Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 10.06.2013, Az.: 4 B 4832/13

Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Asylbewerbers bei der Botschaft der Republik Niger zur Feststellung der Identität

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
10.06.2013
Aktenzeichen
4 B 4832/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 47833
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2013:0610.4B4832.13.0A

Fundstellen

  • InfAuslR 2013, 357
  • ZAR 2013, 26

In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn A.,
Antragstellers,
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte B.
gegen
den Landkreis Schaumburg - Ausländerstelle -, vertreten durch den Landrat, Jahnstraße 20, 31655 Stadthagen,
Antragsgegner,
Streitgegenstand: Vorführung bei der Botschaft
- Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 4. Kammer - am 10. Juni 2013 durch den Einzelrichter
beschlossen:

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 07.06.2013 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.05.2013 wird angeordnet, soweit dem Antragsteller aufgegeben wird, sich zur Abholung bereitzuhalten. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller und der Antragsgegner je zur Hälfte.

Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit dem Sachantrag stattgegeben wurde. Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Gründe

Der Antragsteller hat mit seinem Antrag,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.05.2013 (Az.: 4 A 4831/13) anzuordnen,

teilweise Erfolg.

Über den Antrag entscheidet gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG der Einzelrichter, da es sich um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt. Der Antragsteller ist Asylbewerber, so dass sich die Frage stellt, ob die Anordnung, bei einer Botschaft des Staates zu erscheinen, dessen Staatsangehörigkeit der Asylbewerber voraussichtlich besitzt, auf § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG oder - zumindest ergänzend - auf § 82 Abs. 4 AufenthG zu stützen ist. Nach überwiegender Meinung, der das Gericht folgt, handelt es sich dabei jedenfalls um eine Streitigkeit nach dem AsylVfG (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 15 AsylVfG Rn. 11).

Mit der Verfügung vom 23.05.2013 ordnete der Antragsgegner die Vorführung des Antragstellers bei der Botschaft der Republik Niger an. Die Vorführung soll am 11.06.2013 um 11.00 Uhr in den Räumen der Botschaft in Berlin erfolgen. Der Asylantrag des Antragstellers sei bestandskräftig abgelehnt, seine Staatsangehörigkeit nicht geklärt. Der Antragsteller werde zu diesem Termin von Vollzugsbeamten des Antragsgegners bis zum Standort der LAB NI und von dort durch Vollzugsbeamte der LAB NI nach Berlin begleitet und habe sich am 11.06.2013 ab 5.00 Uhr vor seiner Unterkunft bereitzuhalten.

Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet. Die im Rahmen der Entscheidung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Interessenabwägung geht, soweit es die Anordnung zur Vorsprache bei der Botschaft angeht, zu Ungunsten des Antragstellers und, soweit es die Anordnung betrifft, sich zur Abholung bereitzuhalten, zu Gunsten des Antragstellers aus. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens bei der Botschaft der Republik Niger erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig, die Anordnung, sich zur Abholung bereitzuhalten, erweist sich voraussichtlich als rechtswidrig.

Gemäß (§ 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit) § 82 Abs. 4 AufenthG kann die Behörde das persönliche Erscheinen des Ausländers bei der Botschaft anordnen, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach dem AufenthG und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich. Der Antragsgegner hat die Maßnahme angeordnet, um die Identität des Antragstellers zu klären. Eine mit einer solchen Zielsetzung angeordnete Vorsprache ist grundsätzlich zulässig. Sie erweist sich lediglich dann als unverhältnismäßig, wenn sie von vornherein aussichtslos ist. Das ist hier nicht der Fall. Die Staatsangehörigkeit des Antragstellers ist ungeklärt. Er behauptet nach wie vor, sudanesischer Staatsangehöriger zu sein. Dem stehen aber das Sprachgutachten des Bundesamtes, das eine solche sprachliche Zuordnung ausschließt und das Ergebnis der Vorsprache bei der sudanesischen Botschaft am 12.03.2013 entgegen. Während das Sprachgutachten des Bundesamtes zu dem Ergebnis kommt, dass der Antragsteller mit Sicherheit aus Nigeria stammt, ergaben sich bei der Vorführung vor der sudanesischen Botschaft Hinweise auf eine Herkunft aus Niger oder Tschad. Diese Hinweise rechtfertigen die Verfügung. Entgegen der Auffassung des Antragstellers muss die Ausländerbehörde weder die Qualifikation des Botschaftsvertreters überprüfen noch den Widerspruch zu dem Sprachgutachten des Bundesamtes aufklären. Beide Einschätzungen geben Hinweise, die Anlass zu einer Botschaftsvorführung geben können. Solche Hinweise führen dazu, dass eine entsprechende Botschaftsvorführung nicht als von vornherein aussichtslos anzusehen ist. Damit erweist sich die Verfügung als verhältnismäßig.

Die Anordnung erweist sich aber als rechtswidrig, als sich die Verfügung nicht darin erschöpft, das persönliche Erscheinen anzuordnen, sondern dem Antragsteller aufgegeben wird, sich zur Abholung bereitzuhalten. Letzteres ist von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Danach kann lediglich das persönliche Erscheinen des Ausländers angeordnet werden. Erst wenn der Antragsteller einer solchen vollziehbaren Anordnung, bei der Auslandsvertretung persönlich zu erscheinen, nicht nachkommt, kann die Verfügung zwangsweise durchgesetzt werden, gegebenenfalls auch durch die Ausübung unmittelbaren Zwangs. Dagegen, dem Antragsteller lediglich die Möglichkeit einzuräumen, eine Transportmöglichkeit zu nutzen, spräche allerdings nichts.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat in dem Umfang Erfolg, wie dem Sachantrag stattgegeben wird.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Behrens