Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.11.2023, Az.: 8 B 465/23

Abschiebungsandrohung; Asyl; Georgien; Offensichtlichkeitsurteil; wirtschaftliche Gründe; Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsandrohung nach Georgien: keine ernstlichen Rechtmäßigkeitszweifel bei unsubstantiierem und widersprüchlichem Vorbringen; Offensichtlichkeitsurteil - Austausch der rechtlichen Begründung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
28.11.2023
Aktenzeichen
8 B 465/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 46595
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2023:1128.8B465.23.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bleiben die Schilderungen der Antragsteller hinsichtlich der behaupteten Verfolgung auch auf Nachfrage durch das Bundesamt vage und pauschal, ohne Angaben zu den genauen Verfolgungshandlungen oder den Verfolgungsakteuren zu enthalten, oder widersprechen sich die Angaben von gemeinsam ausgereisten Antragstellern in wesentlichen fluchtrelevanten Aspekten, kommt die Zuerkennung von internationalem Schutz offensichtlich (§ 30 Abs. 1 AsylG) nicht in Betracht.

  2. 2.

    Das Bundesamt darf Schutzanträge auch dann als offensichtlich unbegründet ablehnen, wenn - selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens - die Zuerkennung von internationalem Schutz aus rechtlichen Gründen erkennbar ausscheidet (etwa wegen der bestehenden Schutzbereitschaft des Staates vor nichtstaatlicher Verfolgung).

  3. 3.

    Um ein Offensichtlichkeitsurteil auf § 30 Abs. 2 AsylG zu stützen, muss sich aus dem Vorbringen der Antragsteller eindeutig und zweifelsfrei ergeben, dass diese ihr Herkunftsland unverfolgt und alleine aus wirtschaftlichen Gründen oder einer sonstigen allgemeinen Notlage verlassen haben.

  4. 4.

    § 30 Abs. 2 AsylG entbindet das Bundesamt von weiteren Ausführungen zur offensichtlichen Unbegründetheit, wenn die Ausreise aus wirtschaftlichen Gründen im Bescheid dargelegt wird. Führt das Bundesamt aber zusätzlich aus, weshalb auch die Voraussetzungen aus § 30 Abs. 1 AsylG vorliegen, ist das Offensichtlichkeitsurteil im Ergebnis nicht zu beanstanden, selbst wenn das Regelbeispiel aus § 30 Abs. 2 AsylG nach gerichtlicher Einschätzung nicht einschlägig ist.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsandrohung nach Georgien.

Die Antragsteller, georgischer Staats- und Volksangehörigkeit christlich-orthodoxen Glaubens, reisten nach eigenen Angaben am 19. Juli 2023 aus ihrem Herkunftsstaat Georgien aus und am 21. Juli 2023 über den Landweg in das Gebiet der Antragsgegnerin ein. Am 9. August 2023 stellten sie Asylerstanträge. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) befragte die Antragsteller zu 1. und 2. am 5. September 2023 zu ihren Asylgründen.

Der Antragsteller zu 1. gab an, es seien letzter Zeit sehr viele Russen nach Georgien gekommen und die derzeitige georgische Regierung sei pro-russisch orientiert. Er habe 2008 im Georgien-Krieg Militärdienst geleistet und sich 2014 freiwillig der Gruppierung K. angeschlossen, die gemeinsam mit der ukrainischen Armee versucht habe, die russische Annexion ukrainischer Teilgebiete zu verhindern. Seit seiner Rückkehr nach Georgien im Jahr 2015 habe er keine richtige Arbeit mehr bekommen und sei "überall blockiert" worden. Die Information, dass er 2008 und 2014 Militärdienst geleistet habe, sei über das Internet an Russland weitergegeben worden, weshalb er in Gefahr sei. Die georgische Polizei habe ihn belästigt und ihn aufgefordert, der Regierungspartei beizutreten. Im August 2022 habe er an einer regierungskritischen Demonstration teilgenommen, bei der er verletzt worden sei. "Die" hätten einen Molotowcocktail auf ihn geworfen, weshalb er eine Verbrennung vierten Grades am Bein erlitten habe. Bereits im Juli 2022 habe er Probleme mit der georgischen Polizei bekommen, da er nur eine ukrainische Fahrerlaubnis habe und die Polizisten ihm vorgeworfen hätten, keinen in Georgien gültigen Führerschein zu haben. Ausgereist sei er, weil sehr viele Russen ins Land gekommen seien und die Polizisten ihn und seine Familie wöchentlich belästigt hätten. Befragt danach, was er bei einer Rückkehr nach Georgien befürchte, gab der Antragsteller zu 1. an, er befürchte, von Russen umgebracht zu werden.

Die Antragstellerin zu 2. schilderte, belästigt und eingeengt zu werden. Ihr Ehemann - der Antragsteller zu 1. - habe aufgrund seiner militärischen Einsätze in Georgien keine vernünftige Arbeit bekommen. Während des Militäreinsätze ihres Ehemannes 2014 in der Ukraine sei sie von männlichen Personen belästigt worden. Ständig sei bei ihnen angerufen worden und "die" seien zu ihnen nach Hause gekommen. Der letzte diesbezügliche Vorfall sei im Jahr 2015 gewesen. Ihr Ehemann werde weiterhin ständig belästigt, "die" würden ihn immer mitnehmen und befragen. Der letzte Vorfall seien etwa zwei Wochen vor der Ausreise gewesen; genaueres habe sie aber nicht mitbekommen. Sie selbst habe gesundheitliche Probleme, ihre Schilddrüse sei verkleinert. Diesbezüglich sei sie seit sechs Jahren in Georgien in Behandlung. Ihr gesundheitlicher Zustand sei wirklich schlecht und ihre Kinder - die Antragsteller zu 3. und 4. - würden darunter leiden.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 3. November 2023 die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Ziffern 1 - 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), forderte die Antragsteller auf, dass Bundesgebiet innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung verlassen und drohte für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Georgien an (Ziffer 5). Zugleich befristete es das angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Zur Begründung führte es aus, die Anträge auf Asylanerkennung und Zuerkennung von internationalem Schutz seien als offensichtlich unbegründet abzulehnen gewesen, da die Voraussetzungen offensichtlich nicht vorlägen. Soweit der Antragsteller zu 1. vorgetragen habe, von der georgischen Polizei belästigt worden zu sein, habe er eine Bedrohung durch die Polizei oder Regierung nicht hinreichend substantiieren können, sodass keine Verfolgungsmaßnahme im Sinne des §§ 3, 3a AsylG vorliege. Soweit er befürchte, durch russische Staatsangehörige in Georgien verfolgt werden, seien ihm bislang keine Verfolgungshandlungen widerfahren. Im Übrigen sei er auf den hinreichenden staatlichen Schutz in Georgien zu verweisen (§ 3d AsylG). Insoweit dränge sich der Eindruck auf, die Antragsteller hielten sich lediglich aus wirtschaftlichen Gründen im Bundesgebiet auf, sodass der Antrag gemäß § 30 Abs. 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen gewesen sei. Abschiebungsverbote bestünden ebenfalls nicht. Die derzeitigen humanitären Verhältnisse in Georgien seien nicht so gravierend, um die hohen Anforderungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK zu erfüllen. Die Antragstellerin zu 2. könne ihre Schilddrüsenerkrankung ebenfalls - wie bereits in der Vergangenheit geschehen - in Georgien behandeln lassen, sodass auch ein gesundheitsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vorliege. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Begründung wird analog § 77 Abs. 3 AsylG auf die Ausführungen in dem Bescheid Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid - den Antragstellern am 8. November 2023 zugestellt - haben sie am 15. November 2023 Klage erhoben (8 A 464/23) und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung des Eilantrags machen die Antragsteller über ihre Verfahrensbevollmächtigte geltend, die Ablehnung der Schutzanträge als offensichtlich unbegründet sei rechtswidrig. Der Antragsteller zu 1. habe eine staatliche Verfolgung durch die georgische Polizei geltend gemacht, die zudem eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte sei, wie sich aus der erlittenen Verbrennung und der systematischen psychischen Gewaltanwendung ergebe. Diese Verfolgungshandlungen würden an individuelle Verfolgungsgründe aus § 3b AsylG anknüpfen.

Die Antragsteller beantragen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 15. November 2023 gegen die Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. November 2023 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen,

und bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen elektronischen Verwaltungsvorgang des Bundesamtes Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, über den der Einzelrichter entscheidet (§ 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG), bleibt ohne Erfolg.

1. Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft, da die angegriffene Abschiebungsandrohung ein belastender Verwaltungsakt i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG ist, gegen den der Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 75 Abs. 1 AsylG), und auch zulässig, weil binnen der Wochenfrist (§ 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) gestellt.

2. Der Antrag ist allerdings zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AsylG) unbegründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zu einer endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben (Aussetzungsinteresse), das öffentliche Interesse an dessen Vollziehung (Vollzugsinteresse) überwiegt. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG den gerichtlichen Prüfungsmaßstab entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 16a Abs. 4 Satz 1 AsylG bereits näher ausgestaltet hat. Die Aussetzung der Abschiebung darf demnach nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen (vgl. hierzu und zur Frage des Gegenstandes der gerichtlichen Prüfung BeckOK AuslR/Pietzsch, 38. Ed. 1.1.2023, AsylG § 36 Rn. 36 m. w. N.). Ernstliche Zweifel liegen nur dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 -, juris Rn. 99).

Gemessen an diesen Maßstäben, überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse an der Abschiebungsandrohung das private Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Die Abschiebungsandrohung wird sich aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen und unterliegt demnach keinen ernstlichen Rechtmäßigkeitszweifeln.

a) Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG, 59 AufenthG. Danach erlässt das Bundesamt eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, ihm nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, ihm kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen und er keinen Aufenthaltstitel besitzt. Ernstliche Zweifel an dem Vorliegen dieser Voraussetzungen bestehen nach Aktenlage nicht. Insoweit nimmt der Einzelrichter zunächst gemäß § 77 Abs. 3 AsylG auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid und stellt fest, dass er diesen folgt. Lediglich ergänzend ist hinsichtlich der Zuerkennung von internationalem Schutz (§ 3 Abs. 4 u. 1 bzw. § 4 Abs. 1 AsylG, vgl. § 1 Abs. 2 AsylG) Folgendes anzumerken:

Hinsichtlich der vorgetragenen Belästigungen durch die georgische Polizei - einem grundsätzlich tauglichen Verfolgungsakteur gemäß § 3c Nr. 1 AsylG - kommt die Zuerkennung von internationalem Schutz voraussichtlich schon allein deshalb nicht in Betracht, weil die Antragsteller zu 1. und 2. das Verfolgungsverhalten nur unspezifisch als "Belästigungen durch Telefonanrufe" und "zum Haus kommen" bezeichnet und auch trotz mehrmaliger Nachfragen durch das Bundesamt nicht näher spezifiziert haben. Damit ergibt sich insoweit keine eine Furcht begründende Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG. Daneben ist für den Einzelrichter ein erkennbarer Widerspruch zwischen den Schilderungen der Antragsteller zu 1.und 2. in ihren persönlichen Anhörungen augenfällig. Während die Antragstellerin zu 2. vermehrt beteuert hat, der Antragsteller zu 1. sei "mitgenommen" und befragt worden, hat der Antragsteller zu 1. Mit keiner Silbe erwähnt, von seinen Verfolgern "mitgenommen" oder befragt worden zu sein. Dieser Widerspruch, der zugleich einen Kernbestandteil des angeblich fluchtauslösenden Geschehens betrifft, tritt eigenständig neben die unsubstantiierten Darstellungen und steht einer Zuerkennung von internationalem Schutz aller Voraussicht nach entgegen. Soweit in der Antragsbegründung nunmehr die Ansicht geäußert wird, diese Belästigung sei eine Verfolgung durch die Anwendung psychischer Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG), fehlt es weiterhin an der Darlegung der erforderlichen Schwere der damit einhergehenden Beeinträchtigung. Ein nur allgemein umschriebenes Gefühl von Einengung und Belästigung, wie von den Antragstellern in ihrer persönlichen Anhörung umschrieben, erreicht erkennbar nicht das flüchtlingsschutzrelevante Maß. Die Antragsbegründung hat insoweit nichts Ergänzendes vorgetragen.

Das verhängte Bußgeld gegen den Antragsteller zu 1. wegen des Führens eines Fahrzeugs ohne georgischen Führerschein ist in Ermangelung von Anhaltspunkten für einen diskriminierenden Charakter oder sonstige Unverhältnismäßigkeit ebenfalls keine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 2 und 3 AsylG, sondern ist sogar möglicherweise zu Recht erfolgt. Zudem hat der Antragsteller zu 1. selbst angeben, dieses Ereignis sei nicht fluchtauslösend gewesen.

Mit dem geltend gemachten Wurf eines Molotowcocktails und der damit einhergehenden Verbrennung vierten Grades beim Antragsteller zu 1. dürfte zwar eine Verfolgungshandlung nach §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG im Raum stehen, jedoch lässt sich dem Sachvortrag nicht entnehmen, dass diese Handlung durch staatliche Akteure ausgeführt worden sein soll. So hat der Antragsteller zu 1. lediglich vage und ungenau formuliert, bei der Demonstration im August 2022 hätten "die" ihn mit einem Molotowcocktail beworfen und "da" sei er am Fuß verletzt worden (S. 5 des Anhörungsprotokolls). Eine eindeutige Zuordnung zu Angehörigen der georgischen Sicherheitsbehörden ergibt sich hieraus nicht. Im Übrigen würde es an der erforderlichen Kausalität zwischen der behaupteten Verfolgung und der Ausreise fehlen, da die Demonstration bereits im August 2022 stattgefunden haben soll, die Antragsteller aber erst im Juli 2023 ihr Heimatland Georgien verlassen haben.

Soweit der Antragsteller zu 1. daneben eine Furcht vor Verfolgung durch russische Staatsangehörige in Georgien geltend macht, ist er - unabhängig von der Glaubhaftigkeit seiner Furcht wegen vermeintlich auf Rache sinnenden Russen nach seiner Beteiligung am Ukraine-Krieg 2014 - auf den grundsätzlich bestehenden und wirksamen Schutz des georgischen Staates im Sinne des § 3d AsylG vor nichtstaatlicher Verfolgung nach § 3c Nr. 3 AsylG zu verweisen (vgl. auch Beschluss des Einzelrichters vom 13. Juli 2023 - 8 B 286/23 -, juris Rn. 11 ff., 23 ff. m. w. N.). Anhaltspunkte für eine Schutzunwürdigkeit oder -unfähigkeit im Einzelfall bestehen nicht. Selbst wenn die Antragsteller wegen der behaupteten Verfolgung durch Mitglieder der georgischen Polizei Zweifel an der Wirksamkeit der Schutzgewährleistung durch die georgische Polizei haben, wäre es ihnen möglich und zumutbar, zunächst zu versuchen, dort Schutz zu erhalten oder im Fall der konkreten Schutzverweigerung sich an eine übergeordnete Dienststelle oder im Zweifel die Ombusperson zu wenden.

b) Auch das getroffene Offensichtlichkeitsurteil ist - im Ergebnis - nicht zu beanstanden. Zwar bestehen unter Berücksichtigung des derzeitigen Sachstandes keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme des Bundesamtes, die Antragsteller hielten sich ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen im Bundesgebiet auf, sodass ihre Schutzanträge gemäß § 30 Abs. 2 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen gewesen seien. Jedoch rechtfertigen das Vorbringen der Antragsteller und die objektive Sachlage in Georgien die Ablehnung der Schutzanträge als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 1 AsylG.

Nach § 30 Abs. 2 AsylG ist ein Asylantrag insbesondere dann offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Dabei handelt es sich um ein Regelbeispiel der offensichtlichen Unbegründetheit im Sinne von § 30 Abs. 1 AsylG, bei dem der Gesetzgeber bereits auf normativer Ebene die Wertung vorgenommen hat, dass das Asylbegehren von vornherein als irrelevant ist (vgl. BeckOK AuslR/Heusch, 38. Ed. 1.7.2023, AsylG § 30 Rn. 28). Eine qualifizierte Ablehnungsentscheidung nach Maßgabe dieser Norm ist nur dann zulässig, wenn neben den dort genannten Aufenthaltsmotiven keine asylrechtlich relevanten vorgetragen oder sonst ersichtlich sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. September 2001 - 2 BvR 1392/00 -, juris Rn 22; vgl. aus der jüngeren Rspr.: VG Bremen, Beschluss vom 6. April 2023 - 7 V 2210/22 -, juris Rn. 4). Ausgehend hiervon durfte das Bundesamt seine Offensichtlichkeitsentscheidung nicht auf § 30 Abs. 2 AsylG stützen. Aus dem Vorbringen der Antragsteller ergibt sich weder ausdrücklich noch konkludent, dass sie sich ausschließlich aus wirtschaftliche Gründen oder zur Vermeidung einer allgemeinen Notsituation im Bundesgebiet aufhalten, sondern sie haben eine Vielzahl von anderen - möglicherweise im Ergebnis nicht durchgreifenden, die aber doch einen Bezug zum Flüchtlingsschutz aufweisenden - Gründe in ihrer persönlichen Anhörung vorgebracht. Eine wirtschaftliche oder allgemeine Notlage ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Ob im Rahmen von § 30 Abs. 2 AsylG ausschließlich auf das Asylgesuch abzustellen ist (so VG Bremen, Beschluss vom 6. April 2023 - 7 V 2210/22 -, juris Rn. 4) oder auch auf die objektive Sachlage im Herkunftsland herangezogen werden kann (so BeckOK AuslR/Heusch, 38. Ed. 1.7.2023, AsylG § 30 Rn. 28), kann hier offenbleiben, da weder dem ausdrücklichen Asylgesuch der Antragsteller ein wirtschaftliches Ausreisemotiv entnommen werden kann, noch der Sachverhalt und die Lage im Herkunftsland Georgien ausschließlich die in § 30 Abs. 2 Asyl genannten Motive als wahrscheinlich fluchtauslösend erscheinen lassen. Für die in dem Bescheid geäußerten Vermutung, die Antragsteller hielten sich aus wirtschaftlichen Gründen im Bundesgebiet auf (S. 6 des Bescheides), fehlt es an greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkten.

Das Bundesamt hat jedoch neben § 30 Abs. 2 AsylG in seiner Entscheidung ebenfalls einleitend angeführt, dass § 30 Abs. 1 AsylG die Ablehnung als offensichtlich unbegründet tragen würde (vgl. S. 3 des Bescheides). Gemäß § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Das ist der Fall, wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellung vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannte Rechtsauffassung sich die Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (so zu einer offensichtlich unbegründeten Asylklage: BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2000 - 2 BvR 1429/98 -, juris Rn. 3) oder wenn der Asylbegehren der nur Umstände vorgebracht hat, die für die Frage, ob er als Flüchtling oder Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, nicht von Belang sind (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 26. Januar 2023 - 39 L 610/22 A -, juris Rn. 4). Diese Voraussetzungen liegen wiederum vor. Wie bereits zuvor ausgeführt, ist der Sachvortrag der Antragsteller zum einen in tatsächlicher Hinsicht zu unsubstantiiert und widersprüchlich, um eine begründete Furcht vor Verfolgung (§ 3 Abs. 1 AsylG) bzw. einen drohenden ernsthaften Schaden (§ 4 Abs. 1 AsylG) für beachtlich wahrscheinlich erscheinen zu lassen; zum anderen scheiden Schutzansprüche aus rechtlichen Gründen wegen der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des georgischen Staates (§ 3d AsylG i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG) aus. Gerade der Umstand, dass die Antragsteller nicht einmal vermocht haben, konkrete Verfolgungs- bzw. Gefährdungshandlungen durch einen tauglichen Akteur nachvollziehbar zu schildern und daneben nach nahezu einhelliger Rechtsprechung der georgische Staat Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung bietet (siehe nur VG Hannover, Urteil vom 13. Januar 2022 - 1 A 7272/17 -, juris; VG Göttingen, Urteil vom 20. Juni 2022 - 2 A 116/18 -, juris; VG Ansbach, Urteil vom 22. Juli 2021 - AN 4 K 19.30253 -, juris; VG Hannover, Beschluss vom 11. Mai 2023 - 1 B 5308/22 - S. 5 f. EA - n. v.; VG Stade, Beschluss vom 7. November 2022 - 3 B 1543/22 - S. 4 ff. EA, n. v.; VG Göttingen, Beschluss vom 16. November 2022 - 2 B 237/22- S. 3 f. EA, n. v.; VG Oldenburg, Beschluss vom 26. Januar 2023 - 7 B 4054/22- S. 6 f. EA, n. v.), drängt sich die Ablehnung der Schutzanträge als offensichtlich unbegründet geradezu auf.

Dass das Bundesamt in seinem Bescheid vorwiegend auf § 30 Abs. 2 AsylG abgestellt hat, hätte Einzelrichter für im Ergebnis unbeachtlich. Bei § 30 Abs. 2 AsylG handelt es sich nur ein Regelbeispiel eines offensichtlich unbegründeten Schutzantrages, was das Bundesamt - soweit es die wirtschaftlichen Motive festgestellt hat - im konkreten Fall von einer weiteren Begründung für die Evidenz der Unbegründetheit befreit (vgl. BeckOK AuslR/Heusch, 38. Ed. 1.7.2023, AsylG § 30 Rn. 27). Das Bundesamt hat sich in dem angefochtenen Bescheid aber nicht lediglich auf die (wohl nicht vorliegenden) wirtschaftlichen Aufenthaltsmotive zurückgezogen, sondern daneben auch ausführlich gewürdigt, weshalb kein Anspruch auf internationalen Schutz besteht und explizit auch § 30 Abs. 1 AsylG angeführt. Bei einer solchen Sachlage handelt es sich auch nicht um einen (hinsichtlich seiner Zulässigkeit streitigen) gerichtlichen Austausch der rechtlichen Begründung, sondern das Bundesamt hat seine Entscheidung auf zwei eigenständige Erwägungen gestützt, von denen zumindest eine der gerichtlichen Überprüfung standhält.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.