Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.03.1998, Az.: 7 W (L) 112/97
Genehmigung eines Übergabevertrages durch das Landwirtschaftsgericht ; Einschränkung der Testierfreiheit und Vertragsfreiheit; Versagungsgründe eines Übergabevertrages nach der Höfeverordnung oder nach dem Grundstücksverkehrsgesetz
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.03.1998
- Aktenzeichen
- 7 W (L) 112/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 19849
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1998:0319.7W.L112.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Stolzenau - 09.12.1997 - AZ: Lw 81/96
Rechtsgrundlage
- § 9 Abs. 1 Ziffer 1 GrdstVG
Verfahrensgegenstand
Antrag auf landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung des Hofübergabevertrages vom 16. Dezember 1996 über den im Grundbuch von ... Blatt ... eingetragenen Hof im Sinne der Höfeordnung (UR-Nr. 1222 des Notars ... in ...)
In der Landwirtschaftssache
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ... als Berufsrichter sowie
den Landwirt ... und die Landwirtin ... als ehrenamtliche Richter
am 19. März 1998
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Stolzenau vom 9. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 3 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Beschwerdewert: 484.400 DM
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1 (geboren am 23. Februar 1932) und die Beteiligte zu 2 (geboren am 4. Dezember 1931) sind miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe sind mit dem Beteiligten zu 3 (geboren am 22. Juni 1958), einem Landwirt, und der Beteiligten zu 4 (geboren am 5. November 1950), einer Lehrerin, zwei Kinder hervorgegangen.
Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer der im Grundbuch von ... Blatt ... eingetragenen landwirtschaftlichen Besitzung eines Hofes im Sinne der Höfeordnung, zur Größe von 33,6823 ha (Einheitswert: 63.100 DM für den Hof und 50.000 DM für das Altenteilerhaus; Wirtschaftswert: 30.432 DM). Die Hofstelle liegt auf dem 8,0050 ha großen Flurstück 43/16 der Flur 15 der Gemarkung ... Das Anwesen wird seit längerem vom Beteiligten zu 3 als Pächter bewirtschaftet.
Durch den notariellen Übergabevertrag vom 16. Dezember 1996 übertrug der Beteiligte zu 1 mit Zustimmung der Beteiligten zu 2 den Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Beteiligten zu 3 mit Wirkung zum 1. Januar 1997. Unter § 3 wurden Altenteilsleistungen für die Beteiligten zu 1 und 2 geregelt und unter § 6 die Abfindung der Beteiligten zu 4. § 4 des Vertrages lautet wie folgt:
"Der Übernehmer (= Beteiligter zu 3) verpflichtet sich, die Hof- und Gebäudefläche zu Lebzeiten der Erschienenen zu 1 (= Beteiligten zu 1 und 2) ohne deren Zustimmung oder die Zustimmung des Längstlebenden von ihnen weder ganz oder teilweise zu veräußern noch zu belasten. Im Fall der Zuwiderhandlung ist er verpflichtet, den Grundbesitz auf den Übergeber, falls dieser bereits verstorben sein sollte, auf den überlebenden Elternteil zurückzuübertragen.
Zur Absicherung des im Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verfügungsbeschränkungen entstehenden Rückauflassungsanspruchs ist auf Verlangen der Berechtigten eine Vormerkung im Grundbuch auf der genannten Hof- und Gebäudefläche einzutragen.
Der Übernehmer bewilligt die Eintragung schon jetzt. Den Eintragungsantrag behalten sich die Erschienenen zu 1 vor."
Die Beteiligten haben die landwirtschaftliche Genehmigung des Übergabevertrages vom 16. Dezember 1996 begehrt. Nach Anhörung des Fleckens ..., der in seiner Stellungnahme vom 15. Januar 1997 die Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten zu 3 bejaht, hat das Landwirtschaftsgericht den Beteiligten durch den Beschluß vom 9. Dezember 1997 die Genehmigung mit der Begründung versagt, der Übergabevertrag führe wegen des unter § 4 vereinbarten Rückstrittsrechts zu einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden im Sinne des § 9 Abs. 1 Ziffer 1 GrdstVG. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt dieser Entscheidung verwiesen.
Gegen den am 11. Dezember 1997 zugestellten Beschluß richtet sich die am 23. Dezember 1997 beim Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3, mit der er sein Genehmigungsbegehren weiterverfolgt. Er tritt der Auffassung des Landwirtschaftsgerichts unter Hinweis auf die Vertragsfreiheit und die Eigentumsgarantie entgegen. Wegen der Einzelheiten seiner Begründung wird auf den Inhalt der Beschwerdeschrift Bezug genommen.
Der Senat hat die Grundakten von ... Blatt ... beigezogen und die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Hannover vom 10. Februar 1998, auf die verwiesen wird, eingeholt.
II.
Der Beteiligte zu 3 hat mit seiner zulässigen - und insbesondere fristgerecht eingelegten - sofortigen Beschwerde keinen Erfolg. Denn den Beteiligten ist die Genehmigung des Übergabevertrages vom 16. Dezember 1996 zutreffend versagt worden.
Ein Hofübergabevertrag ist im gerichtlichen Genehmigungsverfahren lediglich darauf zu überprüfen, ob Versagungsgründe nach der Höfeordnung oder nach dem Grundstücksverkehrsgesetz vorliegen, die hier beide zu bejahen sind.
Ein höferechtlicher Versagungsgrund ist darin zu sehen, daß der Hof durch die Rückübertragung des 8,0050 ha großen Flurstücks 43/16 der Flur 15 der Gemarkung ... mit der Hofstelle auf ihn bei einem Verstoß des Beteiligten zu 3 gegen § 4 des Übergabevertrages zerschlagen wäre. Der Beteiligte zu 3 würde dann nur noch gut 25 ha landwirtschaftlicher Fläche haben und stände ohne Hofstelle sowie mit einem Drittel weniger Land da. Eine solche Aufsplitterung wäre aber grob höfeordnungswidrig und würde zum Ende des Hofes führen. Die Hoferbenstellung des Beteiligten zu 3, der infolge der Verpachtung des Anwesens an ihn ("seit längerem") und damit durch die Übertragung der Bewirtschaftung bereits formlos zum Hoferben bestimmt worden ist (§ 6 Abs. 1 S. 1 HöfeO), würde im Kern ausgehöhlt und faktisch beseitigt werden.
Die Hofübergabe an den Beteiligten zu 3 - nach Maßgabe des Übertragungsvertrages vom 16. Dezember 1996 - würde auch zu einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden nach § 9 Abs. 1 Ziffer 1 GrdstVG führen. Wegen der vertraglichen Regelung unter § 4 wären nämlich nachteilige Auswirkungen auf die Agrarstruktur zu besorgen (§ 9 Abs. 2 GrdstVG). Davon müßte ausgegangen werden, da die Beteiligten zu 1 und 2 über ihre Zustimmung insbesondere bei einer Belastung des Flurstücks 43/16 und damit zur Aufnahme von Krediten - beispielsweise für Investitionen - auch künftig Einfluß auf die Betriebsführung nehmen könnten. Mit den vom Beteiligten zu 3 zu übernehmenden Schulden, die noch zur Höhe von ca. 180.000 DM valutieren, sind nur die übrigen Ländereien belastet und nicht das wertvolle Flurstück 43/16 mit der Hofstelle. Die Investitionsfreude und die unternehmerischen Entscheidungen des Beteiligten zu 3 könnten beeinträchtigt werden, wenn er sich erst mit den Eltern abstimmen und ihre Zustimmung unter Umständen über das Gericht erlangen müßte. Ein landwirtschaftlicher Unternehmer muß heute aber möglichst frei in seinen Entscheidungen sein, um seinen Betrieb erfolgreich zu führen, zumal die europäische Landwirtschaftspolitik im Hinblick auf die angestrebte Erweiterung der Europäischen Union im Umbruch ist. Würden die Beteiligten zu 1 und 2 von der ihnen eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, sich eine Rückauflassungsvormerkung ins Grundbuch eintragen zu lassen, könnten Kreditgeber abgeschreckt werden, dem Beteiligten zu 3 überhaupt ein Darlehen zu gewähren, da sie eine Zerschlagung des Hofes in Betracht ziehen und Zins- und Tilgungsleistungen als gefährdet ansehen könnten.
Die Bestimmungen der Höfeordnung und des Grundstücksverkehrsgesetzes beinhalten eine zulässige Einschränkung der Testier- und Vertragsfreiheit im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums. Der Senat sieht hier das durch Artikel 14 Grundgesetz gewährleistete Eigentums- und Erbrecht - auch unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Beteiligten - aber nicht als verletzt an
Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens ergeht nach den §§ 34 Abs. 1, 44 Abs. 1 LwVG. Der Beteiligte zu 3 hat die ihm im Beschwerdeverfahren erwachsenen Kosten selbst zu tragen. Den übrigen Beteiligten sind insoweit offensichtlich keine Kosten entstanden, so daß eine Anordnung nach § 45 LwVG nicht notwendig ist.
Die Voraussetzungen des § 24 LwVG für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Die Sache hat weder in rechtlicher noch in allgemein wirtschaftlicher Hinsicht grundsätzliche Bedeutung.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 484.400 DM. Der Geschäftswert ist gemäß den §§ 34 Abs. 2 LwVG, 19 S. 1 Buchst. a HöfeVO, 19 Abs. 4 KostO festgesetzt worden.