Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 11.06.2013, Az.: 13 A 2222/13

Ausschlussfrist; stationäre Behandlung; Jahresfrist; Krankheit; Verschulen; Wiederei

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
11.06.2013
Aktenzeichen
13 A 2222/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64249
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Beihilfe für der Beihilfestelle verfristet vorgelegte Rechnungen. Seit 31.07.2012 befindet sich der Kläger im Ruhestand, zuvor hatte er einen Beihilfeanspruch mit einem Bemessungssatz von 50 v.H.

Zwei dem Kläger behandelnde Ärzte fertigten jeweils unter dem 30.08.2011 Rechnungen über 216,52 € bzw. 42,88 €.

Am 02.09.2011 und 07.10.2011 kaufte der Kläger jeweils ärztlich verordnete Medikamente für 24,57 € bzw. 28,52 €.

Am 24.10.2012 ging der Beihilfeantrag mit diesen Rechnungen bei der Beklagten ein. In einem Schreiben vom 23.10.2012 bat der Kläger um Entschuldigung für die verspätete Eingabe. Er habe den Fristablauf nicht bemerkt, weil er „seit dem Tode [seiner] Frau so ziemlich am Boden“ sei.

Mit Beihilfebescheid vom 31.10.2012 gewährte die Beklagte dem Kläger zwar Beihilfen für andere, ebenfalls geltend gemachte Aufwendungen, nicht jedoch für die vier oben genannten Rechnungen. Die jeweiligen Rechnungsdaten seien älter als ein Jahr.

Soweit Rechnungen mit einem über einen Jahr alten Rechnungsdatum unberücksichtigt geblieben sind, legte der Kläger Widerspruch ein. Seine Ehefrau sei infolge ärztlicher Kunstfehler gestorben. Es sei sehr schwer für ihn gewesen, mit dieser Situation fertig zu werden, so dass er die Rechnungen vergessen habe. Außerdem sei er im Mai bis Juli 2012 wegen psychischer Probleme in stationärer Behandlung gewesen.

Offenbar nahm der Kläger im Laufe des Widerspruchsverfahrens seinen Widerspruch hinsichtlich der Versagung von Beihilfe für die Medikamente telefonisch zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers hinsichtlich der beiden Arztrechnungen zurück. Wegen der telefonischen Rücknahme entschied die Beklagte jedoch nicht mehr hinsichtlich der Medikamentenrezepte.

Das Datum der Zustellung des Widerspruchsbescheides lässt sich aus den Verwaltungsvorgängen nicht ersehen. Unter dem 30.01.2013 verfasste der Kläger jedoch ein Schreiben an die Beklagte und nahm auf den Widerspruchsbescheid Bezug.

Der Kläger hat am 26.02.2013 Klage erhoben.

Er ist der Ansicht, ihm müsse von der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Eine größere Ausnahme als Trauer und Angst gebe es nicht. Seine Ehefrau sei im Oktober 2010 in einem Krankenhaus ums Leben gebracht worden. Er versuche nun, auf dem Klageweg für seine Frau zu kämpfen. Außerdem habe er sich von Mai bis Anfang Juli 2012 in klinischer psychologischer Behandlung befunden.

Entgegenkommender Weise habe er die zwei Medikamentenrechnungen unberücksichtigt lassen wollen. Da die Beklagte aber eine Beihilfe für die Arztrechnungen versagt habe, nehme er auch die Medikamentenaufwendungen wieder in seine Forderung auf.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Beihilfe nach dem maßgeblichen Beihilfesatz auch für die beiden Arztrechnungen vom 30.08.2011 und die Medikamentenrechnungen vom 02.09.2011 und 07.10.2011 zu gewähren und den Beihilfebescheid vom 31.10.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2013 insoweit aufzuheben, wie er dieser Verpflichtung entgegensteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Gründe ihres Widerspruchsbescheides.

Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 08.05.2013 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.

Die Klage ist zulässig.

Das Datum der Zustellung des Widerspruchsbescheides ergibt sich nicht aus den Verwaltungsvorgängen. Zugunsten des Klägers geht das Gericht von einer fristgerecht erhobenen Klage aus.

Die Klage ist auch im Hinblick auf die beiden Medikamentenrechnungen zulässig. Der Widerspruch des Klägers (Schreiben vom 07.11.2012) bezog sich auch auf die versagte Beihilfe für die Medikamente. Zwar hat der Kläger im Laufe des Widerspruchsverfahrens telefonisch seinen Widerspruch beschränkt. Diese Beschränkung ist jedoch unwirksam, weil sie nicht in der für einen Widerspruch vorgeschriebenen Form erfolgte. Die Beklagte hat es versäumt, sich die Teil-Rücknahme des Widerspruches schriftlich bestätigen zu lassen.

Hinsichtlich der Aufwendungen für die Medikamente liegt bislang keine Widerspruchsentscheidung vor. Im Widerspruchsbescheid vom 23.01.2013 wurde ausdrücklich dazu keine Entscheidung getroffen. Da die Teil-Widerspruchsrücknahme unwirksam ist, liegt kein zureichender Grund für die bislang unterbliebene Bescheidung vor. Die Klage ist insoweit als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch mehr auf eine Beihilfe für die vier streitigen Aufwendungen.

Nach § 48 Abs. 1 Nds. Beihilfeverordnung (NBhVO) ist der Antrag auf Beihilfe innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr nach Entstehen der Aufwendungen zu stellen. Liegt eine Rechnung vor, so beginnt die Frist mit dem Rechnungsdatum.

Die Jahresfrist für die letzte Rechnung lief am 07.10.2012 ab, die Fristen für die anderen drei Rechnungen entsprechend früher. Der Beihilfeantrag mit den Rechnungen ging jedoch erst am 24.10.2012 bei der Beklagten ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Jahresfrist bereits abgelaufen. Da es sich um eine Ausschlussfrist handelt, ist der Beihilfeanspruch für diese Aufwendungen erloschen (vgl. Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 01.06.2010 - 3 K 962/09 -, zit. n. juris).

Zu Recht hat die Beklagte dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Ob bei einer materiellen Ausschlussfrist überhaupt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist (eher ablehnend: Verwaltungsgericht des Saarlandes, a.a.O., verneinend für die hessische Rechtslage auch VGH Kassel, Urteil vom 25.07.2012 - 1 A 2253/11 -, s.a. VG Köln, Urt. v. 29.08.2011 - 19 K 3512/10, jeweils. zit. n. juris), kann hier offen bleiben, weil schon die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vorliegen. Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung wäre, dass der Kläger ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Verschulden i. S. v. § 32 Abs. 1 VwVfG ist dabei das Außerachtlassen derjenigen Sorgfalt, die für einen gewissenhaft und sachgemäß seine Rechte wahrnehmenden Beteiligten geboten und nach den Umständen des Einzelfalles zumutbar ist. Dabei wird ein objektiver Maßstab unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und des einzelnen Beteiligten zugrunde gelegt.

Diese Voraussetzung hat der Kläger indes weder darlegen, geschweige denn nachweisen können.

Es ist nachvollziehbar, wenn der Kläger nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 2010 getrauert hat. Es ergibt sich daraus jedoch noch lange nicht, dass er deshalb nicht in der Lage gewesen wäre, rechtzeitig eine Beihilfe zu beantragen. Ärztliche Stellungnahmen und Atteste, die dies nahelegen könnten, hat der Kläger nicht vorgelegt. Das Gericht kann von Amtswegen kein Sachverständigengutachten hierzu einholen, denn dies liefe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus. Gegen eine psychiatrische Erkrankung, die den Kläger an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert hätte, spricht im Übrigen der Umstand, dass der Kläger ja offenbar ansonsten durchaus tätig werden konnte, etwa die Arztrechnungen bezahlte und offenbar auch zivilrechtliche Streitigkeiten mit den seinerzeit seien Ehefrau behandelnden Ärzten bzw. Krankenhäusern geführt hat. Der Kläger war einfach durch die Umstände derart belastet, dass er - wie er selbst im Widerspruchsschreiben vom 07.11.2012 einräumt, schlichtweg die Rechnungen vergessen hat. Das aber ist schon kein Wiedereinsetzungsgrund.

Der Umstand, dass der Kläger von Mai bis Anfang Juli in stationärer Behandlung war, stellt ebenfalls keinen Widereinsetzungsgrund dar. Aus einer stationären Behandlung folgt ohne Hinzutreten weiterer besonderer Umstände aber noch nicht ohne weiteres, dass der Kläger zur Stellung eines Beihilfeantrages nicht in der Lage war. Die Jahresfrist für die ersten beiden Rechnungen lief erst am 30.08.2012 ab, zu diesem Zeitpunkt war der stationäre Klinikaufenthalt bereits wieder längst beendet. Außerdem hat der Kläger selbst, worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, noch im Juli 2012 Beihilfeanträge hinsichtlich anderer Aufwendungen gestellt und damit gezeigt, dass er durchaus in der Lage war, entsprechende Handlungen vorzunehmen (vgl. auch: VG Hannover, Urteil vom 09.10.2006 - 2 A 4368/04 -, Seite 5 des Urteilsabdrucks).

Im Übrigen folgt das Gericht der Begründung des angefochtenen Bescheides sowie des Widerspruchsbescheides und sieht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von der weiteren Begründung ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.