Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 14.12.1994, Az.: 1 A 1009/93
Auslegung eines "Widerspruchsbescheides" als Ausgangsbescheid; Begriff der ärztlichen Tätigkeit; Berücksichtigung des gezogenen Nutzens aus der Kammertätigkeit bei Bemessung der Beitragserhebung; Abgrenzung zwischen ärztlicher und nichtärztlicher Tätigkeit eines Approbierten; Angemessene Beitragshöhe bei einem Angestellten im Referat Flugmedizin beim Luftfahrt -Bundesamt
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 14.12.1994
- Aktenzeichen
- 1 A 1009/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 23245
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1994:1214.1A1009.93.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG Niedersachsen - 06.09.1996 - AZ: 8 L 728/95
- BVerwG - 05.12.1996 - AZ: BVerwG 1 B 246.96
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 GG
- Art. 20 Abs. 3 GG
- § 1 Abs. 1 HKG
- § 2 Abs. 1 BÄO
- § 35 VwVfG
- § 68 VwGO
Fundstelle
- AZRT 1995, 15-16
Verfahrensgegenstand
Streitgegenstand: Beitragspflicht
In der Verwaltungsrechtssache
hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 14.12.1994
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Harms als Vorsitzenden,
den Richter am Verwaltungsgericht Bartsch, den Richter Dr. Struß sowie
die Hausfrauen Ramacher und Reinecke als ehrenamtliche Richterinnen
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 14.8.1992 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.500,- DM festgesetzt.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger möchte geklärt haben, in welchem Umfang er als Angestellter des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA) in Braunschweig zur Beklagten beitragspflichtig ist.
Nach dem Studium der Medizin und anschließender Approbation erwarb der Kläger die Gebietsbezeichnung eines Arztes für Anästhesiologie und die Zusatzbezeichnung "Flugmedizin". Der Kläger war mehrere Jahre in verschiedenen Kliniken tätig. Außerdem arbeitete er als Chefredakteur und Schriftleiter der medizinischen Zeitschrift JAMA. Am 1.11.1984 nahm der Kläger seine Tätigkeit als Angestellter im Referat Flugmedizin des LBA in Braunschweig auf. Die Bezirksstelle Braunschweig der Beklagten akzeptierte zunächst die vom Kläger vorgenommene Selbsteinstufung in die Beitragsgruppe N der Beitragsordnung der Beklagten (vom 24.10.1981, NÄ 4/82 i.d.F. d. Änderungssatzung vom 15.1.1983, NÄ 10/81 - BO -). Sie stellte in einer Änderungsmeldung vom 23.5.1985 fest, daß der Kläger "nicht ärztlich" tätig sei.
Unter dem 1.3.1992 stufte sich der Kläger wie in den Vorjahren in die Beitragsgruppe N ein und reichte bei der Bezirksstelle Braunschweig der Beklagten einen Verrechnungsscheck über 17,- DM als Kammerbeitrag für 1992 ein. In einem Telefongespräch eröffnete ihm ein Mitarbeiter der Bezirksstelle Braunschweig der Beklagten daraufhin, daß seine Arbeit beim LBA nunmehr beitragsrechtlich als "ärztliche" Tätigkeit gewertet werde und er sich nach seinen dortigen Einkünften in eine entsprechende Beitragsgruppe einstufen solle. Wenig später bat die Beklagte den Kläger in einem Schreiben vom 11.3.1992 unter Rückgabe des Schecks über 17,- DM um die Zusendung eines Schecks über eine Höhe, wie sie sich aus dem Telefongespräch ergeben habe. Einkünfte aus nichtselbständigen Tätigkeiten seien einzubeziehen, wenn ärztliches Wissen eine wesentliche Forderung für diese Tätigkeiten sei.
Gegen dieses Schreiben erhob der Kläger mit Schreiben vom 9.4.1992 "Widerspruch" und bat um einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Zur Begründung gab er an, es sei nicht einsichtig, daß auf einmal sein Einkommen beim LBA zugrunde gelegt werden solle. Er benötige für seine Arbeit keine Approbation. Es handele sich um eine reine Schreibtischarbeit administrativ-organisatorischer Art. Er betreibe keine Praxis, habe keine Patienten, stelle keine Diagnosen und führe auch keine Therapien oder Nachsorgebehandlungen durch. Er sei weder in einer Klinik noch in einem Gesundheitsamt oder einer sonstigen ärztlichen Einrichtung tätig. Ebensowenig wie seine Aufgabe als Chefredakteur sei seine heutige Tätigkeit ärztlicher Natur. Auf Nachfrage der Beklagten führte der Kläger mit Schreiben vom 7.5.1992 ergänzend aus, für seine Einstellung sei ärztliches Wissen eine wesentliche Forderung gewesen. Dieses Wissen habe er durch das Studium und eine jahrelange ärztliche Tätigkeit erworben. Beim LBA sei er für die Anerkennung von Ärzten als fliegerärztliche Untersuchungsstellen nach der Luftverkehrs-Zulassungsordnung (LuftVZO) zuständig. Auch habe er die Übereinstimmung von Tauglichkeitsvorschriften des Bundesverkehrsministers mit Gesetzen und Verordnungen zu überprüfen. Als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland sei er in der Europäischen Union an der Erarbeitung gemeinsamer Gesundheitsvorschriften für Flugzeugführer beteiligt. Eine ärztliche Nebentätigkeit übe er nicht aus.
Unter Beibehaltung ihrer Auffassung leitete die Bezirksstelle Braunschweig den Vorgang an die Geschäftsstelle Hannover weiter. Der Vorstand der Beklagten wies in seiner Sitzung vom 29.7.1992 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger übe nach seinen Angaben in vollem Umfang eine ärztliche Tätigkeit aus. Diese Entscheidung und deren Begründung legte die Beklagte dem ablehnenden "Widerspruchsbescheid" vom 14.8.1992, zugestellt am 15.8.1992, zugrunde.
Der Kläger hat am 4.9.1992 Klage erhoben. Zu deren Begründung stützt er sich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, neben den bereits dargestellten Zuständigkeiten obliege dem LBA als Aufsichtsbehörde in der Flugmedizin eine Reihe von Aufgaben. Diese lägen u.a. im Bereich der Prüfung von Luftfahrtpersonal und der Anwendung der Dienst-Ruhezeiten-Regelung nach der 2. DVLuftBO für Flugzeugführer. Ohne Frage sei für diese Aufgaben ärztliches Wissen und Erfahrung als Arzt, nicht jedoch eine Approbation erforderlich. Die Approbation sei die Voraussetzung ärztlicher Tätigkeit. Die typischen Merkmale der ärztlichen Arbeit seien im LBA nicht erkennbar. Mit Hochschullehrern in theoretischen Fächern, die zu geringeren Beiträgen als praktische Ärzte herangezogen werden müßten, habe er viel gemeinsam. In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren gehe es ihm auch um die Frage, ob der Begriff der ärztlichen Tätigkeit nicht zur Steigerung des Beitragsaufkommens zu großzügig ausgelegt werde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.8.1992 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bringt, ergänzend zum Verwaltungsverfahren, vor, Einkünfte aus einem Dienstverhältnis seien dann als Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit anzusehen, wenn für die Tätigkeit die ärztliche Ausbildung, die Approbation und ärztliches Fachwissen ausschlaggebend oder auch nur bedeutungsvoll seien. Es komme nicht darauf an, ob die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit auch von einem Mitarbeiter ohne Approbation ausgeübt werden könne. Nach den Ausführungen des Klägers zu den Voraussetzungen für seine Einstellung und nach seiner Aufgabenbeschreibung handele es sich um eine ärztliche Tätigkeit. Dieses werde u.a. bei der Anerkennung fliegerärztlicher Untersuchungsstellen deutlich. Ärztliches Wissen und ärztliche Erfahrung werde bei der Überprüfung sowohl der apparativen Ausrüstung als auch der fachlichen Geeignetheit der Ärzte benötigt. Die obergerichtliche Rechtsprechung zu Hochschullehrern in theoretischen Fächern bestätige ihre Auffassung hinsichtlich der Definition der ärztlichen Tätigkeit. Weitere Parallelen zu der Angelegenheit des Klägers seien aber nicht zu ziehen. Nach den Erfahrungen der Beklagten könne im übrigen nicht bestätigt werden, daß die von der Rechtsprechung als "Randgruppen" bezeichneten Hochschullehrer nur einen geringen Nutzen aus der Kammertätigkeit zögen. Die Beklagte setze sich vielfach für "Randgruppen" ein. Eine Änderung der Beitragsordnung sei von der Kammerversammlung der Beklagten in der Sitzung vom 15.10.1994 nicht beschlossen worden. Es gebe nur sehr wenige Hochschullehrer in theoretischen Fächern, deren besondere Situation auch durch eine Herabsetzung des Beitrags um 20 % nach § 9 Abs. 1 BO berücksichtigt werden könne. Für die Einbeziehung anderer Berufsgruppen bestehe nach der Rechtsprechung und der Systematik des Heilberufsrechts sowie der Beitragsordnung kein Anlaß. Der Kläger hat darauf geäußert, ein Antrag auf Herabsetzung komme für ihn nicht in Frage.
Nach Klageerhebung hat sich der Kläger auf die erneute Anforderung des Beitrags für 1992 in die Beitragsgfuppe 5 eingestuft und unter dem Vorbehalt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung 292,- DM entrichtet. Für das Jahr 1993 zahlte er am 12.3.1993 unter Vorbehalt dieselbe Summe. Auch für 1994 stufte er sich am 15.9.1994 in diesem Sinne ein.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren mit ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Klage ist zulässig.
Der "Widerspruchsbescheid" vom 14.8.1992 ist als Ausgangsbescheid zu werten. Das Schreiben vom 11.3.1992 sollte nach Ansicht der Bezirksstelle Braunschweig der Beklagten mangels Regelungswirkung kein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG sein und war auch bei verständiger, objektivierter Betrachtung aus der Sicht des Klägers nicht als solcher aufzufassen. Vielmehr bat der Kläger erst in seinem "Widerspruch" vom 9.4.1992 um einen rechtsmittelfähigen Bescheid, der dann mit dem irrtümlich als "Widerspruchsbescheid" bezeichneten Bescheid vom 14.8.1992 erging. Durch die Klageerhebung hat der Kläger konkludent Widerspruch eingelegt, der durch die Einlassung der Beklagten zur Sache als beschieden gilt. Damit ist dem Erfordernis des § 68 VwGO genügt (vgl. BVerwG DVBl. 1984, 91).
Die Klage ist auch begründet.
Der Bescheid, vom 14.8.1992 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die von der Beklagten ausgesprochene Feststellung, der Kläger übe beim LBA in vollem Umfang eine ärztliche Tätigkeit aus, entbehrt einer rechtlichen Grundlage. Die Feststellung könnte lediglich auf § 2 Abs. 1 BO gestützt werden. Der Kläger übt zwar - entgegen seiner Auffassung - eine ärztliche Tätigkeit im Sinne von § 2 BO aus (1.); das Einkommen aus seiner Tätigkeit darf aber seiner Beitragsveranlagung nicht in vollem Umfang zugrunde gelegt werden (2.).
1.
Der Kläger ist als Angestellter des LBA im Sinne des Kammerbeitragsrechts "ärztlich tätig". Weder das HKG noch die BO der Beklagten regeln ausdrücklich, was unter einer Ausübung des Arztberufes (§ 1 Abs. 1 HKG) bzw. einer ärztlichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 BO) zu verstehen ist. Der Bundesärzteordnung (BÄO v. 16.4.1987, BGBl. II, S. 1218) ist zu entnehmen, daß der Besitz der Approbation (bzw. einer Erlaubnis zur vorübergehenden Berufsausübung, § 2 Abs. 2 BÄO) unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des ärztlichen Berufes ist (§ 2 Abs. 1 BÄO). Die Approbation (bzw. eine Bestallung gemäß § 14 Abs. 1 BÄO) ist damit zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für die Annahme einer ärztlichen Tätigkeit. Ohne Approbation kann der Arztberuf zwar nicht ausgeübt werden, nicht jede Tätigkeit eines Approbierten ist aber eine ärztliche Tätigkeit. Neben der Approbation bedarf es daher eines zusätzlichen Abgrenzungskriteriums. Zu dessen Ermittlung ist zu fragen, ob die Tätigkeit des Approbierten unter Berücksichtigung der historischen und soziologischen Wurzeln des Berufsstandes und angesichts der Zwangsmitgliedschaft in der Ärztekammer der ärztlichen Berufsausübung zuzurechnen ist (VG Braunschweig, Urt. v. 29.1.1990, 1 VG A 114/88, Beschl. v. 15.6.1992, 9 A 9322/91). Es hat sich danach ein "weiter Begriff" der ärztlichen Tätigkeit durchgesetzt, der über die Ausübung der Heilkunde am Menschen i.S.d. § 2 Abs. 5 BÄO hinausgeht. Auch alle im öffentlichen Dienst tätigen Approbierten üben eine ärztliche Tätigkeit aus. Dazu gehören beispielsweise Sanitätsoffiziere und Ärzte in der Gesundheitsverwaltung (BVerwG, Urt. v. 25.11.1971, 1 C 48/65, NJW 1972, 350, 351 f., VG Braunschweig, Urt. v. 29.1.1990, 1 VG A 110/88, Beschl. v. 15.6.1992, 9 A 9322/91). Es wird für diese Berufe nicht als hinderlich angesehen, daß die Tätigkeit überwiegend administrativ oder organisatorisch geprägt sein kann und die Ausübung der Heilkunde am Soldaten bzw. Bürger oft nur einen geringen Teil der Arbeitszeit ausmacht. Weitergehend sind aber auch die oben erwähnten Hochschullehrer der theoretischen Fächer einzubeziehen. Deren Arbeit erfordert gar keine Behandlung von Patienten, Verabreichung von Medikamenten etc.. Eine Zwangsmitgliedschaft ist gerechtfertigt, weil die Ärztekammern u.a. die beruflichen Belange der Gesamtheit der Ärzte zu wahren und an der Erhaltung einer sittlich und wissenschaftlich hochstehenden Ärzteschaft mitzuwirken haben. Dabei handelt es sich um legitime öffentliche Aufgaben. Diese Aufgaben können die Ärztekammern nur erfüllen, wenn sie sich die Erfahrung der Ärzte aus allen Tätigkeitsbereichen nutzbar machen (BVerwG, Urt. v. 25.11.1971, a.a.O., VG Braunschweig, Beschl. v. 15.6.1992, a.a.O., vgl. auch den Aufgabenkatalog in § 10 Abs. 1 HKG). Die weite Auslegung des Begriffs der ärztlichen Berufsausübung dient deshalb nicht der Steigerung des Beitragsaufkommens. Zur Abgrenzung ist lediglich festzustellen, ob für die Tätigkeit Fachkenntnisse vorausgesetzt werden, die zum ärztlichen Fachwissen gehören (OVG Lüneburg, Urt. v. 29.11.1993, 8 L 11/90). Von einer ärztlichen Tätigkeit kann erst dann nicht mehr gesprochen werden, wenn eine berufsfremde Tätigkeit, die in keinerlei Zusammenhang mit der ärztlichen Ausbildung und den medizinischen Fachkenntnissen steht, ausgeübt wird (OVG Lüneburg, Urt. v. 29.11.1993, 8 L 11/90, VG Braunschweig, Urt. v. 29.1.1990, 1 VG A 114/88).
In Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger beim LBA ärztlich tätig. Er hat selbst vorgetragen, daß sein, durch Studium und klinische Arbeit erworbenes ärztliches Wissen eine "wesentliche Forderung" für seine Einstellung beim LBA gewesen sei. Dieses Wissen setzt er bei seiner Tätigkeit im Referat Flugmedizin auch ein. Ärztliches Wissen ist u.a. für die Abfassung von Stellungnahmen des fliegerärztlichen Untersuchungsausschusses gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 4 LuftVZO, für die Bearbeitung und Anwendung der Tauglichkeitsrichtlinie des Bundesverkehrsministers, für die Erteilung der Luftfahrererlaubnisse nach Abschnitt 1.13 der Tauglichkeitsrichtlinie und für die Anerkennung und Überwachung der fliegerärztlichen Untersuchungsstellen erforderlich. Dieses gilt auch für die Mitwirkung bei der Erarbeitung von Rechtsvorschriften. Der Kläger wird beim LBA auch wegen seiner besonderen Qualifikation, die er aufgrund der Zusatzbezeichnung "Flugmedizin" vorweisen kann, beschäftigt. Er wird also nicht berufsfremd und ohne Beziehung zu einer ärztlichen Ausbildung bzw. ohne den Einsatz medizinischer Fachkenntnisse verwendet.
2.
Das Einkommen des Klägers beim LBA darf der Beitragserhebung, nicht in vollem Umfang zugrunde gelegt werden. Die Beklagte ist nicht befugt, nach § 2 BO Beiträge von dem Kläger zu erheben. Der Kläger wird nämlich nicht zu geringeren Beiträgen als praktisch tätige Ärzte herangezogen. § 2 BO verstößt insoweit gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des. Art. 3 Abs. 1 GG und das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Äquivalenzprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
Die Kammer schließt sich hinsichtlich der Mißachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen durch § 2 BO der Auffassung des OVG Lüneburg in seinem Urteil vom 29.11.1993 (Az. 8 L 11/90) an. In dieser Entscheidung hat das OVG Lüneburg unter Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 26.1.1993, 1 C 37/89, vgl. auch 1 C 33/89, DVBl. 1993, S. 725) ausgeführt, daß bei den nur theoretisch arbeitenden Hochschullehrern in der Grundlagenforschung das berufliche Einkommen nicht in vergleichbarem Maße Indikator für die Vorteile aus der Kammertätigkeit wie bei den mit der Heilbehandlung und der Bekämpfung von Krankheiten befaßten Ärzten sei. Die Arbeit der Beklagten sei in besonderem Maße auf die Belange der praktizierenden Ärzte ausgerichtet (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 7, 8, § 18 b Abs. 3 HKG). Dieser Umstand schließe zwar nicht aus, daß sich das Wirken der Beklagten auch für die Mitglieder vorteilhaft auswirke, die sich mit der Heilbehandlung nicht praktisch befaßten. Ein etwaiger Nutzen sei aber wesentlich geringer als derjenige der praktisch tätigen Ärzte. Der darin liegende Unterschied sei von einem solchen Gewicht, daß seine beitragsrechtliche Außerachtlassung nicht mehr mit der grundsätzlich zulässigen Typisierung und Pauschalierung gerechtfertigt werden könne, sondern bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sei. Daraus folge die Verpflichtung, den zwischen den praktisch tätigen Ärzten und den nur theoretisch arbeitenden Grundlagenmedizinern bestehenden Unterschied in ihrer Tätigkeit und damit auch den Unterschied in dem Nutzen aus der Kammertätigkeit angemessen zu beachten.
Auch der Nutzen, den der Kläger aus der Kammertätigkeit zieht, ist daher bei der Beitragserhebung angemessen zu berücksichtigen. Sein Einkommen ist in weit geringerem Maße als bei praktischen Ärzten Indikator für die Vorteile, die er aus der Kammertätigkeit erlangt. Zwar führt die auf § 10 Abs. 1 Nr. 1 HKG zurückzuführende Förderung der beruflichen Belange der Gesamtheit der Kammerangehörigen zu wirtschaftlich nicht meßbaren Vorteilen, von denen auch der Kläger profitiert. Das oben beschriebene Aufgabenfeld des Klägers zeigt jedoch, daß sich seine Tätigkeit in ihren typischen Merkmalen deutlich von derjenigen der praktischen Ärzte unterscheidet. Der Kläger übt keine Heilkunde aus. Seine Tätigkeit wird durch typische Verwaltungsaufgaben charakterisiert, auch wenn er dabei überwiegend ärztliches Wissen einsetzt. Der Nutzen, den das LBA als Arbeitgeber aus der Tätigkeit der Ärztekammer ziehen mag, etwa bei Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 6 HKG oder bei der Überwachung der standesgerechten Berufsausübung der Ärzte in den fliegerärztlichen Untersuchungsstellen, darf mit dem Nutzen für den Kläger als Angestellter dieser Behörde nicht gleichgesetzt werden. Der Vorteil des Klägers mag anders gelagert sein als derjenige der Hochschullehrer. Die undifferenzierte Heranziehung zu den gleichen Beiträgen wie die praktischen Ärzte ist jedenfalls von der zulässigen Typisierung und Pauschalierung bei der Beitragsbemessung nicht mehr gedeckt und daher mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Äquivalenzprinzip unvereinbar.
Der Verweis auf einen Herabsetzungsantrag nach § 9 BO ist nicht geeignet, die in der Beitragsordnung zum Ausdruck kommende Ungleichbehandlung zu beheben. Hierfür bedarf es einer ausdrücklichen Regelung. Die Ermessensvorschrift des § 9 BO enthält keine Anhaltspunkte, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe den minderbevorteilten Kammerangehörigen eine Herabsetzung zu gewähren ist. Außerdem ist die geringere Beitragsleistung nicht erst auf einen Antrag hin zu erheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Als Streitwert wurde ein Betrag festgesetzt, der sich in etwa auf den fünffachen Jahresbeitrag des Klägers nach der Beitragsordnung in ihrer gegenwärtigen Fassung beläuft. Dieser Betrag entspricht der sich aus seinem Antrag für den Kläger ergebenden Bedeutung der Sache (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).
III.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig, Postfach 47 27, 38037 Braunschweig oder An der Katharinenkirche 11, 38100 Braunschweig, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsschrift muß das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingeht.
Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 100,- DM übersteigt. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig, Postfach 47 27, 38037 Braunschweig oder An der Katharinenkirche 11, 38100 Braunschweig, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingeht.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.500,- DM festgesetzt.
Bartsch
Dr. Struß