Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 26.06.2013, Az.: 2 B 2658/13

Arglist; Ernennung; Rücknahme

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
26.06.2013
Aktenzeichen
2 B 2658/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64342
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Rücknahme der Ernennung unterliegt nicht der Mitbestimmung der Personalvertretung.
2. Zu den Rechtsfolgen der unterlassenen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung.
3. Die wirksame Rücknahme der Ernennung als Probebeamter macht die nachfolgende Ernennung auf Lebenszeit gegenstandslos.
4. Ein Verschweigen von Vorerkrankungen ist für die Ernennung schon dann kausal, wenn der Amtsarzt in Kenntnis des vollen Sachverhalts eine fachärztliche Untersuchung veranlasst hätte.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.244,02 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wehrt sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme ihrer Ernennungen.

Die im Jahre D. geborene Antragstellerin begründete E. ein Soldatenverhältnis auf Zeit für die Dauer von acht Jahren. Sie war zuletzt mit dem Dienstgrad eines F. als Führerin eines Sanitätstrupps und als Rettungssanitäterin eingesetzt. In dieser Eigenschaft war sie im Jahr G. Teilnehmerin des ersten KFOR-Kontingents der Nato-Truppen im Kosovo. Vor ihrem Dienstzeitende H. war die Antragstellerin für zwölf Wochen in einer stationären Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, wo als Folge ihres Auslandseinsatzes eine posttraumatische Belastungsstörung therapiert wurde.

Am 02.07.2001 wurde die Antragstellerin in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Land Niedersachsen berufen und zur Obersekretäranwärterin im Justizvollzugsdienst ernannt. Das aufgrund der Einstellungsuntersuchung eingeholte amtsärztliche Gutachten vom 21.05.2001 enthielt keine Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen oder Risiken. Die Berufung der Antragstellerin in das Beamtenverhältnis auf Probe und zur Ernennung zur Obersekretärin im Justizvollzugsdienst z.A. erfolgte am 27.06.2003 mit Wirkung zum 02.07.2003. Mit Wirkung vom 02.07.2004 wurde ihr die Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit verliehen; sie wurde zur Obersekretärin im Justizvollzugsdienst ernannt. Auch hier war eine amtsärztliche Untersuchung vorausgegangen; das amtsärztliche Gutachten vom 23.03.2004 der Region Hannover sagt aus, die Antragstellerin sei in gesundheitlicher Hinsicht als tauglich anzusehen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Unter Verkürzung der Probezeit war zuvor die Bewährung der Antragstellerin festgestellt worden.

Nachdem seit etwa 2007 vermehrt Krankheitstage aufgetreten waren, veranlasste die Antragsgegnerin eine amtsärztliche Untersuchung. Das Gutachten vom 02.08.2011 weist die Antragstellerin als voll dienstfähig (ab 01.10.2011) aus. Nach einer sechswöchigen stationären Behandlung mit einer hohen Anzahl von Krankheitstagen im Jahre 2011 kam es erneut zu einer amtsärztlichen Untersuchung, das am 03.02.2012 erstellte Gutachten empfiehlt ein Eingliederungsmanagement. Nachdem die Antragsgegnerin die Vorstellungen der Antragstellerin zur Gestaltung ihrer Arbeitszeit nicht akzeptiert hatte, kam es erneut am 28.03.2012 sowie am 01. und 12.06.2012 zu einer amtsärztlichen Begutachtung. Im letztgenannten Gutachten wurde erstmals die Diagnose „Zustand nach akuter PTBS“ gestellt. Seit dem 22.07.2012 ist die Antragstellerin dauernd dienstunfähig erkrankt.

Bereits am 10.02.2012 hatte die Antragsgegnerin einen Fax-Sendebericht gefunden, in dem die Antragstellerin von der Bundeswehr Unterlagen über ihren Aufenthalt im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg im Jahre 2001 anforderte. Bei ihren weiteren Ermittlungen stieß die Antragsgegnerin auf zwei Artikel I., in denen die Antragstellerin ihre traumatischen Erlebnisse während ihres Kosovo-Einsatzes geschildert hatte. Die Antragsgegnerin ermittelte daraufhin Einzelheiten zu den amtsärztlichen Untersuchungen. Die Amtsärztin J. teilte ihr am 12.06.2013 mit, im Jahre 2001 habe die Antragstellerin versichert, keine früheren Krankheiten verschwiegen zu haben. Zur amtsärztlichen Untersuchung im März 2004 gab die Amtsärztin an, auf die detaillierte Frage nach einer nervenärztlichen Behandlung habe die Antragstellerin diese verneint. Es sei von acht Jahren Bundeswehrzeit ohne Besonderheiten die Rede gewesen. Anlässlich der Überprüfung ihrer Dienstfähigkeit im Juli 2011 habe die Antragstellerin den Beginn ihrer psychischen Erkrankung auf frühestens 2008 datiert. Erst im Februar 2011 habe die Antragstellerin ihr einen Arztbericht vorgelegt, aus dem sich die stationäre Behandlung im Jahre 2001 ergibt.

Die Antragsgegnerin hörte daraufhin die Antragstellerin zu der hier verfügten Maßnahme schriftlich an. Die Antragstellerin gab an, sie habe der Amtsärztin im Jahre 2001 von ihrem Bundeswehrkrankenhausaufenthalt berichtet. Von einer Täuschungshandlung könne nicht ausgegangen werden, weil sie mit ihrer Erkrankung offen umgegangen und beispielsweise die Zeitungsinterviews gegeben habe. Nach ihren Ernennungen habe es keine gesundheitlichen Ausfälle gegeben.

Mit Verfügung vom 18.03.2013 nahm die Antragsgegnerin die Ernennungen der Antragstellerin zur Beamtin auf Widerruf, zur Beamtin auf Probe sowie zur Beamtin auf Lebenszeit mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Der Bescheid gibt zur Begründung an, die Antragstellerin habe anlässlich ihrer Ernennungen arglistig getäuscht, weil sie ihre PTBS-Erkrankung und deren stationäre Behandlung nicht offenbart habe. Diese sei zeitlich unmittelbar vor der Einstellungsuntersuchung gelegen, so dass die Antragstellerin ihre Erkrankung nicht habe vergessen können, zumal sie dazu Interviews im Jahre 2002 gegeben habe. Anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung vom 19.03.2004 habe sie die entsprechende Krankheit auf Befragen explizit verneint. Im Falle der Offenbarung der Erkrankung wäre eine weitere gesundheitliche Abklärung durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens geboten gewesen. Auf die Beteiligung der Personalvertretung habe die Antragstellerin verzichtet. Gleichzeitig ordnete die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom 18.03.2013 an. Zur Begründung heißt es dort, die Vertrauensbasis zur Antragstellerin sei dauerhaft verloren, Sicherheitserwägungen geböten den Sofortvollzug ebenso wie die Rechtssicherheit, weil ihre Amtshandlungen nach Rücknahme der Ernennung nicht mehr gültig seien. Auch müsse ihre Planstelle umgehend verfügbar gemacht werden und die Haushaltslage erfordere die Einstellung der Bezügezahlung, weil ansonsten ein Rückforderungsanspruch konkret gefährdet wäre. Hinter diesem öffentlichen Interesse müsse die persönlich und wirtschaftlich schwierige Lage der Antragstellerin zurücktreten.

Bereits am 11.01.2013 hatte die Antragstellerin einen Antrag gestellt, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt zu werden. Zu diesem Antrag wurde die Antragsgegnerin am 13.03.2012 von der Bundesanstalt für Arbeit angehört. Der Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 09.04.2013 stellt die Antragsteller mit Wirkung vom 11.01.2013 einem schwerbehinderten Menschen gleich.

Die Antragstellerin hat am 02.04.2013 Klage erhoben – 2 A 2657/13 – und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung ihres Antrages trägt sie vor: Es sei nicht richtig, dass sie auf eine Beteiligung der Personalvertretung verzichtet habe. Ein arglistiges Verhalten könne ihr nicht vorgeworfen werden. Sie sei nach ihrem stationären Aufenthalt im Bundeswehrkrankenhaus als geheilt entlassen worden. Seitdem sei sie wegen der PTBS auch nicht mehr in ärztlicher Behandlung. Ihre aktuellen gesundheitlichen Probleme rührten vielmehr aus einer Depression her, auch sei das Krankheitsbild ADHS diagnostiziert worden, beide Leiden ständen nicht mit der damaligen PTBS in einem Zusammenhang. Sie habe der Amtsärztin von ihrer früheren Erkrankung auch berichtet. Wegen der von ihr gegebenen Interviews sei es lebensfremd, ein Verschweigen anzunehmen. Die Amtsärztin habe erklärt, da die PTBS ausgeheilt sei, müsse sie diese in ihrer Akte nicht festhalten. Im Übrigen wären ihre Ernennungen auch bei Kenntnis der Vorerkrankung erfolgt, weil diese abschließend behandelt und ausgeheilt gewesen sei. Aufgrund der festgestellten Bewährung nach Ablauf ihrer Probezeit habe sie einen Anspruch auf Ernennung auf Lebenszeit gehabt. Bis 2011 habe sie ihren Dienst auch ohne gesundheitliche Beeinträchtigung leisten können. Aufgrund des Einsatzweiterverwendungsgesetzes habe sie auch einen Beschäftigungsanspruch. Schließlich sei auch die Anordnung des Sofortvollzuges nicht rechtens. Die Antragstellerin legt eine eidesstattliche Versicherung vom 14.05.2013 vor, auf deren Inhalt Bezug genommen wird und beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 2 A 2657/13 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.03.2013 wieder herzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen

und verteidigt die ergangene Entscheidung. Bei Erlass ihrer Rücknahmeverfügung sei ihr die Entscheidung über die Gleichstellung nach Schwerbehindertenrecht nicht bekannt gewesen. Die Erinnerung der Antragstellerin an die Einstellungsuntersuchung sei aufgrund der dienstlichen Erklärungen der Amtsärztin widerlegt. Der Inhalt der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung finde in den Gesundheitsakten keine Stütze.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Personalakte sowie auf die von der Kammer beigezogenen amtsärztlichen Unterlagen der Region Hannover Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der zugleich erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 18.03.2013 ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der drei Ernennungen ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung ihrer Rücknahmeverfügung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise schriftlich und bezogen auf den konkreten Einzelfall begründet. Das dort dargelegte besondere Vollzugsinteresse wird auch von der Kammer gesehen. Unter den mehreren selbstständig tragenden Begründungserwägungen ist allerdings der Hinweis der Antragsgegnerin, die Rechtssicherheit gebiete die Anordnung der sofortigen Vollziehung, weil Amtshandlungen der Antragstellerin nach Rücknahme ihrer Ernennung nicht mehr gültig seien, nicht zutreffend. Gemäß § 12 Abs. 2 NBG i.V.m. § 11 Abs. 3 NBG bleiben die bis zum Wirksamwerden des Rücknahmebescheides vorgenommenen Amtshandlungen in gleicher Weise gültig, wie wenn die Ernennung wirksam gewesen wäre. Diese Regelung erstreckt sich nach ihrem Wortlaut auf Amtshandlungen, die in den Zeitraum bis zur Bekanntgabe der Rücknahmeerklärung vorgenommen wurden. Nichts anderes gilt jedoch für Amtshandlungen, die nach dem Wirksamwerden der Rücknahmeerklärung während der Zeit einer aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder eine Klage vorgenommen werden. Auch in diesen Fällen wird der Beamte aufgrund eines vermeintlichen Beamtenverhältnisses für den Dienstherrn nach außen tätig, der rechtlich gehindert ist, die tatsächliche Bestellung zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zu beenden, sofern er nicht die sofortige Vollziehung der Rücknahmeverfügung anordnet. Auch die Adressaten des Verwaltungshandelns können nicht vermeiden, dass ein vermeintlicher Beamter in dieser Zeit ihnen gegenüber noch tätig wird. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ist es deshalb geboten, den Zeitraum einer aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittel mit in die klarstellende Regelung der §§ 12 Abs. 2, 11 Abs. 3 NBG einzubeziehen (vgl. dazu Plog/Wiedow, § 15 BBG 2009 Randziffer 10). Im Ergebnis ist die insoweit fehlerhafte Sichtweise der Antragsgegnerin jedoch nicht geeignet, die ansonsten ordnungsgemäß begründete Anordnung der sofortigen Vollziehung in Frage zu stellen.

Die bei der Entscheidung des Gerichts nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung geht hier zum Nachteil der Antragstellerin aus. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Rücknahme ihrer Ernennungen überwiegt ihr privates Interesse, von der Vollziehung der Verfügung vom 18.03.2013 verschont zu bleiben. Dabei sind auch die Erfolgsaussichten des anhängig gemachten Klageverfahrens in den Blick zu nehmen. Je geringer nämlich diese Erfolgsaussichten sind, umso höher müssen die erfolgsunabhängigen Interessen der Antragstellerin zu veranschlagen sein, um eine Aussetzung gleichwohl zu rechtfertigen. Hier wird die Klage der Antragstellerin – 2 A 2657/13 – gegen die Rücknahme ihrer Ernennungen im Bescheid vom 18.03.2013 aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben. Der Bescheid der Antragsgegnerin dürfte sich nämlich als rechtmäßig erweisen und deshalb die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen.

Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer Rücknahme der Ernennung waren gegeben. Weder Personalvertretungsrecht noch Schwerbehindertenrecht wurden bei Erlass der angegriffenen Verfügung im Ergebnis verletzt:

Die Vorschriften des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes sind zwingendes Recht, ein Beamter kann auf ihre Einhaltung nicht verzichten. Einer Beteiligung der zuständigen Personalvertretung bedurfte es vorliegend jedoch nicht. Der Tatbestand der Rücknahme einer Ernennung ist nicht im Katalog der personellen Maßnahmen für Beamte in § 65 Abs. 1 NPersVG enthalten. Allerdings besagt § 64 Abs. 3 Satz 1 NPersVG, dass es sich bei § 65 NPersVG nur um eine beispielhafte Aufzählung handelt, welche die Mitbestimmung bei Maßnahmen von ähnlichem Gewicht nicht ausschließt. Die Rücknahme einer beamtenrechtlichen Ernennung hat zweifelsohne dasselbe Gewicht wie die Einstellung nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 NPersVG. Jedoch bestimmt § 64 Abs. 3 Satz 2 NPersVG, dass die in § 65 NPersVG aufgeführten Sachverhalte dort abschließend geregelt sind. Damit ist zugleich die gesetzliche Entscheidung getroffen, dass ausfüllungsfähige Lücken insoweit nicht vorhanden sind und die in den Katalogtatbeständen aufgeführten Sachverhalte auch nicht unter Rückgriff auf die Generalklausel des § 64 Abs. 1 NPersVG im Wege der Analogie erweitert werden könnten. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen (Landtagsdrucksache 12/4370 zu § 63 Abs. 3 des Entwurfs, S. 144), dass es dem gesetzgeberischen Willen entspricht, das jeweilige Gegenteil einer im Katalog aufgeführten Maßnahme nicht der Mitbestimmung unterliegen zu lassen. Dies gilt für die Ablehnung einer Maßnahme (beispielsweise die Ablehnung einer Einstellung) ebenso wie für die Aufhebung der in den Katalogen aufgeführten Maßnahmen. Die in der Gesetzesbegründung verwandte Terminologie der „Aufhebung von Maßnahmen“ ist der Oberbegriff für Widerruf und Rücknahme (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG). Deshalb folgt zur Überzeugung der Kammer aus § 64 Abs. 3 Satz 2 NPersVG, dass an Maßnahmen auf der Grundlage des § 12 BeamtStG ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nicht besteht (so schon Beschluss der Kammer vom 25.06.2012 – 2 B 3767/12 -, rechtskräftig durch Zurückweisen der Beschwerde im Beschluss des Nds.OVG vom 01.09.2012 – 5 ME 192/12 -).

Im Ergebnis stehen auch Vorschriften des Schwerbehindertenrechts der verfügten Maßnahme nicht entgegen. Bei Erlass der im Klageverfahren angefochtenen Verfügung vom 18.03.2013 konnte der Antragsgegnerin der Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 09.04.2013 noch nicht bekannt sein, mit dem die Antragstellerin mit Rückwirkung vom 11.01.2013 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden ist. Bei der hier ausgesprochenen Maßnahme ist grundsätzlich für Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Beamte gemäß §§ 95 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 3, 68 Abs. 1 und 73 Abs. 1 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 07.04.2011 – 2 B 79/10 – juris) der die Kammer folgt, wird der in den genannten Vorschriften verordnete Schutz von Schwerbehinderten und diesen gleichgestellter Menschen jedoch nicht von Amts wegen gewährt. Deshalb ist eine Maßnahme, die vom Dienstherrn in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft des Beamten diesem gegenüber getroffen wird, nicht wegen einer unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung rechtswidrig, wenn der Beamte es unterlassen hat, den Dienstherrn von der Schwerbehinderung in Kenntnis zu setzen. Dies gilt nicht erst nach erfolgter Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft oder der Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen, sondern bereits während eines laufenden Antragsverfahrens. Der Personalakte kann nicht entnommen werden, dass die Antragstellerin die Antragsgegnerin über den von ihr gestellten Antrag auf Gleichstellung informiert hat. Die Antragstellerin hat allerdings von diesem Antrag Kenntnis erhalten, nämlich als sie am 13.03.2013 vom für die Entscheidung zuständigen Bundesanstalt für Arbeit um Stellungnahme zu diesem Antrag gebeten wurde. Aus dem Anhörungsschreiben lässt sich indessen nicht entnehmen, dass die Antragstellerin sich gegenüber der Antragsgegnerin auf die Rechte eines mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Menschen berufen wollte. Ist aber ein solcher Wille nicht zu erkennen, so kann einer Information einer dritten Behörde über ein laufendes Antragsverfahren nur dann die Wirkung einer Mitteilung des Beamten selbst zukommen, wenn die Übersendung erkennbar auf die Initiative des Beamten zurückzuführen ist (BVerfG, a.a.O., Randziffer 8). Fehlt es an Anhaltspunkten, die die Initiative der Antragstellerin erkennen lassen, muss es bei dem Ergebnis bleiben, dass der Schutz des einem Schwerbehinderten gleichgestellten Menschen nicht von Amts wegen gewährt werden muss.

Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, und auch dieser Gesichtspunkt ist geeignet, das hier gefundene Ergebnis zu tragen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 20.12.2012 – 2 B 39/10 – juris) nach dem Rechtsgedanken des § 46 VwVfG die fehlende Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bei gebundenen Entscheidungen nichts zur Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme führt. Die Kammer verkennt insoweit nicht, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dieser Frage in der Vergangenheit nicht immer eindeutig war. Nach der früheren Rechtsprechung war eine Rechtswidrigkeit bei unterbliebener Anhörung anzunehmen, wenn die getroffene Entscheidung eine in die Rechtsverhältnisse des Beamten tief eingreifende Maßnahme betraf (vgl. BVerwG, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 18; ZBR 1986, 274; Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 24). Mit Beschluss vom 25.10.1989 – ZBR 1990, 180 – hat das Bundesverwaltungsgericht dann entschieden, eine Rechtswidrigkeit wegen unterlassener Anhörung sei bei beamtenrechtlichen Maßnahmen generell ausgeschlossen. Bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung ist jedoch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde zu legen (Beschluss vom 20.12.2010 - 2 B 39.10 -, juris Randziffer 6), die für die Frage der Rechtsfolge der Verletzung des Beteiligungsrechts der Schwerbehindertenvertretung zwischen Ermessensentscheidungen und gebundenen Verwaltungsakten differenziert. Da die hier gegebene Ermächtigungsgrundlage des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG eine gebundene Entscheidung ist, muss jedenfalls für das vorläufige Rechtsschutzverfahren von einer Heilung eines – hier unterstellten - Anhörungsmangels ausgegangen werden.

Zur Überzeugung der Kammer liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Ermächtigungsgrundlage vor, weil die Antragstellerin ihre Ernennungen durch arglistige Täuschung herbeigeführt hat. Die Antragstellerin hat sowohl bei ihrer Einstellungsuntersuchung vor ihrer Ernennung zur Beamtin auf Widerruf als auch bei ihrer amtsärztlichen Untersuchung anlässlich ihrer Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit die Amtsärztin arglistig getäuscht. Infolge dieser Täuschung ist es kausal zu den drei zurückgenommenen Ernennungen gekommen. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass, wenn - wie hier - die das Beamtenverhältnis begründende Ernennung zurückgenommen wird, konkret die Ernennung der Antragstellerin zur Obersekretärin im Justizvollzugsdienst zur Anstellung unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe, damit rückwirkend das Beamtenverhältnis insgesamt entfällt. Innerhalb dieses Beamtenverhältnisses werden also weitere Ernennungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BeamtStG gegenstandslos (Plog/Wiedow, § 12 BBG a.F. Randziffer 14; GKÖD § 12 BBG a.F. Randziffer 8; Bay.VGH, Beschluss vom 24.11.2005 – 15 BV 03.3017, juris Randziffer 38). Wenn also nach dem Tenor des Bescheides vom 18.03.2013 neben den weiteren Ernennungen der Antragstellerin auch die Ernennung zur Obersekretärin im Justizvollzugsdienst unter Verleihung der Eigenschaft einer Lebenszeitbeamtin mit Wirkung vom 02.07.2004 zurückgenommen wird, so kommt bezüglich der Rücknahme der letztgenannten Ernennung in Gestalt der Umwandlung des Beamtenverhältnisses dem Bescheid keine weitergehende Regelungswirkung zu, wenn sich – wie hier – die Rücknahme der nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG erfolgten Ernennung zur Beamtin auf Probe als rechtmäßig erweist.

Anlässlich der Einstellungsuntersuchung bei der Amtsärztin des Landkreises Hannover K. am 16.05.2001 hat die Antragstellerin zur Überzeugung des Gerichts arglistig getäuscht. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der zu Ernennende durch unrichtige Angaben oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Amtsträger der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, diesen durch die Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Sie ist zu bejahen, wenn der Täuschende erkennt oder jedenfalls damit rechnet und in Kauf nimmt, dass die Ernennungsbehörde aufgrund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen oder - umgekehrt - der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen (vgl. Plog/Wiedow, § 12 BeamtStG Rdnr. 4). In Bezug auf diese Untersuchung hatte das Gesundheitsamt der Region Hannover der Antragsgegnerin unter dem 12.06.2012 mitgeteilt, in den von der Antragstellerin unterschriebenen Angaben zur ihrer Krankenvorgeschichte habe sie eine psychische Störung oder Erkrankung nicht angegeben sowie versichert, keine früheren Erkrankungen verschwiegen zu haben. Dieser Sachverhalt hat sich für die Kammer nach Auswertung der beigezogenen Akten des Gesundheitsamtes bestätigt, so dass sie der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin vom 14.05.2013 nicht zu folgen vermag.

Die Antragstellerin hat dort an Eides statt versichert: „Ich habe bei diesem Gespräch offenbart, dass ich aufgrund meines Kosovos-Aufenthaltes und der dortigen Erlebnisse an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt war, mich stationär im Bundeswehrkrankenhaus habe behandeln lassen und als geheilt entlassen wurde. Die Amtsärztin hat gesagt, wenn das ausgeheilt ist, müssen wir es nicht aufschreiben.“ Der Inhalt dieser eidesstattlichen Versicherung ist zunächst objektiv teilweise unrichtig. Ausweislich des klinisch-psychologischen Befundes des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg vom 01.03.2001 ist die Antragstellerin nach ihrem stationären Aufenthalt vom 18.01. bis 01.03.2001 dort nicht „als geheilt entlassen worden“. In dem Bericht heißt es vielmehr, der Zustand der Patientin habe sich deutlich gebessert, die posttraumatische Belastungsstörung sei zurückgegangen. Die weitere Entwicklung bleibe abzuwarten. Dieser Befund trifft eine andere Aussage als eine endgültige Heilung, auch in der gestellten Diagnose ist von einer erfolgreichen Therapie nicht die Rede.

Aber auch nach dem Inhalt des vollständig der Kammer jetzt vorliegenden Gesundheitszeugnisses vermag sie die eidesstattlichen Versicherung in ihrer Entscheidung nicht zugrunde zu legen. Die Antragstellerin hat danach gegenüber der Amtsärztin erklärt und durch ihre Unterschrift versichert, frühere Erkrankungen nicht verschwiegen zu haben. Entsprechend hat die Amtsärztin auch aufgenommen, die Antragstellerin sei nie ernstlich krank gewesen. Die an Eides statt versicherte Aussage der Amtsärztin, als ausgeheilte PTBS müsse eine solche nicht festgehalten werden, ist nicht glaubhaft gemacht. Die Amtsärztin hat nämlich in dem Gesundheitszeugnis einen operativen Eingriff an der rechten Schulter der Antragstellerin in der Medizinischen Hochschule Hannover aus dem Jahre 1995 aufgenommen und damit eine frühere Erkrankung festgehalten, die sechs Jahre später offensichtlich ausgeheilt war. Warum eine vor wenigen Monaten vor der amtsärztlichen Untersuchung noch therapierte posttraumatische Belastungsstörung dagegen nicht festgehalten worden ist, wenn sie denn offenbart worden wäre, erschließt der Kammer deshalb nicht.

Auch anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung am 19.03.2004 bei der Region Hannover hat die Antragstellerin - jetzt gegenüber einer anderen Amtsärztin, L. - arglistig getäuscht, in dem sie notwendige Angaben verschwiegen und unterlassen hat. In dem Befundbogen hat Frau L. angegeben, die Antragstellerin sei nie ernstlich krank gewesen, auch hier wird die Schulterluxation aus dem Jahre 1995 ausdrücklich erwähnt. Der Befundbogen weist ferner aus, dass die Amtsärztin ausdrücklich nach einer nervenärztlichen Behandlung gefragt, insoweit aber von der Antragstellerin eine verneinende Antwort bekommen hat. Die Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus war aber eine solche erfragte nervenärztliche Behandlung. Eine eidesstattliche Versicherung, die sich auf diese amtsärztliche Untersuchung bezieht, hat die Antragstellerin nicht abgegeben.

Diese Täuschungen waren kausal für die Ernennung der Antragstellerin zu Beamtin auf Widerruf, auf Probe und auf Lebenszeit, die bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes durch die Antragsgegnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin so nicht hätte erfolgen dürfen. Eine nicht endgültig erfolgreiche Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung nur wenige Monate vor der amtsärztlichen Untersuchung hätte nicht wie vorliegend ohne weiteres zu der Ernennung zur Beamtin auf Widerruf geführt. Amtsarzt und Antragsgegnerin wären viel mehr gehalten gewesen, eine zusätzliche fachärztliche Untersuchung der Antragstellerin herbeizuführen. Ohne die Täuschung hätte die Ernennungsbehörde deshalb jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt von der Ernennung abgesehen. Für die zu fordernde Kausalität ist es notwendig aber auch ausreichend, dass die Behörde ohne die Täuschung den Bewerber nicht wie geschehen alsbald ernennt, sondern zunächst weitere Prüfungen und Erwägungen anstellt und erst sodann auf vervollständigter Grundlage über die Bewerbung entschieden hätte (vgl. BVerwG, Beschluss v. 29.07.1998 - 2 B 63/98 - , ZBR 2001, 106; Urt. v. 10.06.1999 - 2 C 20/98 - ZBR 2000, 37).

Die Antragstellerin handelte auch mit dem für eine arglistige Täuschung erforderlichen Täuschungsbewusstsein. Es erscheint ausgeschlossen, dass die Antragstellerin ihre schrecklichen Erlebnisse und die deshalb notwendig gewordene Behandlung im Mai 2001 vergessen oder verdrängt hatte. Liegt damit der Rücknahmegrund der arglistigen Täuschung vor, war die verfügte Rücknahme zwingend mit Wirkung für die Vergangenheit zu veranlassen. Rechtlich ohne Belang ist es daher, dass die Antragstellerin nach Feststellung der Bewährung in ihrer Probezeit einen Anspruch auf Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit hatte. Auch die Dienstleistung über mehrere Jahre ohne einen auffälligen Krankheitsverlauf spielt für die rechtliche Bewertung keine Rolle. Schließlich kann sich die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg auf § 8 des Einsatzweiterverwendungsgesetzes berufen. Adressat der dort eingeräumten Ansprüche ist allein der Bund, der für eine Verwendung der vom Schutzzweck dieses Gesetzes erfassten Bewerber im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung zu sorgen hat.

Als Unterlegene hat die Antragstellerin die Verfahrenskosten gem. § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Streitwertfestsetzung folgt ihrer Höhe nach aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 GKG. Als streitwertbestimmend hat das Gericht dabei nur die Rücknahme der Ernennung unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe vom 27.06.2003 angesehen, weil aus den oben näher ausgeführten Gründen der Rücknahme der Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit kein selbstständiger Regelungsgehalt zukommt.