Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.12.2001, Az.: 2 Ws 311/01
Mehrmalige Verlängerung einer Bewährungszeit anlässlich eines erneuten Widerrufsgrundes; Nachträglicher Gesamtstrafenbeschluss eines Amtsgerichts unter Anrechnung der Zeit einer durchgeführten Drogentherapie wegen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG); Nochmalige Verlängerung einer Bewährungszeit um 18 Monate nach Erreichen der Höchstdauer der jeweils möglichen Bewährungszeiten; Erlassen der Restfreiheitsstrafen nach Ausschöpfung der Verlängerung einer Bewährungszeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.12.2001
- Aktenzeichen
- 2 Ws 311/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 30674
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:1220.2WS311.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 56a Abs. 2 StGB
- § 56f Abs. 2 S. 2 StGB
Fundstelle
- StV 2003, 345 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Hinweis
Verbundenes Verfahren
Verbundverfahren:
OLG Celle - 20.12.2001 - AZ: 2 Ws 314/01
OLG Celle - 20.12.2001 - AZ: 2 Ws 316/01
In den Bewährungssachen
...
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortigen Beschwerden des Verurteilten gegen
die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ....... vom 23. Oktober 2001
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .......,
die Richterin am Oberlandesgericht ....... und
den Richter am Oberlandesgericht .......
am 20. Dezember 2001
beschlossen:
Tenor:
Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben.
Die Restfreiheitsstrafen aus
dem Beschluss des Amtsgerichts ....... vom 14. Juni 1995 ( 220 Ds 313 Js 329/95 -33/95-),
dem Urteil des Schöffengerichts ....... vom 10. Dezember 1991 (220 Ls 56 Js 62534/91) und
dem Urteil des Schöffengerichts ....... vom 15. Oktober 1992 (220 Ls 313 Js 57686/92)
werden erlassen.
Die Kosten der Beschwerdeverfahren und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe
I.
1.
Aufgrund des nachträglichen Gesamtstrafenbeschlusses des Amtsgerichts ....... vom 14. Juni 1995 (220 Ds 312 Js 329/95) verbüßte der Verurteilte unter Anrechnung der Zeit einer durchgeführten Drogentherapie zwei Drittel einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Am 8. Januar 1997 wurde die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Der Beschluss ist seit dem 22. Januar 1997 rechtskräftig. Aufgrund einer einschlägigen Nachverurteilung verlängerte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ....... schließlich die Bewährungszeit durch Beschluss vom 29. Juni 2000 um ein Jahr und sechs Monate auf insgesamt vier Jahre und sechs Monate.
2.
Aufgrund des Urteils des Schöffengerichts ....... vom 10. Dezember 1991 (220 Ls 56 Js 62534/91) verbüßte der Verurteilte - nachdem eine ursprünglich gewährte Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung widerrufen worden war - zwei Drittel der verhängten zehnmonatigen Freiheitsstrafe wegen Förderung der Prostitution, bis die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ...... vom 24. November 1995, rechtskräftig seit dem 8. Dezember 1995, erneut zur Bewährung ausgesetzt wurde; die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt.
Nach der erwähnten einschlägigen Nachverurteilung wurde die Bewährungszeit durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 30. Dezember 1999 in Verbindung mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 9. Mai 2000 ebenfalls um ein Jahr und sechs Monate auf insgesamt vier Jahre und sechs Monate verlängert.
3.
Aufgrund des Urteils des Schöffengerichts ....... vom 15. Oktober 1992 (220 Ls 313 Js 57686/92) verbüßte der Verurteilte unter Anrechnung der Dauer einer durchgeführten Drogentherapie zwei Drittel der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 19 Monaten wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, nachdem eine zuvor gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden war. Die Restfreiheitsstrafe wurde mit Beschluss vom 24. Januar 1997, rechtskräftig seit 1. Februar 1997, erneut zur Bewährung ausgesetzt; die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt.
Auch in diesem Verfahren wurde die Bewährungszeit wegen der bereits dargestellten Nachverurteilung durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ....... vom 16. Februar 2000 in Verbindung mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 20. April 2000 um ein Jahr und sechs Monate auf insgesamt vier Jahre und sechs Monate verlängert.
II.
Nachdem der Verurteilte während des Laufes der Bewährungszeiten erneut einschlägig straffällig geworden war und deshalb durch das Amtsgericht ....... am 4. Mai 2000 (220 Ds 142 Js 17356/00) wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war (Tatzeit: 6. März 2000) hat die Strafvollstreckungskammer durch den angefochtenen Beschluss die Bewährungszeiten abermals um jeweils ein Jahr und sechs Monaten verlängert. Die Strafvollstreckungskammer hat von dem Widerruf der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung abgesehen, weil der Verurteilte trotz vieler Unsicherheiten im Rahmen seiner Therapie nicht resigniert habe und sich nach Beendigung des stationären Clearing-Stationsaufenthaltes nunmehr in regelmäßiger Begleitung durch die Drogenberatung befinde. Er lebe konsequent drogenfrei, was durch Urinkontrollen nachgewiesen sei. Nach Beginn der Entgiftungsbehandlung am 13. November 2000 sei er damit seit fast einem Jahr drogenfrei.
Unter diesen Gesichtspunkten hat die Strafvollstreckungskammer an Stelle des Widerrufs der Restfreiheitsstrafen eine nochmalige Verlängerung der Bewährungszeiten um jeweils ein Jahr und sechs Monate für gerechtfertigt angesehen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten.
III.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Zwar ist die Einschätzung der Strafvollstreckungskammer nicht zu beanstanden, der Verurteilte habe sein Verhalten im Laufe des letzten Jahres in einem Maße stabilisiert, das den Widerruf der Strafaussetzung entbehrlich erscheinen lasse.
Eine nochmalige Verlängerung der Bewährungszeit um weitere 18 Monate scheidet indessen aus. Die Höchstdauer der jeweils möglichen Bewährungszeiten nach § 56 f Abs. 2 Satz 2 StGB war durch die jeweiligen letztmaligen Verlängerungen der Bewährungszeiten erreicht. Eine Überschreitung verbietet sich. Bei der anzustellenden Berechnung legt der Senat hierbei als "zunächst bestimmte Bewährungszeit" i.S.v. § 56 f Abs. 2 StGB diejenige zugrunde, die in den ursprünglichen Entscheidungen vorgesehen war (vgl. Schönke/Schröder/Stree, StGB, 26. Aufl., § 56 f Rdnr. 10a m. w. N) und jeweils drei Jahre betragen hatte.
Zwar ist auch eine wiederholte, mehrmalige Verlängerung der Bewährungszeit anlässlich eines erneuten Widerrufsgrundes möglich. Doch darf in Fällen, in denen - wie hier - die Bewährungszeit erst nach Ablauf der ursprünglichen Frist verlängert werden soll und damit die Anwendung von § 56 a Abs. 2 StGB, der die nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit jedenfalls bis zu einer Höchstdauer von fünf Jahren ermöglichen würde, ausscheidet, der Zeitraum der Verlängerungen insgesamt jedenfalls nicht mehr als die Hälfte der ursprünglich festgesetzten Bewährungszeit betragen (vgl. LK - Günter Gribbohm, StGB, 11. Aufl., § 56 f Rdnr. 34 m.w.N.).
Damit waren die jeweils höchstmöglichen Bewährungszeiten von insgesamt jeweils vier Jahren und sechs Monaten zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bereits abgelaufen, weil eine Verlängerung jeweils unmittelbar an die vorangegangene Bewährungszeit anschließt und nicht etwa erst mit der Entscheidung über eine Verlängerung zu laufen beginnt (OLG Celle StV 1990, 118).
Kommt ein Widerruf der Strafaussetzungen indessen nicht in Betracht, wie die Strafvollstreckungskammer mit Recht ausgeführt hat, und lässt § 56 f StGB eine weitere Verlängerung der Bewährungszeit nicht zu, so sind die jeweiligen Restfreiheitsstrafen zu erlassen (vgl. OLG Celle a.a.O.). Diese Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.
IV.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.