltungsgerichte das bremische Gebühren- und Beitragsgesetz greifen, demzufolge Kostenerlasse in besonderen Fällen möglich seien. Im Ergebnis sei der Bescheid der Beklagten damit unverhältnismäßig und verletzte ihn in seinen Rechten.

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Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 15. April 2008 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

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Sie erwidert: Der Kläger sei bestattungspflichtig und hafte ihr gesamtschuldnerisch mit seinem Bruder, dem ein gesonderter Bescheid zugegangen sei, für die Bestattungskosten. Die Bestattungspflicht ergebe sich aus § 8 Abs. 3 Nds. BestattG. Bei dem Verstorbenen handele es sich ausweislich des Auszugs aus dem Familienbuch um den leiblichen Vater des Klägers. Dieser sei zum Zeitpunkt des Todes geschieden gewesen, so dass bestattungspflichtige Angehörige nach § 8 Abs. 1 Ziffer 1 Nds. BestattG nicht vorhanden seien und der Kläger als nachrangig Verpflichteter an deren Stelle trete. Als Bestattungspflichtiger habe der Kläger ihr, der Beklagten, die Bestattungskosten gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 Nds. BestattG zu ersetzen. § 8 Nds. BestattG enthalte keine Regelung, die die Erstattung von Bestattungskosten in Fällen unbilliger Härte in das Ermessen der Behörde stelle. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei der Festsetzung der Bestattungskosten gegenüber dem Bestattungspflichtigen nicht um eine Ermessensentscheidung. Vielmehr müssten die Kinder in jedem Fall zu den Kosten der Bestattung ihrer Eltern beitragen. Das Gesetz normiere die Bestattungspflicht und den sich daraus ergebenden Erstattungsanspruch der Gemeinde gegenüber den Bestattungspflichtigen ohne Rücksicht auf ihr persönliches Verhältnis zum Verstorbenen und ungeachtet besonderer Umstände des Einzelfalles, die eine Inanspruchnahme des Bestattungspflichtigen als Härte erschienen ließen. Insofern könne der Kläger seiner Heranziehung zur Kostenerstattung nicht mit Erfolg entgegenhalten, er habe zu seinem Vater seit dem Entzug des Sorgerechts keinen Kontakt gehabt und sei als Kind von ihm misshandelt worden. Im Übrigen lägen ihr darüber keine gesicherten Erkenntnisse vor. Die Auffassung des Klägers, zumindest im Rahmen der anzuwendenden Kostenvorschriften sei sehr wohl ein Kostenerlass in besonderen Fällen möglich, gehe fehl. Für die Anwendung des Nds. Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG) sei vorliegend kein Raum. § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG sei auf die hier streitige Pflicht zur Tragung der Kosten für die ersatzweise vorgenommene Bestattung durch sie, die Beklagte, schon dem Grunde nach nicht anwendbar. Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Kostenforderung sei § 8 Abs. 4 Nds. BestattG. Dieser enthalte keinen Verweis auf das NVwKostG, sondern spreche davon, dass die zuständige Gemeinde die Handlung auf Kosten der betroffenen Person selbst ausführen oder eine andere Person mit der Ausführung beauftragen könne und die Bestattungspflichtigen dieser für die Bestattungskosten haften. Im Übrigen sei dem niedersächsischen Gesetzgeber bei der Kodifizierung des Bestattungsrechts in dem zum Jahresbeginn 2006 in Kraft getretenen Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (BestattG) vom 08. Dezember 2005 die Problematik zerrütteter Familienverhältnisse bekannt gewesen. Ausnahmevorschriften oder Härtefallregelungen seien in das Bestattungsgesetz nicht aufgenommen worden.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte A) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

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Der Bescheid der Beklagten vom 15. April 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beklagte hat den Kläger zu Unrecht zur Zahlung der Bestattungskosten für seinen Vater herangezogen.

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Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren der Beklagten ist das zum 01. Januar 2006 in Kraft getretene Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen vom 08. Dezember 2005 (BestattG). Sorgt niemand für die Bestattung, wobei gemäß § 9 Abs. 2 BestattG eine Frist von acht Tagen seit Eintritt des Todes zu beachten ist, hat gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 BestattG die für den Sterbe- und Auffindungsort zuständige Gemeinde die Bestattung zu veranlassen. Die nach Absatz 3 vorrangig Bestattungspflichtigen haften der Gemeinde dann nach § 8 Abs. 4 Satz 2 BestattG als Gesamtschuldner für die Bestattungskosten, die gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 BestattG durch Leistungsbescheid festgesetzt werden. Der Kreis der Bestattungspflichtigen wird durch § 8 Abs. 3 BestattG bestimmt und eine Rangfolge festgelegt.

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Die Vorgaben des Gesetzes hat die Beklagte beachtet. Sie war gehalten, die Bestattung in die Wege zu leiten, nachdem der Kläger und sein Bruder es abgelehnt hatten, sich um die Beerdigung ihres Vaters zu kümmern. Der Kläger war auch grundsätzlich zur Beseitigung der Gefahr berufen, also bestattungspflichtig. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BestattG haben die Kinder der verstorbenen Person für deren Bestattung zu sorgen. Bei dem Verstorbenen handelte es sich ausweislich des Auszugs aus dem Familienbuch um den leiblichen Vater des Klägers. Dieser war zum Zeitpunkt des Todes geschieden gewesen, so dass bestattungspflichtige Angehörige nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BestattG nicht vorhanden waren und der Kläger als nachrangig Verpflichteter an deren Stelle trat.

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Die Bestattungspflicht setzt allein die Eigenschaft als Kind des Verstorbenen voraus. Auf ein tatsächlich bestehendes persönliches Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen kommt es nicht an. Die Bestattungspflicht ist Ausfluss des familienrechtlichen Verhältnisses zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen. Die Bestimmung der Bestattungspflicht anhand objektiver Verwandtschaftsverhältnisse ist sachgerecht, denn die Bestattungspflicht dient der Gefahrenabwehr. Daher muss sich die Bestimmung des Bestattungspflichtigen an objektiven Maßstäben orientieren, weil die zuständigen Gemeinden nicht innerhalb der Bestattungsfrist Ermittlungen und Untersuchungen über die tatsächlich bestehenden persönlichen Verhältnisse zwischen den Angehörigen und dem Verstorbenen durchführen und gegebenenfalls verifizieren können (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 27. Dezember 2007 - 1 A 40/07 - zitiert nach juris). Als Sohn des Verstorbenen war der Kläger demnach zu dessen Bestattung grundsätzlich verpflichtet.

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Nach Auffassung der Kammer sind jedoch selbst nach Inkrafttreten des § 8 BestattG, welcher selbst keine Ausnahmevorschriften vorsieht, Ausnahmen nach allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, einzuräumen (vgl. dazu schon VG Stade, Urteil vom 27. Juli 2006 - 1 A 539/05 - zitiert nach juris). Diese ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Grundsätze begrenzen die Bestattungspflicht selbst, ohne dass es insoweit einer ausdrücklichen Normierung bedürfte. Zwar hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht bisher offen gelassen, ob die nach § 8 Abs. 3 BestattG bestehende Bestattungspflicht in ganz besonderen Fällen noch einer ungeschriebenen Einschränkung unterliegt (vgl.z.B. Nds. OVG, Beschluss vom 30. Juli 2008 - 8 LA 40/08 -). Es hat aber in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2006 (Az.: 8 LA 131/06) am Rande ausgeführt:

"Zu keinem anderen Ergebnis führt die Überlegung, dass die seit dem Jahresbeginn 2006 nach der nunmehr ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 3 BestattG bestehende Bestattungspflicht dem Wortlaut nach unbegrenzt ist und sich deshalb auch unter Geltung des Bestattungsgesetzes unverändert die Frage nach einer ungeschriebenen Grenze dieser Bestattungspflicht stellt (vgl. dazu etwa Barthel, BestattG, Kommentar, S. 121 ff.). Eine solche Grenze kann sich aber nur aus einer teleologischen Reduktion des Wortlauts von § 8 Abs. 3 BestattG ergeben und hängt damit von anderen als den hier maßgebenden Voraussetzungen für eine gewohnheitsrechtliche Verpflichtung ab."

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Vorliegend sieht die Kammer einen besonderen Ausnahmefall als gegeben an, der die in § 8 Abs. 3 BestattG normierte Bestattungspflicht soweit begrenzt, dass die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht entfällt.

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Die Kammer folgt insoweit der restriktiven Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zum vor Inkrafttreten des BestattG geltenden niedersächsischen Gewohnheitsrecht, wonach Abweichungen von der Bestattungspflicht nur in ganz engen Grenzen gerechtfertigt sind. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hält etwa bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen einen derartigen Ausnahmetatbestand für gegeben (vgl. Beschluss vom 13. Juli 2005 - 8 PA 37/05 - zitiert nach juris). Für die Annahme eines Ausnahmetatbestandes, der die Bestattungspflicht entfallen lässt, hat es des Niedersächsische Oberverwaltungsgericht nicht als ausreichend angesehen, wenn der Verstorbene seiner bestattungspflichtigen Mutter vor mehr als 30 Jahren Geld entwendet hat (vgl. Beschluss vom 19. Mai 2003 - 8 ME 76/03 - zitiert nach juris). Auch in dem Fall, in dem eine Klägerin erst nach 45 Jahren ihren später verstorbenen Vater ausfindig gemacht hatte, der ihre Mutter verlassen hatte, als die Klägerin noch im Säuglingsalter war und in der Folgezeit weder Unterhalt gezahlt noch eine persönliche Beziehung zu der Klägerin unterhalten hatte, hat es keinen besonderen Ausnahmefall angenommen (vgl. Beschluss vom 13. Juli 2005 - 8 PA 37/05 - zitiert nach juris). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat aber für den Entzug der elterlichen Gewalt des Verstorbenen über sein Kind einen Ausnahmetatbestand angenommen, weil ein solcher Sorgerechtsentzug ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten der Eltern und eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls voraussetzt (vgl. Beschluss vom 18. Dezember 2006 - 8 LA 131/06 - zitiert nach juris).

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Diese zum niedersächsischen Gewohnheitsrecht aufgestellten Grundsätze hält die Kammer für geeignet, um eine teleologische Reduktion des § 8 Abs. 3 BestattG herbeizuführen. Denn die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht aufgestellten Kriterien konkretisieren die verfassungsrechtlichen Grenzen der Bestattungspflicht und sind daher auch nach Inkrafttreten des BestattG anwendbar.

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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend besondere Umstände gegeben, die im Sinne eines besonderen Ausnahmefalles die Bestattungspflicht des Klägers entfallen lassen. Dem Verstorbenen H. ist die elterliche Sorge im Jahr 1985 entzogen und in der Folgezeit auch nicht wieder erteilt worden. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens des Verstorbenen von seiner damaligen Ehefrau und Kindesmutter wurde dieser zunächst mit Beschluss vom 07. Januar 1985 (O.) im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge für den Kläger und seinen Bruder übertragen mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Mit Beschluss vom 07. März 1985 (P.) wurde der Kindesmutter die elterliche Sorge entzogen und dem Jugendamt als Vormund übertragen. Es heißt in dem Beschluss unter anderem:

"Nunmehr ist über die elterliche Sorge zu entscheiden. Diese ist der Kindesmutter gemäß § 1666 BGB zu entziehen, da mildere Maßnahmen gemäß § 1666a BGB zum Schutz der Kinder nicht ausreichen. Denn die Kindesmutter ist nicht in der Lage, für ein ungefährdetes Aufwachsen der Kinder zu sorgen, ist aber auch nicht bereit, die erfolgte Fremdplacierung der Kinder in einer Pflegefamilie als Inpflegegabe zu akzeptieren. (...)

Der Kindesvater Herr Q. kommt für die elterliche Sorge ebenfalls nicht in Betracht. Denn er hat seit 1982 keinen Kontakt mehr zu den Kindern gehabt und ist von seiner Persönlichkeitsstruktur auch nicht in der Lage, Bezugsperson zu werden. Denn nach einer Zeit der Nichtsesshaftigkeit lebt er erst seit Februar 1985 im Wohnheim des Diakonischen Werkes in R., um dort zu versuchen, für sich wieder stabile Verhältnisse zu schaffen.

Die getroffene Entscheidung war nunmehr im Interesse der Kinder geboten."

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Die Entziehung des Sorgerechts gemäß §§ 1666, 1666a BGB einhergehend mit der Übertragung der elterlichen Sorge auf das Jugendamt stellt ein die Bestattungspflicht von Kindern begrenzendes Tatbestandsmerkmal dar. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat zu einem ähnlichen Fall in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2006 (8 LA 131/06) Folgendes ausgeführt:

"Es lässt sich aber kein gewohnheitsrechtlicher Rechtssatz mit dem Inhalt feststellen, dass Kinder eines Verstorbenen auch dann bestattungspflichtig sind, wenn dem Verstorbenen das elterliche Sorgerecht für seine Kinder gemäß §§ 1666, 1666a BGB dauerhaft entzogen worden ist. (...) Gegen eine solche Verpflichtung spricht zudem die Herleitung der streitigen gewohnheitsrechtlichen Bestattungspflicht. Sie wird aus dem Recht und der Pflicht im Rahmen der sog. "Totenfürsorge" abgeleitet, die wiederum Ausfluss des familienrechtlichen Verhältnisses ist, das den Verstorbenen bei Lebzeiten mit den Überlebenden verbunden hat, und das über den Tod hinaus fortdauernd gegenüber dem toten Familienmitglied Pietät und Pflege seines Andenkens gebietet (vgl. den o.a. Senatsbeschl.v. 27.9.2004 unter Bezugnahme auf Gaedke/Diefenbach, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, nunmehr 9. Aufl., S. 104, m.w.N.).

Dieses familienrechtliche Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und seinen Kindern ist hier aber durch den staatlichen Eingriff in Form des 1976 erfolgten Sorgerechtsentzugs tatsächlich aufgehoben und nachfolgend auch nicht wieder begründet worden. Ein solcher Sorgerechtsentzug setzt ein schwerwiegendes Fehlverhalten der Eltern und eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls voraus. Das elterliche Fehlverhalten muss ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleib in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfG, Beschl.v. 23.8.2006 - 1 BvR 476/04 -, FamRZ 2006, 1593 ff., [BVerfG 23.08.2006 - 1 BvR 476/04] m.w.N.). Kommt es daher - wie vorliegend - über die Dauer von mehr als einem Jahrzehnt zur Entziehung des Sorgerechts, so liegt dem ein besonders schwerwiegendes elterliches Fehlverhalten zugrunde. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass das Eltern-Kind-Verhältnis beiderseits grundlegend zerstört ist.

Der Entzug des Sorgerechts als ein die Bestattungspflicht von Kindern begrenzendes Tatbestandsmerkmal ist von der hilfsweise bestattungspflichtigen Behörde auch leicht, verlässlich und ohne eigene Ermittlungen in der Sache festzustellen. Hierin und in dem besonders großen Maß der gegenseitigen Entfremdung der Familienmitglieder ist auch der Unterschied zu den Fällen zu sehen, in denen Kinder ohne staatlichen Eingriff tatsächlich getrennt von einem Elternteil aufgewachsen sind und in denen der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen Grund für die Begrenzung der gewohnheitsrechtlich bestehenden Bestattungspflicht gesehen hat (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 13.7.2005 - 8 PA 37/05 -, Nds. Rpfl. 2005, 382 ff. = NordÖR 2005, 434 f. [OVG Niedersachsen 13.07.2005 - 8 PA 37/05]). War er Kläger somit wegen des erfolgten langjährigen Sorgerechtsentzugs nicht bestattungspflichtig, so kann er nicht zum Ersatz der für die Bestattung seines Vaters angefallenen Kosten herangezogen werden."

24

Unter Anwendung dieser Grundsätze war der Kläger nach einer teleologischen Reduktion des § 8 Abs. 3 BestattG nicht bestattungspflichtig. Der Bescheid der Beklagten vom 15. April 2008 erweist sich damit als rechtswidrig.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 VwGO. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat, soweit ersichtlich, eine Entscheidung darüber, ob die nach § 8 Abs. 3 BestattG bestehende Bestattungspflicht in ganz besonderen Fällen noch einer ungeschriebenen Einschränkung unterliegt, noch nicht getroffen.