Landgericht Braunschweig
Urt. v. 30.12.2004, Az.: 8 KLs 33/04

Verurteilung wegen zweifachen Menschenhandels in Tateinheit mit zweifacher Beihilfe zur Ausbeutung von Prostituierten und vorsätzlicher Körperverletzung

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
30.12.2004
Aktenzeichen
8 KLs 33/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 34651
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2004:1230.8KLS33.04.0A

Verfahrensgegenstand

Schwerer Menschenhandel

In der Strafsache
hat die 8. große Strafkammer des Landgerichts in Braunschweig
in den Sitzungen vom 9., 13., 18., 24., 26. August, 2., 3., 10., 14., 24. September, 21. Oktober, 3., 17. November, 1., 8., 15. und 22. Dezember 2004,
an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Landgericht als Vorsitzender
Richterin am Landgericht als beisitzende Richterin
Staatsanwalt Staatsanwalt Oberstaatsanwalt als Beamte der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt als Verteidiger
Justizangestellte Justizangestellte als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle
am 22. Dezember 2004
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen zweifachen Menschenhandels in Tateinheit mit zweifacher Beihilfe zur Ausbeutung von Prostituierten und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der verhängten Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die die den Nebenklägerinnen entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

1

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)

2

I.

Der Angeklagte ist in Bielefeld geboren und zunächst aufgewachsen. Er hat dort die Grundschule besucht. Von 1985 bis Februar 1989 hat er in der Türkei gelebt und ist dort zur Schule gegangen. Nach seiner Rückkehr nach Bielefeld hat er noch 3 Jahre lang die Hauptschule besucht, die er mit dem Hauptschulabschluss verlassen hat. Im August 1992 hat er eine Ausbildung als Gas- und Wasserinstallateur begonnen. Diese hat er nach 10 Monaten abgebrochen, weil er Probleme in der Schule und mit der deutschen Sprache hatte.

3

Im August 1993 hat der Angeklagte in der Türkei seine Ehefrau geheiratet. Mit ihr hat er ungefähr 4 Jahre lang bei den Eltern in Deutschland gelebt. Sein Vater war bei ... in der Produktion, seine Mutter als Putzfrau in einem Krankenhaus beschäftigt. Er selbst hatte keine Arbeit.

4

Etwa 1995/96 ist er mit seiner Ehefrau in eine eigene Wohnung gezogen. Von April 1996 bis April 1998 hat er bei der Firma ... als Springer gearbeitet. Dann ging die Firma in Konkurs. In der Folgezeit hat er bei Zeitarbeitsfirmen verschiedene Tätigkeiten ausgeübt, zuletzt hat er von April bis etwa September 2004 in einem italienischen Restaurant in Bielefeld gearbeitet.

5

Mit seiner Ehefrau hat er eine am 18.11.1994 geborene Tochter. Eine weitere, am 18.12.2000 geborene Tochter hat er mit seiner Lebensgefährtin, zu der er seit 8 Jahren eine Beziehung unterhält. Nach seinen Angaben lebt er sowohl mit ihr als auch mit seiner Ehefrau zusammen, hält sich aber überwiegend bei seiner Freundin auf.

6

Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang nicht in Erscheinung getreten.

7

Im vorliegenden Verfahren hat er sich vom 03.03. bis 01.04.2004 sowie vom 01.12. bis zum 22.12.2004 in Untersuchungshaft befunden.

8

II.

Der Angeklagte kannte aus einem türkischen Verein in Bielefeld die vormals Mitangeklagten, nunmehr gesondert verfolgten A. und O.. Diese betrieben in G. in den Räumlichkeiten der "..." ein Bordell, um sich mit den Einnahmen daraus eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. In dem Bordell gingen ausländische Frauen der Prostitution nach. Diese durften das Bordell zum überwiegenden Teil nicht eigenständig verlassen und mussten nach von den gesondert verfolgten A. und O. festgesetzten und durch diese oder durch von ihnen beauftragte Personen kontrollierten Zeiten, Preisen und Leistungen arbeiten. Ihre Entgelte mussten sie an A. und O. abführen. Sie erhielten lediglich geringe Beteiligungen, im Einzelfall sogar keinerlei Entgelt. Eine eigenständige Auswahl der Kunden stand den Frauen nicht zu, die Art der Bekleidung war ihnen vorgegeben. Neben dem Herbeiführen des Zustandes finanzieller Mittellosigkeit wurden die der deutschen Sprache überwiegend nicht mächtigen Frauen durch Drohungen und vereinzelte Schläge zur Fortführung der Prostitution gezwungen.

9

Unter anderem mussten sich die 23-jährige Ukrainerin K. vom 08.08. bis 26.09.2003 und die gerade 18 Jahre alte Litauerin S. vom 24. bis 26.09.2003 nach den oben beschriebenen Regeln gegen ihren Willen prostituieren. Der Angeklagte und die gesondert verfolgten A. und O. wussten, dass Frau S. noch keine 21 Jahre alt war.

10

Bei Abwesenheit der Bordellbetreiber A. und O. wies der Angeklagte die Geschädigten an, pünktlich zu erscheinen, sich zu schminken und aufreizend zu kleiden. Er erläuterte ihnen die Verhaltensregeln gegenüber den männlichen Gästen und wies sie an, diese Regeln einzuhalten. Bei Nichteinhaltung der Regeln wirkte er auf die Geschädigten ein. Unter anderem schlug er der Geschädigten S. in einem Fall mit einem Flaschenöffner auf die Oberlippe, nachdem sich ein Kunde über ihre Arbeitsweise beschwert hatte. Die Zeugin S. erlitt durch diesen Schlag eine Platzwunde, von der eine deutliche sichtbare Narbe an der Oberlippe verblieben ist. Der Angeklagte fungierte damit als dritter "Chef", der den Prostituierten aus eigener Machtvollkommenheit Anweisungen erteilte.

11

III.

Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten und der Ergebnis der Beweisaufnahme im Übrigen.

12

Der Angeklagte hat sich danach schuldig gemacht, wie erkannt.

13

Die zu verhängende Strafe war dem Strafrahmen des § 180 b Abs. 2 StGB zu entnehmen. Bei der Bemessung der konkreten Strafe hat die Kammer nach den Grundsätzen des § 46 StGB alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände umfassend berücksichtigt.

14

Zu seinen Gunsten ist insbesondere sein Geständnis gewertet worden, welches auch nach Durchführung der Beweisaufnahme über einen längeren Zeitraum schwer wiegt. Für ihn sprach außerdem, dass er bislang nicht bestraft ist, in dem Bordell nur kurze Zeit tätig war, im Milieu nicht fest verhaftet ist und sich zwei Mal, wenn auch jeweils für einen kürzeren Zeitraum- in Untersuchungshaft befunden hat.

15

Zu seinen Lasten musste sich auswirken, dass er den Tatbestand des Menschenhandels zweifach verwirklicht hat und tateinheitlich der zweifachen Beihilfe zur Ausbeutung von Prostituierten sowie der vorsätzlichen Körperverletzung in einem Fall schuldig ist.

16

Danach erschien eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten angemessen, aber auch ausreichend.

17

Die Vollstreckung der verhängten Strafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden. Die besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB ergeben sich aus den positiven Strafzumessungsgesichtspunkten. Es ist auch zu erwarten, dass der Angeklagte, der bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, unter dem Eindruck dieses Verfahrens und der verbüßten Untersuchungshaft in Zukunft keine Straftaten mehr begehen wird.

18

IV.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 465, 472 StPO.